Der Schwarze Stier II - Holger Steiner - E-Book

Der Schwarze Stier II E-Book

Holger Steiner

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Beschreibung

Ein neues Abenteuer des inzwischen erwachsenen Quellzauberers Aaronimus. Diesmal hat es der Schwarze Stier, ein wahrhaft böser Hexer und Erzfeind des Aaronimus, auf die Stadt Steinfall abgesehen. Nur durch den Zusammenschluß neuer und alter Freunde haben die Stadtbewohner eine Chance gegen das Böse und seine Gefolgschaft. Immer wieder muss Sir Gabriel, der Fürst der Stadt schwerwiegende Entscheidungen treffen. In diesem Roman wird die Geschichte des Bauernsohns Aaronimus fortgesetzt, der einst die Ruinen der Akademie des Guten fand. Es ist eine Geschichte über Güte und Freundschaft, über Rache und Wut. In einer Zeit in der es noch Ritter und Magie, Geister und Feenelfen gab.

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Seitenzahl: 304

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Holger Steiner

Der Schwarze Stier

Von Rittern und Zauberern

Roman

Deutsche Erstausgabe

Inhalt

Impressum

Kurzinhalt

Kap.1 Eröffnung

Kap.2 Steinfall

Kap.3 Rittersaal

Kap.4 Schelm

Kap.5 Ilse

Kap.6 Kugratwald

Kap.7 Daheim

Kap.8 Rat

Kap.9 Maestro

Kap.10 Plan

Kap.11 Angriff

Kap.12 Nordländer

Kap.13 Spiegelschiffe

Kap.14 Donner

Kap.15 Vergebung

Kap.16 Sieg

Kurzinhalt

Das Buch

In diesem Roman wird die Geschichte des Bauernsohns Aaronimus fortgesetzt, der einst die Ruinen der Akademie des Guten fand. Es ist eine Geschichte über Güte und Freundschaft, über Rache und Wut. In einer Zeit in der es noch Ritter und Magie, Geister und Feenelfen gab.

Wieder muss der Junge, der sich inzwischen zu einem guten Magier entwickelt hat, sich seinem Erzfeind stellen, dem bösen Zauberer Sodemar, dem Schwarzen Stier. Der dunkle Magier hat sich mit den Nordländern verbündet und strebt nach der Macht in Steinfall, der Hauptstadt Westlands.

Doch auch Aaronimus ist nicht alleine. Mit neuen Freunden und alten Gefährten stellt er sich der Bedrohung.

Der Autor

Kap.1 Eröffnung

… Nachdem der Magister Magicus seine Ausführungen beendet hatte, erhob sich ein Mann dessen Kleidung auf edles Geblüt schließen ließ.

Er trug schwere Riemenstiefel in die er seine schwarzen Lederbeinlinge gesteckt hatte. Sein Wams war aus dem gleichen Material. Über das Ganze hatte er einen weißen, seidig glänzenden Waffenrock gelegt. Ein schwarzer Ledergürtel hielt den Waffenrock in der Mitte zusammen. Ein weiterer, nietenbesetzter Gürtel, hielt die locker an der linken Seite des Mannes hängende Schwertscheide. Der Griff, der aus der Scheide ragte, war fein säuberlich mit Leder eingebunden und hatte als Knauf den Kopf eines Pferdes. Auf der Stirn des Pferdes leuchtete ein kleiner Edelstein.

Der Mann wartete bis der Beifall für seinen Vorredner abebbte und stellte sich dann vor: „Mein Name ist Sir Gabriel von Steinfall, Maestro Realicus an der Akademie des Guten. Ihr werdet bei mir in Diplomatie, höfischem Umgang aber auch in Kampftaktiken unterwiesen werden! Maestro Aaronimus hat mich, wie auch die anderen Magister, gebeten euch auf das Böse vorzubereiten. Durch viele Abenteuer und leider zu viele Opfer haben wir es geschafft, dass Fabelwesen sich nicht mehr verstecken müssen. Wir haben es geschafft Sodemar und seine Gefolgschaft immer wieder zurück zu schlagen. Doch ist er immer noch eine Gefahr! Seine Zauberkräfte sind erstarkt! Er kann seine Transformation in den Schwarzen Stier besser kontrollieren. Außerdem gehen Gerüchte um, die ihm einen Schulterschluss mit den Wüstenreitern nachsagen. Wir brauchen deshalb im Ernstfall fähige Anführer für unsere Verteidigungslinien!

Und darum sind wir gemeinsam hier!

Wir werden dafür sorgen, dass der Schwarze Stier nie wieder die Oberhand gewinnt! Zusammen mit euch und den anderen Magistern wird uns das gelingen!“

Einer der Schüler stieß immer wieder seine Nebensitzerin an und flüsterte: „Weißt du wer das ist? Das ist der perlmuttfarbene Ritter, der Fürst der westlichen Länder. Er und Aaronimus haben schon ganze Meuten des Schwarzen Stiers vernichtet.“

„Pst! So ein Quatsch! Du darfst nicht alles glauben was die Gaukler und Marktfrauen erzählen!“ antwortete das Mädchen genervt.

Sir Gabriel bat nun die gesamten Magister der Akademie zu sich und stellte sie einzeln vor. Jeder von ihnen auf seinem Gebiet der oder die Beste.

Ambrosius Amboss, ein Schmied der seinen schweren Hammer auch schon in vielen Kämpfen kreisen ließ. Ilse Pompilse, eine Hexe deren Herkunft unter einem Schleier liegt. Deren hypnotische und wahrsagerische Kräfte allerdings weithin bekannt sind.

Alholgera Ibn Sateris. Ein Kämpfer aus dem Morgenland. Bewandert in den verschiedensten Verteidigungskünsten.

Und schließlich Andrea Seruma, die Meisterin der Tränke und Düfte.

Alle wurden mit reichlich Applaus verwöhnt als Sir Gabriel sie zu sich bat.

Als sie sich nun am oberen Ende des großen ovalen Beckens, welches einen Großteil des Raumes einnahm, versammelt hatten, gesellte sich auch Maestro Aaronimus, der Magister Magicus, dazu.

