Der systematische Zugang zur Intelligenz. Ein Wegweiser zu einer neuen Allgemeinbildung - Constantin Blum - E-Book

Der systematische Zugang zur Intelligenz. Ein Wegweiser zu einer neuen Allgemeinbildung E-Book

Constantin Blum

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Beschreibung

Anders lernen, anders leben. Lernen mit Freude und Engagement auf der Suche nach einem Bewusstsein für alles, was das eigene Leben beeinflusst, statt nur für die nächste Prüfung. Entdecken Sie nicht nur Ihre Intelligenz, sondern auch die Möglichkeiten von Gemeinschaft neu. Dieses Buch bietet Ihnen ein anderes Verständnis und viele praktische Ideen für das, was Bildung sein und wie Lernen Sie begeistern kann. Schlagen Sie neue Wege im Denken, Handeln und Zusammenleben ein. "Welche Bildung will und brauche ich?" und "Welche Bildung wünsche ich mir für meine Gemeinschaft?"

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Seitenzahl: 452

Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Copyright 2025: Constantin Blum

1. Auflage 2025

Constantin Blum

c/o flexdienst - #10292

Kurt-Schumacher-Straße 76

67663 Kaiserslautern

Deutschland

Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 BerlinKontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Zum Dank an alle jene,

die meinen Weg kreuzten

oder ihn begleiteten

und

für all jene,

die auf der Suche sind

nach einem Weg.

Vorwort

Dieses Buch zu schreiben war eine Herausforderung. Meine Expertise in den jeweils angesprochenen Themenbereichen ist zwar eingeschränkt, aber die Zusammenstellung der vielen Teile und der damit verbundenen Breite die ich abdecke, macht es umso mehr zu einem lesenswerten, lehrreichen Buch das Zusammenhänge sichtbar macht, die anderswo nicht zutage treten. Der generalistische Ansatz gegenüber dem spezialisierten Ansatz passt hier dann auch besonders gut, weil eine neue Grundlage für den konstruktiven Umgang mit unserem Unwissen zentrales Anliegen dieses Buches ist.

Jedes einzelne Kapitel verweist auf einen Lernbereich beziehungsweise einen Weg, dem Sie auch separat nachgehen können, aber gleichzeitig sind alle Kapitel ineinander verwoben und nur verwoben vermitteln sie einen Eindruck der neuen Allgemeinbildung, wie ich sie mir vorstelle und für tragfähig halte. Das bedeutet, dass nach dem Lesen jedes Kapitels und dem Umsetzen seines Anliegens eigentlich auch ein anderer Blick auf die anderen Kapitel möglich geworden sein sollte.

Ideal wäre es, wenn Sie jedes Kapitel nicht nur lesen, sondern sich insbesondere der darin beschriebenen Kenntnisse annehmen, sie ausprobieren, testen, überprüfen und für Sie individuell sinnvoll modifizieren und erweitern. Mit jedem Schritt auf diesem Weg kann sich auch Ihr Verständnis dieses Weges ändern. Wenn Sie beispielsweise das Lernen gelernt und Gedächtnistraining praktiziert haben, dann wird Ihnen eine andere Art der Kommunikation ebenfalls leichter fallen. Wenn Sie das eine können, werden Sie einen anderen Blick auf das andere haben. Dieser Gedanken zieht sich durch das gesamte Buch hindurch und das ist genau damit gemeint, dass sämtliche Kapitel miteinander verflochten sind.

Genau deshalb soll dieses Buch auch ein Wegweiser sein. Er verändert sich mit ihrer Herangehensweise, Ihrem Vorwissen und den Beziehungen, die sie im Lernprozess eingehen. Er wird also nicht für alle Zeiten unverändert aufgestellt, sondern verweist bei jedem Schritt auf sich selbst und lädt dadurch zu seiner eigenen Überarbeitung ein.

Lassen Sie sich an dieser Stelle kurz Zeit, sich exemplarisch vorzustellen, was es für Sie bedeuten würde, wenn Kommunikation kein Problem mehr für Sie wäre. Was würde es für Sie bedeuten, problemlos ja mühelos Neues zu lernen und sich auch anspruchsvolle Themen mit Leichtigkeit anzueignen? Und drittens: Stellen Sie sich vor, Sie haben bereits ein Team, mit dem sie hervorragend kommunizieren können, spannend miteinander Neues erleben und die Möglichkeiten dazu üben, angehen und gemeinsam leben. Wer wären die Mitglieder dieses Teams? Wie verändert das Vorhandensein eines solchen Teams oder Ihre neue Lern- oder Kommunikationsfähigkeit Ihr weiteres Vorgehen bei allen anderen Themen dieses Buches? Lassen Sie sich kurz Zeit vorzustellen, was Ihnen dazu in den Sinn kommt.

Jedes Kapitel ist selbst ein Wegweiser der wieder auf andere Kapitel verweist. Und jeder Mensch der diese Wege geht, wird sie selbst wieder anders erleben und eigene Schlussfolgerungen daraus ziehen. Deshalb will Sie dieses Buch schlussendlich dazu ermutigen, Ihren eigenen Wegweiser, an Sie selbst angepasst, zu erstellen. Dafür bekommen Sie die Werkzeuge, die es dazu braucht, an die Hand. Es stimmt: Für jedes einzelne Kapitel dieses Buches ließen sich Autoren finden, die das jeweilige Thema tiefgründiger behandeln. Ich bin aber davon überzeugt, dass es gerade die Kombination und Verknüpfung dieser vielen Fachbereiche ist, die Ihnen ungeahnte Einsichten bietet.

Das letzte Kapitel „Kurztexte“ mit zahlreichen Unterkapiteln ist dann ein Versuch, durch eine Essaysammlung noch einmal zu verdeutlichen, wie sehr alle Hauptkapitel mit weiteren Fragestellungen verwoben sind. Sie regen zu neuen Denkansätzen an und lassen sich auf deren Bearbeitung anwenden. Vielleicht helfen andere Gesichtspunkte auch dabei, die neue Allgemeinbildung besser zu verstehen. Um schon während des Haupttextes darauf hinzuweisen, habe ich immer wieder Querverweise zwischen den Kapiteln und zu den Kurztexten eingefügt, die Sie als Hinweise auf eben jene Verflechtungen verstehen sollen. Sie sind entsprechend auch keineswegs vollständig, sondern sind, wie ich hoffe, auf Wesentliches reduziert. Sie sollen Ihnen vielmehr dabei helfen, die Kapitel beim Lesen selbst zu verflechten.

Constantin Blum

Wuppertal 2019

Hamburg 2025

Inhalt

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

Was ist Intelligenz?

Lernen und Merk-würdigkeit suchen

Lern- und Gedächtnistechniken

Interesse haben und Motiviert sein

Die Kommunikationsausbildung

Die psychologische Ausbildung

Die soziologische Ausbildung

Sprachen lernen

Was zum Erlernen einer Sprache alles getan werden kann?

Das Internet

Lehrer werden

Verkörpert sein

Sinnestraining

Kochen

Sport

Das Team

Kurztexte

Abstraktion und Erfahrung

Ambivalenz des Wissens

Bildung auf 3 Zeitebenen

Einordnung existierender Fächer

Philosophie

Spezialisierung und die Expertise des Anfängers

Sprach-Therapie

Trennung von Arbeit und Leben

Welche Unterrichtspraxis? Offene Schule

Welche Prüfungsformen in einer offenen Schule?

Kommentierte Quellen

Abbildungsverzeichnis

1 Bildung in den Köpfen8

Schaubild 2 Bildung in den Köpfen mit neuer Allgemeinbildung8

3 Entscheidungsmodell13

4 Fehlschlag oder Erfolg21

5 Fehlschläge zum Erfolg21

6 Vergessenskurve 1 nach Ebbinghaus22

7 Vergessenskurve 2 nach Ebbinghaus22

8 Lernplateaus24

9 Lernkurve25

10 Wissensnetz26

11 Lernbrücke28

12 Kommunikation Sender -> Empfänger57

13 Kommunikation aneinander vorbei62

14 Kommunikation gegeneinander62

15 Vier Ohren, Vier Schnäbel62

16 DISG-Modell64

17 Kommunikation als Brücke65

18 Kommunikation 3+3 Ebenen-Modell66

19 Kommunikation als universelle Brücke68

20 Wahrnehmungsfilter70

21 Gehirn baden118

22 Sprache blickt auf die Situation119

23 Sprache(n)-Situation-Sprache(n)119

24 Abstraktion und Erfahrung119

Einleitung

Die persönlichen Voraussetzungen, die jeder Schüler erfüllen muss, um den Schulunterricht erfolgreich und vor allem lehrreich zu bewältigen, werden in der Schule selbst nicht gelehrt, sondern vorausgesetzt. Vor-aus-setzung: Entsprechend werden viele Schüler bereits vorher ins Aus gesetzt. In diesem Buch beschreibe ich diese Voraussetzungen, die zugleich die eigentliche Basis jeder Bildung sein sollte. Ich nenne sie deshalb neue Allgemeinbildung. Bildung allgemein macht sich im Denken der Menschen, in ihren Haltungen, Einstellungen und Herangehensweisen an Dinge bemerkbar. Diese Bildung allerdings legt einen Schwerpunkt darauf, sich genau dieser unbewussten Prägungen bewusst zu werden und stellt Wissenserwerb damit zugleich auf eine neue Grundlagen.

