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Die Stadt Untertage, ein geheimnisvolles Labyrinth, in dem uralte Monster hausen und ein epischer Konflikt, der die Welt an den Rand der Zerstörung treibt. Da braucht es vor allem eins: Echte Helden und ein mächtiges Artefakt. Aber können ausgerechnet ein verfluchter Barde und ein Ritter, der nicht das ist, was er zu sein vorgibt, diese Welt retten? Für alle, die kurzweilige märchenhafte Fantasy mit einem Spritzer M/M Romantik lesen wollen.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Der Siegelvirtuose
Impressum
Content Notes:
#Blut, #Spinnentier, #Tierhorror, #Alkoholkonsum
Genre: High Fantasy, m/m Romance
Impressum
1. Auflage, neue Fassung komplett überarbeitet und korrigiert, Dezember 2023
© 2023 Heike Pflüger – alle Rechte vorbehalten.
Wittener Straße 247
44803 Bochum
Ursprungsfassung erschienen in:
Anthologie Fantasy unter der Erde, Littera Magia Verlag, Wien 2020.
Lektorat, Ursprungsfassung: Katherina Ushachov
Lektorat, Neufassung: Daniel Pflüger
Korrektorat, Ursprungsfassung: Julia K. Hilgenberg
Korrektorat, Neufassung: Susanna Schober
Coverdesign, Ursprungsfassung: Yunuyei
Coverdesign und Zierdengrafik, Neufassung: Florin Sayer-Gabor www.100covers4you.com
Buchsatz, Ursprungsfassung: Nadja Richter-Paul
Buchsatz, Neufassung: Daniel Pflüger
In der Taverne Zum Kleeblatt erhob sich der Barde und ließ seine Laute erklingen. Dabei zuckten seine schmalen, mit feinem, karmesinrotem Fell bedeckten Löffel leicht im Takt.
Die Kaninchen, die sich nach und nach in der Taverne versammelten, waren aus den verschiedensten Gründen hier. Handelstreibende auf der Durchreise, die ihre Ware in der Stadt Untertage feilboten. Bau-Arbeitende, die Pause einlegten, oder nach einer Unterkunft fragende Entdecker-Kaninchen, die auf der Suche nach seltenen Schätzen und Monstern waren. Monstern, wie dem giftigen Höhlenfeuersalamander. Einem legendären Ungeheuer, das sich angeblich an der tiefsten Stelle eines jeden Baus verbarg, nur um eines Tages, wenn niemand mehr sich an ihn erinnerte, über die ansässigen Kaninchen herzufallen. Jetzt hing deren lebhaftes Geplapper allerdings noch in der Luft, als der Barde zu singen begann. Das Lied, das er darbot, war kein Neues. Jedes Spring-ins-Feld Junge kannte die Legende des Kaninchenritters. Dieser legendäre Krieger, so war es überliefert, hatte einst den ersten der giftigen Höhlenfeuersalamander, der Tod und Verderben aus den Tiefen über den Bau gebracht hatte, in einem einzigen Duell besiegt. Mit nichts anderem als seiner Klugheit, Gewandtheit und der Hilfe eines angesägten Höhleneiszapfens. Über den Kaninchenritter selbst, wusste das Publikum so gut wie nichts. Es schwirrten nur Gerüchte herum, die besagten, dass dieser aus einem fernen Land, in dem es feuerspeiende Berge gab, stammte und die Hitze liebte. Vermutlich hatten ihm die gefährlichen Zungenflammen des Höhlenfeuersalamanders deshalb nichts anhaben können. Aber wie auch immer.Das Lied war eine willkommene Abwechslung in diesen schweren Zeiten und des Barden Vortrag zog immer mehr Kaninchen an, so als hätte er sie mit einem geheimnisvollen Rufzauber hergelockt. Seine Worte und Melodie formten die Bilder der Legende vor den Augen der nun Lauschenden. Neu und doch vertraut. Während seine Finger über die Laute glitten, sprossen aus den Saiten silbrig-rauchige Fäden, die sich zu Weinranken verdichteten, bis diese die Hauptfiguren aus der Legende bildeten. Lebendig und plastisch nahmen Kaninchenritter und Höhlenfeuersalamander fast stoffliche Gestalt an. Sogar das Klirren des silbernen