Der Schrumpfling - Jessica Jübermann - E-Book

Der Schrumpfling E-Book

Jessica Jübermann

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Beschreibung

Was wäre, wenn nicht der Protagonist über die Handlung bestimmt – sondern du? Toni (10) muss auf dem schnellsten Weg zur Schule, trifft jedoch an den seltsamsten Orten auf Tiere und Menschen, die Hilfe benötigen. Wird es Toni durch seine spezielle Fähigkeit, mit Tieren zu sprechen, gelingen, allen zu helfen und den Schulweg zu meistern? Zentrale Themen: Handlungsstrang 1: Recht am eigenen Bild, Mobbing, Druck durch Eltern Handlungsstrang 2: Flucht/Heimatlosigkeit, Hilfsbereitschaft, Mobbing, Ausgrenzung und neue Chancen Handlungsstrang 3: Naturgewalt, Mobbing, Hilfsbereitschaft, Vermisstensuche, Ausgrenzung, Gefahr

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Eine Entscheide-dich-Geschichte – bitte was?
Beginn
Durch die Katzenklappe
Mit dem Bus
Gregor
Etwas sagen
Lieber schweigen
David
Etwas sagen
Lieber Schweigen
Melina
Einen Witz erzählen
Eine Geschichte erzählen
Fortsetzung
Melina Abfragen
Ende
Zu Fuß
Nachschauen gehen
Industriegebiet
Geradeaus
Ende
2. links
Etwas sagen
Lieber schweigen
Rechts
Wald
Fluss
Ufer
Ente
Spatz
Baum
Links
Ende
Rechts
Tonröhre
Kanalisation
Links
Geradeaus
Rechts
Fortsetzung
Ende
Durch Hinterhöfe
Keller
Klirren
Schaben
Ende
Hausflur
Durch den Park
Durch den Park: Fortsetzung
Um den Park herum
QUIZ

Der Schrumpfling

Ein fantastisches Entscheide-dich-Buch

von

Jessica Jübermann

ELYSION-BOOKS

Jennifer Schreiner, Auenstr. 105, 04178 Leipzig

[email protected]

Print; 1. Auflage: März 2025

eBook; 1. Auflage: März 2025

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2024 BY ELYSION BOOKS, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG & ZEICHNUNGEN:

Jessica Jübermann

ISBN (Ebook) 978-3-96000-219-2

ISBN (gedrucktes Buch) 978-3-96000-217-8 (Softcover)

ISBN (gedrucktes Buch) 978-3-96000-218-5 (Hardcover)

www.Elysion-Books.com

Wir sind Mitglied des Netzwerks »schöne Bücher«, eine Vereinigung unabhängiger Verlage

www.schoenebuecher.net

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Der Schrumpfling

Ein fantastisches Entscheide-dich-Buch

von

Jessica Jübermann

Eine Entscheide-dich-Geschichte – bitte was?

Liebe Leserin, lieber Leser,

Diese fantastische Geschichte über Toni ist eine Entscheide-dich-Geschichte. Das bedeutet, du darfst an manchen Stellen selbst entscheiden, welcher Weg eingeschlagen wird.

Je nachdem, wofür du dich entscheidest, musst du auf einer anderen Seite weiterlesen. Wenn du am Ende angekommen bist, kannst du noch einmal zurückblättern und einen anderen Weg einschlagen.

Am Ende findest du ein kleines Quiz, das du erst lösen kannst, wenn du alle Geschichten rund um Tonis Schulweg kennst.

Wenn es keine Auswahlmöglichkeit gibt oder nichts unter deinem Kapitel steht, geht es einfach mit der nächsten Seite weiter.

Probier es einfach mal aus. Und dann mal schauen, wohin es dich verschlägt.

Viel Spaß beim Lesen,

deine Jessica

Beginn

Ich erwache mit einem fürchterlichen Kitzeln in der Nase. Zweimal hole ich tief Luft, kneife die Augen zusammen und ...»Haaaaa-tschii!«

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, ich runzele die Stirn. Ausgerechnet heute, ist ja klar. Ich kann gerade noch unseren Kater Pippin durch den Garten schlendern sehen, da wachsen Fenster, Wände und Bett in die Höhe. Das Laken erhebt sich wie eine Welle auf See und stürzt herab. Mit einer Rolle rückwärts entkomme ich und richte mich auf. Meine Müdigkeit ist verschwunden.