Für mich ist das Thema dieses Buches untrennbar mit Schule verknüpft. Meine gesamte Beschäftigung mit dem Thema Bildung entsprang den negativen Erfahrungen, die ich mit Schule gemacht habe. Trotzdem will ich mich in diesem Buch nicht mit einer Kritik der bestehenden Allgemeinbildung oder der gängigen Schulausbildung aufhalten, sondern die Lösungswege präsentieren, die ich kenne. Da dieser Wegweiser in meiner Kritik an der Schule seinen Ursprung hat, ist er aber notwendigerweise mit ihr verbunden. Kritisieren werde ich das bestehende System deshalb dort, wo es mir als Kontrast hilfreich erscheint, um meine Kenntnisse und Überlegungen zu veranschaulichen.

Ein Punkt, der mir in diesem Buch wichtig ist: Ich möchte Denkweisen herausarbeiten, die u.a. Differenzierung fördern und herausfordern. In diesem Sinne ist es mir auch klar, dass es selbstverständlich heute schon einige Lehrer schaffen, Menschen fürs Lernen zu begeistern und deren Entscheidungsfähigkeit zu stärken. Manche Schulen verfolgen bereits heute sehr unterschiedliche Ansätze und entsprechend gibt es „die Schule“, von der ich spreche, so nicht. Es gibt sie allerdings als eine Tendenz und ich gehe deshalb davon aus, dass meine Schulerfahrung nicht weit entfernt ist von der Schulerfahrung sehr vieler anderer Menschen. Es ist keinesfalls mein Anliegen, zu sagen, dass alles bislang Gewesene, Fächer wie Lehrmethoden, Unsinn sind und abgeschafft gehören. Vielmehr stelle ich in diesem Buch eine neue Grundlage für die bereits vorhandene Expertise vor. Eine Grundlage, die zugleich sehr viel tiefgründiger mit einbezieht und bewusst machen will, dass Bildung Anknüpfungspunkt für jede weitere Lernaufgabe ist und alles, was in Bildungsinstitutionen gelehrt werden kann, nur ein winziger Teil des Möglichen ist.

Wenn Sie diesem Wegweiser folgen, werden Sie ihn problemlos auch auf eine Kritik der Schule anwenden können – wie er auch zur Annäherung an jeden anderen Lernbereich geeignet ist. Bildung nach der neuen Allgemeinbildung schließt nicht nur sehr viel mehr potenzielle Lernbereiche von vornherein ein, sondern legt auch den Grundstein dafür, zu begreifen, wie viel mehr es darüber hinaus zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage noch zu lernen gibt – weit über das hinaus, was Schule je lehren könnte.

Schaubild 1: Bildung in den Köpfen

Dieses Schaubild soll illustrieren, dass diese Beschränkung innerhalb der Schule nicht vermittelt wird. Im Rahmen der Schule wird Bildung mit Schule gleichgesetzt und entsprechend lernen Menschen Bildung nur innerhalb dieser krassen Selbstbeschränkung zu denken. Wenn nach dem Bildungsstand eines Menschen gefragt wird, wird ausschließlich nach der Schulbildung gefragt – spätere höhere Abschlüsse sind in diesen Trugschluss mit inbegriffen und machen dafür kaum einen Unterschied.

Schaubild 2: Bildung in den Köpfen mit neuer Allgemeinbildung

Ein Lehr-Lern-Prozess gemäß den zwei Schaubildern ist umso „runder“, je weniger fixiert er auf Fächer ist und je mehr er sich flexibel unterschiedlichsten Lernbereichen, allen voran den Voraussetzungen des eigenen Lernens, zu nähern weiß und umso „sonniger“ je klarer der Verweis über sich hinaus zutage tritt, damit die Sonne der Bildung auf das gesamte Leben scheinen kann und Sie sie auf Ihr eigenes Leben scheinen lassen wollen.

Zusätzlich stimmt das, was heute schon als Allgemeinbildung gilt und was schließlich in den Köpfen der Menschen als Bildung verankert wird, keinesfalls überein. Dieser Unterschied entsteht auch deshalb, weil die Voraussetzungen der angebotenen Bildung nicht gelehrt werden. So kann Schule tatsächlich auch heute schon den Grundstein legen für eine sehr hohe Allgemeinbildung, die nicht einmal so verschieden ist von dem, was ich Ihnen hier vermitteln will. Allerdings gilt das nur für diejenigen, die die Voraussetzungen, meist ohne sich ihrer bewusst zu sein, mitbringen. Darauf aufbauend erliegen sie dann nur allzu oft der Illusion, ihr „in der Schule besser sein“ sei vor allem naturgegeben. Dies kann sich differenzierter auch bloß auf ein „in diesem oder jenem Fach besser sein“ beziehen.

Viel häufiger kommt es vor, dass Schule nicht zur Bildung, sondern vielmehr zur Verblödung beiträgt. Das, was in den Köpfen ankommt, ist dann oft nur tief sitzende Abneigung, die entsteht, weil sich Schüler überfordert fühlen, sich langweilen und nicht verstehen, warum sie das, was ihnen vorgekaut wird, überhaupt lernen sollen. Durch eine gleichzeitig extreme Beschränkung der gelehrten Bildung auf Schule allein und deren Gleichsetzung, richtet sich diese Abneigung nicht berechtigterweise gegen schlechte Herangehensweisen, schlecht geleitete Lerngemeinschaften oder schlechte Lehrer, sondern sie richtet sich gegen die eigene Bildung, das eigene Lernen verschiedenster Fächer bis hin zur Abneigung gegenüber Lernen allgemein.

Der Ausweg daraus wäre es, auf die Millionen Möglichkeiten der Bildung außerhalb der Schule und auf jedem Schritt des eigenen Lebens aufmerksam zu machen und aber vor allem die Kultivierung dieser Aufmerksamkeit schon zur Grundlage von Bildung zu machen und sie mit jedem Schritt auf dem Bildungsweg zu üben, zu vertiefen und auszudifferenzieren.

Bildung ist nicht voraussetzungslos. Schulbildung ist es nicht, Bildung außerhalb der Schule ist es nicht und auch dieses Buch zu verstehen, ist es nicht. Um es zu verstehen, müssen Sie lesen können, Sie müssen Deutsch verstehen und im besten Fall haben Sie schon einiges Wissen zu den Themen, die ich hier behandle. Denn erst dann werden Sie meine Überlegungen mitsamt ihren Hintergründen umfassend nachvollziehen können. Die Lösung, die ich bereits an dieser Stelle dafür anbiete, ist, dass im Kern dieses Buches die Aufmerksamkeit für die Frage steht: „Was fehlt mir oder jenem anderen Menschen noch, um das zu verstehen, beziehungsweise zu können?“ So ist auch die neue Allgemeinbildung nicht voraussetzungslos, aber beinhaltet im Kern Ihre Suche nach ihren Voraussetzungen, statt Sie darüber im Dunkeln zu lassen. Auch deshalb kann dieses Buch nie mehr als ein Wegweiser sein, der aber im Gegensatz zur bestehenden Bildung auf sich selbst verweist. Denn insofern er zur Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen von Bildung anregt, lenkt er den Blick auch auf seine eigenen Voraussetzungen und leitet dazu an, diesen Wegweiser selbst weiter zu entwickeln. Darauf komme ich im Verlauf des Buches mehrfach zurück.

Ich will Sie dazu anregen, sich diesen Themen zu nähern und Sie auf die Verbindungen aufmerksam machen, die zwischen den einzelnen Kapitelthemen bestehen. Der Wegweiser, den ich Ihnen hiermit in die Hände lege, schickt Sie auf einen Weg, soll Ihnen bei der Orientierung helfen. Gleichzeitig warnt er Sie vor seinen eigenen derzeitigen Ungenauigkeiten, damit Sie mit diesem Wegweiser im Hinterkopf trotzdem noch aufmerksam bleiben für nötige Weiterentwicklungen. Er weist über sich hinaus. Er bietet Ihnen eine neue Grundlage für den Zugang zu allen denkbaren Lernbereichen. Er bietet Ansatzpunkte, den gewiesenen Weg mit anderen Menschen zusammen zu gestalten.

Neben Ihrem individuellen Weg ist es auch Teil der neuen Allgemeinbildung, dass Sie Ihr Leben in gesellschaftliche Systeme einzuordnen wissen. Von Unklarheit gekennzeichnet herrscht zwischen beiden Polen – Individuum und System – ein ständiger Streit. Was ist vom persönlichen Weg verallgemeinerbar und bedeutungsvoll für alle Menschen? Was geschieht und was wird möglich, wenn eine Gesellschaft, eine Schule oder eine Gruppe diesen Weg geht? Was bedeutet es für den Streit zwischen Individuum und Gesellschaft, wenn sich so eine Idee verbreitet oder es auch nur versucht?

