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Der Tod kommt ungeladen E-Book

Marley Hobrok

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Beschreibung

Die 48-jährige Melli Marshal arbeitet ehrenamtlich in einer Hilfsorganisation für alte und/oder kranke Menschen in einem kleinen Ort im Süden von England. Ein alter Mord kommt ans Licht, und gleichzeitig treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Obwohl Mellis Lebenspartner Detective Chief Inspector Tom Badham mit allen diesen Fällen viel zu tun hat, gönnen sie sich eine kleine Auszeit und fahren mit ihren Hunden nach Deutschland ins Alte Land im nördlichen Niedersachsen. Aber auch dort lässt das Verbrechen sie nicht in Ruhe und auch Melli gerät in gefährliche Situationen. Aber ihre Hunde - ihre verlässlichen Partner - kommen ihr immer wieder zu Hilfe. Zu dieser Reihe bereits erschienen: Der Tod zahlt alte Schulden (2017) Die letzte Stunde tötet (2018)

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Seitenzahl: 225

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Der Tod kommt ungeladen

TitelseiteInhaltKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Impressum

Der Tod kommt ungeladen

Inhalt

Die achtundvierzigjährige Melli Marshal arbeitet ehrenamtlich in einer Hilfsorganisation für alte und/oder kranke Leute in einem kleinen Ort im Süden von England.

Ein alter Mord kommt ans Licht, und gleichzeitig treibt ein Serienmörder sein Unwesen.

Obwohl Mellis Lebenspartner Detective Chief Inspector Tom Badham mit allen diesen Fällen viel zu tun hat, gönnen sie sich eine kleine Auszeit und fahren mit ihren Hunden nach Deutschland ins Alte Land. Aber auch dort lässt das Verbrechen sie nicht in Ruhe und auch Melli gerät in gefährliche Situationen. Ihre Hunde – ihre verlässlichen Partner – kommen ihr immer wieder zu Hilfe.

Lesen Sie auch die ersten beiden Romane zu dieser Reihe:

Der Tod zahlt alte Schulden (2017)

Die letzte Stunde tötet (2018)

Kapitel 1

28. Januar

Die hübsche junge Sandy lag nackt auf dem Bett und kuschelte sich in die Steppdecke. Ihre blonden Haare lagen ausgebreitet auf dem Kissen. Verliebt dachte sie über den eben erlebten Sex mit diesem super aussehenden Ralph nach. Eben war er aus dem Zimmer gegangen, um noch etwas zu trinken zu holen.

Er hatte sie an der Bar längere Zeit angebaggert und hatte sie beeindruckt mit seiner Ausdrucksweise und seinem weltmännischen Charme. Sandy war noch nie von so einem tollen Mann angesprochen worden und schätzte, dass er zur High Society gehörte.

Nach ein paar Stunden an der Bar bot er ihr an, sie nach Hause zu bringen, aber in seinem schnittigen Sportwagen schlug er ihr vor, zum Ferienhaus seiner Familie zu fahren. Dort könnten sie noch etwas trinken und sich auch sonst noch ein bisschen vergnügen. Sie hatte nichts dagegen und war aufgeregt, was passieren würde. Und es hatte sich gelohnt.

Nicht nur Ralph, sondern auch das Ferienhaus hatten sie sehr beeindruckt. Es war ein richtiges Haus aus Stein mit zwei Etagen, und es stand auf einer großen Lichtung mitten im Wald an einem See.

Ralph hatte sie mit Worten, Küssen und leichten Berührungen schon so heiß gemacht, dass sie darauf wartete, dass er endlich Andeutungen machte, dass er mit ihr schlafen wollte.

Sandy schwelgte weiter in Erinnerungen. Er hatte ihr das ganze Haus gezeigt, auch sein Zimmer mit dem großen Bett. Nach dem intensiven Zungenkuss war es dann soweit. Er hatte sie langsam ausgezogen und sie ihn. Sie waren nackt auf der Matratze seines Bettes gelandet und hatten so wunderbaren Sex, wie sie ihn noch nie erlebt hatte.

Ralph kam mit einer Flasche Sekt und zwei Gläsern wieder zurück, küsste sie und fragte:

„Wie wäre es mit einem kleinen Fesselspiel? Das bringt mich wieder auf Touren, und dann machen wir’s nochmal.“

„Ja, gerne“, strahlte sie. Er hatte sie wohl so toll gefunden, dass er noch mehr wollte.

Die Kabelbinder nahm er aus einer Schublade, lächelte sie liebevoll an, nahm sanft ihre Arme und fesselte jeden Arm mit einem Kabelbinder an das Metallgestell des Bettkopfes.

