Der Traum vom Glück - Anna Sonngarten - E-Book

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Anna Sonngarten

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Bernadette von Grünenberg war nervös. Die Ecole Lausanne flößte ihr immer wieder großen Respekt ein, obwohl nicht sie Schülerin dieses ehrwürdigen Internats war, sondern ihre Tochter Luisa Maria. Sie betrachtete den klassizistischen Bau, der für all das stand, was ihrem verstorbenen Mann wichtig gewesen war. Bildung, Disziplin, und Weltläufigkeit. Sie hatte ihm versprechen müssen, Luisa Maria hier auf der Ecole Lausanne ausbilden zu lassen. Zum Glück war ihre Tochter ein aufgewecktes Mädchen und hatte keine Probleme sich einzufügen. Ansonsten wäre es ihr nicht möglich gewesen, ihrem Mann diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Bernadettes Nervosität hatte aber einen anderen Grund. Sie würde Luisa heute davon unterrichten, dass sie jemanden kennengelernt hatte. Sie kam ohne Termin und außerhalb der offiziellen Besuchszeiten, aber ihr Anliegen schien ihr wichtig genug zu sein, und sie klopfte beherzt an die Tür des Rektors. »Herein«, erklang die tiefe Stimme des Internatsleiters. »Guten Tag, Herr Forell. Ich habe eine Bitte. Ich möchte mit Lulu etwas Wichtiges besprechen. Könnten Sie bitte veranlassen, sie aus dem Unterricht zu holen.« Bernadette hatte schnell gesprochen, als gelte es keine Zeit zu verlieren. Anton Forell räusperte sich. Er sah die schöne dunkelhaarige Frau, die für seinen Geschmack etwas zu extravagant gekleidet und zu stark geschminkt war, unverwandt an. »In unserem Internat legen wir großen Wert auf die Einhaltung von Regeln.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 104 –

Der Traum vom Glück

Unveröffentlichter Roman

Anna Sonngarten

Bernadette von Grünenberg war nervös. Die Ecole Lausanne flößte ihr immer wieder großen Respekt ein, obwohl nicht sie Schülerin dieses ehrwürdigen Internats war, sondern ihre Tochter Luisa Maria. Sie betrachtete den klassizistischen Bau, der für all das stand, was ihrem verstorbenen Mann wichtig gewesen war. Bildung, Disziplin, und Weltläufigkeit. Sie hatte ihm versprechen müssen, Luisa Maria hier auf der Ecole Lausanne ausbilden zu lassen. Zum Glück war ihre Tochter ein aufgewecktes Mädchen und hatte keine Probleme sich einzufügen. Ansonsten wäre es ihr nicht möglich gewesen, ihrem Mann diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Bernadettes Nervosität hatte aber einen anderen Grund. Sie würde Luisa heute davon unterrichten, dass sie jemanden kennengelernt hatte. Sie kam ohne Termin und außerhalb der offiziellen Besuchszeiten, aber ihr Anliegen schien ihr wichtig genug zu sein, und sie klopfte beherzt an die Tür des Rektors.

»Herein«, erklang die tiefe Stimme des Internatsleiters.

»Guten Tag, Herr Forell. Ich habe eine Bitte. Ich möchte mit Lulu etwas Wichtiges besprechen. Könnten Sie bitte veranlassen, sie aus dem Unterricht zu holen.« Bernadette hatte schnell gesprochen, als gelte es keine Zeit zu verlieren. Anton Forell räusperte sich. Er sah die schöne dunkelhaarige Frau, die für seinen Geschmack etwas zu extravagant gekleidet und zu stark geschminkt war, unverwandt an.