Du musst wissen, ich bin kein normales zehnjähriges Kind. Ich bin ein Schrumpfling. Wenn ich niese, schrumpfe ich und bin nur so groß wie Papas Daumen. Das vergeht nach ein paar Stunden, sobald ich erneut niese. Dann wachse ich wieder. Ich kann sogar mit Tieren sprechen, das ist echt cool.

Ich krabbel zum Bettpfosten und rutsche die Röhre hinunter, die Papa mir aus Klopapierrollen gebastelt hat. Der Teppich erstreckt sich wie ein Fußballfeld vor mir. Mit einem unterdrückten Gähnen wate ich hindurch. Neben der Zimmertür befindet sich eine weitere in meiner jetzigen Größe. Ich schlüpfe auf den Flur und wende mich in Richtung Küche.

Ein Schatten fällt auf mich. Schnell springe ich zur Seite und donnere gegen die Tür. »Autsch«, sage ich weinerlich und reibe mir den Hinterkopf.

»Entschuldigung, Toni. Hab dich nicht gesehen.«

Mama beugt sich zu mir hinab, ich klettere auf ihre Handfläche. Ihre gelockten Haare sind wie ein wuscheliges Vogelnest oben auf dem Kopf platziert. Sie ist kein Schrumpfling, Papa auch nicht. Keine Ahnung also von wem ich das habe.

Mama geht mit mir in die Küche. »Was willst du frühstücken?«

Ich springe von ihrem Finger hinab auf die Tischplatte und setze mich auf meinen kleinen Stuhl neben der Obstschale. Eine Banane ragt über mir auf, umsummt von einer Fliege. Ich höre ihr Gebrumm: »Was für eine gutriechende Banane, hmm, lecker, lecker, lecker.« Sie setzt sich und knabbert genüsslich an einer braunen Stelle.

Ich schüttele den Kopf. Typisch Fruchtfliegen. Mama wartet immer noch auf meine Antwort. »Eine Haferflocke. Oder zwei, ich hab Hunger!«

Sie legt mir einen Kronkorken auf den Tisch, gefüllt mit zwei Haferflocken. Daneben stellt sie einen dieser rundlichen Legosteine mit Orangensaft. Ich knabbere die Flocken und spüle sie mit dem Saft hinunter.

»Ausgerechnet heute«, überlege ich laut weiter. »Wir schreiben eine Mathearbeit. Und Frau Weiß ist fast blind. Sie beschwert sich immer über meine zu kleine Schrift.«

Mama hebt die Augenbrauen. »Sie braucht halt eine Lesebrille, die brauch ich auch.«

»Aber du kannst meine kleinen Sätze wenigstens lesen.«

Sie seufzt. »Mäuschen. Frau Weiß kennt sich nicht so gut aus. Immerhin bist du der erste Schrumpfling in der Sonnenschein-Grundschule. Gib ihr eine Chance.«

Ich zucke mit den Schultern. »Vielleicht muss ich ja vor dem Test wieder niesen und werde wieder groß.«

Mama wuschelt mir mit ihrem Finger durch die Haare. »Du weißt doch, dass du vermutlich bis heute Nachmittag klein sein wirst. Schrumpflinge niesen nicht so oft. So ist es halt.«

Ich seufze und nicke. Manchmal ist es nervig, ein Schrumpfling zu sein.

»Außerdem dachte ich, Frau Wiesenthal hat ihren letzten Schultag vor der Babypause. Ihr wolltet als Überraschung ein Theaterstück mit Klaus aufführen.«

Klaus ist der Hamster meiner besten Freundin. Wir haben wochenlang geübt. Mama hat Recht. Ich fühle mich direkt besser.

»Allerdings ...« Mama legt den Kopf schief. »Ist Papa heute mit dem Auto zur Arbeit gefahren. Und ich muss gleich zum Arzt. Schaffst du es, allein zur Schule zu gehen?«

»Klar, mach dir keine Sorgen! Ich habe doch mein E-Bike.«

»Danke, Schatz.«

Mit einem letzten Schluck leere ich den Legostein und springe auf. »Ich fahr ins Bad.«

Am anderen Ende des Tisches hat Papa mir eine Bahn gebaut, die bis ins Badezimmer führt. Ich setze mich in die Gondel und drücke den Startknopf. Mit einem Piepen erwacht der Motor zum Leben. Ein Ruck geht durch die Gondel und los geht`s!