„Wie fühlst du dich?“, fragte er fürsorglich.

„Himmlisch, Ralph! Ich freu mich auf die Fortsetzung.“

„Gleich, Geduld, meine Süße. Erst mal die Zigarette danach“, grinste er und steckte sich eine an.

„Ich wusste gar nicht, dass du rauchst, Darling“, sagte sie erstaunt.

Er nahm die Zigarette aus dem Mund und brannte mit der Glut ein kleines Loch in die Haut ihres Oberschenkels.

„Nein! Au!“, schrie Sandy, „bist du verrückt?“

„Nein, das ist deine Strafe.“

„Was für eine Strafe?“

„Rate mal! Wenn du drauf kommst, lass ich dich frei. Sonst…“

Sandy war kurz sprachlos. Was sollte das?

Ralph legte die Zigarette in einen Aschenbecher, holte unter dem Bett eine Folienrolle hervor und legte mehrere große Stücke davon unter Sandys Körper.

„Was machst du da?“

„Damit das Bett nicht so versaut wird.“

„Versaut? Womit denn?“

„Merkst du schon noch.“

„Bitte nicht“, wimmerte sie, als Ralph die Zigarette wieder aufnahm, einmal daran zog, sie wieder aus dem Mund nahm und mit der Glut ihrem Arm immer näher kam.

„Ralph, ich hab doch alles gemacht, was du wolltest. Du fandest unseren Sex doch auch schön!“

Dann schrie sie laut auf, als die Glut ihre Haut am Arm erreichte und er die Zigarette noch tiefer in ihr Fleisch drückte. Er drückte die Zigarette dort aus und murmelte ironisch:

„Rauchen ist sowieso ungesund.“

„Hilfe!“, schrie Sandy laut, obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Dieses Haus lag so einsam, dass sie niemand hören würde. Was sie vorher noch als so romantisch empfunden hatte, als er ihr von dem Ferienhaus seiner Familie mitten im Wald an einem See vorschwärmte, fand sie jetzt furchtbar leichtsinnig. Wie blöd kann man sein, mit einem wildfremden Mann nachts mitten in den Wald zu fahren, dachte sie reumütig.

Die Zangen und Messer hatte er ordentlich der Größe nach geordnet auf dem Tisch abgelegt. Die Hilfeschreie kümmerten ihn nicht besonders. Er nahm eine Zange und ging zu dem Bett. Die Schreie wurden jetzt panischer und lauter und hallten in seinen Ohren wider. Jetzt wurde es ihm doch zuviel. Das hält ja keiner aus, dachte er.

Aus der Diele holte er ihren Schal, steckte ihr sein Taschentuch in den Mund und band den Schal darüber, so dass ihre Äußerungen nur noch gedämpft zu hören waren.

„Welche Wohltat!“, sagte er.

So, jetzt kam erst mal der Sex, der ihm gefiel. Ralph packte mit brutalen Handgriffen Sandys Beine und riss sie weit auseinander. Sie wehrte sich und gab gedämpfte Schreie von sich, die ihn aber nicht störten. Er stieß in sie hinein und kopulierte heftig, während er immer wieder wütend die Worte Nutte und Hure ausstieß.

Als er fertig war, legte er noch eine Zigarettenpause ein, ängstlich beobachtet von Sandy. Sie hatte richtig vermutet, er drückte ihr die Zigarette wieder in die Haut, diesmal in eine Brust.

Danach traktierte er sie circa eine Stunde lang mit seinen Werkzeugen, kniff mit den Zangen in ihre Brüste, in ihre Schamlippen und in andere Hautstellen. Mit den Messern ritzte er ihre Haut an beliebigen Stellen.

„Weißt du jetzt, warum du bestraft wirst, du Nutte?“

Sandy schüttelte den Kopf und versuchte, etwas zu sagen.

Mit den Worten „Hure! Schlampe!“, stach er mit Wucht immer wieder wahllos in ihren Körper und merkte plötzlich, dass sein Messer eine Tote durchbohrte.

Nachdem der Mörder alles aufgeräumt hatte, wickelte er die Leiche der jungen Frau in die Folie, trug sie zu seinem Auto und legte sie in den Kofferraum.

Er war davon überzeugt, dass die Polizei an Sandys Körper keine DNA-Spur finden konnte, da er beim Geschlechtsverkehr Kondome benutzt hatte.