»In unserem Internat legen wir großen Wert auf die Einhaltung von Regeln. Ich bin deshalb nicht glücklich darüber, Luisa Maria aus dem Unterricht zu holen, weil Sie etwas mit ihr zu besprechen haben, liebe Frau von Grünenberg.« Der Rektor schaute streng über den Rand seiner Brille. Bernadette von Grünenberg hatte vor seinem imposanten Schreibtisch Platz genommen und wirkte plötzlich klein und etwas verloren. Aber sie beschloss, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Die Kosten für die ehrwürdige Bildungseinrichtung »Ecole Lausanne« waren höher als in vergleichbaren Internaten. Da müsste es schon erlaubt sein, eine Regel etwas auszuweiten, ohne dass Herr Forell ihr gleich sein Missfallen erklärte. Aber sei es drum. Sie probierte ein charmantes Lächeln und versuchte es noch einmal. Der Rektor bediente sich ihr gegenüber einer Überheblichkeit, die ihr suspekt war. Sie war schließlich nicht seine Angestellte.

»Lulu hat doch gleich Pause. Französisch bei Madame Lacroix ist doch bald zu Ende und danach hat sie Sport«, sagte sie freundlich, aber mit einer Akzentuierung, die klar machen sollte, dass sie Sport für verzichtbar hielt. Rektor Forell seufzte.

»Nun gut, ich lasse Luisa Maria rufen. Sie können das Konferenzzimmer für Ihre Besprechung nutzen. Dann werden die anderen Schüler von Ihrem Besuch außerhalb der vorgesehenen Zeiten nichts mitbekommen.« Er lächelte säuerlich. Wenn alle Eltern ihre Kinder besuchten, wann immer es ihnen beliebte, wo kämen sie da hin? Der Rektor behielt diesen Gedanken für sich. Es war ein schmaler Grat, auf dem er sich bewegte. Frau von Grünenberg könnte ihre Tochter jederzeit in einem anderen Internat anmelden. Mit Kritik musste er sparsam umgehen und zugleich vermitteln, dass man sich in der Ecole Lausanne nicht benehmen konnte, wie es einem gerade gefiel. Disziplin, die Einhaltung von Regeln und Respekt vor den Lehrkräften und der Einrichtung waren oberste Gebote. Aber wer seine Tochter »Lulu« nannte, von dem konnte man wohl nicht zu viel erwarten, dachte Anton Forell. Der Rektor wusste natürlich, wer Frau von Grünenberg war. Sie hatte den bekannten Kunstmäzen Richard von Grünenberg aus dem Schweizer Hochadel geheiratet. Sie selbst war aber eine Bürgerliche. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, kam sie aus eher bescheidenen Verhältnissen. Anton Forell glaubte den Gerüchten.

Kurz darauf trafen Bernadette und ihre Tochter Luisa Maria im Konferenzzimmer aufeinander.

»Lulu! Schön dich zu sehen«, begrüßte Bernadette ihre Tochter freudig und wollte sie in die Arme schließen, was sofort eine ablehnende Reaktion des Teenagers zur Folge hatte. Sie entzog sich ihrer Mutter.

»Hier nennen mich alle Luisa. Ich bin ja keine fünf mehr. Was ist passiert? Warum kommst du mich nur eine Woche vor den Ferien besuchen?« Luisa Maria verschränkte ihre schlaksigen Arme vor ihrem noch unfertigen jungenhaften Körper und blickte ihre Mutter skeptisch an. Bernadette verschlug es fast die Sprache. Das fing ja gut an. Stockend suchte sie nach Worten und wusste nicht genau, wie sie beginnen sollte.

»… Es gibt etwas, dass du wissen musst … ich werde wieder heiraten«, sagte sie dann schnell, als wolle sie diese Neuigkeit loswerden.

»Wen?«, fragte Luisa irritiert. Sie wusste nicht, dass es jemanden im Leben ihrer Mutter gab, den man dann auch gleich heiraten musste.

»Pierre Wertheim.«

»Keinen Adeligen?«, fragte Luisa mit ironischem Unterton.