Dieses Buch ist die Verarbeitung meiner eigenen Erfahrung auf der aufbauend mir irgendwann auffiel, dass die Erfahrungen, die ich gemacht und die Erkenntnisse, die ich gesammelt hatte, für eine größere Gemeinschaft und die Entwicklung ihrer Mitglieder taugen können. Schüler, Studenten, Lehrer, Professoren, Eltern, Interessierte sind gleichermaßen angesprochen. Ich glaube daran, dass die Grundgedanken der neuen Allgemeinbildung für alle Menschen relevant sind. Ich möchte Ihnen mit meinem Buch das aufmerksame Lernen schmackhaft machen. Jedes Kapitel soll Ihnen jeweils eine Ebene näher bringen, auf die Sie Ihre Aufmerksamkeit in jeder Situation richten und mit der Sie jede Situation untersuchen können. Sie werden die unterschiedlichsten Aufmerksamkeitsebenen dabei entwickeln. Mit ausreichend Übung werden Sie die Kenntnisse aus jedem Kapitel intuitiv als Werkzeugkasten zur Bewältigung jeder Situation verwenden können.

Ich schreibe einen Wegweiser zu den verschiedenen Aufmerksamkeitsebenen. Um sich diese anzueignen und sie vollständig nachvollziehen zu können, müssen Sie sich selbst auf den Weg machen und Erfahrungen sammeln. Allein darüber zu lesen, ist nicht genug. Diesen Selbstwiderspruch können nur Sie durch Ihre eigene Aktivität überwinden: Aufmerksamkeit für etwas zu entwickeln, gelingt nur durch Übung und durch Reflexion Ihres eigenen Erfahrens. Mit der Zeit werden Sie lernen, die Kenntnisse, die ich Ihnen hier vorstelle, in immer mehr Lebenssituationen immer geübter anzuwenden. Von Ihrer persönlichen Entwicklung ausgehend, sind Sie in der Lage, den Zugang zu allen anderen Lernbereichen ebenfalls zu finden. Das bedeutet, dass diese Kenntnisse immer wieder neu ausgerichtet und modifiziert werden können, genauso wie sich auch die eigene Umgebung ständig wandelt und Anpassung verlangt. Bestenfalls können Sie im Bewusstsein der vielen Einflussfaktoren selbst eine Antwort darauf geben. Die Hauptrichtung dieses Weges kann dabei zugleich als Kern der neuen Allgemeinbildung unverändert bleiben. Der systematische Zugang zur Intelligenz ist ein Weg, den Sie einschlagen und den Rest Ihres Lebens gehen können. Sie werden den Prozess des Lernens meistern und hier nicht etwa von einem fixen Bildungsverständnis lesen.

Ich bin davon überzeugt, dass die neue Allgemeinbildung, die ich hier entwerfe, in ihren Grundgedanken flächendeckend angewendet und von diesem Stand ausgehend weiterentwickelt, Menschen dazu umfassend befähigt, bessere Antworten auf die Fragen „Wie soll ich leben?“ oder „Was soll ich tun?“ zu geben. Diese Fragen bleiben aber unverändert bestehen, ohne das es eine abschließende Lösung für die dahinterstehenden ethischen Probleme gibt. Vielmehr glaube ich, dass der hier vorgestellte Weg und das damit verbundene gesteigerte Bewusstsein Sie befähigt, umso mehr in einem friedlichen Miteinander Antworten zu finden und Ihre destruktive Seite friedlich und sogar konstruktiv ausleben zu lernen. Es soll auch gar nicht das vermeintlich Richtige gelehrt werden und damit immer anfällig für Dogmen zu werden, sondern das Ziel dieser Bildung ist es, Ihre Aufmerksamkeit für das Richtige zu schulen. Sie üben sich in der Suche von dem was da gefunden werden soll. Wenn dann manches oder sogar vieles von dem, was wir denken, lernen und weitergeben, richtig ist, ist es umso besser. Wir müssen allerdings stets davon ausgehen, dass wir das Richtige noch nicht gefunden haben. Empirische Studien der Psychologie scheinen unveränderliche Mechanismen des menschlichen Geistes aufzudecken, werden sich aber in ihren Ergebnissen verändern, wenn sich kollektiv zu psychologisch untermauerter Reflexion entschieden wird. So wie der Mensch zu Bewusstsein kommt, d.h. sich über sich selbst, andere und die inneren wie äußeren Rahmen in die wir eingespannt sind klarer wird, so gelten diese Mechanismen nur noch eingeschränkt für ihn. In einem Menschenleben lässt sich niemals alles finden, aber für alles kann die Suche den gleichen Grundprinzipien folgen.

Ich hoffe, hier einen Ansatz einleuchtend darstellen zu können und eine Diskussionsgrundlage für eine persönliche und dann gesellschaftliche Neuausrichtung zu bieten. Allerdings richtet sich die Utopie, die ich hier entwerfe, zuallererst an Sie persönlich. Dass Sie diesen Weg verfolgen und ihn für sich vorantreiben, ist die Utopie. Teil von Ihnen ist Ihre Verbindung zu anderen Menschen. Nur über diese Verbindung kann es eine Utopie für normale Bildungspraxis und damit für Gesellschaft werden. Diese Utopie ist nicht erst dann umsetzbar, wenn sie schon anderswo oder im Großen umgesetzt ist, sondern jetzt, während Sie davon lesen. Sie können jetzt beginnen, selbst diesen Weg zu gehen und brauchen mit anderen Interessenten nicht darauf zu warten, dass sich ein Schulsystem verändert. Begeben Sie sich nicht in die Sackgasse, dass Sie erst etwas am gegenwärtigen Zustand verändern können, wenn sich eine Gesellschaft verändert hat. Die Gesellschaft verändert sich nicht, solange Menschen nicht anfangen, persönlich die nötige Wandlung zu leben. Dass Sie beginnen Ihre eigene bestmögliche Lernpraxis zu suchen und zu leben und nicht mehr damit aufhören, solange Sie leben, ist der Kern dieser Utopie.

Was ich hier nur beschreibe, kann für den Einsatz und die Vermittlung in einer Schule natürlich wieder mit einer Didaktik unterstützt werden, die zu entwickeln den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Wird die neue Allgemeinbildung eines Tages, umfassend ausgearbeitet von Experten aller angeschnittenen Lernbereiche, zur Grundlage von Bildung an Schulen gemacht, dann stünden auch Experten zur Verfügung, die in professionellen Seminaren sowohl die Inhalte als auch die nötigen Erfahrungen systematisch erfahrbar machen können. Außer im Bereich Sprachen ist mir zu allen Kapiteln bekannt, dass es bereits Seminare gibt, in denen solche Kenntnisse gelehrt werden. Dort werden sie allerdings als Spezialwissen oder Freizeitvergnügen gelehrt, sind häufig sehr teuer und deshalb schwieriger zugänglich. Gleichzeitig werden dort die Inhalte niemals zu einem vollständigen Konzept verknüpft und als grundlegende Bildung verstanden, so wie ich es hier tue.

Bildhaft ausgedrückt: Hier stehen derzeit noch keine Luftüberwachung mit Satellitenbildern, Spähtrupps, Geschichtenerzählern und Versorgungsstationen für Ihren Weg bereit. Diese aufzubauen, ist Teil davon, diesen Wegweiser zu verfolgen, um anderen Menschen den Weg zu erleuchten. Fürs Erste muss ich es aber Ihnen überlassen, sich selbst die notwendigen Erfahrungen, auf die dieser Wegweiser verweist, zuteil werden zu lassen. Machen Sie sich auf den Weg!

Die im Quellenverzeichnis angegebenen Autoren waren es, die mich mit ihrer innovativen Methodik, ihrer visionären Überzeugung und ihrer Tiefgründigkeit dazu brachten, mich selbst auf den Weg zu machen. Ein Weg der dem alten Credo entspricht, mit Bildung nicht einen Eimer füllen zu wollen, sondern stattdessen ein Feuer zu entfachen. Was genau das Feuer bei Ihnen entfachen lässt, wird wieder ein etwas verschieden sein. Begeben Sie sich, weit über dieses Buch hinaus, auf die Suche!

Sir Ken Robinson hat mich mit einem Zitat beeindruckt: „Civilization is a race, between education and catastrophe.“1 In diesem Sinne hoffe ich trotz aller Kritik, die ich beim Schreiben dieses Buches im Hinterkopf habe, dass ich gleichzeitig meine Dankbarkeit gegenüber allen, die mich auf meinem bisherigen Bildungsweg begleiteten, vermitteln kann.

Was ist Intelligenz?

Der Begriff „Intelligenz“ stammt vom Lateinischen „inter legere“, was übersetzt „wählen können“ bedeutet. Zur Entscheidung zu erheben, was ansonsten bloß wie Schicksal scheint, ist der Zugang zur Intelligenz, den ich Ihnen nahebringen will. Im Kern verstehe ich Intelligenz als unsere Fähigkeit, zu entscheiden. Das schließt den Zugang zu uns selbst ein. Wenn wir Entscheidungsfähigkeit üben und immer besser lernen, sie in den richtigen Aspekten und auf die richtige Weise einzusetzen, dann entscheiden wir nicht mehr bloß über dieses oder jenes, sondern schließlich auch über unsere Intelligenz selbst.