Er fühlte sich seltsam befreit nach seiner Tat und fuhr beflügelt durch den Wald auf die Landstraße. In einem mehr als zwanzig Kilometer entfernten Waldstück legte er die Leiche weit von den Wegen entfernt ab, entfernte die Folie und überließ die tote Frau ohne Bedenken den anderen Lebewesen des Waldes.

Kapitel 2

29. Januar

Melli saß an diesem feuchtkalten Winterabend gemütlich auf ihrer Couch im Wohnzimmer, angestrahlt von der Wärme des Kamins. Mit ihren Gedanken war sie mal wieder bei der Silvesterparty von Toms Chef Detective Chief Superintendent James McEnroe und seiner Frau Ellen in Southampton. Die Feier, zu der auch sie und Tom eingeladen waren, hatte so schön begonnen und war im Chaos geendet (siehe „Die letzte Stunde tötet“).

Vorhin hatte Tom angerufen, dass er heute später kommt, weil ein wichtiges Gespräch mit dem Chief Constable William Holden anstand, dem Vorgesetzten von James. Es gehe darum, ob DCS James McEnroe noch tragbar ist oder ob er in den Ruhestand versetzt werden solle.

Sie legte noch einen Holzscheit auf das Feuer im Kamin. Bei diesem Wetter brauchte sie einen schönen Tee, eine Couch mit einer Wolldecke, ihren Kater Fritz auf dem Schoß und ihre drei Hunde auf dem Teppich um sich herum.

Vor einem Jahr um diese Zeit war ihr erster Mann Peter schon ein paar Monate tot, und sie hatte nur noch ihren graugestreiften Kater Fritz und ihre Eurasier-Hündin Arina.

Und jetzt, ein Jahr später, hatte sich ihre Familie um die Hunde Frodo und Ponny und natürlich um ihren Tom vergrößert.

Es war eine aufregende Zeit gewesen, in der einige Morde in dem ruhigen Nomansland geschehen waren. Frodo, einen großen, schwarzen Pudel und den polnischen Hütehund Ponny hatte sie erst nach und nach aufgenommen. Sie hatte beide und auch die jeweiligen Hundebesitzerinnen als ehrenamtliche Tiersitterin im Rahmen der Organisation „Every Little Helps“ kennengelernt.

Die drei Hunde bildeten jetzt ein gut erzogenes Rudel, in dem jeder wusste, wo sein Platz war.

Und Tom war der ermittelnde Detective Chiefinspektor gewesen. Melli und Tom hatten sich nach einigen Querelen ineinander verliebt und waren jetzt ein Paar.

Plötzlich hoben Arina und Ponny die Köpfe, erhoben sich und liefen zur Haustür. Frodo und Kater Fritz schliefen weiter – oder sie taten nur so. Tom schloss die Tür auf, streichelte die Hunde und erzählte ihnen etwas Schmeichelhaftes.

Melli legte Fritz von ihrem Schoß herunter auf die Couch und ging ihm entgegen:

„Na, Tommy, wie war das Gespräch? War es schlimm?“

„Hallo, mein Engel“, küsste er sie, „nein, es ging. Ich glaube, ich konnte es noch mal umbiegen. Der CC wollte Jim wahrhaftig in Pension schicken.“

„Dann wäre er verrückt geworden! Ganz allein zu Hause rumsitzen. Das hätte er nicht gepackt.“

„Genau! Ich hab William Holden davon überzeugt, dass Jim nichts mit dieser Einbruchs- und Versicherungsbetrugssache zu tun hat. Und dass man ihm um Gottes Willen seine Arbeit nicht wegnehmen darf.“

„Das ist gut. Du kannst dich ja auch ein bisschen um ihn kümmern.“

Tom schaute Melli belustigt an:

„Das sieht dir mal wieder ähnlich! Man muss sich um alles kümmern, was irgendwie vernachlässigt wirkt, einsam ist oder leidet. So sind wir ja auch an Frodo und Ponny gekommen. Aber Jim möchte ich nicht auch noch hier wohnen haben!“

„Keine Angst, Tommy“, lachte Melli, „die eine Nacht hat mir gereicht, als er stockbesoffen in unserem Schlafzimmer stand.“

„Im Gästezimmer war es ihm vielleicht zu einsam. – Muss man sich eben drum kümmern“, antwortete er ironisch.