»Wann bist du zum Snob geworden, Lulu? Steht Dünkel in Lausanne auf dem Stundenplan? Aber wenn du es genau wissen willst: Er hat sein »von« abgelegt, da es seiner Meinung nach nicht zu einem Künstler passt. Er ist ein sehr gefragter Fotograf. Aber darüber möchte ich jetzt nicht mit dir sprechen, sondern … Ich brauche Zeit. Ich möchte mit ihm nach Venedig zur Biennale. Wir wollen heiraten. Also nicht in Venedig, aber … mit unserem geplanten Urlaub wird es leider nichts. Den müssen wir verschieben …«

»Moment mal. Geht das nicht alles etwas schnell? Wie lange läuft das denn schon zwischen euch?«

»Lulu, ich muss doch sehr bitten, dich in deiner Ausdrucksweise etwas zu zügeln. Wir haben uns vor einigen Monaten auf unserer jährlichen Gartenparty kennengelernt … Ich habe eine Einzelausstellung für ihn organisiert. Dabei sind wir uns natürlich nähergekommen. Dein Vater ist seit fünf Jahren tot, Lulu.«

»Ich weiß«, antwortete Luisa knapp. Dann setzte sie sich in einen schweren Ledersessel und ließ ihre dünnen Beine, die unter dem Rock der Schuluniform hervorschauten, über die Lehne baumeln. Bernadette erschien Lulu plötzlich zart und verletzlich, auch wenn sie versuchte »cool« zu sein. Sie hatte ihren Vater geliebt. Ein neuer Mann an Bernadettes Seite war nicht automatisch auch ein guter Papa für Lulu. Das wusste Bernadette. Es war ein Wagnis, aber Pierre war der erste Mann, den sie nach dem Tod von Richard kennengelernt hatte, der überhaupt Interesse bei der jungen Witwe geweckt hatte.

»Ich hatte niemals vor, für immer allein zu bleiben …«, setzte Bernadette wieder an.

»Wenn ich nicht in einem Internat leben müsste, wärst du nicht allein«, warf Luisa ein. Bernadette seufzte.

»Dein Vater wollte eine erstklassige Bildung für dich. Außerdem kennst du die Situation. Ich muss mich um die Kunstsammlung, die Stiftung und das Schloss kümmern. Wie haben darüber gesprochen Lulu. Wir haben zwei Optionen: Eine Nanny einstellen, die dich rund um die Uhr betreut, oder ein sehr teures Internat. Ich denke, dass das Internat die bessere Lösung ist. Hier hast du Freunde. Es gibt so viele Angebote und Aktivitäten in der Ecole.«

Luisa starrte ihre Mutter an. Bernadette hatte aus ihrer Sicht recht. Doch Luisa dachte trotzdem, dass ihr ein Mitspracherecht zustände. Eine Heirat bedeutete doch, dass sie einen neuen Vater bekäme, oder etwa nicht?

»Ich finde es merkwürdig, dass du vielleicht einen Mann heiratest, den ich noch nie gesehen habe. Ich dachte, dass er mir vielleicht auch gefallen sollte«, sagte sie kühl.

Bernadette wurde zu ihrer eigenen Verwunderung rot. Luisa war charakterlich ihrem leider viel zu früh verstorbenem Vater ähnlich. Sie hatte seinen scharfen Verstand und war bisweilen kühl bis zur Verschlossenheit. Richard war viel älter als Bernadette gewesen. Es war keine standesgemäße Verbindung, aber eine Liebesheirat gewesen. Richard war in seiner ersten Ehe kinderlos geblieben. Als Witwer wollte er mit der jungen Bernadette an seiner Seite endlich eine richtige Familie gründen. Doch ihm waren nur wenige Jahre mit seiner kleinen Tochter geblieben, bevor er krank wurde. Bernadette erkannte plötzlich, dass sie Luisa ihren zukünftigen Mann nicht ohne Grund vorenthalten hatte. Die Wahrheit war, dass sie sich vor Luisas Urteil fürchtete. Warum eigentlich? War sie selbst nicht überzeugt?

