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Im letzten Moment wird ein Schaukelpferd von einer großen Naturmacht vor dem sicheren Feuertod gerettet, indem es in ein sehr kleines lebendes Pferd verwandelt wird. Mit Hilfe verschiedener Freund*innen versucht Peperinello seine Herkunft zu entschlüsseln, seinen Weg nach Hause sowie seine Familie zu finden. Mit dabei ist ein Floh, der für diese Suche, seine Recherche nach seiner großen Liebe aufschiebt. Ferner gibt es eine Elfe mit einem Bewährungsauftrag, eine Raupe, die auf keinen Fall ein Schmetterling werden möchte, weil sie furchtbare Höhenangst hat, sowie ein Vogel, der die seltsame Gruppe auf seinem eigenen Weg entdeckt. Die Freunde finden so zur Stadt cité omnia mystica, die wie eine große Arche alle echten aber auch fabulierten Wesen der Welt beheimatet. Aber auch dort finden sie trotz verschiedener Hoffnungen, Begegnungen und Abenteuer nicht die Heimat Peperinellos. Für die Freund*innen ist es eine phantastische, mystische, zauberhafte, magische und wunderbare Reise. Bis die Stadt sie schließlich ausspuckt.
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Seitenzahl: 274
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für meine Familie
Die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich durch das sommerlich dichte Laubdach und flugs trifft mich natürlich der erste dieser tollkühnen Krieger. Jeden Morgen dasselbe und immer direkt auf mich Und natürlich voll ins Auge. Es ist beinahe ausweglos. Die Sonne geht auf und – schwupps – trifft mich ein Sonnenstrahl. Und obendrein noch mitten ins Auge. Mit schlafen ist es dann natürlich vorbei. So bin ich eigentlich immer furchtbar müde. Schließlich ist das Leben eines Flohs entsetzlich anstrengend. Ständig wird man von fliegenden Händen, Schweifen, flackernden Ohren, zubeißenden Zähnen oder sonst garstigen Dingen gejagt. Ein ums andere Mal muss man deswegen die Flucht ergreifen. Dabei hatte man es sich in dem kuschligen Fell des neuen Wirtes gerade wundervoll gemütlich gemacht. Schon muss man wieder fort. Naja, und in diesem Hin und Her muss man als Floh, der ich nun mal bin, eigentlich ordentlich ausschlafen, um auf Zack zu sein. Sonst wird man gewiss Schaden nehmen. Nur bei mir – und ich weiß genau, dass ich der allereinzige bin - will das mit dem Ausschlafen nicht funktionieren, denn da ist ja diese doofe Sonne, die mir jeden Morgen ihre ersten Sonnenstrahlen schickt.
Ich habe alles versucht, um nur einmal richtig ausschlafen zu können. Wirklich alles. Ich habe mich auf den Bauch gelegt, eingerollt, habe sogar einmal im Handstand geschlafen. Ich habe auch die Wirte gewechselt. War bald auf einer Kuh, einem Reh, einem Hasen. Auf diesen bin ich an die verschiedensten Stellen gekrochen. Aber nein, es nützte mir bisher nichts. Einmal gar entfernte ich mich des Nachts sacht von meinem Wirt, um mich in das benachbarte Moos zu betten, aber auch da – Ba-daaaaam -, in dem Moment, als die Sonne ihre ersten Strahlen aussandte, wurde ich getroffen.
Immer ich, immer zu früh, immer direkt ins Auge: Immer werde ich als erstes aus dem Schlaf gerissen.
Einst traf es mich besonders schwer. Es war in diesem sonnenverbrannten Land im Süden, in dem man sich vor Hitze kaum regen kann. Ich hatte mich auf dem Rücken einer lahmarschigen quietschenden Kreatur niedergelassen, die eigentlich nur mit wenigen Worten zu beschreiben ist: störrisch, blöd und, was an diesem Ort besonders störend war, kurzhaarig. Nicht nur, dass ich deshalb kaum die Gelegenheit hatte, mich festzuhalten, wenn diese braungebrannten Männer, die sich untereinander „Muchachos“ riefen, meinen Wirt wieder einmal über Stock und Stein trieben, nein, auf diesem unseligen Tier konnte ich mich nicht einmal vor der unglaublich heißen Sonne in Schutz bringen. Der gelbe Ball war so stark, dass alles Gras und alles Grün trocken und braun wurden. Auch das Wasser zum Trinken war knapp. Dennoch wurde mein Wirt unbarmherzig angetrieben, vorwärts zu schreiten. Warum auch immer. Aber um uns herum gab es lediglich Gebrüll und die Schläge fuhren wieder und wieder auf meinen Wirt nieder. Ich kann euch sagen, das war ein echter Höllenritt. Denn ihr könnt euch vorstellen, dass für so ein kleines sensibles Wesen, das ich nun mal bin, die herabsausenden Stöcke eine reale Gefahr darstellen. Man muss sie voraussehen, nur dann kann man sich vor ihnen in Sicherheit bringen. Oh, ich könnte so einiges berichten, was mir dort widerfuhr, das wünsche ich keinem.