„Aber es ist schon erschreckend, Tommy, wie von jetzt auf gleich die ganze Welt eines Menschen zusammenbrechen kann. Gerade ist er noch stolz und glücklich und genießt seine schöne Feier und urplötzlich steht er vor einem Chaos.“

„Ja und warum? Weil du mal wieder zufällig... wie die Tyche aus der griechischen Mythologie, die war nämlich zuständig für den blind waltenden Zufall.“

„Waren das nicht die drei Parzen?“

„Die Parzen sind die Schicksalsgöttinnen aus der römischen Mythologie.“

„Mann, du bist aber ganz schön gebildet, du Streber!“

„Ja, ich bin ein Streber, und ich strebe gleich ins Bett. Ich bin nämlich ganz schön müde.“

Kapitel 3

30. Januar

Sie wurde kurz vor 5.00 Uhr von den Anfangsakkorden von „Smoke on the water“ von Deep Purple geweckt. Tom hatte sich dieses Klingelzeichen aus dem Internet heruntergeladen, weil er die normalen Klingeltöne leid war. Er meinte, diese Anfangsakkorde würden niemanden so erschrecken wie ein Klingelton, die Musik sei unverwechselbar, und sie gefiel ihm.

Tom meldete sich murrend und hörte dem Anrufer zu. Er beendete das Gespräch, drehte sich zu Melli, um zu sehen, ob sie auch wach war:

„Eine Frauenleiche ist im Wald in der Nähe der M27 gefunden worden, und zwar ungefähr dort, wo die A36 über die Autobahn führt.“ Beim Aufstehen stöhnte er:

„Was ist das für ’n blöder Job!“

„Ach du Armer!“ tröstete Melli ihn lächelnd, „aber wie sagt schon das Sprichwort: Augen auf bei der Berufswahl!“

„Ja, ja, vielen Dank für dein Messer in meiner Wunde!“

Als er fertig angezogen war, kam er noch mal zu ihr ans Bett und küsste sie zärtlich.

„Schlaf du wenigstens noch ein bisschen weiter. Und wenn du im Bett bist, machst du jedenfalls auch keine Dummheiten!“

„Das ist ja wohl die Höhe! Ich kann doch fast nie was dazu. Sachen passieren eben!“

Tom verließ das Schlafzimmer mit einem Lächeln in ihre Richtung, und sie war allein.

Er hat ja schon ein bisschen recht, dachte sie leicht schuldbewusst. Sie war im letzten Jahr sowohl durch Zufall als auch durch Neugier in einige brenzliche Situationen geraten, aus denen sie sich durch Geistesgegenwart, Mut und mit Hilfe ihrer Hunde befreien konnte. Tom hatte jedes Mal fast einen Anfall wegen seiner Angst um sie bekommen. Aber bis jetzt war immer alles gut gegangen.

Was liegt heute an, überlegte sie, ach ja, Melody hatte sie gestern gebeten, heute gegen zehn oder elf Uhr einen Krankenbesuch bei der bettlägerigen Leah Barfield zu machen. Mrs. Barfield habe darum gebeten, jemanden mit „Verstand und Herz“ zu ihr zu schicken, jemanden, mit dem man „vernünftig“ reden könne.

„Und da hast du ausgerechnet an mich gedacht, Melody?“, hatte Melli erstaunt gelacht. Dr. Melody Silver-Onnington war die Vorsitzende der örtlichen Hilfsorganisation „Every Little Helps“, die sich um alte und/oder kranke Mitbürger kümmerte. Außerdem war sie vor ihrem Ruhestand die Hausärztin des gesamten Ortes gewesen und kannte fast jeden Einwohner persönlich.

„Sie hat am Telefon nicht gesagt, um was genau es sich handelt, aber sie meinte, vor ihrem Tod wolle sie noch etwas loswerden.“

„Ach herrje! Wäre da nicht ein Priester die bessere Wahl gewesen?“

„So etwas in der Art habe ich auch zu ihr gesagt. Nein, sie wollte niemanden von der Kirche sehen, sondern eine Frau, die mitten im Leben steht, keine Vorurteile hat und nicht dem ‚örtlichen Klüngel’ angehört. So hat sie sich ausgedrückt. Ich bin meine Helfer-Listen durchgegangen, und du bist die Einzige, auf die das alles zutrifft, Melli.“

„Wieso bin ich die Einzige? Es gibt doch bestimmt noch mehr Frauen, die ‚mitten im Leben’ stehen und so weiter.“

„Ja, das stimmt, aber du bist die Einzige, die erst seit ein paar Jahren hier wohnt und nicht hier geboren ist. Da ist die Gefahr wohl nicht so groß, dass du dich vielleicht mal bei irgendjemandem verplapperst. Ich weiß ja auch nicht, worum es geht. Leah tat sehr geheimnisvoll.“

Melli war einen Moment sprachlos gewesen.