»Wie habt ihr euch das vorgestellt? Soll ich erst am Tag der Hochzeit meinen neuen Vater kennenlernen?« Luisas Stimme blieb ohne erkennbare Emotion.

»Nein, die Hochzeit ist erst im Herbst … bis dahin …«

»Und warum musst du jetzt schon mit ihm nach Venedig fahren und fährst nicht wie versprochen mit mir in den Urlaub?«, protestierte Luisa.

»Nun, wir, also Pierre und ich, brauchen mal etwas Zeit für uns. Wir wollten die Biennale in Venedig dazu nutzen, ein paar Tage dranzuhängen. Wir hatten beide in letzter Zeit beruflich sehr viel zu tun.«

»Vorgezogene Flitterwochen in Venedig?«, fragte Luisa ohne Lächeln.

Bernadette fragte sich, wo das kleine süße Mädchen mit den weizenblonden Haaren und den strahlend blauen Kinderaugen geblieben war. Aus Lulu war ein sperriger Teenager geworden. Abschätzig blickte sie ihre Mutter an. Sie liebte Lulu, egal wie schwierig sie momentan auch war. Trotzdem dachte sie auch, dass sie sich nicht vor ihrer Tochter rechtfertigen musste. Niemand kann von einer Frau Mitte dreißig erwarten, dass sie allein durchs Leben geht. In wenigen Jahren wird Lulu vielleicht im Ausland studieren und dann bin ich immer noch allein. Nein, ich habe ein Recht darauf, mein Glück mit einem neuen Mann zu finden. Dazu brauche ich nicht die Erlaubnis meiner Tochter. Sie brauchte diese Reise nach Venedig mit Pierre.

»Lulu, ich habe gesehen, dass das Internat gute Angebote für die Ferien macht. Wir fahren später als geplant noch irgendwohin. Vielleicht nach Monaco? Und dann wirst du Pierre auch kennenlernen«, versuchte Bernadette die Stimmung zu retten.

»Gut, war es das? Ich würde nämlich gerne Sport mitmachen«, sagte Luisa scheinbar gelangweilt.

»Ja, wenn du nicht weiter darüber sprechen willst, dann war es das«, antwortete Bernadette, mühsam bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Das war nicht das Mutter-Tochter-Gespräch, was Sie sich gewünscht hatte. Mit Tränen in den Augen und wandte sich ab, damit ihre Tochter sie nicht sah. Luisa schulterte ihre Sporttasche und stakste auf ihren dünnen Beinen davon. Bernadette musste sich erst sammeln. Sie atmete tief durch und versuchte sich einzureden, dass das Gespräch in summa nicht so schlecht gelaufen war.

*

Als Bernadette von Grünenberg zurück in ihrem Büro auf Schloss Brunegg war, wurde sie sofort wieder mit den Alltagsgeschäften konfrontiert. Die Erhaltung des Schlosses mit seiner Sammlung an älterer Kunst, einigen Werken der klassischen Moderne und zeitgenössischer Kunst war nur zu bewerkstelligen, wenn man die Tore weit öffnete und über das ganze Jahr Besucher mit Events aller Art anlockte. Sie hatte schon während Richards Krankheit lernen müssen, was es bedeutete, ein Schloss zu verwalten. Mit Glamour und Prunk hatte das nicht viel zu tun und Bernadette war keine Prinzessin. Zusammen mit ihrem Geschäftsführer Hanno Schubert hatte sie viel ausprobiert und sich am Ende wieder auf die Kunst besonnen. Nur das Café und das Bistro waren geblieben. Man konnte auf Schloss Brunegg weder heiraten noch gab es Ritterspiele. Dafür organisierte Bernadette wechselnde Ausstellungen mit Arbeiten junger Künstler und Künstlerinnen und Konzerte fast jeglicher Musikrichtung. Dafür stand ihr der wunderbare Spiegelsaal zur Verfügung, während die Exponate der Kunstausstellungen in verschiedenen Räumen und den Korridoren präsentiert wurden. Richard von Grünenberg war Kunstmäzen gewesen und Bernadette wusste, dass er stolz auf sie gewesen wäre. Sie agierte in seinem Sinne und führte seine Arbeit fort.