Jetzt fragt ihr euch aber sicherlich, warum ich all das über mich ergehen ließ? Die Antwort ist ganz einfach. Ich war nicht allein. Mit mir ritt dieses wunderschöne Wesen. Diese einzigartige Flohdame: Señorita Pulgarita. Sie ist mein Augenstern. Mein Ein und Alles. Mit einem Augenaufschlag hat sie mich im Sturm erobert. Sie füllt mein Herz gänzlich aus. Die Gedanken an sie lassen mein Leben in tausend Farben erschillern. Alle meine Gedanken sind nur bei ihr. Sie ist wundervoll, toll, intelligent, mit einem herzlichen Sinn für Humor. Niemals hatte ich gehofft, einem vergleichbaren Floh zu begegnen, aber: Siehe da, hier war sie. Aj, während ich von ihr erzähle, blutet mein Herz. Wurden wir doch viel zu früh wieder auseinandergerissen.
Als wir uns damals trafen, freundeten wir uns direkt an. Auch sie schien ein Auge auf mich geworfen zu haben. Wir redeten die Nächte durch, lachten viel und tollten miteinander herum. Jede einzelne Minute verbrachten wie miteinander.
Aber eines Tages sagte sie mir plötzlich, dass sie nur noch die zwei folgenden Nächte auf dem Wirt verbleiben wolle (Gut, je nachdem wie dieser vorwärts kam, konnten aus zwei Nächten schnell auch vier werden. Denn der schnellste war der Esel ja nicht. Und vor allem schien er immerzu sein Ziel aus den Augen zu verlieren.). Pulgarita war nämlich unterwegs zu ihrem Opa. Dort würde sie nach langer Abwesenheit schließlich ihre ganze Familie wiedersehen. Diese traf sich zu Ehren ihrer Großmutter, die es in Pulgaritas Herkunftsort zu einiger Berühmtheit gebracht hat, weil sie ein System des Wirttauschens erfand, das eine nicht abreißende Versorgung an Nahrung sicherstellte. Außerdem traf man jeden einzelnen Passanten, wie die teilnehmenden Flöhe genannt wurden, auf diese Art und Weise sicher alle paar Tage wieder und verlor sich somit nicht aus den Augen. Pulgarita erzählte mir, dass sie nur für kurze Zeit aus diesem Zirkel ausbrechen wollte, um etwas von der Welt zu sehen. Das hatte sie erfolgreich gemacht. Nun aber kehrte sie zurück.
Ich sollte meine Señorita nach dieser viel zu kurzen gemeinsamen Zeit wieder gehen lassen? Ich konnte es nicht fassen! Aber was wäre, wenn ich einfach mit ihr ginge? Das war natürlich nicht so einfach möglich. Zunächst musste natürlich sie zustimmen. Allerdings ging ich fest davon aus, dass dies bereits eine ausgemachte Sache wäre, hatte sie mir doch immer wieder so süß zugelächelt. Was aber würde die Familie denken, wenn sie mit mir, der ich schon ein stattlicher Floh, aber doch auch ein Rumtreiber ohne feste Ziele und Heim bin, nachhause käme? Nun sind Flöhe in der Regel nicht besonders familiengebunden, aber gerade bei Pulgarita und ihrer Familie war das anders. Die waren - oder sind es noch immer – sehr heimatgebunden. Das lag nun gerade an der Großmutter und ihrer Erfindung. Ihr System hatte nämlich dazu geführt, dass die Passanten immer unter sich blieben. Wenn ich Pulgarita also fragte, sich mit mir zu verbinden, dann wäre auch ich ein Teil dieser großen Familie. Ich würde sesshaft werden, ein Passant, würde die Umgebung ihrer Familie als mein Heim betrachten und würde für immer – für immer – mit Pulgarita zusammen sein.
Vielleicht könnten wir ja dann nach und nach wieder durch die Welt ziehen, sei es auch nur für längere Ausflüge.
Diese Gedanken waren wundervoll zu denken und meine Träume waren erfüllt von den Bildern eines gemeinsamen Lebens.
Was hielt mich auf – Nichts. Ich spürte, dass wir füreinander bestimmt waren, also würde ich sie fragen. Ich war mir so sicher, dass ich auf ein Bein verzichtet hätte, um meine Ernsthaftigkeit zu beweisen. Doch da passierte etwas Schreckliches, das uns vielleicht auf ewig trennen würde. Unser gemeinsames Für-Immer hielt also nicht so lange, wie gedacht.
Oh, Señorita Pulgarita, te quiero, mein Herz schlägt nur für Dich. Es wird dies in alle Ewigkeit tun. Nur Dich liebe ich. Schon wie sie das „R“ rollt mit ihrer lieblichen Zunge, lässt mein Herz in anderen Tönen schlagen. Unsere Gespräche waren reichhaltig gefüllt mit allen Themen dieser Welt, sodass sie nie abzureißen schienen. Dazu hat sie diese wunderschönen Augen mit den meterlangen Wimpern, in denen ich mein Ebenbild in den schillerndsten Farben tanzen sah. Oh, mi amor, hätte sich dieser blöde Esel nicht just in dem Moment, da ich sie früh am Morgen nur super kurz allein ließ, geschüttelt. Ich wollte mir nur einen Überblick verschaffen, war aufgestanden, um auf unserem Wirt den höchstgelegenen Punkt zu suchen, da schüttelt der doch echt seinen dämlichen Kürbis. Wäre das nicht passiert, würden wir jetzt gewiss in trauter Zweisamkeit unsere zweiundachtzig Kinder pflegen, die allesamt aussähen wie du. Ach, Bella, noch heute träume ich nur von Dir.