„Bist du noch da?“

„Entschuldige, Melody, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich will der alten Frau ja gern helfen, aber ich hoffe, dass ich das auch kann und nicht damit überfordert bin. – Also gut, gib mir mal die Adresse, ich fahre morgen um zehn Uhr hier los“, hatte Melli dann eingewilligt, obwohl sie die Zusage eher ungern machte.

Die Gedanken an das gestrige Telefonat hatten sie völlig wach gemacht, und so begann ihr Tag eben etwas früher als normal.

Mit den drei Hunden ging sie aus ihrem Schlafzimmer im ersten Stock die Treppe hinunter, dann durchs Wohnzimmer und durch den Wintergarten. Dort öffnete sie die Tür zum hinteren Garten, damit ihr Rudel sich im hinteren abgetrennten Teil, dem „Hundegarten“, erstmal erleichtern konnte.

Nach den Frühstücksvorbereitungen öffnete sie die Wintergartentür und ließ die Hunde wieder herein, damit diese nach einem „Sitz“ je einen Hundekuchen entgegennehmen konnten.

Sie erfreute sich immer wieder am Anblick ihrer Tiere: Der Pudel Frodo war ganz schwarz, die Eurasier-Dame Arina hatte ein schwarzes, glänzendes, halblanges Fell mit hellen Abzeichen im Gesicht, an der Brust und an den Pfoten, und der polnische Niederungshütehund Ponny, der nicht ganz reinrassig war, hatte das längste und bunteste Fell von den dreien. Zusammen waren die drei mit einer Schulterhöhe zwischen fünfzig und sechzig cm schon recht imposant.

Nachdem sie gefrühstückt und sich in etwas seriösere Sachen geworfen hatte als die, die sie zu Hause trug, machte Melli sich auf den Weg zu Leah Barfield.

Nach einer Fahrt von circa fünf Minuten aus dem Ort hinaus durch winterlich karge Felder sah sie auf der rechten Seite der Landstraße einen einsamen Bauernhof. Das musste die richtige Adresse sein. Sie fuhr die lange Einfahrt entlang und parkte so, dass sie niemandem den Weg versperrte.

Die Haustür hatte sowohl einen Klopfer an der Tür als auch eine Klingel. Sicherheitshalber betätigte Melli beides. Es dauerte nicht lange, und ein auf den ersten Blick sympathischer Mann in Mellis Alter öffnete die Tür und begrüßte sie höflich mit: „Guten Morgen.“

„Guten Morgen. Mrs. Barfield hat mich hergebeten. Mein Name ist Melli Marshal.“

„Ja, treten Sie ein, Sie werden schon erwartet. Sie sind von ‚Every Little Helps’, hab ich recht?“, lächelte er freundlich, „mein Name ist übrigens Jonathan Barfield.“

Melli trat in eine große Diele, von der einige Türen abgingen sowie eine breite Holztreppe in das obere Stockwerk. Jonathan Barfield führte sie die Treppe hinauf, während sie sich über das Wetter unterhielten.

Er öffnete die erste Tür am Ende der Treppe und führte Melli in einen Raum mit einem großen Doppelbett, in dem auf der Fensterseite eine schmale alte Frau lag, die ihr mit wachem, interessiertem Blick entgegensah.

Der Raum wirkte durch die dunklen, alten Schlafzimmermöbel und die schweren Fenstervorhänge ziemlich düster. Dazu trugen auch die großen, alten Bäume bei, die kaum Licht durchließen. Wie dunkel mochte es hier drin wohl erst im Sommer sein, wenn die Bäume wieder Blätter trugen?

Melli beugte sich zu der alten Dame hinunter, gab ihr die Hand und sagte lächelnd:

„Guten Morgen, Mrs. Barfield. Dr. Silver-Onnington schickt mich zu Ihnen. Mein Name ist Melli Marshal.“

„Wie schön, dass Sie gekommen sind“, sagte Mrs Barfield mit leicht zittriger Stimme und nahm Mellis Hand in ihre beiden Hände.

„Ich bin Leah. Kann ich Melli zu Ihnen sagen? Dann sind wir uns nicht so fremd.“

„Sehr gerne, Leah. Wie geht es Ihnen?“

Leah sah zu Jonathan hinüber, der immer noch im Zimmer stand.