Schaubild 3: Entscheidungsmodell

Auf der Grundlage der neuen Allgemeinbildung lassen sich beliebige andere Fachkenntnisse und die eigene Lebenserfahrung einordnen. Zusammen ist das die Grundlage für unsere Entscheidungen. Eine neue Allgemeinbildung zu entwickeln, ist auch deshalb so wichtig, weil unsere Fähigkeiten, Haltungen, Einstellungen, gewissermaßen alles „was wir im Hinterkopf“ haben, auch dann wirken, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen können auf vieles aufmerksam machen, das wie unabänderliches Schicksal erscheinen mag, aber eigentlich durch Ihre Entscheidungsfähigkeit veränderbar ist. Die Art und Weise, wie Sie sich selbst und die Welt erleben, mit sich selbst, mit anderen, mit Ihren Aufgaben und mit Ihrer Umwelt umgehen, kann anders sein. Wenn diese Erkenntnis, diese Erfahrung als neue Allgemeinbildung zur Grundlage jeden Bildungsweges geworden ist, sind Sie mit anderen zusammen zum Entscheiden ausgebildet. Alles andere können Sie darauf aufbauen, mitsamt der Aufmerksamkeit dafür, präzise zu erkennen, wann es wichtig ist, erneut die Grundlagen zu üben.

Entscheidungen spielen in obigem Schaubild durchgängig „von links nach rechts“ eine Rolle. Man muss sich gleichermaßen für die neue Allgemeinbildung entscheiden wie auch dafür andere Kenntnisse zu erwerben. Beides wird die Art verändern, wie Sie sich wiederum für weitere Lerninhalte entscheiden. Wo anfangen? Wo zuerst Ihre Entscheidungsfähigkeit üben? Der Ansatz den Sie mit der neuen Allgemeinbildung verfolgen werden, ist der zuerst Ihre Entscheidungsfähigkeit in den Bereichen zu üben, die Ihr Entscheiden ganz grundlegend beeinflussen. Ein großer Anteil davon ist es über sich selbst nachzudenken – zu reflektieren und darauf alles weitere aufbauen. Mit den folgenden und noch vielen weiteren Fragen können Sie anfangen sich über sich selbst zu wunden. Sie dienen zugleich als Übersicht über die Inhalte dieses Buches:

• Müssen Sie Antworten haben, bevor Sie je gelernt haben, Fragen zu stellen?
• Ist Lernen für Sie eine Qual und eine lästige Pflicht oder eine Freude und Quelle zahlreicher Möglichkeiten?
• Beschränken Sie sich in Ihrem bewussten Lernen auf wenige Aspekte oder ist Lernen für Sie Anlass auf viele Aspekte aufmerksam zu werden?
• Sind Sie im Lernen einsam oder entwickeln Sie sich in einem Team?
• Sehen Sie Möglichkeiten und schöpfen Sie diese aus oder treten Sie ausschließlich in die Fußstapfen anderer?
• Empfinden Sie die Erkenntnis, dass Ihnen zahllose unterschiedliche Möglichkeiten offenstehen, als spannend oder als bedrohlich?
• Folgen Sie Ihren Entscheidungen oder nur Ihren Gewohnheiten?
• Machen Sie sich auf, bestehende Lösungen zu erlernen und neue zu entwickeln oder verewigen Sie Ihre Probleme?
• Wissen Sie, wie Sie Ihre Demotivation und Ihr Desinteresse in Motivation und Interesse verwandeln können?
• Fühlen Sie sich in Ihrem Körper müde, träge oder antriebslos oder empfinden Sie Ihren Körper als Kraftquelle in Ihrem Leben?
• Schädigen Sie Ihren Körper durch Bewegungsmangel und Achtlosigkeit oder ist Bewegung und Körpergefühl fester Teil Ihres Lebens?
• Wissen Sie mit emotionaler Belastung umzugehen?
• Sind Sie sich der Einflüsse Ihrer Vergangenheit (auch Prägungen genannt) bewusst oder verzerren sie Ihre Sicht auf die Welt, ohne das Sie es bemerken?
• Sind Sie sich generell der Einflüsse, die auf Sie wirken, bewusst oder werden Sie überall ahnungslos von diesen Einflüssen beherrscht?
• Nutzen Sie Kommunikation um gemeinsam mit anderen Lösungen zu finden oder um noch mehr Probleme zu erzeugen?
• Sind Mitmenschen für Sie bedrohlich oder eine Bereicherung?
• Verstehen Sie es, zwischen Anpassung und Beständigkeit beziehungsweise Widerstand gegen Veränderung auszutarieren oder sind Sie einem dieser Pole verfallen?

Wie wollen Sie leben? Machen Sie sich auf den Weg, Ihre Entscheidungsfähigkeit in allen Lernbereichen zu entwickeln! Welche Seite der Entscheidung wünschenswert wäre, dürfte bei den meisten Menschen ähnlich sein. Schon die Frage zu stellen, kann Ihre Entscheidungsfähigkeit voranbringen, da Sie dadurch Ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten, was zuvor womöglich Ihrer Aufmerksamkeit entzogen war. Wie gehen Sie mit Unwissenheit, also dem, was Sie nicht wissen, um?

Selbstreflexion als Zentrum von Bildung versetzt Sie, als denjenigen der lernt, in die Lage, sich jeden weiteren Lernbereich zu erschließen. Die Fächer, die heute im Zentrum schulischer Ausbildung stehen, werden dann zu Beispielen, anhand derer die neue Allgemeinbildung auch vermittelt werden kann. Sie treten aber organisatorisch, so lange es nötig ist, in den Hintergrund, um den grundlegenden Kenntnissen und Erfahrungen der neuen Allgemeinbildung Platz zu machen. Die Grundlagen der neuen Allgemeinbildung werden zum Kern der gesellschaftlichen Basisausbildung, d.h. dass Sie damit auf jeden Fall und vordergründig konfrontiert werden. Sobald die Grundlagen gelegt sind, kann theoretisch völlig freie Hand gelassen werden, welche Spezialisierungen angestrebt werden. Sei es Ingenieurwesen, Theologie oder irgendein Fachwissen wie es im Schaubild benannt ist. Praktisch ist zu erwarten, dass jede Kultur allein schon aufgrund begrenzter Ressourcen, besonderes Augenmerk auf ihre eigenen Besonderheiten legt, wenn sie Bildungswege fördert und erstellt. Nichts steht grundsätzlich zur neuen Allgemeinbildung als Bildungsgrundlage im Widerspruch und auch ihre Erweiterung ist bereits als wünschenswert enthalten. Die Auswahl der Kapitel und ihrer Inhalte stellen allerdings die Lernbereiche dar, die ich als zentrale Bereiche einer Allgemeinbildung, wie sie sein sollte, für sinnvoll halte. Einiges davon ist heute nur Spezialwissen, sollte aber allgemeinbildend und grundlegend gelehrt werden.

Andere Menschen werden auf unsere Entscheidungen reagieren und sie so beeinflussen. Andere Menschen sind damit Teil der Entscheidungen, einerseits weil wir unsere Entscheidungen auch in der Erwartung von Reaktionen anderer treffen, andererseits weil wir im Rückblick unsere Entscheidungen an ihren Folgen für andere – den Reaktionen darauf – messen und so wiederum zukünftige Entscheidungen anpassen. Den Kontakt zu anderen Menschen und das eigene Erleben dieses Miteinander gilt es mit unserer Entscheidungsfähigkeit zu erschließen. Die neue Allgemeinbildung hat das Potential zu einer gemeinsamen Verständigungsbasis zwischen Menschen auch über Kulturen hinweg zu werden. Sie sind eingeladen, zu überprüfen, welche Tendenzen innerhalb dieser neuen Allgemeinbildung angelegt sindund bestimmten Kulturen mehr abverlangen als anderen. Gedacht ist sie jedenfalls als universelle Verständigungsbasis. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass sowohl sämtliche Spezialisierungen an die Grundlagen der neuen Allgemeinbildung anschließbar sind, als auch darin, dass egal wie spezialisiert wir geworden sind, egal wie weit wir uns in unseren Spezialisierungen von unserem Gegenüber entfernt haben, wir trotzdem eine gemeinsame Grundlage zur Verständigung in der neuen Allgemeinbildung finden. Welche Spezialisierung wir auf ihr aufbauend für uns wählen, bleibt völlig offen. Alles fließt in Entscheidungssituationen zusammen, in denen wir unsere Entscheidung auf Grundlage aller unserer Kenntnisse und Erfahrungen treffen.