Aber kehren wir kurz an diesen furchtbaren Tag zurück. Ich war, wie immer, als erster wach und auf den Beinen. Da ich das Gefühl hatte, dass der Esel mit uns an Bord sowie auch die ganze Kohorte an Menschen und weiteren Eseln in der Nacht marschiert war, wollte ich mir einen Überblick darüber verschaffen, wo wir mittlerweile angelangt waren. Also verließ ich unseren gemeinsamen Schlafort an der weichen weißen Bauchpartie dieses unseligen Tieres, an welchem wir uns am Vorabend in respektvoller Nähe niedergelassen hatten, um mich auf den schweren Weg hinauf zum Kopf zu begeben.
Ach, Cherí, was soll ich mein ach so verletztes Herz noch weiter martern, indem ich weitererzähle? Der Esel schüttelte wild seinen Kopf und von der Ohrenspitze weg flog ich in hohem Bogen in das trockene Gras am Wegesrand. Trotz aller Bemühungen konnte ich den Wirt nicht mehr erreichen, zu schnell ging er weiter. Das ich das einmal von einem Esel erzählen würde, hätte ich mir vorher auch nie zu träumen gewagt.
Seitdem irre ich umher, um nach dir zu suchen, du mein Sonnenschein. So oft ich kann, wechsle ich meinen Wirt und denke, irgendwann werde ich wieder bei dir landen. Ich werde dich suchen, bis wir endlich wieder vereint sind. Auch wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tun werde. Für mich zählst nur du.
Eins habe ich mir dabei zum eisernen Prinzip gemacht: Ich verwahre mich davor, dem ersten Impuls zu folgen, beim ersten kleinen Weckstrahl direkt aufzustehen, der allmorgendlich meinen Augapfel kitzelt. Dann ziehe ich heute meinen Zylinder noch etwas tiefer ins Gesicht und träume von meiner lovely Señorita. Aufstehen kommt für mich erst in Frage, wenn auch alle meine Reflexe aufgewacht sind, sodass mich ein Kopfschütteln nicht mehr verwundern kann.
Über diese Suche bin ich älter geworden, doch hat meine Suche dennoch kein Ende genommen. Immer mit der Hoffnung, dass der nächste Wirt der letzte sein könnte, verlasse ich daher nicht den Pfad meiner niemals endenden Reise.
Diese Geschichte ist also ein Teil meiner Suche.
Erst gestern wechselte ich wieder. Doch schnell wurden zwei Dinge klar: Hier gab es keine Señorita und der erste Sonnenstrahl am Morgen einer traumvollen Nacht landet wieder in meinem Auge.
Doch bin ich gar auf einem merkwürdigen Wirt gelandet. Zwar schaut es fast aus wie ein Pferd; also, es hat zumindest alles, was ein Pferd hat: eine Mähne, einen Schweif und diese längliche Schnauze. Außerdem hat es nachts ganz leise gewiehert und mit den Nüstern geschnaubt. Aber es ist doch viel zu klein. Mit wenigen gezielten Sprüngen könnte ich es einmal vom Schweif bis zur Nasenspitze durchmessen, während doch im Allgemeinen die anderen Pferde die prächtige Größe eines Hochhauses haben.
Dann kann dieses hier also nur ein Pony sein. Aber nein, es hat nicht deren Plumpheit. Auch sind Ponys nochmals ein Stückchen größer. Aber was soll’s, Warum muss ich auch wissen, was es ist, denn gemütlich ist es schon. Wenn es doch nur hin und wieder mit diesem lästigen Schweifschlagen aufhören würde. Dem zum Trotz werde ich mich seiner bedienen, um erstmal weiterzureisen. Wollen wir doch mal sehen, wo es uns hinführt.
Autsch, schon wieder dieser umherschwirrende Schweif. Doch galt dieser Schlag gar nicht mir, sondern vielmehr dieser penetranten Schmeißfliege, die meinem Wirt um die Ohren schwirrt, als wollte sie ihn wecken. Stups hier, Stups dort. Hier zieht sie an einem Haar, dort hüpft sie auf seinem Pelz.
„Hey, kusch, hau ab! Das ist mein Wirt! Hey, du da, du hässlichste Schmeißfliege von allen, geh zurück zu Deinem Heimathaufen und lass diesen Ort den ordentlichen Bürgern. Heyheyhey, Du dreistes Ungeheuer, verschwinde.“, rufe ich laut. Aber die Fliege will nicht weichen. Nun bin ich zwar keine besonders eindrucksvolle Gestalt, als dass ich als Respektsperson gelten könnte, aber dennoch habe auch ich meine Rechte. Und nun wünschte ich mir mehr Ruhe und habe doch auch das verdammte Recht dazu. Nur reagiert diese Fliege gar nicht auf mich, so als ob sie mich gar nicht wahrnehmen würde. Das ist eine grenzenlose Respektlosigkeit.
Ah, jetzt hat der Schweif doch wieder mich getroffen. „Verschwinde, los hau ab!“ Das Ding schwirrt, eigentlich schwebt es sogar, weiterhin um den Kopf meines Wirtes. Dabei stuppst es das Tier bald hier bald dort.