„Jonny, wir haben alles, was wir brauchen. Du kannst uns jetzt allein lassen.“

„Ist recht, Mutter.“

„Melli“, fiel sie gleich aufgeregt mit der Tür ins Haus, „was ich Ihnen jetzt sage, muss absolut vertraulich behandelt werden. Erst nach meinem Tod soll was unternommen werden“. Melli sah sie ernst an:

„Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen, Leah.“

„Das ist gut!“ Sie wirkte erleichtert, machte eine kleine Pause, um sich zu sammeln, und fing nach einem langen Seufzer mit ihrer Geschichte an.

„Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Und ich leide seit fünfzig Jahren darunter. Deshalb bin ich auch jetzt so krank. Das ist meine Strafe.“

„Nein, das dürfen…“, Melli wollte Leah beruhigen, aber Leah hob die Hand und sagte mit energischer Stimme:

„Bitte unterbrechen Sie mich nicht. Ich weiß, Sie meinen es gut, aber was ich gemacht hab… Wir machen das so: Dort auf dem Tisch steht zu essen und zu trinken. Nehmen Sie, was Sie wollen und hören Sie mir einfach nur zu, ja?“

„Gut, Leah“. Melli stand auf, goss aus einer Thermoskanne Kaffee in einen Becher und setzte sich wieder auf den Stuhl an Leahs Bett. Leah wollte nichts.

„Also. Meine Schwester Elisabeth war ein Jahr älter als ich. Sie war die Hübschere von uns beiden, war überall und bei jedem beliebt, hatte viele Freunde und hätte jeden Jungen aus dem Dorf haben können. Sie nahm sich natürlich den, in den ich mich auch verliebt hatte: Jo. In der Schule war sie ein Überflieger, ging aufs Gymnasium – und sie war der Liebling meines Vaters.

Ich habe mich von klein auf abgestrampelt, um auch so begehrt und beliebt zu werden wie sie, aber was ich auch versuchte, sie war in allem besser.

Ich versuchte, wenigstens bei der Hofarbeit besser zu sein, und das ist mir dann auch gelungen. Sie mochte diesen Gestank und den Dreck beim Ausmisten der Ställe nicht, mir machte es nichts aus, im Gegenteil – endlich hatte ich was gefunden, in dem ich besser war als sie.

Als wir zwanzig und einundzwanzig waren – meine Mutter war leider schon gestorben – rief mein Vater uns zu sich und sagte, er habe sein Testament gemacht, damit, wenn er mal stirbt, keine Erbstreitigkeiten entstehen. Er vermachte Elisabeth den Hof!

‚Und was ist mit mir?’, fragte ich ihn.

‚Du kannst ja hier arbeiten’, sagte mein Vater, ‚oder du suchst dir einen Bauern, der dich heiratet.’

Dann heiratete Elisabeth meinen Schwarm Jo und wurde ganz schnell schwanger.

Tag und Nacht zermarterte ich mir das Gehirn, wie ich meine Schwester loswerden könnte. Ja, ich muss gestehen, ich habe sie gehasst. Sie hat mir alles weggenommen: meinen Jo, der keine Augen mehr für mich hatte und den Hof, den ich so liebte.

Dann hatte ich endlich ein Mittel gefunden: Herbstzeitlose. Erst wollte ich es ihr während ihrer Schwangerschaft in den Salat geben, aber das brachte ich dann doch nicht übers Herz. Das ungeborene Baby konnte ja nichts dafür. Aber als der kleine Jonny da war und ich sie und die Familie bekochen und bedienen musste, hab ich es getan.

Abends aß Elisabeth gern ‚noch so was Gesundes’ wie Salat. Die Knollen von der Pflanze hab ich wie Zwiebeln geschnitten, und die Blätter sehen ja aus wie Bärlauch, die hab ich in den gemischten Salat gegeben. Damit sie nicht so schnell wach wurde wegen Durchfall und Übelkeit hab ich ihr noch ein Schlafmittel in ihren Tee gegeben.

Es war kein schönes Sterben. Es war furchtbar, das können Sie mir glauben!“

Leah sah Melli an, als wenn sie aus einer Art Trance aufgewacht wäre. Melli konnte gar nicht richtig entsetzt über ihre Tat sein – sie hatte mit dem armen, vernachlässigten Wesen mitgelitten, das sich so sehr nach Anerkennung und Liebe gesehnt hatte und immer gescheitert war. Mitleidig drückte sie Leahs Hand und streichelte ihre Finger. Eine Träne rollte Leahs Wange hinunter.

„Hat denn niemand gemerkt, woran Ihre Schwester gestorben ist?“

„Nein. Damals grassierte hier ein Magen-Darm-Virus, da dachten alle, das läge daran und sie sei durch die Geburt noch geschwächt. Und als hier jemand auf die Idee kam, einen Arzt zu rufen, da war es schon zu spät.