Und warum eigentlich Entscheidungsfähigkeit? Was bedeutet Entscheidungsfähigkeit auf einer größeren Ebene? Was heißt Entscheidungsfähigkeit für eine Demokratie? Entscheidungsfähigkeit ist ganz grundsätzlich mit dem Streben nach Freiheit verknüpft. Freiheit bleibt unzureichend, wenn wir nur danach streben, Institutionen einzusetzen, die unsere Entscheidungsfreiheit garantieren, wir aber nicht lernen, diese Freiheit auch auszufüllen. Einen Kampf um Freiheit dürfen wir auch mit uns selbst führen, mit unserer Vergangenheit, unseren falschen Vorstellungen, mit unseren Ängsten und Hemmungen, mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten und schließlich unseren Bequemlichkeiten, die uns lieber vor dem Fernseher ungehört von den großen Veränderungen sprechen lassen, die andere endlich angehen sollten, statt an der Sinn- und Tiefgründigkeit unserer Meinungen zu arbeiten und sich auch nicht davor zu scheuen, das zu tun, was nötig ist, damit andere unsere Meinung und Vorschläge sowohl hören als auch umsetzen wollen. Nur wenn wir – als Individuen und als Gesellschaft – auf allen verschiedenen Ebenen zu Bewusstsein kommen und dieses Bewusstsein auch weitertragen, können wir umfassende und anhaltende Erfolge in diesem Kampf erzielen. Die Freiheit des anderen und eben auch die eigene muss – mit Rücksicht auf ihre zahlreichen Implikationen – gelehrt und praktiziert werden. Dazu gehört es eben auch als Aspekt von Freiheit, dass sich jeder Einzelne über Einflüsse im Klaren ist, die auf eine Entscheidung einwirken, seien es äußere oder innere Einflüsse. Die Kenntnisse zu vermitteln, die notwendig sind, um diese Einflüsse aufzudecken und einen bewussten Umgang mit ihnen zu finden, ist das zentrale Anliegen der neuen Allgemeinbildung.

Was tun Sie mit Ihrer Sprache? Wie beeinflusst Sie Ihre Sprache? Erkennen Sie diesen Einfluss? Sprechen und schreiben Sie im Bewusstsein der Wirkung der Worte, die Sie wählen? Sprache ist dabei nicht nur das Werkzeug, das uns den größten Teil unseres Lebens begleitet, sondern auch jenes mit dem wir auf umfassendste Art und Weise mit anderen Menschen in Kontakt treten können. In gleicher Weise wie Sprache unser aller Leben begleitet, ist Sprache auch beeinflusst vom äußeren Rahmen, in dem wir leben, sowie durch die Vergangenheit, die wir gelebt haben. Sprache begleitet uns in unseren Prägungen und ist unser Mittel zur Kommunikation. Ein Bewusstsein in der, über die und von Sprache zu erlangen ist deshalb sowohl mit einem Bewusstsein über genau diese Prägungen unseres Lebens verbunden, als auch das beste Mittel um genau darüber mit anderen zu sprechen, einander anzuleiten, zu korrigieren oder zu motivieren. Ein Sprachbewusstsein zu entwickeln heißt deshalb noch einmal zusätzlich, all diese Einflüsse und Herangehensweisen reflektieren zu lernen.

Lernen und Merk-würdigkeit suchen

„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Antoine de Saint-Exupéry

Ich bin immer wieder erstaunt zu erfahren, dass das, was ich durch Erfahrung und Nachdenken herausfinde, egal auf welchem Gebiet, doch eigentlich immer schon von jemandem gedacht, untersucht oder beschrieben wurde. Kennen Sie diese Erfahrung auch? Ich glaube, dass es heutzutage kein Problem mehr gibt, dass nicht eigentlich schon grundsätzlich gelöst wurde. Es fehlen nur eine ausreichende Zahl Menschen, die lernwillig sind und – auf dem Bestehenden aufbauend oder es umdenkend - nach Lösungen suchen. Ihren Teil zur Lösung beizutragen, beginnt damit ihren eigenen Anteil am Problem zu erkennen und dann die eigenen Möglichkeiten zu nutzen. Und: Selbst für dieses Passivitätsproblem, das Menschen die eigenen Möglichkeiten gar nicht erst ausprobieren, gibt es bereits Lösungen.

Doch um den Willen und die Fähigkeiten, die es braucht, um sich mit bereits Erkanntem, Gedachtem, Erforschtem intensiv auseinanderzusetzen und zwar mit methodisch reflektiertem Lernen so, dass die eigene Motivation bei Schwierigkeiten genauso lebendig gehalten wird wie die eigene Kreativität und die eigene Aufmerksamkeit auf allen Ebenen, zu entwickeln, braucht es Ihre Entscheidung. Eine Entscheidung der Sie Taten folgen lassen müssen und für die von außen nur Angebote gemacht werden können, aber handeln und üben müssen Sie selbst. Im Alltag wie auch auf jenen Pfaden, die heute üblicherweise “Bildungsweg“ genannt werden – Schule, Universität, Lehre, Fortbildung – werden diese meist genauso unhinterfragt vorausgesetzt wie das Bewusstsein der Bedeutung die der Lernbereich für Ihr eigenes Leben und das eigene Handeln haben kann.

Das Lernen, wie es abläuft und welche Einflüsse darauf einwirken zu verstehen, ist essenziell, um sowohl allen Menschen die Freude am Lernen zu eröffnen als auch die eigene Lernfreude in einem deutlich weiteren Spektrum an Lernbereichen entdecken zu können. Die Kenntnisse, die Sie sich dabei aneignen, lassen diese Freude und den damit verbundenen Lernerfolg dann auch sehr viel robuster gegenüber Schwierigkeiten werden.

Dieses Verständnis muss einerseits von Spezialisten wie Psychologen, Soziologen, Pädagogen vorangetrieben werden aber eben auch von Ihnen durch Ihre Selbstreflexion. Nur wenn Sie sich aufmachen und dabei gerne jene Spezialisten zu rate ziehen, um Ihrem eigenen Lernen auf den Grund zu gehen, erkennen wie und unter welchen ganz konkreten Bedingungen Sie lernen, Methoden ausprobieren und für Ihre individuellen Bedürfnisse weiterentwickeln, wird das Passivitätsproblem gelöst.

„Wie lerne ich am besten?“ „Was geschieht beim Lernen?“ „Was brauche ich zum Lernen?“ Wenn Sie diese Fragen beim Lernen immer wieder reflektieren und die Vielfalt an Antworten immer präziser zu geben wissen, dann werden Sie ihr Lernen auch so gestalten, dass Kreativität und Neuschöpfungen darin von Anfang an ihren Platz haben. Interaktion mit anderen Menschen und die kritische Auseinandersetzung mit dem, was Sie Lernen, sollten Teil jeden Lernschrittes sein und nicht erst dann, wenn man sozusagen „ausgelernt“ hat. „Kritisch“ heißt hier vor allem: Sich der vielen Ebenen der Aufmerksamkeit gewahr werden, auf die Sie während Ihres Lernprozesses stoßen können und diese im Sinne der obigen 3 Fragen zu beleuchten und je nachdem welche Antworten Sie sich darauf geben, auch zu kritisieren und zu verändern. Lernen sollte nicht etwas sein, wofür es erst eine große Portion Motivation und Interesse braucht, um überhaupt damit anzufangen. Das Neues zu lernen, begeistert, kann geübt werden! Suchen Sie sich die entsprechenden Methoden und Herangehensweisen, die Lernen zu etwas machen, das als solches motiviert und interessiert. Wofür entscheiden Sie sich - begeistertes vielseitiges oder nervenaufreibendes beschränktes Lernen?

Besonders in diesem Kapitel zeigt sich dabei, was – ich weise immer wieder darauf hin – für das gesamte Buch gilt: Dieser Wegweiser kann nicht für die Ewigkeit aufgestellt werden. Er zeigt nicht selbstvergessen auf ein Ziel, das immer auf genau dieselbe Art und Weise erreicht werden könnte. Vielmehr regt er dazu an, immer wieder neue Wege zum Ziel auszuprobieren und damit auch den Wegweiser selbst auszubauen, neu auszurichten. Er verweist damit genauso auf sich selbst, wie er einen Weg weist. Reflektieren Sie Ihren eigenen Lernprozess, finden Sie heraus, was für Sie funktioniert!

Teil dieses Lernprozesses muss es werden, über den Lernprozess zu reflektieren und ihn an Sie selbst anzupassen. Beziehen Sie dafür alle Kenntnisse und alle Wege sich Kenntnis zu verschaffen mit ein: Ihre eigenen Erfahrungen, Ihr eigenes Wissen, das Wissen von Spezialisten und der Austausch mit Ihren Mitmenschen.

Das, was ich Ihnen hier an Kenntnissen über das Lernen und an Möglichkeiten und Methoden des Lernens mitgeben will, soll Ihnen als Pool, als Sammelsurium, als Baukasten dienen. Jedes einzelne Teilstück davon, soll Ihnen eine Anregung sein, etwas auszuprobieren, es zu beurteilen und so Ihrem Baukasten hinzuzufügen. Dafür müssen Sie es entsprechend so gut ausprobiert haben und entsprechend beherrschen, dass sie Vor- und Nachteile einschätzen können. Dass so ein Pool insbesondere den Schülern und nicht allein den Lehrern zur Verfügung steht, ist, was ich mir für eine Schule vorstelle. Um daraus sinnvoll auswählen zu können, müssen Sie (und die Schüler) mit der Zeit umfassende Erfahrungen mit einer breiten Auswahl an Möglichkeiten machen, ohne vorschnell Herangehensweisen auszusortieren. So kann sich Didaktik zur Selbstdidaktik entwickeln. (Querverweise Die psychologische Ausbildung, Interesse haben und Motiviert sein). Im Kapitel Sprachen lernen habe ich das detaillierter am Beispiel dieses konkreten Lernbereichs beschrieben.