Aber nein, Moment doch mal! Ist nicht eine Fliege viel lauter? Die brummen doch ganz wild. Sie sind so laut, dass auch jeder mitbekommen muss, dass sie im Anflug sind. Dieses kleine Mistvieh hier aber macht gar keinen Laut, auch scheint mir, dass sein Po nicht, wie bei den anderen Fliegen grünbläulich schimmert, sondern vielmehr das ganze Dingelchen leuchtet. Jetzt sehe ich es ganz deutlich: Es ist von einem silbernen Schimmer umgeben, der wie aus ihr herausscheint. Da, es setzt sich nieder, knapp neben das linke Ohr des kleinen Wirtes.
So etwas habe ich noch nie gesehen. Perdóname mi Señorita, aber das ist wohl das Schönste, was ich jemals gesehen habe. Mir fehlen die Worte. Es muss der Zenit der Ebenmäßigkeit und Grazie in einer Person sein. Man stelle sich vor, ein wohlgestaltet gewachsenes kleines Menschelchen, aber pequeña, mucho más pequeña, winzig klein. Das Gesicht ist beherrscht von zwei wundervollen großen und neugierigen Augen, die unter dem Pony des wohl sanftesten Haares, das ich jemals sah, nur so funkeln und blitzen. Und siehe da, auf dem Rücken tanzen zwei Flügelchen im Reigen des Windes. Vor mir steht wahrhaftig eine Gestalt wie aus einem Märchen. Einst hörte ich, erzählt von meinen Ahnen und niedergeschrieben von Pulgisto Pulgatirum, von wundervollen oder zauberhaften Wesen, von denen man nicht wusste, ob sie tatsächlich existierten oder nur Geschichte sind. Diese Geschichte zogen mich derart in den Band, dass ich mir viele Bücher dazu kaufte. Am liebsten waren mir die mit bunten Illustrationen. Bisweilen tauchte auf diesen ein Wesen auf, das diesem hier äußerst ähnlich sah. Ich erinnere mich, dass unter einem besonders entzückenden Bild „Elfe“ stand. Die Luft um sie herum, so heißt es, scheint, sobald sie ihre Flügel schlagen, silbern im Glanze ihrer Schönheit. Eben genauso wie bei dieser Fliege hier. Es war gar nicht die Sonne, die heute Morgen ihre Fühler nach mir aussandte, sondern es war diese Elfe. Sie hat mich mit ihrem Glanze geweckt.
Ich denke, ich werde ihr verzeihen. Statt meines Zorns, der sich ob dieser Entdeckung freilich schnell wieder legt, erwacht nunmehr die Neugier. Was will schließlich eine solch einzigartige Gestalt mitten im Wald und neben diesem meinem Wirt, ach, auf ihm. So schön sie auch ist, meinen Platz lasse ich mir von ihr nicht so einfach streitig machen, schließlich war ich zuerst hier. Aber, was ist, wenn sie gar keine Elfe ist, sondern die sagenumwobene Flohkönigin? Auch die soll, so sagt man, in den schönsten Farben schillern. Dann sollte ich lieber vorsichtiger sein. Wer weiß schon, welche Zauberkräfte sie hat und wozu sie im Stande ist? Aber kann es denn sein, dass eine Flohkönigin eine Menschengestalt hat? Welcher Floh würde sie dann schon als seine Königin ansehen? Das kann nur eine Elfe sein, denke ich mir.
Langsam und bedächtig taste ich mich vorwärts. Um mich herum ist es stockfinster. Tiefe Nacht, wie ich nun bemerke. Und das Licht der Elfe - oder was sie sonst ist - ist nicht sonderlich durchdringend. Außerdem pflege ich sowieso auf neuen Wirten stets vorsichtig zu schreiten.
Als die Elfe mit dem Schlagen ihrer Flügelchen aufhört, erlischt das Licht nun auch nahezu vollständig. Nur leicht britzelt es noch. Immer wieder muss ich daher auf meinem Weg anhalten und mein Ziel erneut fixieren. Nebenher muss ich obendrein auf den stetig peitschenden Schweif des kleinen Pferdchens achten. Aber schließlich erreiche ich die Elfe. Sie sitzt gelehnt an das linke Ohr meines Wirtes, das auch jetzt, während das Pferd schläft, keck in die Luft ragt. Die Elfe scheint sich zu erholen. Dafür hat sie sich einen Ort gewählt, an dem sie die lästige Fliegenklatsche von einem Schweif nicht treffen kann. Ihre Brust pumpt und pumpt. Sie atmet schwer. Bei jedem Einatmen flackert noch ganz leicht das Licht, das sie vormals umgab, auf, um beim Ausatmen die Gegend stets in undurchdringbares Dunkel zu hüllen. Ihre Arme hängen schlaff an ihr herab, ihre Augen sind geschlossen. Langsam taste ich mich näher heran. Dazu nutze ich die kurzen Intervalle, die mir ihr Einatmen schenkt, um nicht zu stolpern. Die Elfe hat mich offensichtlich noch nicht entdeckt oder wahrgenommen. Um sie nicht zu erschrecken, lasse ich ein kleines Räuspern hören, wobei ich mein Taschentuch vor den Mund halte. Langsam flattern die Augenlider der Elfe und geben einen Schlitz diamantenes Funkeln frei. Doch fallen ihre Augen auch gleich wieder zu. Auf einen neuen Versuch kommt es an, also lasse ich nämliches Räuspern erneut hören und füge ein gehauchtes „Mademoiselle – äh, Madame“ hinzu: „Mademoiselle Elfe. Hallo!“
Sie zuckt, als wäre ein Schauder durch ihren Körper gegangen.