Ich habe den kleinen Jonny geliebt und aufgezogen wie mein eigenes Kind. Mein Vater hat sofort das Testament geändert und mir dann den Hof zugesprochen, weil er Angst hatte, dass Jo sich irgendeine andere Frau sucht, die keine Ahnung von der Landwirtschaft hat und die ihn vielleicht auf den Gedanken bringt, alles zu verkaufen.

Ich war glücklich mit dieser Entscheidung, ich hatte meinen Hof, für den ich so viel geschuftet hatte, ich hatte Jonny, meinen kleinen Sonnenschein, und dann hat auch noch Jo um meine Hand angehalten. Nach vier Jahren bekam ich meinen eigenen Sohn – Adrian. Das machte mein Glück vollkommen.“

Leah trank einen Schluck aus ihrem Wasserglas und redete weiter:

„Die ganzen Jahre habe ich das alles verdrängt. Aber jetzt, wo es bald mit mir zu Ende geht, will ich reinen Tisch machen. Mein Vater ist tot. Mein eigener Sohn Adrian, der jetzt eigentlich erbberechtigt ist, will vom Bauernhof nichts wissen. Er hat sich als Computerfachmann selbstständig gemacht und arbeitet von hier aus oder fährt zu seinen Kunden, wenn was kaputt ist oder eingerichtet werden muss.

Aber mein Jonny, mein Sonnenschein, der liebt die Arbeit hier wie ich früher. Und wenn ich nicht dazwischengefunkt hätte, wäre er der Erbberechtigte und nicht Adrian. Verstehen Sie? Das nagt die ganze Zeit an meinem Gewissen. Jetzt wird das eintreten, was mein Vater nie wollte. Wenn ich nichts unternehme, erbt Adrian und verkauft den Hof – und Jonny ist um alles betrogen worden. Das ist so ungerecht!“

Leah war mit den letzten Worten laut geworden und schlug mit der Hand vor Frust auf ihre Bettdecke. Melli öffnete den Mund, um etwas Beruhigendes zu sagen, da hob sie die Hand:

„Ich bin noch nicht fertig. Ich hab überlegt, wie ich Jonny zu seinem Recht verhelfen könnte.

In einem Versteck habe ich einen Brief hinterlegt, mit der Hand geschrieben, und da hab ich geschildert, wie alles gekommen ist und was ich getan habe. Wenn das Papier in falsche Hände kommt und es wird vernichtet, hab ich das Unrecht nicht verhindert. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Melli. Was würden Sie tun an meiner Stelle?“

„Ich würde mich einem Rechtsanwalt anvertrauen. Haben Sie Jonny adoptiert?“

„Nein, er hat ja sowieso denselben Nachnamen wie wir alle.“

„Wie alt sind ihre Söhne jetzt?“

„Jonny ist jetzt fünfzig, und Adrian ist fünfundvierzig.“

„Haben die beiden eigene Familien?“

„Nein, Melli, leider nicht. Sie hatten beide schon einige Freundinnen, denn unansehnlich sind sie ja nicht“, erwiderte Leah mit einem stolzen Lächeln, „aber bei Jonny schrecken die Frauen wohl vor der vielen Arbeit auf dem Hof zurück. Der Hof wirft nicht soviel ab, dass wir uns permanent ein paar Angestellte leisten können.“

„Und Adrian?“

„Er geht voll und ganz in seiner Arbeit mit diesem Computerkram auf. Vielleicht fühlen sich da viele Frauen auch vernachlässigt – ich weiß es nicht.“

„Nun zu dem Brief, Leah, wo haben Sie den denn versteckt? Oder wollen Sie mir das lieber nicht sagen? Ich könnte ihn sicherheitshalber an mich nehmen. Und wenn Sie Ihre Angelegenheiten vielleicht nicht schnell genug mit einem Anwalt klären können, gäbe es wenigstens einen Beweis, dass Sie die Schuld auf sich nehmen, Jonny um sein Erbrecht gebracht zu haben.“

Leah ließ sich alles durch den Kopf gehen und sagte dann mit erfreutem Gesichtsausdruck:

„Das ist eine hervorragende Idee, Melli! Ach, ich bin Ihnen ja so dankbar. Könnten Sie für mich auch einen Anwalt besorgen, der mich hier zu Hause aufsucht?“

„Ja, das kann ich machen, aber es kann ein paar Tage dauern, bis ein Anwalt einen Termin frei hat. Aber ich werde es dringend machen, Leah.“

„So“, flüsterte sie plötzlich, „jetzt ziehen Sie mal die Schublade vom Nachtschränkchen vorsichtig raus.“

Melli zog die Schublade ganz heraus und fand auf der äußeren Rückseite einen angeklebten Briefumschlag.

