Der schändliche Skandal Heine-Platen - Gerd Scherm - E-Book

Der schändliche Skandal Heine-Platen E-Book

Gerd Scherm

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Beschreibung

Obwohl sich die beiden nie begegnet sind, lieferten sie sich ein Duell mit weitreichenden Folgen: Heinrich Heine und August Graf von Platen. Ihre Waffe waren die Feder und die gegenseitigen Verletzungen gravierend. Der Dichterstreit zwischen Heine und Platen gilt bis heute als einer der skandalösesten der deutschen Literaturgeschichte. Am Ende standen beide als Verlierer da: Heine galt als vulgärer Nestbeschmutzer und ging nach Frankreich, Platen wagte sich kaum noch aus Italien nach Deutschland. Es geht in diesem Stück von Gerd Scherm um viel mehr als den augenfälligen Konflikt zwischen dem konvertierten Juden Heine und dem homosexuellen Grafen. Es ist das Aufeinanderprallen von Welt(an)sichten, von tiefen, persönlichen Überzeugungen, von unterschiedlichen Auffassungen, was Literatur kann und soll. Es ist eine Kontroverse von Lebensentwürfen, von Klassizismus und überwundener Romantik, von ironischem Rebellen und dünkelhaftem Adeligen und es wirft die Grundfrage aller Dichter auf: Was bleibt?

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Der schändliche Skandal Heine-Platen

Schauspiel von Gerd Scherm

Books on Demand

Inhalt

Die Personen

Ausstattung & Hintergrund

Das Drama

Zeittafel

Quellen

Der Autor: Gerd Scherm

Anhang

Personen:

Heinrich Heine

* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf, Herzogtum Berg;

† 17. Februar 1856 in Paris

August Graf von Platen

eigentlich Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde

* 24. Oktober 1796 in Ansbach, Fürstentum Brandenburg-Ansbach und Bayreuth;

† 5. Dezember 1835 in Syrakus, Königreich beider Sizilien

Ort der Handlung:

Im Limbus, im Irgendwo zwischen Raum und Zeit

Ausstattung:

Zwei Betten („Matratzengruft“ für Heine, Diwan mit Kissen für Platen), ein Bärenfell mit Kopf für Heine, eventuell zwei Stehpulte, ein großer Ankleidespiegel, zwei Duellpistolen, ein transportabler u. wieder beschreibbarer Grabstein für Platen – alternativ: Platen beschriftet immer neue Grabsteine, so dass sich im Lauf des Stücks mehr und mehr Epitaphe auf der Bühne ansammeln – quasi ein „Platen-Zitat-Friedhof“.

Hintergrund:

1827–1829 kam es zu einem Dichterstreit zwischen Heine und Platen, der bis heute als einer der skandalösesten der deutschen Literaturgeschichte gilt. Ausgehend von der Kritik Heines und Immermanns an Platens streng formalistischen Stil und dessen unreflektierter Aneignung persischer Ghaselen, eskalierte die gegenseitige Polemik: Platen beschimpfte Heine als „Synagogenstolz“, „den herrlichen Petrark des Laubhüttenfestes“ und „nach Knoblauch stinkend“; Heine thematisierte im Gegenzug Platens Homosexualität und zog sie ins Lächerliche. Wobei man festhalten muss, dass Platen als erster das Thema gleichgeschlechtlicher Liebe einbrachte, indem er Immermann und Heine ein Verhältnis unterstellte. Außerdem hatten Heine und Platen die Befürchtung, dass der Verleger Cotta den jeweils anderen für seine Bücher besser bezahlt.

Am Ende standen beide als Verlierer da: Heine galt als vulgärer Nestbeschmutzer und ging nach Frankreich, Platen wagte sich aus Italien kaum noch nach Deutschland.

Zum Stück:

Es ist eine "nach-todliche" Szenerie. Die Dialoge, gewürzt mit Zitaten aus den Werken der beiden (hauptsächlich Lyrik), holen etwas nach, was nie stattgefunden hat: Eine persönliche Begegnung der beiden Dichter.

Dazu ein paar Vertonungen (Schumann, Schubert, Brahms) in einer Szene.