„Keine Angst, ich bin doch nur einer dieser scheuen kleinen Waldbewohner, die keiner Fliege etwas zu Leide tun können.“
„Oh, ich weiß wer du bist, Jean-Pierre Puce de Chevalier.“
Ich fühle mich, als hätte mir jemand einen ordentlichen Hieb auf den Hinterkopf gegeben. Woher kann sie meinen Namen kennen? Nie zuvor habe ich sie gesehen und auch jetzt hat sie doch die Augen geschlossen...
„Siehst Du nicht, dass ich vollkommen erschöpft bin? – Geschüttelt habe ich mich nur vor Kälte.“
„Oh, doch, ja, ja.“, stammele ich.
„Na, siehst du, dann lass mich doch einfach noch ausruhen, es ist ja schließlich mitten in der Nacht und auch du könntest gewiss noch eine Mütze voll Schlaf gebrauchen.“
„Oh, da hast du wohl Recht, aber woher weißt du…?“
Erneut in den Schlaf gesunken murmelt die Elfe weitere Worte: „Ich trage ja nicht jeden Tag ein Pferd.“, was mich doch im höchsten Maße verwundert, kann ich mir doch keinen Reim darauf machen. Was soll das heißen: Ein Pferd tragen? Sie kann doch unmöglich ein Pferd tragen. Dieses winzige Wesen. Sie muss für jemand anderen sprechen.
„Ein Pferd tragen.“ Dafür muss man schon ein Riese sein! Was wiegt so ein Pferd? Eine Tonne? Aber mindestens zweihundert Kilogramm. Was wiegt dieses Elfchen? 30 Gramm?
Wahrscheinlich hat eigentlich ein Riese das Pferd, auf dem sie sich für die Nacht niederlegte, hochgehoben und das hat ihr einen so fürchterlichen Schreck eingejagt, dass sie jetzt bis in ihre Träume davon verfolgt wird. Oder sie hat aus unerfindlichen Gründen versucht, ein Pferd anzuheben und zu tragen. Das hat sie dann so oft erfolglos versucht, dass sie am Ende völlig entkräftet auf seinem Rücken eingeschlafen ist. Oder der Riese trägt das Pferd und das kleine Flatterding versucht ihm zu helfen. Ich stelle mir vor, dass der Riese das Pferd unterm Arm trägt. Die kleine Elfe flattert um ihn herum beim Versuch, auch mit anzupacken, findet aber keinen Haltepunkt. Mit beiden Armen umschlingt sie schließlich ein Ohr, wahrscheinlich das linke, neben dem sie jetzt liegt, bei heftigem Flattern ihrer Flügelchen. Mir entfährt ein leichtes Kichern.
Aber wo ist dann der Riese? Nichts zu sehen. Kein Riese weit und breit. Vielleicht ist er zum Schlafen in seine Höhle zurückgekehrt. Aber warum macht er sich dann die Mühe, das Pferd unterm Arm durch den Wald zu schleppen, um es einfach hier liegenzulassen? Hm, er ist nirgends zu riechen, zu sehen oder zu hören. – Mein Herz schlägt bis zum Hals. Was ist, wenn der Riese nun plötzlich aus der ersten Reihe der Bäume tritt und mich hier erblickt? Wahrscheinlich ist das Pferd ein Geschenk von einem Nachbarriesen oder eines für seine eigene Frau zu ihrem Hochzeitstag. Beim Schmücken des Geschenkes wird er dann entweder das Haar des Pferdes durchkämmen (Man wird verstehen, dass ich panische Angst vor Kämmen besitze; denn, wenn ein Wesen in meiner Größe von den fiesen spitzen Zinken eines Kammes erfasst wird, hat es doch keine Chance, sich noch am Wirt festzukrallen. Der Kamm trägt einen mit sich fort und zumeist wird man dann in den Ausguss irgendeines Waschbeckens gespült. In jedem Fall aber hinterlassen die Zinken furchtbare Kopfschmerzen.) oder er findet mich und zerdrückt mich voller Wut mit seinen fetten Fingern. Man muss dazu wissen: Mancherorts, zum Beispiel bei Riesen, werden Wesen meiner Art als Parasiten bezeichnet. Scheußliches Wort. Man verwendet die fiesesten Mittel, um uns loszuwerden: Kämme, Pulver, Wasserschwaden, Pinzetten und vieles mehr. Dabei wollen wir mit unserem Wirt nur eine innige Lebensgemeinschaft eingehen. Es gibt keinen Grund, uns zu entfernen, denke ich.