„Nehmen Sie den Brief raus. Der Umschlag kann ja ruhig angeklebt bleiben. Lesen Sie sich das mal durch, ob man daraus auch schlau wird.“

Leah hatte in dem Brief alles so geschildert wie sie es Melli erzählt hatte, auch dass Jonny nun den Hof erben solle. Melli gab ihr noch den Rat, über den Brief „Testament“ zu schreiben und auch noch das Datum zu vermerken, von dem Tag, als sie diesen Brief verfasst hatte. Sie war zwar kein Anwalt, aber sie hatte mal gelesen, dass das Wort „Testament“, das Datum und die Unterschrift bei einem Testament sehr wichtig sind.

Leah fügte noch schnell das Datum und das Wort „Testament“ ein, ihre Unterschrift war schon vorhanden.

„Wenn es Ihnen recht ist, Leah, verabschiede ich mich jetzt, damit ich heute noch einen Termin mit einem Rechtsanwalt vereinbaren kann.“

„Das ist lieb von Ihnen!“ Sie strahlte, und Melli meinte, sie sähe jetzt viel gesünder aus als am Anfang des Gespräches.

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, öffnete Melli die Tür zum Flur und begegnete einem Mann, der wohl aus dem Nachbarzimmer gekommen war. Er sagte mit reserviertem Gesichtsausdruck: „Guten Morgen“ und ging vor Melli die Treppe hinunter.

Inzwischen war es Mittag geworden. Melli fuhr aus dem Außenbezirk wieder nach Nomansland hinein. Ihr ging das Gespräch mit Leah immer noch im Kopf herum. Einerseits tat die Frau ihr leid, weil sie sich als Kind und junge Frau immer so nach Liebe und Anerkennung gesehnt hatte – all das, was ihrer Schwester ohne große Anstrengung zugefallen war. Andererseits hatte Leah ihre eigene Schwester ermordet – ein Verbrechen, das Melli überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Sie fuhr in Gedanken wieder in Richtung Kleinstadt. Die Hauptstraße, die durch den Ort führte, wirkte mit ihren alten Häusern, in denen auch einige Läden untergebracht waren, sehr heimelig und malerisch. Kein Haus war wie das andere, jedes war ein schmuckes Einzelstück. Da sie hier nicht aufgewachsen war, konnte sie immer wieder das Idyllische vor allem dieser Straße schätzen.

Fast wäre sie an ihrer Lieblingsbäckerei vorbeigefahren. Nach Leahs Geschichte brauchte Melli unbedingt eine Tröstung – ein Stück Chocolate Cake zur Stärkung nach ihrem Spaziergang mit ihrem Rudel.

Nach dem Einkauf fuhr sie in die Garage und ging zur Tür, die ins Haus führte. Dort hörte sie schon das Tapsen von Hundekrallen auf den Fliesen und die erfreuten Fieplaute aus dem Haus. Zum Glück waren alle drei Hunde nicht bellfreudig – außer das Bellen hatte einen besonderen Grund: Fremde Personen auf dem Grundstück und andere Gefahren.

Melli stellte ihren Korb mit dem Kuchen erstmal zur Seite und widmete sich intensiv ihrer Hundebegrüßung. Jeder wurde mit Worten und Händen gestreichelt. Ihr Blick fiel auf ihren Kater Fritz, der etwas erhöht auf einem Stuhl saß und sich dieses Hundetheater wie immer verständnislos anschaute. Wahrscheinlich dachte er wieder: ‚Hunde können ja so was von ordinär und peinlich sein!’

Als das Rudel sich schon in die Küche verzogen hatte und Melli ihren Korb mit dem Tortenstück holte, sprang Fritz graziös vom Stuhl herunter, schritt elegant mit hoch erhobenem Schwanz auf Melli zu, gab einen dezenten, freundlichen Ton ab und strich seitlich an ihrem rechten Bein entlang. Sie streichelte auch ihn.

Als sie aber das Wort an Fritz richtete, kamen die drei Hunde wieder zurück, weil sie sich angesprochen fühlten. Aber Fritz stoppte sie mit einem lauten Fauchen, das wohl bedeuten sollte: ‚Haut ab! Jetzt bin ich mal dran!’ Die Hunde respektierten die Ansage und stoppten auf der Türschwelle.