Der Tangospieler - Christoph Hein - E-Book

Der Tangospieler E-Book

Christoph Hein

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Beschreibung

Leipzig 1968: Der Historiker Dallow wird nach 21 Monaten Haft aus dem Gefängnis entlassen. Sein Vergehen: Er war als Klavierspieler in einem Studentenkabarett eingesprungen, und der Text, den er mit einem Tango begleiten sollte, hatte Anstoß erregt. »Vergiß die dumme Geschichte«, wird ihm nun geraten. Dallow vergißt nicht, aber er ist gefühllos geworden und wie gelähmt. Selbst das Eingeständnis seiner Umwelt, daß ihm Unrecht geschehen ist, läßt ihn gleichgültig, zumal seine immer dringlicher werdende Suche nach Arbeit erfolglos zu bleiben scheint.

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Seitenzahl: 246

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Leipzig 1968. Der Historiker Dallow wird nach 21 Monaten Haft aus dem Gefängnis entlassen. Sein Vergehen: Er war als Klavierspieler in einem Studentenkabarett eingesprungen, und der Text, den er dort mit einem Tango begleitete, erregte Anstoß. »Vergiß die dumme Geschichte«, wird ihm nun geraten. Dallow vergißt nicht. Er flüchtet sich in Zynismus und Gleichgültigkeit, und auch das Eingeständnis der anderen, daß ihm Unrecht geschehen ist, berührt ihn nicht. Doch sein Versuch, sich seiner Umwelt zu verweigern, gestaltet sich zunehmend schwieriger.

»Das Werk von Christoph Hein setzt diese große Tradition fort, eine Welt, die untergeht, aufzubewahren für die Nachwelt. Aus Der Tangospieler werden künftige Generationen sehen, wie man in diesem Land gelebt, gelitten, gelogen hat«, urteilte Hans Mayer anläßlich der Verleihung des ersten Erich-Fried-Preises 1990 an Christoph Hein.

Christoph Hein, geboren 1944, hat Romane, Novellen, Erzählungen, Theaterstücke, Essays und ein Kinderbuch veröffentlicht, u. a. Der fremde Freund/Drachenblut (1982), Horns Ende (1985), Das Napoleon-Spiel (1993), Von allem Anfang an (1997) und Willenbrock (2000). Für sein Werk ist er mit zahlreichen renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet worden.

Christoph Hein

Der Tangospieler

Erzählung

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 6. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 3477.

Erstveröffentlichung 1989, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar

© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Umschlagabbildung: Sven Paustian

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-74552-6

www.suhrkamp.de

Am Tage seiner Entlassung konnte Dallow seine Finger nicht bewegen. Sie waren steif und kalt und wie gelähmt. Die Beamten legten ihm vier Papiere vor, die er unterschreiben sollte. Dallow klemmte den Stift zwischen Daumen und Zeigefinger und krakelte mühselig seine Unterschrift.

»Was ist mit Ihrer Hand?« fragte der Beamte, der vor ihm saß und ihm zusah.

»Nichts«, entgegnete Dallow, »den Fingern ist der Schreck in die Knochen gefahren.«

»Sie meinen, das macht die Aufregung?«

»Wenn ich das meinte, hätte ich es gesagt«, erwiderte Dallow.

Der Beamte sah ihn an und überlegte.

»Sie müssen noch zum Arzt«, verkündete er dann.

Dallow schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. In ein paar Minuten haben sich die Finger daran gewöhnt. Man muß das einfach nicht beachten.«

»Wie Sie wollen. Aber dann unterschreiben Sie mir das noch.« Er schob ein weiteres Papier über den Tisch. Dallow klemmte wieder den Stift zwischen die Finger und malte mit vorgeschobener Zungenspitze seinen Namen auf das Papier. Dann betrachtete er sein Werk, es sah aus wie die Unterschrift eines Achtjährigen. Er nickte zufrieden.

»Was sind Sie von Beruf, Dallow?« fragte der Beamte. »Hier steht Pianist, in meiner Akte steht Oberassistent.«

»Es trifft beides zu.«

»Das ist keine Antwort«, sagte der Beamte geduldig. »Also was ist Ihr Beruf?«

»Pianist«, sagte Dallow, »ich bin als Pianist zu Ihnen gekommen und nicht als Oberassistent. Schreiben Sie: Pianist.«

Dallow stand mit hängenden Armen vor dem Schreibtisch und wartete darauf, gehen zu können. Die Finger der rechten Hand waren vollkommen weiß.

»Wie die Wachsfinger eines Heiligen«, stellte Dallow laut fest.

Der Beamte sah auf. Er erwiderte nichts, als er Dallow ansah, sondern schüttelte nur müde den Kopf und seufzte vernehmlich.

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