Aber Moment mal: Wenn das Flatterding, diese Elfe, mit dem Riesen zusammenarbeitet, müsste ich mich doch nur mit ihr anfreunden, um schadlos zu bleiben. Vielleicht versteht sie ja meine Lage und verteidigt mich gegenüber dem Riesen. Was soll ich also machen? Die Elfe sagte, ich soll ruhig noch schlafen. Ob ich jetzt noch Schlaf finden kann? Ein Versuch ist es wert. Also lege ich mich friedlich und in gebotenem Abstand (Ich wähle einfach das andere Ohr.) zu der Elfe. Wenn der Riese uns nun in so friedvoller Gemeinsamkeit schlafen sieht, wird er mich gewiss als Freund der Elfe betrachten. Ich hoffe allerdings, dass ich die gute Meinung der Elfe nicht durch meine Störung vorhin bereits vermiest habe. Aber nein, hier bin ich bestimmt richtig, das wird den Riesen sicherlich überzeugen, die Elfe wirkt auch nur genervt, nicht aber wirklich böse und so kann ich hoffentlich noch in Ruhe etwas schlafen. Schließlich habe ich seit circa neun Jahren nicht mehr richtig ausgeschlafen.
„Huaah! Wo ist der Riese?“ - Ein Schlag auf den Hinterkopf weckt mich unsanft aus meinem traumlosen Schlummer.
Ich liege alle Sechse von mir gestreckt auf dem Bauch und schnorchle leise vor mich hin, als mich besagter Schlag trifft. Erschrocken fahre ich hoch. Mit weit aufgerissenen Augen drehe ich mich um mich selbst, um zu sehen, wo dieses grässliche Wesen von einem Riesen ist. War da nicht gestern noch ein Riese, der ein Pferd getragen hat? Also ein riesengroßer Riese?
Unter mir erstreckt sich eine weite weiche Ebene, auf der ich mich nicht erinnern kann, eingeschlafen zu sein. Bin ich nicht neben der kleinen Elfe eingeschlafen? Direkt am Ohr dieses Pferdchens? Aber auf dem Kopf eines Pferdes ist es nie so weit und weich wie hier, sondern vielmehr hügelig. Außerdem hat ein Pferd doch diese ständig rotierenden Ohren. Aber auch diese kann ich hier nirgends erblicken.
Woher ich Pferde so gut kenne? Schließlich bin ich doch mit meiner Süßen höchstselbst auf einer Abart derselben geritten, die sie „Esel“ rufen. Außerdem bin ich seitdem weit herumgekommen und habe so einiges gesehen. Das hier ist auf keinen Fall der Kopf des Pferdes. Ich muss schlafgewandelt sein. Kein Problem, ich kehre einfach zum Kopf zurück. Dort werde ich gewiss auch die Elfe wiederfinden.
Doch da: Das muss der Übeltäter sein, der mich gerade geweckt hat. Plötzlich höre ich ein bedrohliches Zischen in der Luft. Das Zischen scheint aus allen Richtungen zu kommen: rechts, links, oben, unten, hinten, vorne. Das kann nur eins bedeuten...
Watsch. Uuuuh. Na klar, ich hatte Recht. Die Wahrheit schlägt mir förmlich vors Gesicht. Das tat weh – Autsch. Und nochmals – Bamm Bamm.
Oh, das ist schön. Sehr schön. Wie wunderschön! Dieses Licht! Welch wunderschöne Erscheinungen kommen da herbeigeflogen. Kleine Sternchen, die langsam näherkommen. Ich brauche mir nur einen aussuchen, ihn satteln, um im leichten Gang davonzureiten. Einmal rund um die Sonne mit einem kurzen Abstecher in die Milchstraße. Die Sternlein singen in einem fröhlichen Chor zusammen. Aus tausend Kehlen ertönt ein erhabenes Tirilieren und kuschelt sich in mein Ohr. Och, fliegt doch nicht davon! Doch immer dünner wird das Bild der Sternchen. Langsam – ganz langsam - lösen sich aus dem Lichtschimmer der Sterne Schatten. Das sind Bäume. Das sind die mir wohlbekannten Bäume. Nach und nach wird meine Sicht wieder klarer, der Kopf schmerzt, aber jetzt kann ich wieder alles wahrnehmen. Und dieser hellbraune Untergrund, auf dem ich stehe, ist das letzte woran ich mich erinnern kann. Ich rappele mich nach diesem Niederschlag langsam wieder auf.
... da fällt es mir wieder ein: Ich hatte gerade die Lösung für diese böse Weckattacke gefunden. Ich muss nachts im Schlaf vom Ohr aus bis auf das mächtige Hinterteil des Pferdes, das ich für mich als Wirt gewählt habe, gewandert sein. Dort konnte ich ruhig schlafen, solange das Pferd schlief, und dieses konnte so lange schlafen, wie diese unverschämten Fliegen schliefen. Denn dann ruhte am Ende doch noch der schlagende Schweif. Warum die Fliegen aber aufwachen mussten und das noch so früh, kann ich weder verstehen noch gutheißen. Aber mit ihren ersten frühmorgendlichen Flügelschlägen begannen sie um den Kopf dieser armen Kreatur, meinem Wirt, zu kreisen. Mal hier, mal dort ließen sie sich nieder, um ihre rituellen Waschungen vorzunehmen oder ein Staubkörnchen von dem recht ergiebigen Rücken zu klauben, um dieses umgehend in ihren gefräßigen Schlund zu schieben. Dabei kam es nun vor, dass sie sich auf dem Rücken des Pferdes zu bewegen hatten. Mit ihren kleinen lausigen Füßen (Oh, und sie haben wahrlich genug davon.) kitzeln sie also die empfindliche Haut des Vierbeiners, woraufhin dieser gar nicht dumm, den Fliegen rechts und links mit seinem Schweif eins verpasst.