Vor den Akademieneulingen standen die Besten der Magie und Ritterlichkeit. Der weißen Magie und Ritterlichkeit!

Die Begeisterung in den Augen der Jugendlichen war nicht zu übersehen. Immer wieder bejubelten sie ihre Vorbilder. Aaronimus musste rufen um sich Gehör zu verschaffen, als er alle Anwesenden aufforderte an einem gemeinsamen Mahl teilzunehmen. Gleichzeitig öffnete sich eine der zweiflügligen Türen die den Weg zum Speisesaal versperrt hatten und zweidutzend neue Schüler und eine Handvoll Lehrer machten sich auf zum ersten gemeinsamen Abendessen.

„Das wäre geschafft!“ sagte Sir Gabriel zu Aaronimus als sie sich beim Essen zu ihren Plätzen begaben. „Aber du solltest dir endlich diesen grässlichen Bart abnehmen. Die Akademieneulinge glauben du wärst ein alter Mann, dabei bist du nur sechs Jahre älter als ich!“

„Ich bin Maestro Magicus. Sie erwarten dass ich so aussehe. Man glaubt einem weisen alten Zauberer einfach leichter, als einem jungen Hokus Pokus!“ gab Aaronimus, augenzwinkernd, zurück.

Kap.2 Steinfall

Schon damals war Steinfall die Hauptstadt von Westland.

Die ganze Stadt war von einer begehbaren, mehrere Mann hohen Mauer umgeben. In regelmäßigen Abständen waren Wachtürme in die Mauer integriert. Sie erlaubten einen Blick weit auf die See und in das Landesinnere hinein.

An der zum Meer gelegenen Seite befand sich ein Hafen der auch großen Galeonen die Möglichkeit zum Be- und Entladen gab. Eine Seite des Hafens wurde durch hohe Klippen begrenzt. Hoch oben auf diesen Felsen lag die Festung des Fürsten. Alle Seiten zur Festung hinauf waren steil aufsteigend und nur eine sich an den Felsen durch den Klippenwald entlang windende Straße führte zum großen Haupttor der Burg.

In der Stadt am Fuße der Festung standen die Häuser dicht an dicht beieinander. Manche Nebengassen waren so eingeengt von den Wohnstätten, dass nur an einigen Minuten zur Mittagszeit das Sonnenlicht den Boden berührte. Doch selbst hier machten die Gebäude, wie in den meisten Vierteln, einen sehr gepflegten Eindruck. An vielen Fenstern und Balkonen hingen Blumenkästen in denen Pflanzen in allen Farben gediehen. Die Bewohner achteten sehr darauf, dass die Gebäude ihrer traditionsreichen Stadt ordentlich erhalten blieben. In der Hauptstadt Westlands gab es kaum Baufälliges.

Einzig im Hafenviertel und in der Nähe des Flüchtlingslagers war nicht alles so aufgeräumt.

Diese Orte waren ein Sammelsurium der verschiedensten Geschöpfe dieser Welt. Dort kamen und gingen die Leute und niemand fühlte sich wirklich verantwortlich.

Immer häufiger waren es Fabelwesen die kamen.

Sie suchten ein neues Zuhause in Westland.

Aus Erzählungen wusste der junge Gabriel, dass in Mittenland ein Hexer mit einem großen Hass auf sie lebte. Ein junger Magier hatte ihm die Stirn geboten und ihn sogar längere Zeit aus dem Land verbannen können. Doch konnte der so genannte Schwarze Stier durch irgendwelche Mysterien seine Macht wieder aufbauen und sammelte seitdem dunkelmystische Wesen um sich.

Zum Glück weit weg von Steinfall, dachte sich Gabriel damals, dem noch nicht bewusst war wie stark die einzelnen Länder des Kontinentes miteinander verzahnt waren.

Er war ein junger Fürst. Sein Vater, Sir Richel, hatte ihm den Thronstab schon zu Lebzeiten übergeben, um sich selbst langsam aus den Amtsgeschäften zurückziehen zu können. Sicherheitshalber hatte er sich aber gleichzeitig zum offiziellen Berater seines Sohnes gemacht, um weiterhin Einfluss auf das Geschehen bei Hofe zu haben.

Doch gab es nicht viel bei dem er Einfluss hätte nehmen können.

Der junge Fürst war beliebt bei der Stadtbevölkerung. Von Kindesbeinen an war er an den Menschen interessiert, die in seiner Stadt lebten. Stets darauf bedacht nicht zu wirken als würde er über den anderen stehen und immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Ängste seiner Bürger hatte er sich ein großes Vertrauen bei ihnen erworben. Dies half ihm auch sich bei der Aufnahme der Flüchtlinge gegen seinen Vater zu stellen und jedem das Recht einzuräumen in Steinfall Schutz zu suchen. Sir Richel hingegen war der Meinung, dass die übermäßige Zuwanderung und die unterschiedlichen Lebensformen über kurz oder lang zu Zwist führen würden. Tatsächlich wurde durch das Öffnen der Stadttore die Stadt zu einem Schmelztiegel der verschiedensten Rassen und Kulturen.

Dennoch mussten die Stadtwachen nur selten eingreifen.

Im Gegenteil, diese kulturelle Vielfalt machte Steinfall nur noch mehr zum Mittelpunkt Westlands. Die Stadtwachen mussten, wenn überhaupt, ab und an zwei Streitende trennen, die sich einige Becher zu viel im Wirtshaus gegönnt hatten oder als wirkliche Ausnahme, einen Dieb fassen, der die Ablenkung der Streitenden für sich nutzen wollte. Es waren keine Auffälligkeiten erkennbar, die auf die Anwesenheit der Flüchtlinge zurückzuführen waren.

Bis jetzt.

In den letzten Tagen kam es öfter vor, dass sich eine neue Zuwanderergruppe mit anderen Stadtbewohnern in den Haaren lag. Erfuhr Gabriel von solchen Streitigkeiten ritt er aus, um mit den beteiligten Gruppen zu sprechen. Bis er im Ort ankam hatten die Stadtwachen die rivalisierenden Gruppen schon beruhigt und bei Bedarf in ihre Heimstätten zurückgeführt.