Die Bahn saust steil hinab bis zum Boden, nutzt den Schwung und fährt einen kleinen Aufstieg wieder hoch. Durch die Tür in den Flur, eine Linkskurve und schon sind wir im Bad.

Das ist mega! Welches Kind hat schon seine eigene Bahn?

Das Deckenlicht flammt auf, sobald ich auf den Knopf in der Gondel drücke. Es quietscht, ich werde langsamer und rolle aus. Ich klettere hinaus aufs Waschbecken. Natürlich gibt es ein Miniklo und ein Miniwaschbecken. Aus dem Minischrank hole ich passende Kleidung heraus und ziehe mich nach einer Katzenwäsche an. Gut, dass meine Sachen mitschrumpfen, sonst wäre das beim Wachsen echt peinlich. Ich kichere bei dem Gedanken und putze die Zähne.

Fertig. Mit einem waghalsigen Sprung gelange ich hinüber zu Mamas Schminktisch. Ich klettere über ihre Haarbürste und rutsche wie bei der Feuerwehr eine Stange zum Boden hinab.

Direkt gegenüber vom Bad schlüpfe ich wieder in mein Zimmer und hole die Schulsachen. Der Minirucksack ist bereits gepackt. Gut, dass ich so klug war, gestern sowohl die große als auch die kleine Tasche zu packen. Und das ist gar nicht so leicht, ich musste die Bücher und Hefte mit einer Pinzette hineinschieben.

Durch die Katzenklappe

Heute muss ich durch die Katzenklappe schleichen. Beim letzten Mal hat Pippin fies gefaucht und gesagt, ich soll gefälligst einen anderen Weg nehmen. Mal schauen, ob er mich erwischt. Eigentlich ist er lieb – aber die Katzenklappe ist ihm anscheinend wichtiger als mein Umweg.

Ich besteige über eine Wendeltreppe die kleine Kommode neben meinem Zimmer und packe die Butterbrotdose ein, in die Mama mir Kekskrümel eingepackt hat. Vorsichtig trete ich an den Rand. Wie jedes Mal, wenn ich hinabblicke, zittern mir die Knie. Ganz schön hoch.

Mit einem letzten Atemzug setze ich mich auf die Rutsche und stoße mich ab.

Der Fahrtwind weht meine Haare nach hinten, mein Magen fährt ebenso Achterbahn. Der Boden kommt rasend schnell näher, ich erreiche den tiefsten Punkt. Mit Karacho schieße ich geradeaus und komme schlitternd zum Halten. Mit hämmerndem Herzen steige ich aus und rücke den Rucksack zurecht. Ne, die Rutsche mag ich echt nicht. Da muss ich nochmal mit Mama und Papa drüber reden.

Ich schaue nach links und rechts. Wo ist Pippin? Über mir erhebt sich die Eingangstür. Auf Zehenspitzen nähere ich mich, lausche auf jedes Geräusch.

Ein Knacken lässt mich herumfahren. Nichts zu sehen.

Ich lege den Kopf in den Nacken. Vor mir ragt die Katzenklappe in die Höhe. Mit schwitzigen Händen erklimme ich das kleine Podest. Noch einmal blicke ich mich um. Niemand zu sehen. Mit aller Kraft drücke ich gegen die Scheibe, die sich vorerst nicht bewegen lässt. Ich sammle Kraft, presse mich mit dem ganzen Körper dagegen – die Klappe schwingt knarrend auf. Vorsichtig schlüpfe ich hindurch und lasse sie hinter mir wieder zufallen. Sie schwingt zweimal hin und her und kommt zum Stillstand.

Perfekt. Ich blicke ein letztes Mal in den Flur, sehe nur gähnende Leere. Glück gehabt, würde ich sagen. Obwohl – hab ich Pippin nicht vorhin im Garten gesehen?

Ich drehe mich um und schaue in zwei riesige gelbe Augen, die mich scharf mustern. Wie eingefroren stehe ich da, Schweiß läuft mir die Stirn hinab.