Schwertes war wie ein weit entferntes Echo zu hören. Gebannt folgte das Publikum der magisch heraufbeschworenen Konfrontation zwischen Freund und Feind. Im flackernden Schein der Immer-Lichtfackeln lieferten sich Kaninchenritter und Salamander ihr episches Duell. Ihre verdichteten Gestalten huschten über die Köpfe hinweg von einer Ecke in die andere. Einige Kaninchen duckten sich oder wichen erschrocken aus, als der Höhlenfeuersalamander wie ein wahrgewordener Albtraum mit weit aufgerissenem Maul auf sie zu stob. Mit Hilfe seiner Laute wob der Barde die Ereignisse zu einem solch prachtvollen und rasanten Spektakel, bis das Publikum ekstatisch die Pfoten ausstreckte, nur um ihren Helden zu berühren. In rauchig, silbrigen Rankenbildern erzählte der Barde weiter, seine Stimme, seine Melodie, führten das Publikum durch die Geschichte: Wie der Ritter erschien, um den verzweifelten Kaninchen im Kampf gegen den Salamander beizustehen, wie der Plan, das Monster zu besiegen geschmiedet wurde und wie der Kaninchenritter sich freiwillig als Köder anbot. Wie er den Salamander immer tiefer unter die Erde lockte, tiefer als ein Bau je gegraben worden war, bis er ihn schließlich mit Hilfe einer Höhleneiszapfen-Falle vernichtete. Ein Held, wie die Kaninchen ihn heute wieder gebrauchen konnten. Aufrecht, strahlend und ein Retter, der sie aus ihrem Elend befreite. Durch die Zuhörerschaft ging ein sehnsuchtsvolles Raunen und viele wünschten sich die gute alte Zeit zurück.
***
Die klare Stimme des Barden verklang und nach einem letzten vibrierenden Akkord, legte er seine Pfote sanft auf die Saiten. Im selben Augenblick zerstoben die Bilder von Ritter und Salamander in einem berstenden Funkenregen, der den Schankraum in ein glitzerndes Lichterspiel tauchte, das sogar die Immerlicht-Fackeln verblassen ließ. Atemlose Stille umgab ihn. Doch als er den Blick hob und seinen Kopf leicht zur Seite neigte, brandete tosender Applaus durch den Raum. Jemand übergab ihm einen Krug Butterhonigwein und die Wirtin klopfte ihm jovial auf die Schulter. Dank ihm lief ihr Geschäft so gut wie schon lange nicht mehr. Der Barde lächelte ihr zu, schulterte seine Laute, klemmte sich den Krug unter den Arm und nachdem er sich noch einmal verbeugt hatte, verließ er die Taverne. Im Schein der Immerlicht-Fackeln, die überall aufgestellt und die einzig verlässliche Lichtquelle des Baus waren, glänzte sein rotes Fell wie geschmolzenes Kupfer und seine Augen funkelten in einem satten Grün wie frisches Gras im Frühsommer. Auch seine Laute, die er über seiner Schulter trug, umgab ein mysteriöser Glanz. Keine Frage: Dieser Barde gehörte nicht zum gemeinen Kaninchenvolk. Mit dem Krug unter dem Arm und der Laute über der Schulter, folgte der Barde dem Weg aus Bergkristallen, der sich durch das Vergnügungsviertel bis in die Außenbezirke der Stadt schlängelte. Als er in eine Nebengasse bog, löste sich eine Gestalt aus dem Zwielicht und gesellte sich lässigen Schrittes zu ihm. Der Barde neigte den Kopf zum Gruß, sein Gegenüber tat es ihm gleich. Rubinrote Augen bildeten einen scharfen Kontrast zu dem schneeweißen, glatten Fell. Ein silbernes Schwert hing an einem Ledergürtel um die Hüfte seines mysteriösen Begleiters. Keine Frage, dieser Ritter gehörte ebenfalls nicht zum gemeinen Kaninchenvolk. Des Ritters wachsamer Blick wanderte umher, bis er an dem Butterhonigweinkrug hängenblieb und sich dessen Miene sichtbar aufhellte. „Ist das Eure Bezahlung für den Vortrag?“ „Ist es.“ „Wenn Ihr schon keine Taler nehmt, meint Ihr nicht, Ihr hättet zwei oder drei weitere Krüge verlangen können?