Außer diesmal!

Bei einem abendlichen Spazierritt durch die Stadt entdeckte Gabriel, beim Blick in eine der etwas breiteren Gässchen hinter den Kneipen des Hafenviertels, ein halbes Dutzend der neuen Zuwanderer die sich um ein am Boden liegendes vierarmiges Fischwesen mit dünnen Beinchen und der Schwanzflosse eines Delfins aufgebaut hatten. Neben dem schon niedergestreckten stand ein weiteres Fischwesen mit Blessuren und hielt schützend die Hände vor den Körper und das Gesicht.

Die Slarnom, so wurde die Zuwanderergruppe genannt, hatte die beiden Fischwesen so eingekreist, dass sie keine Fluchtmöglichkeit mehr hatten.

Gerade holte der vermeintliche Anführer zu einem weiteren Schlag auf das noch stehende Wasserwesen aus, als der Fürst von seinem Pferd aus auf sich aufmerksam machte.

Der Slarnom hielt tatsächlich im Schlag inne und drehte sich zu Gabriel um.

Als er den Waffenrock Gabriels, als den eines Steinfaller Soldaten erkannte, nahm er die Hand schnell herunter und vergrößerte seinen Abstand zu dem eben noch geprügelten Garnek.

„ Was ist hier vorgefallen?“ fragte der junge Fürst während er abgestiegen war und auf die Gruppe zuging. Der noch stehende Garnek zeigte auf sein Gesicht und den am Boden liegenden Artgenossen, der gerade begann sich langsam aufzuraffen.

„Ihre Hexe verdirbt die Waren! Wir verkaufen keine schlechten Waren! Sie wollen den Markt für sich! Sie tun uns weh weil wir die Wahrheit sagen!“ Der Rückenpanzer des eigentlich grauen Wasserwesens begann sich rot zu färben. Ein Zeichen, dass die Angst des Garnek langsam in Wut umschlug.

Nachdem er den jungen Fürsten noch einmal auf ihre Wunden aufmerksam gemacht hatte, bestand er darauf, dass Sir Gabriel die Gruppe der Slarnom sofort der Stadt verweist. Wild fuchtelte er mit seinen vier Armen.

Um ihn herum, der Fürst war inzwischen mitten in die Gruppe gegangen und hatte sich demonstrativ zwischen die Garneks und den Anführer gestellt, fingen jetzt auch die Slarnom an wüste Beschimpfungen zu rufen und forderten den Ausschluss der Wasserwesen aus der Händlergemeinschaft.

Sie hatten ihre Waffen gezogen und drohten mit kämpferischen Gebärden.

Gabriel wusste, dass er rasch handeln musste, bevor die Situation wieder eskalierte.

Zuerst wandte er sich den beiden Garneks zu. Dadurch konnte er sich selbst etwas Zeit verschaffen.

Er musste diplomatisch sein.

Die Garneks waren total verdreckt. Bei einem war an mehreren Stellen die Schwanzflosse eingerissen.

Die Slarnom mussten sie schon einige Minuten, auf sehr unsanfte Art, auf die schlechte Ware hingewiesen haben.

Er half dem schwerer Verletzten vollends auf die Beine.

Schnell wurde der von seinem Artgenossen übernommen.

„Verhaltet euch ruhig. Ich bin auf eurer Seite. Aber ihr müsst tun was ich sage!“ forderte Gabriel. Er kannte das Volk schon seit er denken konnte. Sie waren eines der ersten Fabelvölker die mit seinem Vater Handelsbeziehungen aufgebaut hatten. Er wusste, dass die Garneks niemals bewusst Verdorbenes anbieten würden. Die Meeresbewohner waren ein stolzes Volk. Zu stolz um sich Betrug nachsagen zu lassen.

„Ihr müsst das Slarnomvolk bestrafen!“ rief der immer noch sehr wütende Garnek.

„Ich werde mit den Verantwortlichen reden. Sie werden die Konsequenzen dafür tragen müssen.“ gab der Fürst zurück.

„Nur reden wird nicht genügen!“ blubberte Gundesch, der verletztere Garnek enttäuscht. Dann drehte er sich mit seinem Gefährten um und humpelte an den grölenden Slarnom vorbei. Erleichtert sah Gabriel, dass die Farbe der Rückenpanzer der Meeresbewohner langsam wieder in einen Grauton überging.

Die Parteien waren getrennt, die Garneks erstmal in Sicherheit.

Er würde sich nun um das Slarnomvolk kümmern.

Eine Rasse deren Erscheinungsbild sehr gewöhnungsbedürftig war. Ihre Kleidung war gebraucht, abgenutzt und ungepflegt, wie sie selbst. Ihre Waffen waren rostig. Der Schmutz klebte an ihnen wie Kletten am Fell seines Pferdes. Als er nähertrat konnte er riechen, dass der Schmutz schon älter sein musste. „Was war Anlass für euren Disput?“ fragte er den, der die lautesten Verwünschungen ausrief.

„Die Fischköpfe verkaufen verschimmelte Schwämme und wenn sich jemand beschwert behaupten sie, dass sie gar nicht von ihnen stammen.“ grunzte der breitschultrige, wuschelköpfige Streithahn.

Gabriel war überrascht. Er hätte gedacht, dass der Slarnom den Begriff Schwamm gar nicht kannte.

„ Sie behaupten sogar, dass wir den Ramsch selbst mitbringen und die Leute übers Ohr hauen. Seitdem will keiner mehr unsere Ware. Da hat es sich doch nur angeboten, dass wir zwei von ihnen auf ihrem Heimweg hier getroffen haben um uns auszusprechen.“ grinste der Slarnomanführer frech.

„Darf ich einen dieser Schwämme sehen?“ fragte Gabriel höflich.

„Den Wasserköpfen glaubt ihr ungesehen und von uns wollt ihr Beweise?“ baute sich der Sprecher der Slarnom grimmig vor ihm auf.