»Guten Morgen, Pip. Gute Jagd heute Nacht gehabt?«

Langsam steige ich zum Boden hinab und rutsche an der Tür entlang nach links. Dabei lasse ich Pippin nicht aus den Augen.

Nicht eine Sekunde lang wendet sich sein Blick von mir ab. Sein Ohr zuckt.

»Ich ... muss dann mal zur Schule.«

Pippins Schnurrbarthaare bewegen sich leicht, sein Maul öffnet sich. »Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst meine Klappe in Ruhe lassen?« Seine Stimme ist leise und zischend.

Ich kratze mich am Kopf. Mist. »Ähm ... ich ...«

Pippin seufzt theatralisch. »Ich habe die ganze Nacht geackert. Habe Mäuse verjagt, Vögel verschreckt, bin Bäume hoch und runter geklettert. Meinst du nicht, ich hätte da ein bisschen mehr Respekt verdient? Ist es zu viel verlangt, dass ich als ehrenwertes Mitglied dieser Familie auch so behandelt werde?«

Oh weh, Pippin scheint eine schlechte Nacht gehabt zu haben.

»Ernsthaft. Ich bin so ein anständiger Kerl und meine einzige Bitte ist: Lass meine Klappe in Ruhe. Die muss sowieso mal wieder geölt werden und ...«

Ein Geklapper unterbricht seinen Monolog. Seine Ohren zucken, der Kopf ruckt hoch. Das ist eindeutig Mama, die mit der Frühstücksschale klappert.

»Noch mal Glück gehabt, du kleiner Dreikäsehoch. Beim nächsten Mal verspeise ich dich zum Frühstück.« Er schüttelt sich, hebt den Kopf und verschwindet durch die quietschende Klappe.

»Hochnäsiger Kater«, murmele ich und schüttle den Kopf. Vor mir erhebt sich der Rasen, den Papa dringend mal wieder mähen muss. Ich hole mein Fahrrad aus der kleinen Garage hinaus, schwinge mich in den Sattel und fahre über den Gehweg. Der kleine Motor gibt mir richtig Schwung. Ich fahre bequem zwischen den Latten unter dem Gartenzaun hindurch.

Doch was ist das? Es knattert und knackt. Das Vorderrad schlingert und rutscht weg. Ich halte die Luft an, drücke auf die Bremse. In letzter Sekunde bleibt mein Rad stehen.

»Oh nein, was für ein Sch-« Mir bleiben die Worte im Hals stecken, als mein Blick auf die kaputte Vorderachse fällt. Was soll ich denn jetzt machen? Zurück zum Haus? Aber Mama hat gleich einen Arzttermin. Ich muss heute pünktlich in die Schule! Ich tigere auf und ab und überlege.

Ich könnte zu Fuß gehen oder mit dem Bus fahren. Zu Fuß kenne ich einige Schleichwege, brauche aber trotzdem recht lange. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich genug Zeit habe. Und das Wetter ist schön heute. Die Bushaltestelle ist nur fünf Minuten von hier, dort könnte ich mit meinen Mitschülern plaudern.

Welchen Weg soll ich nehmen?

Zu Fuß? Mit dem Bus?

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Mit dem Bus

Also mit dem Bus. Ich laufe die Straße hinab bis zur Bushaltestelle. Dabei weiche ich einem Hundehaufen aus und rümpfe die Nase. Puh, wie das stinkt. Vor mir geht eine Frau mit einem Rollator. Sie ist sehr langsam und da hier die Hecke der Nachbarn auswuchernd über den Weg wächst, überlege ich kurz, wie ich vorbeikommen soll. Schließlich presche ich äußerst gewagt zwischen ihren Füßen her. An der Bushaltestelle sehe ich auf der Anzeigetafel, dass der Bus in fünf Minuten kommt. Perfekt.

Mein Blick fällt auf die Treppe, über die ich in den Bus einsteigen kann. »Oh.« Die hat jemand umgekippt. Wie gemein! Dabei hat die Stadt erst vor Kurzem eine neue aufgestellt. Wie soll ich denn jetzt in den Bus kommen?

»Alles okay?«

Ich drehe mich um. Die Frau mit dem Rollator ist ebenfalls angekommen. Ich schüttle den Kopf und zeige auf die Treppe. Oder das, was von ihr übrig ist.