Es kommt zwar fast zum posthumen Duell, doch ist das Stück nicht nur ein Hauen und Stechen, es gibt auch leisere Töne. Und auch, vor allem seitens Heine, Ironie. Der schlüpft manchmal in ein Fell und mimt zwischendurch seinen aufmüpfigen Tanzbären Atta Troll.

Es geht in diesem Stück um viel mehr als den augenfälligen Konflikt zwischen dem konvertierten Juden Heine und dem homosexuellen Grafen. Es ist das Aufeinanderprallen von Welt(an)sichten, von tiefen, persönlichen Überzeugungen, von unterschiedlichen Auffassungen, was Literatur kann und soll. Es ist eine Kontroverse von Lebensentwürfen, von Klassizismus und überwundener Romantik, von ironischem Rebellen und dünkelhaftem Adeligen und es wirft immer die Grundfrage aller Dichter auf: was bleibt von mir und meinem Werk?

Die Zitate aus den Werken von Heine, Platen und anderen Schriftstellern sind typographisch abgesetzt.

Zitat- und Quellennachweise am Ende des Manuskripts.

ANMERKUNG:

Platen verabscheute Dialekt!

Der Platen-Darsteller sollte auf keinen Fall fränkische Mundart sprechen.

VORSPIEL

Kann je nach Inszenierung entfallen!

(Die beiden Schauspieler betreten in Straßenkleidung die Bühne und ziehen sich hier um. Es soll für das Publikum erkennbar sein, dass hier zwei Schauspieler in ihre Rollen schlüpfen.)

SPIELER HEINESag‘ mal, ganz ehrlich, würdest Du nicht viel lieber den Heine spielen?

SPIELER PLATENWeiß nicht.

SPIELER HEINENun sag‘ schon! So unter uns.

SPIELER PLATENIch weiß es wirklich nicht.

SPIELER HEINEDu willst es nur nicht zugeben. Der Heine ist doch als Schriftsteller wesentlich bedeutender als der Platen. Der wird viel mehr gelesen. Wer liest heute noch Platen?

SPIELER PLATENWas willst Du mir damit sagen? Meinst Du, Du bist viel bedeutender als ich? Glaubst Du, Du bist der bessere Schauspieler? Nur weil Du schon mal an einem Staatstheater am Bühnenrand gestanden bist?

SPIELER HEINEUnsinn! Das hat damit gar nichts zu tun.

SPIELER PLATENNein, nein, das glaube ich Dir nicht.

SPIELER HEINEDas ist absoluter Unsinn. Das hat mit unserer Inszenierung hier nichts zu tun.

SPIELER PLATENDoch, doch, das hat es! Du denkst, weil Du die Rolle des Heine bekommen hast, bist Du der bessere Schauspieler. Du sagst: Wer kennt schon den August Graf von Platen?

SPIELER HEINESo habe ich das nicht gemeint. Aber Fakt ist, dass der Graf wesentlich weniger gelesen wird als Heine.Mir ging es nur um die Attraktivität der Rollen an sich.

SPIELER PLATENÜbrigens: der Hubert Fichte hat den Heine einmal als Aas bezeichnet! Nur damit Du mal weißt, was große Denker von Deinem Star-Dichter gehalten haben.Aber nun sag endlich, was Du gegen meine Rolle hast?

SPIELER HEINENichts habe ich gegen Deine Rolle. Der Platen ist schon interessant, so als Typ. Einer der ganz in der Poesie aufgeht – l’art pour l’art, Kunst nur um der Kunst willen. Warum nicht…

SPIELER PLATENHöre ich da nicht einen leisen geringschätzigen Unterton? Stören Dich etwa Platens homoerotische Neigungen?

SPIELER HEINEAlso bitte! Ich habe nichts gegen Schwule.Absolut nichts! Und gegen Adlige habe ich auch nichts, falls Du darauf hinaus willst.Dass Dein dichtender Graf schwul war, ist mir völlig egal.

SPIELER PLATENDann hast Du also etwas gegen mich persönlich? Woher diese Animositäten?

SPIELER HEINENun mach mal einen Punkt! Konzentrier Dich lieber auf Deine Arbeit!