„Wer seid ihr überhaupt, dass ihr glaubt euch ein Urteil erlauben zu können?“

„Nun; meine Aufgabe ist es Recht zu sprechen und da ihr der Ankläger seid, möchte ich von euch die Beweise!“ forderte der Fürst, ohne sich wirklich zu erkennen zu geben.

Der Slarnomanführer ließ sich von einem seiner Leute einen Schwamm geben.

Gabriel erkannte sofort, dass der Schwamm unmöglich von diesem Meer stammen konnte. Der Mann hatte also gelogen. Niemals würde ein Garnek ein solches Teil überhaupt in die Hand nehmen, geschweige denn verkaufen.

„Packt eure Sachen und verschwindet von hier!“ befahl er dem Slarnom. Er hatte keine Lust mehr diplomatisch zu sein. „Solltet ihr noch einmal in dieser Stadt auftauchen und willkürlich Bewohner beschimpfen oder beschuldigen, ob Fabelwesen oder Mensch, werdet ihr unsere Gefängnisse kennen lernen!“

Für den Slarnomanführer war diese Drohung Anlass genug die Hand an die Waffe zu legen.

„Und was wollt ihr machen wenn wir nicht gehen wollen? Hier, in dieser Gasse? Ein Soldat gegen sechs Slarnom.“ Der Anführer zog sein Schwert. Seine Mitstreiter taten es ihm gleich.

So ein Mist, dachte Sir Gabriel als auch er zur Waffe griff. Warum ist nie eine Wache da wenn man sie braucht?

Er sah sich um. Die paar Betrunkenen, die langsam aus den Kneipen torkelten und in die Gasse schauten, nahmen gar nicht war, dass sich hier eine brisante Situation entwickelte. Und die zwielichtigen Typen die es doch warnahmen, kamen nur in die dunkle Gasse um zu sehen wie sich ein Soldat, eine aus ihrer Sicht verdiente Abreibung abholte. Gabriel schluckte.

Ein halbes Dutzend Slarnomkrieger waren auch für ihn ein Gegner. Er war bestens ausgebildet im Schwertkampf, doch das hier würde schwer werden. Vor allem, weil er es sich zum Ziel gemacht hatte, niemals zu töten.

Mit einer plumpen Attacke begann der anführende Slarnom seinen Angriff.

Das war noch leicht, schoss es Gabriel durch den Kopf. Das war ein Trick, war sein nächster Gedanke, als er im Augenwinkel das Niedersausen eines weiteren Schwertes bemerkte.

Die Slarnom hatten sich im Kreis um ihn versammelt und griffen immer zu zweit, von gegenüberliegenden Seiten an. So standen sie sich nicht im Weg. Und er musste sich gleichzeitig in mehrere Richtungen verteidigen. Schon nach kurzer Zeit rann ihm der Schweiß von der Stirn. Die Angriffe waren geschickt platziert. Immer wieder konnte er sich nur durch einen gewagten Sprung retten. Meistens landete er direkt vor einer weiteren Slarnomklinge.

Er hatte zusätzlich seinen kleinen Dolch zur Hand genommen. Wieder konnte er gerade noch einem Hieb ausweichen. Er blockte mit dem Dolch und führte einen Streich in die Richtung aus, aus welcher der Schlag kam. Wieder daneben! Auch die Slarnom waren schnell. Ein wenig Hilfe aus der Bevölkerung wäre hier nicht schlecht. Doch die hier inzwischen versammelten Personen waren entweder zu betrunken, um die Situation zu begreifen oder der Meinung, dass Soldaten die sich alleine im Hafenviertel aufhalten eine Abreibung verdient hätten.

Wieder ein Angriff! Gabriel duckte sich unter dem Schlag hindurch und holte den Gegner mit einem Fußwischer von den Beinen. Er sprang auf den Gestürzten zu, doch bevor er seinen Schwertknauf einsetzen konnte, sauste eine weitere Klinge auf seinen Hals zu. Mit aller Kraft musste er den Griff seines Schwertes festhalten, als die Wucht des Angriffs sein Eisen traf. Mit einer Rückwärtsrolle in den Stand brachte er sich aus dem Gefahrenkreis eines weiteren gegnerischen Hiebes.

Endlich sprang ein kleiner, dicklicher Mann mit einem riesigen Schmiedehammer schreiend in den Kampfkreis. Die ersten beiden Slarnomkrieger spürten den Schmerz, bevor sie wussten was geschah. Trotz seiner Masse war der Mann mit dem Lederschurz flink. Er rammte den Hammerstiel in die Mägen seiner Gegner und ließ den Kopf des wuchtigen Werkzeugs auf die Zehen der Feinde donnern. Auch eine Kniescheibe zerbarst.

Ambro!

Dem Himmel sei Dank!

Sein Freund Ambro war ihm zur Hilfe geeilt.

Das verschaffte dem jungen Fürst die Luft, die er brauchte. Jetzt konnte er seinen Schwertknauf auf die Nasenbeine der Slarnom krachen lassen und seine Klinge schmerzvoll einsetzen.

Eisen funkten, Schneiden klirrten.

Der Hammer des Schmieds zog verheerende Kreise. Gabriels flache Seite des Schwertes prellte Rippen, Arme und Beine der Angreifer.

Innerhalb kurzer Zeit war der Kampf zu Gunsten Gabriels entschieden.

Er wendete sich dem nun am Boden liegenden Anführer der Slarnom zu.

Merklich außer Atem, aber nicht ohne einen gewissen Hohn, sagte er: „Entschuldigt bitte wenn ich euch mit meiner Uniform getäuscht haben sollte. Ich vergaß mich zu Beginn des Gesprächs vorzustellen. Mein Name ist Sir Gabriel von Steinfall. Ich bin das Stadtoberhaupt und Fürst von Westland. Dies ist mein guter Freund Ambrosius Amboss. Aufgrund der vorhin schon ausgesprochenen Anschuldigungen verweisen wir euch und eure Gefolgschaft der Stadt!“

„Haltet ein, bitte haltet ein!“ rief plötzlich eine Stimme in die Gasse. Eine junge Frau drückte sich zwischen den Zuschauern durch und kniete vor dem Slarnomanführer.