Nur dafür hat er ihn ja. Wofür sonst? Ist doch ein Pferd kein Krokodil oder Eichhörnchen, die damit im Wasser oder in der Luft lenken können. Das Pferd schwimmt aber eher selten, so dass es kein Ruder braucht, und auch wenn es springt, so ist doch der Schweif um einiges zu zart, als dass es damit seine „Flugrichtung“ beeinflussen könnte. Wenn man bei einem Pferd überhaupt von einem Flug sprechen kann. Der Schweif kann nur dafür da sein, nervige Fliegen zu verscheuchen. Dabei trifft er leider auch manchmal Unbeteiligte wie mich. So auch jetzt. Dieses fiese Schlagwerkzeug trifft also bei dem Versuch, Fliegen zu verjagen, unbedacht auch das Haupt eures Erzählers und fegt ihn förmlich hinfort. Während der erste Schlag mich nur unsanft geweckt hat, haut mich der andere schier aus den Socken.
Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Bewusstsein gewesen bin. Jedenfalls sieht man schon die ersten Sonnenstrahlen am Horizont, die mich diesmal nicht wecken konnten, so tief war ich weggetreten. Schnell rappele ich mich auf und suche geduckt das Weite, bevor mich noch so ein Schlag niederstreckt. Ich hechte Richtung Kopf; denn wieder klingt das bedrohliche Schwirren, das die nächste Attacke ankündigt, wie ein Warnruf in der Luft. Am Kopf werde ich die kleine Elfe, die ich nachts dort traf, wiedersehen. Außerdem kann mich der Schweif dort nicht treffen.
Nur bin ich auch dort nicht gänzlich in Sicherheit, sind dort doch diese scheuen „Radarohren“, die ständig in Bewegung zu einem wahren Katapult für solch zarte Wesen wie mich werden können. Einmal habe ich das ja schon erlebt. Und schwupps taucht vor mir wieder das Bild meiner Señorita Pulgarita auf. Es heißt also: Schön vorsichtig sein.
So, die beiden Ohren sehe ich. Nun stehe ich in sicherem Abstand zu ihnen, kann aber die Elfe nicht sehen. In der Nacht lag sie an dem linken Ohr. Das schien auch bequem zu sein. Wo also ist sie hin? Sollte sie, wie auch ich, bereits aufgestanden sein?
Da erblicke ich sie plötzlich. Unweit von dem Pferd sitzt das Elfchen in der untersten Astgabel eines Birkensprösslings und spricht zu dem Pferd:
„Hast du eigentlich einen Namen?“
Das Pferd kugelt mit seinen Augen. Ob es die Elfe versteht?
„Einen Namen? Hast du einen Namen?“
Das Pferd bläst so heftig durch die Nüstern, dass die Elfe nahezu von der Birke geweht wird. Mit einem schnellen Griff nach dem Stamm kann sie sich gerade noch halten.
„Namen. N – A - M – E – N!“
Jetzt lässt das Pferdchen die Lippen vibrieren.
„Ach, komm! Natürlich hast du einen Namen. Kannst du dich vielleicht nicht mehr an ihn erinnern? Vielleicht hast du ja gestern Nacht dein Gedächtnis verloren? Wäre ja kein Wunder bei dem, was passiert ist.“
Was ist denn passiert? Ich rücke neugierig näher und stehe jetzt schon vor dem rechten Ohr, um besser zuhören zu können.
„Pep – Pe-pe – Pe – Pepe“
Die Antwort scheint schüchtern und fremd aus dem Mund des kleinen Pferdes zu kommen.
„Ah, Pepe. Pepe? Hmhm“, murmelt die Elfe. „Ich bin Cécille“, sagt sie und zeigt auf sich.
„Also, Pepe. Hör zu: Ich weiß, dass das jetzt eine schwere Situation für dich ist, aber glaube mir, es war das Beste für dich und, um genau zu sein, ist es das immer noch.“
„Aber ... ich ... wo ... ach ...“, stammelt Pepe.
„Ich sage es dir, wie es ist. Sie, die Menschen, hatten kein Interesse an dir, aber das haben sie nie. Auch wenn sie dich spüren lassen, dass du das Wichtigste auf der Welt bist. Am Ende sagen sie immer nur: ich, ich, ich. Selbst wenn sie so tun als liebten sie es, dich zu knuddeln, um dir etwas Gutes zu tun, um dich geliebt zu fühlen, tun sie es doch nur ihrer selbst wegen. Die Menschen fühlen sich toll, wenn so jemand wie du, treu zu ihnen steht. Haben sie aber ihr Interesse verloren oder aber es gibt etwas Wichtigeres, dann lassen sie dich im Stich“, seufzt die Elfe traurig:
„Glaub mir, das hört sich zunächst fies an, aber hast du das erst begriffen, wirst du dich frei fühlen. Du kannst dann alles zu tun, was du willst: springen, rennen, laufen, schlafen ... Nur immer hin- und herzuwackeln ist doch nicht das Richtige für so ein stolzes Ding wie dich. Endlich kannst du diesen lästigen Sattel abstreifen. Niemand wird dir mehr auf dem Rücken rumspringen, deine Gefühle verletzen, dir an den Haaren oder am Schweif ziehen.“
„Wieh ... ich ... ach ...ja? ... na ...“
Ein äußerst ungleiches Gespräch, was die beiden da führen, und ich verstehe kaum ein Wort. Doch wenn ich mir meinen kleinen Wirt so anschaue, bin ich wohl nicht der Einzige. Allerdings gelingt es Pepe nicht, das auszudrücken. Er runzelt nur die Stirn, bläst seine Nüstern und lässt seine Unterlippe hängen.