Wenn ich von einer „Herangehensweise“ an Lernen spreche, meine ich damit auch, dass eine eigene Einstellung zum Lernen gefunden und bewusst erlebt wird, was eigentlich beim Lernen passiert. Dazu zählt auch insbesondere, wie das Lernen erlebt wird. Alle Kapitel dieses Buches sollen besonders auf das Lernen bezogen verstanden werden. Die Erfahrungen, die Sie mit jedem einzelnen Kapitel sammeln, treten in eine Wechselwirkung zu Ihrem Lernprozess und Ihrem Erleben des Lernens. Dadurch lernen Sie nicht nur konkreten Inhalt, sondern verändern zugleich die Art, wie Sie lernen.

Tatsächlich lernen Sie in jeder Situation etwas – so auch gerade jetzt. Sie lernen, was auf den Seiten dieses Buches steht, auf die Sie sich gerade konzentrieren. Gleichzeitig werden Ihre Muskeln und Ihr Gehirn zum millionsten Mal dazu angeregt, sich mit Ihrer sitzenden Position zurechtzufinden – auch das ist ein Lernprozess! „Welche Lernprozesse bemerken Sie und welche finden, von Ihnen unbemerkt – unter- nicht unbewusst – statt?“ Um die Veränderbarkeit von Haupt- und Nebenschauplätzen Ihres Lernens besser zu verstehen, ist es wichtig, sich näher mit den Worten Konzentration und Aufmerksamkeit zu beschäftigen. Konzentration vom lateinischen „concentrare“ bedeutet „sich zusammenziehen“, also nur wenige Dinge überhaupt zu berücksichtigen und die vielen anderen auszublenden. In der Auf-merk-samkeit steckt das auf-merken. Die geistige Bewegung ist dabei eine andere. Das Wort „aufmerken“ beschreibt eher, dass wir uns öffnen für die vielen Dinge, die wir (be-)merken beziehungsweise einfach wahrnehmen können. Es ist eine Bewegung, die sich im Gegensatz zum Konzentrieren ausdehnen und in die Breite gehen will. Für das Lernen ist Aufmerksamkeit die Königsdisziplin und Konzentration eine Notwendigkeit. Wie eng beide verflochten sind, zeigt auch die weitere Bedeutung von „Konzentration“, denn der Begriff meint auch die „gespannte Aufmerksamkeit“ oder „geistige Sammlung“. Es gibt also gewissermaßen verschiedene Weisen, in denen Sie sich der Welt und sich selbst zuwenden können.

Was heißt Lernen? Was heißt Erinnerung? Bedeutet Lernen, dass wir das Gelernte später aus unserer Erinnerung abrufen können? Liegt Lernen nur dann vor, wenn wir uns gerade auf etwas konzentrieren mit der Absicht uns in Zukunft daran zu erinnern? Ist dann ein Lernen, das nur auf das Bestehen der nächsten Prüfung gerichtet ist, um danach alles Gelernte wieder zu vergessen, überhaupt Lernen? Wie bewusst muss Lernen sein, damit wir von Lernen sprechen können? Lernen wir nur, was wir uns bewusst aneignen, um es bis in ferne Zukunft hinein abrufen zu können? Lernen wir nur, wenn wir uns mit sprachlichen Inhalten beschäftigen? Zählt dazu dann sowohl, was wir in Texten lesen, als auch, was andere Personen uns in mündlicher Form mitteilen? Was bedeutet es für einen Begriff von „Lernen“, dass wir meistens nur die Sinnzusammenhänge wieder abrufen können, die uns diese Worte vermittelt haben, aber nicht mehr die genauen Worte? Haben wir das dann gelernt oder doch eigentlich das meiste vergessen? Dabei ist dann auch noch das Phänomen beobachtbar, dass wir uns schneller wieder etwas erneut aneignen können, was wir schon einmal gelernt, aber wieder „vergessen“ haben. Was wurde da dann gelernt, dass die Erneuerung schneller abläuft? Wir hatten doch vergessen, was wir gelernt hatten – oder nicht? Was heißt eigentlich vergessen und was hat es mit dem Lernen zu tun? Schließlich haben wir auch etwas gelernt, wenn wir beispielsweise Tanzen üben und uns die Schritte irgendwann keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Genauso wie wir auch um die unterschiedlichsten Ursachen von Schmerz wissen, ohne je darüber sprechen zu müssen. Wir lernen also bei Weitem nicht nur über Sprache, sondern über Aufmerksamkeit und über die simple Konfrontation mit Situationen. Worte spielen dabei nicht unbedingt eine Rolle. Sprache kann uns dabei helfen, präziser zu verstehen und uns anderen mit unserem Verständnis mitzuteilen – unsere und die Aufmerksamkeit anderer zu verschieben beziehungsweise zu erweitern. Was heißt also Lernen? Was heißt Erinnerung? Und: Was heißt es für Sie, wann immer Sie „es“ tun wollen?

Lernen wir in ausnahmslos jeder Situation – bewusst und unbewusst zugleich? Lernen ganz allgemein als das zu verstehen, was etwas mit uns macht, uns verändert, eröffnet den Blick für die vielfältigen Phänomene, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten und derer wir dadurch gewahr werden können. Welche dieser Phänomene bemerken Sie? Worauf lenken Sie gerade Ihre Aufmerksamkeit? Auf den Inhalt dessen, was Sie gerade lesen? Auf die Empfindungen oder Assoziationen, die es in Ihnen hervorruft? Auf Ihre Körperhaltung, den Raum, der Sie umgibt? Gibt es wirklich Unbewusstes oder nur Unterbewusstes?

Es bedarf bei Weitem nicht immer klarer Sätze, deren Inhalt wir erfassen, um etwas zu lernen. Vielmehr ist die eigene Aufmerksamkeit die zentrale Komponente für unser Lernen. Sprache ist dabei eine – und zwar eine sehr vielfältige – Möglichkeit, unsere sowie die Aufmerksamkeit unserer Mitmenschen zu steuern. Über Sprache können wir uns mit anderen Menschen austauschen und tauschen dabei ganz implizit auch Möglichkeiten dessen aus, worauf sich Aufmerksamkeit richten lässt. In diesem Kapitel gilt es, die Aufmerksamkeit für den Prozess des Lernens zu erweitern.

Schaubild 4: Fehlschlag oder Erfolg

Schaubild 5: Fehlschläge zum Erfolg

Das Wichtigste vorab: Eines ist mit der neuen Allgemeinbildung garantiert: Sie werden Fehler machen und zwar sehr viele. Die entscheidende Frage ist nur: Wie stehen Sie zu Fehlern und was machen Sie aus ihnen?

Fehler zu machen und darauf aufmerksam zu werden, heißt für die eigenen Lernmöglichkeiten offen zu sein – etwas dazulernen zu können. Sie zu ignorieren oder herunterzuspielen oder sich in irgendeiner Weise für perfekt zu halten, heißt, die Möglichkeiten zu Lernen extrem zu verengen. Das zu verhindern lohnt es sich eine entspannte aber konsequente Einstellung zu Fehlschlägen zu finden. Das beinhaltet, zu begreifen, dass Fehler und Fehlschläge Teil des Weges zum Erfolg sind. Wer Fehler in einem Lernprozess vollständig vermeiden will, muss sich selbst dazu zwingen, sehr wenig Lernen anzugehen. Der irrige Glaube es gäbe entweder Erfolg oder Fehlschlag, führt meistens nur dazu, dass mit dem Lernen gar nicht erst angefangen oder sehr früh wieder aufgehört wird.

Die Angst vor Fehlern wurzelt häufig in der Angst vor der Verachtung der anderen wegen der eigenen Fehler. Diese Angst zu überwinden, ist der erste Schritt zu einem tiefgründigen, weit gestreuten und aufmerksamen Lernen. Bis dahin, dass Sie schließlich Lernen auch mit den Fragen „Welche Fehlerquellen gibt es noch?“ und „Welche Fehler muss ich noch riskieren, um Erfolg zu haben?“ angehen können. Je mehr Fehler Sie auf kluge Weise zulassen und herausfordern, desto aufmerksamer werden Sie auf all das, was Sie im Leben überhaupt lernen können. Erkennen Sie, wo Sie Fehler machen, können Sie präziser Lernen.

Jemanden für seine Fehler zu verachten oder zu erniedrigen, heißt, weder sich selbst noch dem anderen die Möglichkeit zu geben, davon zu lernen. Immerhin könnte der Fehler des Anderen auch Ihnen die Möglichkeit eröffnen, diesen Fehler bei gleichem Lerneffekt zu vermeiden. Schaffen Sie es dagegen, ein Team zu finden oder aufzubauen, in dem Sie sich unterstützen und für lehrreiche Fehler loben statt zu erniedrigen, kommen noch alle Vorteile des Teams hinzu, insbesondere der Möglichkeit gemeinsam auf die entspannte Suche nach den Fehlerquellen zu gehen und sich entsprechend gegenseitig auf mögliche Fehler zu testen.