An Sir Gabriel gewandt, flehte sie: „Bitte vergebt ihm. Er ist leicht aufbrausend und hat Unrecht getan aber verweist uns nicht der Stadt. Ihr kennt die Gefahren, die vor der Stadt lauern! Bitte lasst uns sicher hier verweilen. Ich werde meinen Bruder zügeln. Bitte!“ „Schmeiß sie raus und lass uns gehen!“forderte Ambrosius.

Gabriel blickte sich unsicher um.

Er wusste gar nichts von Gefahren vor der Stadt. Mit Daumen und Zeigefinger rieb er sich den Nasenrücken. Dann schaute er sich die Bittstellerin von oben bis unten an.

Sie war jung, schmutzig und roch wie ihre Landsleute. Ihre Kleidung war verschlissen und viele Male geflickt. Eine Slarnom eben. Im Gegensatz dazu waren ihre Augen jedoch glasklar und scheinbar leuchtend grün, beinahe als gehörten sie gar nicht wirklich zu dieser Gestalt.

Die Augen einer Königin, im Körper einer Bettlerin waren es, die sein Mitleid erregten. Und das wiederum veranlasste ihn, ihrer Bitte Folge zu leisten. Mit harter Stimme entschied er: „Ich werde Gnade vor Recht ergehen lassen. Ihr dürft bleiben! Bei dem kleinsten Regelverstoß werdet ihr für immer der Stadt verwiesen! Zieht euch nun zurück und heilt eure Wunden!“

Die Zuschauer schlurften und torkelten langsam davon. Enttäuscht, dass der Kampf schon zu Ende war.

Jetzt endlich schaute auch die Stadtwache in die Gasse. Der Kommandeur der Gruppe stürzte zu Gabriel. „Können wir helfen?“

„Zu spät.“ foppte Ambrosius den Hauptmann.

Sir Gabriel befahl: „Begleitet die Slarnom zu ihrem Lagerplatz und habt ein Auge auf sie!“

Er selbst schaute den Slarnom noch ein wenig nach. Seltsames Völkchen, dachte er.

Bevor er sich aber weitere Gedanken machen konnte, hatte sein Freund Ambro ihm die Hand auf die Schulter gelegt und gefragt: „Was trinken?“

Gabriel nickte.

Gemeinsam machten sie sich auf zum „Goldenen Hahn“.

Und wie selbstverständlich trottete der weiße Hengst des Fürsten hinter den beiden her.

*

Im Gasthaus angekommen wurde ihnen sofort Wein vorgesetzt und auch ein reichliches Mahl wurde angeboten. Ambrosius und Gabriel hatten sich an einem Platz, etwas abseits niedergelassen. Wie immer wollte der Wirt den Fürsten einladen. Wie immer lehnte dieser ab und bezahlte freiwillig etwas mehr, als er hätte müssen.

Seit langer Zeit waren der Schmied und der Fürst sehr gute Freunde. Ambrosius war einer der wenigen die wussten, dass das Pferd des Fürsten ein Einhorn war. Gabriel fand das Fohlen auf einer Lichtung im Wald. Halb verblutet. Trophäenjäger hatten dem zutraulichen Einhorn einfach das Horn abgeschlagen. Aus der Stirnwunde des Tieres floss das Blut in Strömen. Gabriel konnte die Blutung nicht stoppen. In seiner Hilflosigkeit band er das Einhorn auf den Rücken seines Pferdes und galoppierte damit zum Schmied, der gleichzeitig Pferdepfleger des Fürsten war. Doch der Stahlformer war in Forberg, um sich mit Eisenerz aus der Mine zu versorgen. Sein Sohn hielt währenddessen das Feuer im Ofen auf Temperatur. In seiner Not zeigte Gabriel, Ambrosius dem Sohn, das Tier. Der hatte irgendwo gehört, dass Einhörner nur durch die Kraft von Edelsteinen geheilt werden konnten. Gabriel gab ihm, ohne darüber nachzudenken, sofort seinen diamantbesetzten Ring.

Der Sohn des Schmieds war schon als Jugendlicher ein begabter Handwerker. Er trennte den Diamant aus der Ringfassung und legte ihn dem Einhorn in die Wunde. Sofort begann das Blut des Einhorns zu gerinnen und die Wunde sich zu schließen. Ehe die zwei sich versahen, war der Diamant fest verwachsen. In die Stirn des Tieres eingebettet.

Jetzt hatten sie ein neues Problem! Sie brauchten etwas um den Diamanten am Kopf des Fohlens zu verbergen. Schon an der Hand Gabriels war der Stein ein verlockendes Angebot für jeden Dieb. Am Kopf des Pferdes schrie er geradezu: Klaut mich.

Ein Sichtschutz musste her.

Ambrosius hatte noch etwas Eisen im Feuer.

Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und ohne einmal Maß nehmen zu müssen formte er einen Stirnschild, welcher den Stein überdeckte. Mit zwei Riemen wurde der Schild befestigt. Das Einhorn wehrte sich nicht, als das abgekühlte Eisen an seine Stirn angebracht wurde. Es schien zu ahnen, dass es zu seinem besten war. Um unangenehmen Fragen zuvor zu kommen und auch ein wenig um das Tier zu schützen, beschlossen die Jugendlichen, dass das vermeintliche Pferd von Sir Gabriel in der Steppe gefangen wurde, sich dabei verletzte und deshalb beim Schmied untergestellt werden musste. Sie schworen sich, niemandem von der wahren Identität des Fohlens zu erzählen, welches im Laufe der Zeit zu einem schneeweißen Hengst heranwuchs der in der Sonne silbern glänzte. Gabriel hatte das Tier daher Silberstern getauft. Ambrosius war das egal. Er nannte es weiterhin einfach Pferd, was seiner Zuneigung zu dem Einhorn aber kein Abbruch tat.