„Ach, weißt du, oft habe ich versucht, Glück zu bringen. Ja, zu ihnen, zu den Menschen. Echtes Glück und Freude! Heute weiß ich, es war stets umsonst, sie sind doch nur an Tragödien interessiert. Ein ums andere Mal haben sie mich fortgejagt. Mit der Fliegenklatsche. Ich kam mit offenen Armen zu ihnen, und sie: Zapp – Zapp!“, Cécille macht schlagende Bewegungen mit beiden Armen: „Einmal trafen sie mich sogar.“
„Um ... wahr?“
„Und ob das wahr ist“, rief sie aus, als ob man das nicht anzweifeln könnte: „Nur Madame LeForêt ist es zu verdanken, dass die Menschen mich nicht schlimmer verletzt haben, sondern nur mein Bein trafen und ich wieder gesund gepflegt werden konnte. Doch zwei Vollmonde lang lag ich darnieder, beinahe unfähig mich auch nur zu drehen.“
„Och, lange, ... hmhm ...“
„Das tat weh. Als ich dann wieder aufstehen konnte, musste man mir zunächst zwei Krücken schnitzen, damit ich wieder etwas laufen konnte. Ich war am Boden zerstört. Selbst fliegen musste ich neu lernen.“
„Du, du ... du?“
„Ja, ich weiß. Es ist alles gut wieder verheilt. Zumindest körperlich, doch nur ich weiß, welchen riesigen Schaden mein zartes Gemüt genommen hat. Man stelle sich vor, diese endlose Zeit“, sie schlug die Arme über dem Kopf zusammen: „Ich wünschte nur, mir wäre im Nachhinein nicht diese unwürdige Arbeit zugesprochen worden. Statt aktiv Kontakt zu den Menschen aufzunehmen, sollte ich wie in einem Wachbataillon nur auskundschaften, wer wohl Hilfe oder ein Wunder benötigte. Nicht einmal zu Kindern durfte ich Kontakt aufnehmen“, man spürte deutlich die Wut der Elfe: „Ja, ja, ja, du kannst froh sein, dass ich dennoch meine Arbeit gewissenhaft verrichtet habe; denn nur aufgrund meiner Gewissenhaftigkeit, fand ich dich dort und nur deshalb können wir gerade miteinander reden.“
Ein Wasserfall hätte nicht schneller fließen können, als es ihre Worte tun. Doch nun tut uns die Elfe den Gefallen, mal kurz innezuhalten, um zu atmen.
„Ach, du ... du ... wer? Du?“, fragt nun Pepe, das Pferd.
„Wie bitte?“, antwortet die Elfe beim Einatmen.
„Du, wer ... bist ... Glüh-, Glüh- ... Glühwürmchen.“
„Oh, neineineinein, nein. Nicht auch du. Oh, na klar, du kommst ja von ihnen, du bist ja bei den Menschen groß geworden. Du kennst es nicht anders. Oder? Nein, eigentlich müsstest du es doch wissen! Schließlich habe ich dich doch mit meiner eigenen Kraft gerettet.“
„Stopp mal. Time Out!“, rufe ich dazwischen und springe auf Pepes Nasenspitze. Schreckhaft verdreht das kleine Pferd die Augen, sodass es furchtbar nach innen schielt. Mit mir hat es gar nicht gerechnet. Ich lüfte zur Begrüßung kurz meinen Zylinder: „Angenehm: Jean-Pierre.“ Ich wende mich wieder Cécille zu: „Nun bleib doch mal ganz ruhig, du kleines Flatterdings. Bist du nun ein Glühwürmchen? Oder bist du tatsächlich das, was ich glaube? Eine Elfe?“
„Jetzt fängt der auch noch an. Erst störst du nachts meine Ruhe und nun mischst du dich auch noch hier ein. Hättest du dich nicht längst aus dem Staub machen sollen?“
Ich zucke entschuldigend die Schultern.
„Nein. N-e-i-n. Seh‘ ich etwa aus wie ein Glühwürmchen? Mit einem leuchtenden Po?“
Mit dem Schwung eines Fußtritts dreht sie sich schnell um die eigene Achse. Aber auf ihrem Rücken prangen nur zwei samtene Flügel. Als sie diese leicht flattern lässt, erscheint das Licht. Aber der Po leuchtet nicht. Es ist eher wie ein Schimmern ihres ganzen Körpers. Eine genaue Lichtquelle ist nicht auszumachen.
„Du bist doch bestimmt nicht neu in dieser Gegend, da müsstest du doch wissen, was ein Glühwürmchen ist.“