Schaubild 6: Vergessenskurve 1 nach Ebbinghaus

Schaubild 7: Vergessenskurve 2 nach Ebbinghaus

Eine entscheidende Ursache aller Fehler liegt in unserer begrenzten Fähigkeit uns überhaupt etwas zu merken. Wir vergessen mit der Zeit, was wir einmal gelernt haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir wiederholen, um uns so wieder vollständig in Kenntnis zu setzen. Mit jedem Mal nimmt dabei die Geschwindigkeit des Vergessens ab, bis wir uns das Gelernte für sehr lange Zeit merken können, ohne es erneut wiederholen zu müssen. Wiederholung und Übung sind also zentrale Voraussetzungen des Lernens die uns unsere beschränkte Lernfähigkeit aufzwingt. Das bedeutet aber nicht, dass die Art der Wiederholung die gleiche sein muss wie beim ersten Mal. Variationen sind jederzeit möglich und was am Gelernten einmal im Fokus stand, kann beim nächsten Mal in den Hintergrund rücken und dabei trotzdem wiederholt werden. Die Wiederauffrischung findet dann als Nebeneffekt statt.

Es ist bei Weitem nicht eindeutig, was wir in welchen Situationen lernen! Sie können in der Schule in der Mathematikstunde sitzen und vordergründig geht es gerade um das Thema Kurvendiskussion oder auch das kleine Einmaleins. Es ist aber gut möglich, dass das, was Sie wirklich gerade lernen, die gähnende Langeweile ist, die dieses Thema in Ihnen auslöst. Oder Sie sehen sich erneut in Ihrer Gewissheit bestätigt, dass Sie dafür (von Natur aus) ungeeignet sind – kein „Talent“ haben. Aussagen, die Ihnen Ihr Umfeld sowohl als Erklärung als auch implizit als Ausrede schon viele Male angeboten hat. Wir lernen weit über die Wissensinhalte hinaus und noch weiter darüber hinaus, sind wir permanent mit einer unvorstellbaren Fülle an Lernmöglichkeiten konfrontiert. Was gelernt wird, ist damit auch etwas sehr Individuelles, das sich von Situation zu Situation verändern kann, ohne dass wir uns über die Gründen im Klaren sind aus denen es sich verändern kann. Das steht in besonderem Bezug zu dem, was in den Kapiteln „Die psychologische Ausbildung“ und „Die soziologische Ausbildung“ beschrieben wird. Was wir in einer Situation lernen (und lernen könnten), umfasst ein breites Spektrum an sprachlich vermittelten Wissensinhalten, emotionalen Erfahrungen, Beurteilungen und vielem mehr. Was steht im Fokus und was ist Nebenschauplatz? Wie kann ich meinen eigenen Fokus und den anderer Menschen lenken? Was sind die Voraussetzungen dafür, sich auf diese oder jene Aufmerksamkeitsebene, auf diesen oder jenen Lernbereich zu fokussieren? Wie kann ich mit dem Haupt- und Nebenschauplatz spielen, in den Hintergrund rücken, was gerade noch im Fokus war, ins geistige Auge fassen, was gerade noch fast unbemerkt war? Wie kann ich durch die Wahl meines Fokus entspannen – ohne mein Lernziel aus den Augen zu verlieren – und trotzdem lernen? Das sind Fragen die immer mitgedacht werden sollten – lesen Sie dazu auch den Abschnitt zum Fragenetz weiter unten in diesem Kapitel. Grundsätzlich sollte jeder davon ausgehen, dass er so lernt, als ob er ein großes Gemälde durch einen Strohhalm betrachten würde, einen winzigen Ausschnitt nacheinander. Den Strohhalm zu einer Klopapierrolle zu erweitern oder womöglich sogar zu einem weit geöffnet Trichter ist eine entscheidende Lernherausforderung, die durch dieses Buch angestoßen werden soll.

Wenn Sie die Inhalte der neuen Allgemeinbildung lernen und jene Denkweisen entwickeln, die zentraler Bestandteil davon sind, dann wird Ihnen mit jedem Kapitel eine weitere „Ebene“ vorgestellt, auf der Sie jede Situation scannen können. Vieles von dem, was hier besprochen wird, befindest sich sonst vielleicht nur am Rande Ihrer Aufmerksamkeit, sie nehmen es nur unterbewusst wahr. Dieses Buch soll Sie dazu anregen und anleiten, sich jede dieser Ebenen bewusst zuzuwenden und so zu verstehen, dass Sie permanent lernen, dass jede Situation eine Fülle an Aspekten in sich birgt, die gelernt werden und gelernt werden können. Schließlich ist angesichts der Fülle der Themen Ihre aufmerksame Entscheidung gefragt: Auf welches Lernprojekt wollen Sie sich konzentrieren? Was tun Sie, um auch dabei neben Ihrem Hauptziel noch aufmerksam dafür zu sein, was Sie noch alles lernen können? Die besondere Relevanz dieser Aufmerksamkeitsebenen besteht darin, dass Sie von all diesen Ebenen beeinflusst werden, auch wenn Sie sich dessen noch nicht bewusst geworden sind. (Querverweis Die psychologische Ausbildung) Die in diesem Buch dargestellten Aufmerksamkeitsebenen betrachte ich als grundlegend, weil sie selbstreflektiert dazu anleiten, Ihre Aufmerksamkeit aufzubauen und Ihnen die Abstraktion auf Aufmerksamkeitsebenen nahezulegen. So werden Ihnen die Mittel an die Hand gegeben, selbst zu entscheiden, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit entwickeln und nutzen. Es sind die grundlegenden Kenntnisse über Ihre Aufmerksamkeit selbst. Neben diesen grundlegenden Ebenen kann auch jeder andere Lernbereich eine weitere Ebene Ihrer Aufmerksamkeit werden, mit der Sie Dinge wahrnehmen, die andere einfach ignorieren oder ohne Lernerfahrung damit gar nicht wahrnehmen können. Die in diesem Buch dargestellten Aufmerksamkeitsebenen betrachte ich als grundlegend, weil sie selbstreflektiert dazu anleiten, Ihre Aufmerksamkeit aufzubauen und Ihnen die Abstraktion auf Aufmerksamkeitsebenen nahezulegen. So werden Ihnen die Mittel an die Hand gegeben, selbst zu entscheiden, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit entwickeln und nutzen.

Schaubild 8: Lernplateaus

Nun soll Ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, was im Zuge des Lernens eigentlich alles geschieht und wie Sie selbst den stattfindenden Lernprozess erleben. Das Schaubild zeigt einen Lernprozess mit einigen erstaunlichen Eigenschaften. Die Menge des Gelernten beziehungsweise die Fähigkeiten in einem Bereich nehmen beim Lernen in einem ersten Schritt rasant zu, bevor sie dann leicht nachlassen, um schließlich für längere Zeit, trotz weiterer Übung, zu stagnieren. Diese Phasen wiederholen sich immer wieder und so ist die Phase der Stagnation auch kein Makel, sondern ein zentraler Bestandteil des Lernprozesses. Der Grund, warum es zu dem im Schaubild als Knick dargestellten Einbruch und dann zu jener geraden Linie kommt, die darstellt, dass wir uns in dieser Phase nicht verbessern, ist der, dass das Gehirn Zeit benötigt, die neuen Nervenverbindungen zu formen, die beim Lernen entstehen. Zuerst werden überhaupt einmal „Verbindungswege“ gebahnt, dann werden sie verschaltet und schließlich werden sie ausgebaut, sozusagen asphaltiert was vorher nur Feldweg war. Während dieser Plateauphase kann in diesem Bereich die Qualität der Kenntnisse/ Fähigkeiten nicht steigen. Wurde genug ausgebaut wiederholen sich diese Phasen wieder. Dieses Modell der Lernfortschritte gilt für geistiges Lernen wie körperliches Training gleichermaßen. Achten Sie einmal auf Ihre Lernfortschritte in unterschiedlichen Bereichen. Kennen Sie die Phasen, in denen nichts weitergehen will oder Sie sogar das Gefühl haben, Rückschritte zu machen? Mit diesem Modell an der Hand können Sie diese Phasen selbst als wichtigen Lernfortschritt wahrnehmen.