Durch das Unterstellen in den Stallungen beim Schmied war es für ihn auch ein Leichtes, dem Pferd immer wieder das Stirnschild anzupassen, so dass bis heute tatsächlich keiner wusste welch edles Geschöpf Gabriel sein Reittier nannte.

Seit seiner Rettung verbrachten Gabriel und Ambrosius, immer wenn es die Arbeit zuließ, die Zeit gemeinsam. Eine der ersten Amtsgeschäfte Gabriels als Fürst war daher auch, Ambrosius in seinen Stab zu holen. Er war, abgesehen von Gabriels Vater, sein verlässlichster Berater.

Der „Goldene Hahn“ hatte sich für die „Beratungsgespräche“ als ein guter Treffpunkt abseits des Protokolls herauskristallisiert. Auch heute konnten sie wieder ungestört einige Becher des wohlschmeckenden Mets genießen, bevor sie gemeinsam den Rückweg zur Burg antraten. Am Haupttor angekommen trennten sich allerdings ihre Wege. Der Schmied wollte noch zur Werkstatt, Gabriel musste ins Haupthaus.

Kaum war er auf der Burg angelangt, als er seinem Vater Rede und Antwort stehen musste. Natürlich hatte er sich einige Vorwürfe von Sir Richel anzuhören: Sich alleine mit einem halben Dutzend Slarnomkriegern anzulegen. Und dann einen Stadtverweis zurückzuziehen, wegen dem Gejammer einer jungen Frau. Das würde die Autorität des jungen Fürsten in Frage stellen.

Gabriel verteidigte sich nach Kräften.

*

Diese Aussage untermauerte er, indem er in den nachfolgenden Tagen, regelmäßig in die Stadt ging und sich dabei das Flüchtlingslager ganz genau anschaute.

Dieses hatte sich zu einem Ort im Ort entwickelt. Dort wo vor einigen Jahren noch der Westlandmarkt abgehalten wurde, hatte sich eine richtige kleine Stadt aus Zelten, Planwagen, einfachen Hütten und sogar Mischmasch aus alledem entwickelt. Die verschiedensten Völker hatten sich hier angesiedelt. Alle waren in irgendeiner Weise auf der Flucht vor jemandem oder etwas. Die meisten wollten sich innerhalb der Stadtmauern vor dem sogenannten Schwarzen Stier und seinen Handlangern schützen. Durch das Leid, dass sie alle verband, hatte sich schnell eine Gemeinschaft entwickelt.

Da gab es die Marlanen, eine Gruppe von Pflanzenwesen. Sie wuchsen und ernährten sich wie die hiesige Flora. Nur waren diese Geschöpfe nicht an Örtlichkeiten gebunden. Sie krochen mehr, als das sie gingen. Sie hatten auch keinen Anführer. Sprach man ein Marlanen an, wussten innerhalb von Sekunden alle Wesensgleichen Bescheid. Sie waren ein Kollektiv und irgendwie konnten sie Informationen auf einem Weg austauschen der Gabriel verborgen blieb.

Oder die Budlats. Eine breitschultrige, kurzbeinige Arbeiterrasse mit schaufelartigen Unterarmen und nicht ganz so hoher Intelligenz. Sie brachten sich in das Stadtleben ein, indem sie den Bauern bei der Feldarbeit zur Hand gingen.

Die Rampiger, eine menschenähnliche kleinwüchsige Rasse halfen beim Steinbruch und bauten für Feenelfen kleine Wohnhöhlen.

Die revanchierten sich mit etwas Licht und guter Unterhaltung bei der Arbeit.

Sie waren Miniaturmenschen mit libellenartigen Flügeln und einem je nach Stimmung und Erfordernis leuchtenden Körper. Eine Rasse mit äußerst wenig männlichen Angehörigen. Manche glaubten gar es gäbe keine Elflinger. Einige waren der Meinung sie besäßen dafür magische Kräfte.

Alle diese Flüchtlinge hatten in Steinfall Zuflucht gefunden und unterstützten und halfen sich in ihrer Not.

Außer die Slarnom! Die hatten keine Verbindungen zu den anderen Völkern aufbauen wollen. Ganz im Gegenteil. Peinlichst achteten sie darauf freundschaftliche Kontakte zu vermeiden. Es war nicht verwunderlich, dass die Slarnom ein Außenseiterdasein im Lager hatten. Ein Lager im Lager war entstanden in dem sich die Zuwanderer beinahe abriegelten. Ihre Wagen und Hütten hatten sie so aufgestellt, dass es nur einen einzigen Eingang in ihren Teil gab. Der Fürst wäre nicht verwundert gewesen wenn sie dort auch noch Wachen aufgestellt hätten.

Das war bei seinen Besuchen aber nicht der Fall.

Beim Betreten des Lagers hatte er mit Ablehnung gerechnet, sogar mit heimlichen Attacken. Er hatte deshalb Silberstern vorsorglich im Stall gelassen.

Doch passierte nichts dergleichen. Die Slarnom waren zwar kurzangebunden aber nicht unhöflich. Nachdem er sich an einigen Tagen im Lager umgesehen hatte, erkundigte er sich nach dem Aufenthaltsort der Anführerfamilie.

Einer der Slarnom bot an ihn durch das Wirrwarr der Wege zwischen den Zelten, Planwagen und behelfsmäßig errichteten Hütten zu führen. Er nahm dankend an.

Kurze Zeit später standen sie vor dem Bau des Anführers.

Das Quartier des Slarnomchefs bestand aus mehreren großen Ochsenwagen, die mit Holzlatten und weiteren Planen zu einem großen Wohnraum ausgebaut waren. Stall typischer Geruch schlug dem Fürsten beim Betreten entgegen. Umso überraschter war er, wie sauber und aufgeräumt es im Wohnbereich aussah. Der Slarnomanführer wirkte komplett fehl am Platz. Er saß auf einem der einfachen Stühle, die um eine Tafel aufgestellt waren und schaukelte damit, während er seine Beine auf den Tisch gelegt hatte. Ein schön geschnitzter Lehnstuhl mit Flammenmotiven stand am Kopfende des Tisches. Auf der Tafel, stand ein kleines quaderförmiges Gebilde, welches durch ein dünnes Stofftuch abgedeckt war. Die Ladefläche eines Ochsenwagens, war zur Schlafstätte umfunktioniert worden und konnte von mehreren Personen gleichzeitig als Ruheplatz genutzt werden. Ein dunkler schwerer Vorhang trennte den Bereich vom Rest der Wohnstätte. Der gleiche Stoff verhüllte auch ein übermannshohes Gebilde. Vermutlich ein Schrank.