»Soll ich dir gleich beim Einsteigen helfen?« Die Frau lächelt und setzt sich schnaufend ins Wartehäuschen.

»Gern, danke!« Ich gehe zu ihr und klettere mühselig auf den Sitz neben sie. Jetzt pocht auch mein Herz ganz schnell vor Anstrengung und ich muss erst mal durchatmen. Dabei bemerke ich, wie mir die Frau immer wieder Blicke zuwirft. Sie sieht gar nicht so alt aus, vielleicht nur etwas älter als Mama. »Was denn?« Ich lächle, auch wenn ich mir vorstellen kann, was sie denkt.

Ich sehe ihr an, dass sie mit sich ringt, doch dann sagt sie vorsichtig: »Ich bin noch nicht oft Schrumpflingen begegnet und ... nun ...«

Aufmunternd lächle ich.

Sie fasst sich ein Herz. »Nun. Ich würde gerne wissen, ob dein Alltag sehr schwierig ist, wenn du geschrumpft bist.«

»Ich bin es nicht anders gewohnt. Meine Eltern haben mir zu Hause ganz viele Bahnen, Leitern und Fahrzeuge aufgebaut, so dass ich ganz schnell von einem Zimmer ins andere komme. Und hier draußen wird ja immer mehr für uns Schrumpflinge getan. Papa sagt, die Politik hat endlich begriffen, dass wir keine Randerscheinung sind. Was auch immer er damit meint.« Ich zucke mit den Schultern.

Sie lächelt. »Das wirst du sicher oft gefragt, entschuldige bitte.«

Ich spüre Hitze in meine Wangen aufsteigen. »Oh, nicht schlimm. Also ja, ich werde oft gefragt und manchmal nervt es auch, aber Sie haben ja ganz lieb gefragt. Da gibt es andere, die gemein sind.«

Ich muss an zwei Jungen aus meiner Klasse denken und verscheuche den Gedanken schnell wieder.

Die Dame räuspert sich. »Du musst wissen, in meiner Jugend gab es noch keine Schrumpflinge. Und um ehrlich zu sein, wurden viele Menschen, die anders waren als andere, diskriminiert und ungerecht behandelt. Ich finde es toll, dass das nicht noch mal passiert.«

Altklug nicke ich. »Jetzt gibt es viele tolle Rechte, die uns mit einschließen.« Neulich habe ich sogar ein Referat darüber gehalten mit dem Titel: ›Kinderrechte gelten für alle – auch für Schrumpflinge.‹

»Danke.«

Ich blicke zu ihr hoch. »Wofür?«

»Dass du mir das erzählt hast. Ich werde auch immer wieder gefragt, wieso ich in meinem Alter schon einen Rollator benutze.«

»Erzählen Sie es mir?« Ein wenig neugierig war ich ja schon.

Sie lacht. »Na klar. Ich habe Multiple Sklerose. Der Rollator hilft mir beim Laufen, damit fühle ich mich sicherer und kann endlich wieder spazieren gehen.«

Ich staune. »Toll. Also, dass Sie spazieren gehen können. Und danke.« Ich strahle sie an. »Dass Sie mir das erzählt haben.«

Sie lächelt. Ihr Blick schweift in die Ferne. »Ich bin unendlich froh, dass ich die Möglichkeit haben, die Sonne zu genießen.«

Der Bus biegt um die Ecke und kommt vor uns quietschend zum Stehen.

»Dann komm.« Die Frau richtete sich auf.

Bevor sie in Richtung Bus gehen kann, hüpfe ich auf das Sitzbrett ihres Rollators und halte mich gut fest. Sie rollt bis zur mittleren Tür und drückt den Öffner. Mit einem Zischen klappen die Türen auf. Ein Junge, vielleicht zwei Jahre älter als ich, springt sogleich herbei.

»Warten Sie, ich helfe Ihnen!« Er hebt den Rollator vorsichtig hinein und grinst mich an. »Auch ne Idee.«

Ein Kichern dringt über meine Lippen.

Die Frau nimmt den Rollator in Empfang und reicht mir die Hand. »Soll ich dich auf die Empore setzen?«

Ich nicke und lasse mich von ihr auf den kleinen Steg setzen, der in gut einem Meter Höhe an der Fensterscheibe verläuft. Von hier aus kann ich einmal quer durch den Bus laufen, wenn ich will.