Schaubild 9: Lernkurve

In diesem Schaubild ist zu erkennen, was schon im zweiten Schaubild der Vergessenskurve angedeutet wird: Je mehr wir wissen und können, desto mehr können wir in derselben Zeitspanne dazulernen. Wo wir am Anfang einen Monat brauchten, um nur sehr wenig zu lernen, brauchen wir irgendwann für dieselbe Menge an Lernstoff nur noch einen Tag. Eine Erfahrung, die wir nur dann machen können, wenn wir uns auch wirklich in ein Thema vertiefen. Wirklich entscheidend ist hierfür aber auch die Herangehensweise an das Lernen. Wenn wir anfangen Italienisch zu lernen und glauben, wir müssten dafür 1000 Vokabeln einfach auswendig lernen, dann wird das lange dauern. Wenn wir dann nach einem Jahr glauben, wir müssten nun weitere 1000 Vokabeln lernen, dann wird das höchsten ein klein wenig schneller gehen. Wenn wir aber eine andere Herangehensweise wählen und in der Zwischenzeit viel auf Italienisch gehört, gesprochen und geschrieben haben, dann lassen sich 1000 weitere Vokabeln sehr viel müheloser lernen. Wir hätten dann unsere Lernmethode verfeinert, würden schon zahlreiche Situationen auf Italienisch gemeistert haben, würden einige Italiener persönlich kennen und hätten ein entsprechendes Lernnetzwerk. Im Zuge dessen hätten wir ohnehin schon unseren Wortschatz gewissermaßen „automatisch“ vervielfacht, ohne das es uns als „Vokabeln lernen“ von irgendeiner Liste noch aufgefallen wäre. Zum Thema Sprache lernen und auch zur Frage danach wie dieses „automatisch“, ganz ohne lange Listen zum auswendig lernen, gezielt erreicht werden kann, siehe das entsprechende Kapitel weiter unten. Diese Überlegungen zur Herangehensweise sind auf jeden beliebigen Lernbereich übertragbar. Wenn Sie es also richtig angehen, wenn Sie für Ihren Lernweg, eine breite Auswahl an erprobten Fortbewegungsmitteln mit sich führen, dann werden Sie auch auf schwierigeren Streckenabschnitten verhältnismäßig mühelos lernen können und vor allem wieder und wieder die Erfahrung machen können, dass Sie schneller werden, je weiter Sie schon gekommen sind. Pauken für Prüfungen, das heißt lernen um zu vergessen, wird Ihnen diese Erfahrung niemals zugänglich machen. Dort werden Sie nur bemerken, wie Sie mit jedem Schritt immer schwerfälliger werden, wie Ihnen – im Bild gesprochen – der Sprit ausgeht.

Schaubild 10: Wissensnetz

Je mehr wir wissen, desto dichter ist das Wissensnetz, das sich in unserem Kopf geknüpft hat. Je dichter dieses Netz ist, desto leichter verfangen sich neue Lerninhalte darin, bis auch Detailwissen zunehmend leichter hängen bleibt. Deshalb: Je mehr wir wissen, desto mehr lernen wir in derselben Zeit. Ein Leben lang nichts anderes zu tun, als Listen von isolierten Wörtern oder Fakten auswendig zu lernen, würde, um in der Metapher des Wissensnetzes zu bleiben, dieses Netz niemals entstehen lassen. Wie wir lernen, hat entscheidenden Einfluss darauf, welche Form unser Wissen, das, was wir uns angeeignet haben, in uns annimmt. Wie wir lernen, prägt die Art und Weise, wie dieses Netz gebaut ist und entscheidet darüber, ob es uns möglich ist, Verbindungen zu ziehen, statt nur Details hoch zu stapeln. Es prägt, wie wir später mit unserem Wissen umgehen können. Werden wir im Umgang damit starr und unflexibel oder dynamisch, kritikfähig und reflektiert sein? Bauen Sie sich ein eng geknüpftes, leicht aktivierbares, vielfältiges und dynamisches Wissensnetz auf, indem Sie den aktuellen Lernbereich bereits im Lernprozess mit den eigenen Erfahrungen verknüpfen, sich mit Mitmenschen lernend verbinden und austauschen, die Gegebenheiten verstehen lernen, in denen Sie lernen, die vielfältige Relevanz Ihres Lernbereichs erkennen, die Möglichkeiten abschätzen, die dieses Wissen in der Zukunft eröffnet und schließlich die Bedeutung reflektieren, die wir ihm beimessen.

So sind Herangehensweisen und Methoden eine Art und Weise den Aufbau Ihres Wissensnetzes zu planen und zu strukturieren, noch bevor es zu einem bestimmten Lernbereich überhaupt aufgebaut ist. Diese Planung reflektiert und bewusst durchzuführen, gelingt Ihnen nur, wenn Sie Erfahrung mit vielen Herangehensweisen und Methoden haben. Nur so können Sie deren Wirkung, auf die Art und Weise wie dieses Wissen oder diese Fähigkeiten für Sie abrufbar sind, genauso einschätzen wie die Art und Weise wie sie ihr Denken verändern werden. Glücklicherweise werden Sie von der Erfahrung mit einer Vielfalt an Herangehensweisen profitieren, lange bevor Sie deren Wirkung gänzlich durchschaut haben. Nehmen Sie es als weiteres Objekt Ihrer Aufmerksamkeit nach dem Sie ab und zu einmal Ausschau halten können. Diese Reflexion auf sich selbst ist zudem auch ein Punkt dieses Wegweisers an dem alle Kapitel, alle Teile der neuen Allgemeinbildung, zusammengefügt und zur Anwendung gebracht werden müssen - Lernen, psychologische und soziologische Ausbildung sind da nur die wichtigsten. Nur mit Reflexion werden Sie Ihre Entscheidungsfähigkeit voll entwickeln können.

Die Metapher des Wissensnetzes muss dann erweitert werden, zu einem Netzwerk aus Netzen, die selbst durch Netze verbunden sind und sich mit den Netzen anderer Menschen verbinden können. Auch mit den Inhalten der neuen Allgemeinbildung eignen Sie sich Wissensnetze an. Das besondere an diesen Wissensnetzen ist, dass sie universal anknüpfbar sind. Sie weisen von vornherein über sich hinaus und werfen Fäden in andere Lernbereiche aus, eben genau dadurch das sie überhaupt erst Wissen als Netzwerk verstehbar machen, Methoden des Webens solcher Wissensverknüpfungen aufzeigen, reflektieren und kritisieren und auch den Austausch einzelner Fäden an bestehenden Netzen anleiten, das heißt, die eigene Selbstkorrektur.

Schaubild 11: Lernbrücke

Lernen folgt immer wieder ähnlichen Mustern und wird durch ähnliche Faktoren bestimmt, egal von welchem Lernbereich wir sprechen.

Wenn Sie in diesem oder jenem Lernbereich etwas lernen, haben Sie die Möglichkeit dabei gleichzeitig auf das Lernen selbst zu abstrahieren. (Querverweis: Kurztext Abstraktion und Erfahrung) Dadurch das Sie auf diese Weise das Lernen selbst lernen, beziehen Sie bereits alle denkbaren zukünftigen Lernprojekte in Ihr aktuelles Projekt mit ein, Sie eignen sich eine Lernbrücke – siehe Schaubild – an. Diese können Sie als Ihren Zugang zu neuem Wissen frei zwischen unterschiedlichen Lernbereichen hin- und her schwenken. Probieren Sie die unterschiedlichsten Methoden des Lernens aus und lernen Sie, zu beurteilen, welche Ihnen unter welchen Bedingungen am besten liegt. Mit dieser Erfahrung werden Sie die Distanz zu jedem neuen Lernbereich bereits ein gutes Stück überwunden haben, denn auch diesem können Sie sich wieder auf dieselbe Weise nähern.

Das Lernen zu lernen bedeutet in diesem Sinn auch einen bewussten Umgang mit Unwissenheit: Auch Wissen, das Sie sich zukünftig aneignen, wird wieder ihr Wissensnetz erweitern, wird wieder mit Methoden erschließbar sein und deren Erweiterung ermöglichen oder nötig machen, wird wieder etwas mit Ihren Mitmenschen zu tun haben, wird wieder Motivation und Interesse wecken können, wird sich wieder mit Ihren Erfahrungen verbinden lassen, wird Ihnen wieder etwas über Ihre Umwelt und sich selbst vermitteln, wird Sie wieder vor die Frage stellen „Was brauche ich noch zur Lösung dieser Aufgabe?“, wird Sie wieder für die Zukunft prägen und vieles weitere mehr. In allem was Sie lernen, haben Sie die Möglichkeit, für alles zukünftige Lernen bereits jetzt etwas mitzunehmen und Ihnen damit in Zukunft das Lernen immer einfacher zu machen. Auch wenn Sie sich dann gänzlich neuen Lernbereichen zuwenden, werden Sie Ihre Vorerfahrungen nutzen können und deshalb eben nicht wieder bei null anfangen, sondern bereits deutlich weiter sein. So wie Sie das Laufen nicht nur für den Ort lernen, an dem Sie Laufen lernen, sondern anschließend an jedem anderen Ort der Erde laufen können, so können Sie auch das Lernen lernen. Diese Abstraktionsmöglichkeit findet sich überall wieder, weshalb auch jedes Fach, im bisher üblichen Sinne des Wortes, als Beispiel herangezogen werden kann, auf die Grundlagen der neuen Allgemeinbildung zu abstrahieren und sie zu üben. Die Möglichkeit auf diese Bildung zu abstrahieren, findet sich überall, sie muss nur wahrgenommen und ergriffen werden. Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, kennen Sie meinen Vorschlag dazu, in welchen Abstraktionen wir alle ausgebildet sein sollten. (Querverweis Kurztext Abstraktion und Erfahrung)