Gabriel bedankte sich bei dem Mann der ihm den Weg zeigte und ging direkt auf den Anführer zu, welcher dem Begleiter Gabriels gestikulierte, er könne wieder gehen. Mit einer knappen Verbeugung zog sich dieser zurück. Ohne auch nur die Beine vom Tisch zu nehmen, fragte der Oberslarnom den Fürsten: „Was wollt ihr hier?“ Doch bevor Gabriel antworten konnte, kletterte die Schwester des Anführers aus dem Schlafbereich und lächelte ihn an. Sie ging zu ihrem Bruder und schlug ihm die flache Hand auf die Beine. Augenblicklich nahm er eine ordentliche Sitzhaltung ein.

„Geh ein bisschen Anführer spielen!“ befahl die Slarnom dem angeblichen Chef. Widerwillig folgte der Mann und ging nach draußen. Gabriel fragte sich ob es tatsächlich die gleiche Frau war, die vor kurzem bei ihm Gnade erfleht hatte.

„Ich habe versäumt mich bei unserem ersten Treffen vorzustellen.

Mein Name ist Ilse Pompilse. Ich bin, sozusagen, die Beraterin von Milso, dem Anführer. Aber bitte, setzt euch. Ihr habt sicher einen Grund uns hier zu besuchen?“ begann die Frau das Gespräch.

„Die Gefahren die ihr angesprochen hattet. Ich hoffte von euch Näheres zu erfahren.“ antwortete Gabriel ehrlich, während er sich auf einem der Stühle niederließ. Ilse tat es ihm gleich.

„Ihr wart schon lange nicht mehr im Kugratwald, sonst würdet ihr diese Frage nicht stellen.“ vermutete sie. Tatsächlich hatte er den Wald schon seit einiger Zeit nicht mehr besucht.

„Was stimmt nicht mit dem Wald?“

„Nordländer sind gekommen. Sie haben am nordöstlichen Waldrand ein Lager ausgehoben. Keiner weiß was sie dort wollen.

Sir Gabriel, ihr wisst wie Nordländer mit Wesen die nicht Ihresgleichen sind umgehen!“

Er wusste es. Er hatte sich allerdings noch nie Gedanken über die Fellmenschen gemacht. Er dachte sie wären für immer vertrieben. Er hatte sie nicht mehr als Gefahr gesehen.

„Ich kann euch zeigen was dort oben passiert!“ platzte Ilse in seine Gedanken.

„Nicht nötig. Ich werde morgen in den Kugratwald reiten und mir selbst ein Bild machen.“ lehnte er freundlich ab.

Sir Gabriel war misstrauisch.

Vor wenigen Tagen hätte er die Slarnom am liebsten aus der Stadt getrieben. Auslöser für die meisten Differenzen zwischen Stadtbewohnern und Flüchtlingen waren die Slarnom. Diese plötzliche Freundlichkeit passte nicht zu dem Wesen dieses Volkes. Als hätte die Frau seine Gedanken gelesen, sagte sie: „Sir Gabriel, ihr gabt uns eine zweite Chance, habt uns die Sicherheit der Stadtmauern geschenkt, trotz unserer Verfehlungen. Wir stehen in eurer Schuld und wollen uns bei euch bedanken. Doch zuerst, was möchtet ihr trinken?“ „Nichts! Danke! Ich wollte mich eben wieder auf den Weg machen.“ antwortete der Fürst.

„Seid ihr sicher, dass ihr schon gehen wollt?“

Ilse schaute ihm direkt in die Augen. Gebannt blickte der junge Mann in das Grün der ihren. Er musste plötzlich überlegen, warum er eigentlich so schnell gehen wollte. Es fiel ihm nicht ein.

„Möchtet ihr etwas trinken?“ fragte die Slarnom erneut. Diesmal bejahte er ohne darüber nachzudenken und nachdem Ilse ihnen etwas eingeschenkt hatte, erkundigte sie sich: „Sicher habt ihr Interesse, zu sehen was im Kugratwald passiert?“ Und auch bei dieser Frage konnte Gabriel nicht mehr nachvollziehen warum er diese nette Geste abgelehnt hatte und antwortete mit einem deutlichen:

„Klar!“.

Ilse Pompilse hob das Stofftuch von einem würfelförmigen Gegenstand auf dem Tisch. Ein gläserner Kubus kam zum Vorschein. Der Körper sah aus, als wäre er von innen geschliffen und in tausende Kristalle aufgeteilt. Er brach das Licht unendlich oft in die Spektralfarben. Über dem quaderförmigen Körper entstand ein Bild. Gabriel sah Nordländer, die im Kugratwald Holz schlugen. Sie bauten etwas Undefinierbares. Kam ein Fabelwesen, schlugen und traten sie es.

Das Bild verschwamm. Sofort wollte er wieder in die Augen der Frau schauen. Als sein Blick über ihr Gesicht huschte, bemerkte er unter dem ganzen Dreck ihr doch schönes Gesicht.

„Seht ihr! Jetzt habe ich euch einen Ritt in den Kugratwald erspart. Kommt morgen wieder und wir werden sehen, was sich getan hat. Bereitet euch vor! Ich glaube nicht, dass die Nordländer eine Befestigung aus Spaß am Bauen errichten!“ hörte er Ilse sagen.

„Gerne!“ freute sich Gabriel. Er konnte sich Schlimmeres vorstellen, als mit einer jungen und wie er jetzt feststellte, hübschen Frau zusammen zu sitzen, um aus sicherer Distanz die Pläne seiner Feinde auszuspionieren.