»Hab einen schönen Tag!«

»Danke, Sie auch!« Ich winke und richte meinen Rucksack. Im Bus ist es laut, es sind kaum Plätze frei. Ich lasse den Blick schweifen.

Dahinten sitzt Melina, unsere Klassenbeste. Sie sieht unglücklich aus und starrt in ihr Mathebuch. Hinter ihr sitzt Gregor ganz allein und guckt aus dem Fenster. In der Hand hält er etwas, doch ich kann nicht erkennen, was es ist. Gregor ist in unserer Klasse der Außenseiter und ich muss zugeben, dass ich mich noch nie länger als eine Minute mit ihm unterhalten hab.

Ganz hinten sitzt David. Er ist so cool! Auch jetzt tippt er wie wild auf seinem Smartphone herum. Bestimmt spielt er was.

Neben wen soll ich mich setzen?

Gregor Melina David

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Gregor

Ich entscheide, mich neben Gregor zu setzen. Er tut mir leid. Dauernd wird er nur geärgert von den anderen. Bei der Sitzreihe angekommen, rutsche ich die Stange hinab und lasse mich auf den freien Platz fallen.

»Oh. Hi«, sagte Gregor und lächelt.

Ich lächle zurück, sag aber nichts. Ob es eine gute Idee ist, hier zu sitzen? Nicht, dass die anderen mich jetzt auch doof finden. Verstohlen schaue ich mich um, aber die anderen Mitschüler gucken gar nicht. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Gregor das Ding in seiner Hand dreht. Jetzt kann ich es genauer erkennen: Es ist ein Papierflieger. Und noch dazu ein wirklich cool aussehender, mit Tragflächen und bunten Farben.

»Sag Mal ...«

Ich blinzle und schaue hoch, habe gar nicht bemerkt, dass Gregor mich auch anguckt.

»Ich ... ich wollte mal fragen, wie es so ist als Schrumpfling. Also ich meine, das fragen bestimmt alle, aber ...« Er unterbricht sich, kratzt sich am Kopf. Seine Haare haben eindeutig lange keine Dusche mehr gesehen. Er tut mir schon wieder leid.

Schließlich murmelt er mehr zu sich als zu mir: »Ich wäre gerne so klein.«

»Ach ja?« Ich sehe ihn verblüfft an. »Das hat mir noch keiner gesagt. Wieso?«

Gregor piddelt Dreck unter seinem Fingernagel hervor und flitscht ihn zu Boden. Er sieht mich weiterhin nicht an. »Na, dann würden die anderen mich übersehen und vielleicht nicht mehr ärgern. Obwohl ... dann könnte ich Leni nicht mehr zum Spielplatz fahren.«

»Wer ist Leni?«

»Meine kleine Schwester. Sie sitzt im Rollstuhl und ich fahre mit ihr ganz oft auf den Spielplatz. Mein Papa muss leider viel arbeiten und sonst haben wir keinen mehr.«

In meinem Bauch grummelt es. Langsam verstehe ich es. Gregor ist ein total lieber Junge, der sich um seine Schwester kümmert. Kein Wunder, dass er keine Zeit hat, zu duschen oder sich neue Klamotten zu kaufen. Ich spüre Hitze in meine Wangen steigen. Meine Gedanken von vorhin sind mir total unangenehm. Und ich muss an das denken, was mir die Frau an der Bushaltestelle gesagt hat. »Deine Schwester ist bestimmt total froh, dass sie deinetwegen an die Sonne kommt.«

Gregor strahlt mich an. »Das hat sie mir auch neulich gesagt.«

Mir ist es immer noch peinlich, dass ich vorhin daran gezweifelt habe, ob ich hier neben Gregor richtig sitze. Ich gebe mir einen Ruck und zeige auf den Flieger. »Der sieht genial aus. Kann der gut fliegen?«

»Richtig gut! Willst du ihn nachher ausprobieren?«

Ich strahlte zurück. »Super gern!«

Quietschend kommt der Bus zum Stehen. Die Zeit ist ja schnell vorbeigegangen!

»Möchtest du einsteigen?«, fragt Gregor. Ich sehe, wie seine Wangen rot werden.

»Klar!« Von nun an werde ich ihn nicht mehr ärgern, das steht fest!