SPIELER PLATENWer hat denn mit den Sticheleien angefangen? Du willst mir bloß meine Rolle madig machen. Du kannst doch Deinen Part so schlecht spielen, wie Du willst – in Deiner Judenrolle genießt Du immer Artenschutz. Da wagt Dich eh keiner zu kritisieren!

SPIELER HEINEBitte beruhige Dich! Wir machen beide nur unseren Job, und den machen wir gut.

SPIELER PLATENFindest Du?

SPIELER HEINEJa doch. Es passt schon so, wie es ist.

SPIELER PLATENSchön, dass Du das so siehst.

SPIELER HEINEIch kann ja auch nichts dafür, dass ich in diesem Stück die bessere Rolle bekommen habe. Allerdings, wenn man bedenkt, was und wo ich schon gespielt habe…

SPIELER PLATENVon wegen: Bessere Rolle!Beim Platen gibt es viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Der Heine ist doch inzwischen der große Held, zu dem alle aufschauen. Den kann jeder spielen! Der Platen ist mehr der legendäre Typ. Der früh Verstorbene. Live fast, die young!Wen die Götter lieben, den holen sie jung zu sich.

SPIELER HEINEAls Liebhaber? Platen ein Mundschenk der Götter?

SPIELER PLATENDu willst mich schon wieder provozieren.

SPIELER HEINEIch Dich provozieren? Nein, Du hast schon genug Adrenalin im Blut.Lass uns anfangen, Platen, man wartet auf uns!

SPIELER PLATENDas bekommst Du zurück! Du…Du Heine, Du!

1. SZENE: KINDHEIT, BILDER & WORTE

(Platen vor dem Spiegel, legt sich ein himmelblaues Tuch über den Kopf und nimmt ein Kissen in den Arm – so war seine Mutter immer mit ihm vor dem Spiegel gestanden oder gesessen: Madonna mit Kind. Immer wieder deutete sie auf den Knaben und sagte „süßes Kind“ – August hatte sein Liebesobjekt schon sehr früh gefunden, sich selbst in seinem Spiegelbild)

PLATEN

(wiegt das Kissen)Wie oft zeigte mir meine Mutter unser beider Bild im Spiegel. Sie deutete auf mich, sang mir die Worte „Süßer Junge, süßer Junge“ ins Ohr, wieder und wieder. In dieser Kristall-Welt dort bin ich herangewachsen – in der silbernen Welt der Abbilder. So habe ich mich zuallererst in der anderen Realität erfahren, in dieser wunderbaren Distanz, in dieser herrlichen Ästhetik der unkörperlichen Spiegelung, in der unberührbaren Kunstwelt. Das war die Heimat, das war mein Zuhause.Meine Mutter war eine Madonna und ich ihr über alles geliebte Kind. So in die Welt zu treten ist etwas Großes. Es ist so verheißungsvoll.

HEINEHaben die Engel dazu gesungen?

PLATENMeine Mutter, die engelsgleiche Artemis war es, die sang. Nur für mich. Und so vereinten sich unsere Spiegelbilder mit dem Wohlklang ihrer Stimme.

HEINESicher ist es nicht leicht, als Altarbild aufzuwachsen.

PLATENSchweigen Sie! Was weiß er schon von Altarbildern? Seinem Volk ist die Kunst der Malerei doch völlig fremd. Wer hörte je von einem großen jüdischen Maler?

HEINEWohl war. Die Sprache ist unser Metier, die Logik der Gedanken. Die Sprache, dieses Werkzeug des Verstandes.

PLATENUnd von Lug und Trug, von Schmeichelei und Beleidigung.Wahrlich, da nehme ich die Worte lieber für die Poesie, als damit schmählichen Handel zu treiben.Die Kunst ist es, die aus meinen Worten spricht, ans Hohe will ich hinschreiben, es mir Wort für Wort erringen.

HEINEIch war kein hochwohlgeborenes Kindlein, kein kleiner Graf von und zu. Ich war nur der Harry Heine, der den gleichen Vornamen trug wie der Esel des Dreckmichels, der den Unrat von den Straßen in Düsseldorf kratzte und auf seinen Karren schmiss. „Harrüh*