Ilse deckte den Würfel wieder mit dem Stofftuch ab und führte ihn zum Ausgang. Erst dort nahm sie den Blick von seinen Augen. Gabriel konnte gerade mal ein: „Bis morgen!“ heraus bringen, als sie sich verabschiedeten. Die Frau winkte ihm nach.

*

Benommen wankte der junge Fürst den Weg entlang, den er gekommen war. Mehrmals rempelte er versehentlich Leute an. Erst als er schon einige Meter vom Anführerquartier weg war, wurden seine Sinne klarer. Er hatte die Slarnom unterschätzt. Gabriel hatte sie bisher immer als Bedrohung gesehen. Wahrscheinlich waren sie ja auch ein wenig rau. Keinesfalls aber waren sie Feinde. Warum hätte ihm Ilse Pompilse sonst die Nordländer zeigen wollen?

Beim Schlendern aus dem Lager fiel ihm sein Hunger wieder ein. Er hatte den ganzen Vormittag nichts gegessen und wollte sich bei einem der Bauern ein wenig Obst für den Heimweg kaufen. Er freute sich auch auf ein frisches Glas Honigmet, was ihn anspornte nicht zu spät den neuen Handelsplatz zu erreichen. Dort angekommen ließ er sich vom Strom der Marktbesucher leiten. Alle paar Meter stiegen ihm neue Gerüche in die Nase. Manche angenehm, manche nicht so sehr. Aus allen Ecken kamen Rufe, welche die allerbesten Sachen ankündigten. Die verschiedensten Handwerker zeigten, direkt am Platz, wie sie ihre Waren herstellten. Überall wurde gefeilscht und gehandelt, geprüft und gewogen. Es herrschte reges Treiben.

Bei einem der Stände kaufte Gabriel sich einige Äpfel und Trauben. Den Met trank er dann beim Stand eines Imkers, der jedwede Honigwaren feil bot.

Nachdem er es genossen hatte, begab er sich wieder in die Menge, die ihn zu den Ständen der Garneks führte.

Ihm wäre beinahe der Apfel aus der Hand gefallen. Er hörte auf zu kauen. Zwar waren die Stände der Garneks geöffnet. An jedem Stand befanden sich aber mindestens zwei Wachen in schwerer Kampfrüstung.

Er kannte diese Rüstungen bisher nur aus festlichen Veranstaltungen oder Umzügen, bei denen die Meeresbewohner ihre prächtige Kampfbekleidung vorführten. Noch nie gab es in seinem Leben einen Tag, bei der in Steinfall Kriegsbewaffnung getragen werden musste.

Er ging auf Qualesch, den Leiter der Marktstände zu. Auch der hatte seine Rüstung angelegt.

Der Helm war ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Stirn und Seiten waren mit herrlichen Motiven aus dem Meer verziert. Im Nacken nahmen Muster und Gliederung des Helms die Form des Rückenpanzers auf. Eine Gliederkette die mittig darüber führte, verband den Helm mit dem Schutz der Schwanzflosse. Die Flossenrüstung bestand aus vielen Plättchen, die genug Bewegungsfreiheit für die Aufgaben im Wasser ließen. Die beiden Brustplatten der Rüstung waren ebenfalls mit Meeresmotiven geschmückt. Unterhalb der großen Brustplatten wiederholte sich die Gliederung der Schwanzflosse. Neun symmetrische Reihen der münzgroßen Medaillen führten, beginnend an der Gliederkette, um den Bauch.

Die Arme und Beine des Garnek waren nur wenig geschützt um ihre Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken.

Die gesamte Rüstung war in einem regenbogenfarbig, glänzenden Weiß gehalten. Ähnlich dem Inneren einer Muschel.

Gabriel kannte auch die Gefahr der Medaillenreihen um den Bauch von Qualesch. An jeder dieser mehreren Dutzend Plättchen war eine kurze Klinge angebracht, die von dem darunter liegenden Plättchen verborgen wurde. Ein trainierter Garnek konnte mit seinen vier Armen innerhalb von Sekunden, ein Dutzend dieser getarnten Wurfmesser auf sein Ziel schleudern.

„Qualesch, warum tragt ihr eure Rüstungen? Es ist Markt und nicht Krieg.“ fragte Gabriel verwundert. „Wer weiß wie lange das noch so ist.“ gab der Garnek zurück.

„Ihr seid in der sichersten Stadt Westlands. Unsere Stadtmauern sind gut besetzt. Unsere Wachen gut ausgebildet. Ich denke nicht, dass uns hier jemand etwas zu Leide tun kann.“ wollte der junge Fürst beruhigen. Qualesch erwiderte: „Von außerhalb droht uns keine Gefahr, Sir Gabriel, das will ich euch glauben. Aber die Slarnom treiben sich immer noch in der Stadt herum und pöbeln.“

„Das ist nicht wahr!“ fiel er dem Garnek ins Wort. Fast freundschaftlich entgegnete dieser: „Ich weiß, ihr müsst dies behaupten. Ihr hattet uns versprochen, die Slarnom der Stadt zu verweisen. Stattdessen habt ihr euch die letzten Tage immer wieder zu ihrem Lager begeben und wenn es stimmt was man so hört, wurdet ihr heute sogar in ihr Anführerquartier eingeladen.“ Gabriel wusste, dass sich Nachrichten in der Stadt schnell verbreiten. Hier wurde allerdings nachgeholfen. Er verzichtete auf Förmlichkeit und sprach seinen Verdacht direkt an.

„Lasst ihr mir nachspionieren, mein Freund?“

Der Garnek grinste ihn an.

„Die Wege meiner Leute und euch kreuzen sich zurzeit etwas öfter. Entschuldigt, wenn sie sich nicht bemerkbar gemacht haben, als sie euch sahen.“

„Haben euch eure Leute auch erzählt, dass Ilse Pompilse mich auf eine direkte Bedrohung vor unseren Toren aufmerksam gemacht hat? Die Nordländer stehen vor der Stadt! Sie sammeln sich am Kugratwald und heben dort ein Lager aus!“