“ „Es war nur die Kurzfassung.“ „Aber sie war perfekt. Alles war so plastisch, als hättet Ihr die Vergangenheit in die Gegenwart geholt. Eure Macht ist mittlerweile so groß, dass Ihr schon bald in der Lage sein werdet, die größten Helden aus den Legenden, aus ihren Geschichten heraus zu singen und in die Realität zu transportieren. Wenn Euch das gelingt, hätten wir in diesem unsäglichen Krieg endlich die Oberhand.“ „Hört auf mir zu schmeicheln. Das war nichts im Vergleich zu dem, was meine Vorfahren bewirken konnten. Ich bin immer noch blutiger Anfänger. Moment mal, Ihr habt mich beobachtet?“ „Das habe ich und wie immer seid Ihr viel zu bescheiden. Euer Spiel strotzte nur so vor Magie. Ich konnte sie bis in meine Löffelspitzen fühlen. Ihr wisst genau, dass ich Euch niemals Butterhonig ums Maul schmiere. Immerhin habe ich mit eigenen Augen gesehen, was Ihr mit Pfotenleckern macht, Todesweber.“ Abrupt blieb der Barde stehen. Grimmig starrte er seinen Begleiter an. „Nennt mich nicht so.“ Doch der Ritter zuckte nur mit den Schultern, während er mit einem Lächeln in den Mundwinkeln um den Barden herumspazierte. „Aber warum denn nicht? So bezeichnet Ihr Eure Gilde doch. Gilde der Todeswebenden? Ein sehr passender Begriff, wenn Ihr mich fragt. Eure magischen Lieder spannt Ihr wie ein Netz auf, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Was würde ich dafür geben, Euer Talent zu haben.“ Der Barde runzelte unbehaglich die Stirn. „Bitte redet nicht so. Die dunklen Lieder sind viel zu gefährlich, um darüber zu scherzen, Kaninchenritter.“ Das letzte Wort war ganz bestimmt nicht als Kompliment gedacht. Doch sein Begleiter lachte nur, zwinkerte ihm zu und während sie gemeinsam die Außenbezirke der Stadt Untertage hinter sich ließen und in einem der unzähligen Seitentunnel verschwanden, entspannte sich die Atmosphäre zwischen ihnen. Der Barde ließ sich nur allzu gerne von der guten Laune des Ritters anstecken. Hauptsache er musste nicht der in ihm lauernden Dunkelheit zuhören.
***
Einige Zeit später ließen sie sich in einem abseits gelegenen, heruntergekommenen Stollen nieder. Der Boden, teils mit Schotter, teils mit Geröll bedeckt, versprach keine angenehme Rast. Es stank nach Brackwasser, das von irgendwoher die Wände herunter tropfte. Die muffige Feuchtigkeit erschwerte das Durchatmen und es war empfindlich kühl geworden. Der Barde rümpfte die Nase, legte seine Laute vorsichtig auf einen Felsvorsprung und stellte den Krug mit Butterhonigwein daneben. Sein Begleiter stellte seinen Reisesack vor den Felsvorsprung. Die Ärmel hochkrempelnd machte der Barde sich daran, Steine und Geröll beiseite zu schaffen. Der Ritter war an ihm vorbeigegangen, hatte sein Schwert gezogen und bewegte sich tiefer in den Stollen hinein. Die silberne Klinge leuchtete auf und verlieh der schlanken Gestalt eine märchenhafte Aura. Der Barde wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er seinem Begleiter fragend hinterher sah. Doch dieser schüttelte nur den Kopf. „Macht ruhig weiter, ich will mich nur umsehen.“ „In Ordnung.“ Der Barde musste seinen Blick loseisen von der schillernden Gestalt. Immer dieses zur Schau stellen, dachte er kopfschüttelnd. Mit einem kleinen Seufzer machte er sich daran, ihren Platz für die Nacht herzurichten. Nach einer Weile hallte des Ritters Stimme durch den Stollen. „Hier stehen ein paar leere Holzkisten an den Wänden. Vielleicht können wir sie als Sitzgelegenheit gebrauchen.“ Der Barde streckte sich und wandte sich um. „Ich bin fertig. Ihr könnt die Kisten herbringen.“ Das Leuchten der Klinge erlosch, der Barde hörte ein Schleifen und kurz darauf kam der Ritter mit zwei Kisten zurück. „Was für ein heimeliger Rastplatz. Ihr habt eine Pfote für Gemütlichkeit, mein Freund.“ Zwei neue Nest-Schlafsäcke lagen ordentlich drapiert auf dem schotterfreien Boden, um eine, mit mittelgroßen Steinen umrandete Feuerstelle. Dort brannte jedoch kein normales Feuer. Stattdessen erhellte eine dreifüßige Laterne mit dem grünlich schimmernden Licht eines Wegleucht-Blattes den Lagerplatz. Dieses Leuchtblatt gehörte zur Grundausstattung eines jeden abenteuerlustigen Kaninchens. Es handelte sich dabei um ein großes, fluoreszierendes Blatt vom Leuchtbaum, der vor jedem Kaninchenbau dieser Welt blühte. Wurde es gepflückt, gab es ein stetes Leuchten von sich, das nicht blendete und ungefähr zwei Wochen anhielt. In den Liedern nannten die Kaninchen es Heimführende Laterne, oder etwas abfälliger, Jungenpanikleuchte. Der Kaninchenritter stellte die beiden Kisten neben die Feuerstellen-Laterne, legte sein Schwert ab und setzte sich. Dabei konnte er ein leises Ächzen nicht unterdrücken. Schweigend huschte der Barde davon, kam mit der Laute in der einen, den Weinkrug in der anderen Pfote wieder, lehnte zuerst die Laute an die Kiste und reichte seinem Begleiter den Krug. „Ich danke Euch.“ „Nicht doch.“ Der Barde ließ sich auf die zweite Kiste nieder und rieb sich erschöpft übers Gesicht. Schweigend saßen sie da und ließen den Krug zwischen sich hin und herwandern. Die Stille zwischen ihnen hatte etwas angenehm Vertrautes, Entspanntes. Keiner hatte das Gefühl, krampfhaft Konversation betreiben zu müssen. Das sanfte, grüne Schimmern des Wegleucht-Blattes versetzte den Barden zusätzlich in ungewohnte Leichtigkeit. Der Kaninchenritter gähnte ungeniert und hielt dem Barden mit einem Augenzwinkern den Krug hin.
„Hier. Der Wein ist fast leer. Nehmt Ihr den letzten Schluck. Ist schließlich Euer Lohn.“
„Nicht nötig. Trinkt ruhig. Ich kann das süße Zeug nicht mehr sehen. Was gäbe ich jetzt für einen ordentlich harten Glühschnaps mit Bitterkraut.“ „Wie Ihr meint.“ Der Ritter setzte den Krug an die Lippen, warf den Kopf in den Nacken und stürzte die letzten Schlucke hinunter. Der Barde lächelte. „Ihr seid wohl süchtig nach Butterhonigwein.“
„Ich gestehe, ja. Ich liebe das Gefühl, wie der Wein mich von innen wärmt. Und das Aroma erst. Wie sahniges Karamell.“ Der Barde legte den Kopf schief. „Vielleicht hattet Ihr recht. Ich hätte zwei oder drei Krüge mehr verlangen sollen. Ihr macht einen ganz seligen Eindruck.“ „Ja, das hättet Ihr. Der Krieg hat dafür gesorgt, dass Butterhonigwein so selten wie Goldstaub geworden ist. Wer weiß, wann wir wieder solch einen guten Tropfen genießen dürfen? Es ist so viel besser, die feinen Augenblicke des Lebens zu genießen, dann bereut Kaninchen auch nichts, wenn es einen auf dem Schlachtfeld trifft.“ „Wahre Worte.“ Gedankenverloren strich der Barde über den Griff seiner Laute. „Was meint Ihr, ob mein Vortrag in der Taverne wirklich so klug war? Immerhin haben wir, besser gesagt, habe ich für Aufsehen gesorgt. Wenn jemand herausfindet, wer und was wir sind, haben wir nur unnötigen Ärger an den Löffeln. Und angesichts dessen, was wir vorhaben, würde ich gerne darauf verzichten.“ Der Ritter stand auf und wandte sich dem Barden zu.
„Will der gute Todesweber nur nicht auffliegen oder will er es vermeiden, das Objekt offener Bewunderung zu werden? Das Objekt romantischer Bewunderung der Damen wie der Herren und allen anderen? Ob magischer Natur oder nicht?“ Verlegen verschränkte der Barde die Arme vor der Brust und schlug die Augen nieder.