»Gut, dass ich Sie noch antreffe, Frau von Grünenberg. Wir haben eine Absage wegen Krankheit vom Modern Jazz Quartett bekommen«, eröffnete ihr Hanno Schubert.

»Oh, das ist aber schade. Haben Sie schon nach einem Ersatz gesucht?«

»Noch nicht. Die Absage kam gerade erst rein. Ich rufe zuerst mal Heidrun Quant an. Die kennt sich in der Jazz-Szene am besten aus.«

»Ja, machen Sie das. Gab es noch etwas Neues in meiner Abwesenheit?«

»Heute Morgen in der Teamsitzung kamen nur Kleinigkeiten zur Sprache. Die Sommerkarte des Bistros und des Cafés wurde vorgestellt. Es gibt eine Umstellung auf der Weinkarte. Im Café werden mehr regionale Produkte angeboten. Aber nichts, was Sie beunruhigen sollte.«

Bernadette lächelte. Sie konnte sich auf ihr Team verlassen. Es gab eine kleine, aber feine und ausgesuchte Karte. Wenn der Sommelier einen neuen Wein ins Programm aufnehmen wollte, würde sie ihm nicht reinreden. Ebenso war auf ihre Konditorin Verlass. Regionale Produkte lagen im Trend. Schwieriger war die Zusammenarbeit mit den Künstlern. Die Ausstellungsräume lagen in einem historischen Gemäuer. Nicht jede Installation konnte verwirklicht werden. Ein Künstler wollte mal eine Wand herausbrechen und die Fenster mit Farbe besprühen. Als ihm dies verweigert wurde, kündigte er seine Zusammenarbeit und es musste schnell eine andere Ausstellung organisiert werden.

»Nächste Woche bin ich auf der Biennale. Haben Sie das notiert? Bis dahin haben wir noch einiges zu tun. Hoffentlich kommen nicht noch weitere Absagen«, sagte Bernadette und hantierte mit den Papieren auf ihrem Schreibtisch. Im Kulturteil einer überregionalen Tageszeitung wurde die letzte Ausstellung von Pierre Wertheim besprochen. Bernadette stutzte als ihr Blick auf das Foto fiel. Eine blonde Frau stand neben Pierre und strahlte ihn an. Bernadette selbst war im Hintergrund nur schemenhaft zu erkennen. Merkwürdig. Wer war diese Frau? Bernadette hatte sie auf der Ausstellung nicht bemerkt. Im Untertitel des Fotos stand: »Pierre Wertheim mit der Sammlerin Julia Storch«. Bernadette überlegte, wo ihr dieser Name schon einmal begegnet war.

»Kennen Sie eine Sammlerin Julia Storch?«, fragte sie Hanno Schubert.

»Ist das nicht die junge Sammlerin aus Bremen, die vor allem Videokunst sammelt. Sie ist in diesem Bereich sehr erfolgreich«, hörte sie ihn antworten.

»Ja, stimmt. Jetzt fällt es mir wieder ein.« Bernadette legte die Zeitung zerstreut zur Seite. Heute Abend würde sie Pierre fragen, ob es zu einer Vereinbarung mit dieser Sammlerin gekommen war. Diese Vorstellung gefiel ihr nicht. Die Frau war zu blond und zu hübsch. Und das Foto verriet eine Vertrautheit zwischen den beiden, von der sie nichts wusste. Bernadette verließ das Büro, um mit der Hauswirtschafterin etwas zu regeln. Dazu musste sie in einen anderen Trakt des Schlosses. Sie ging über den langen Korridor, vorbei an Familienporträts, antiken Möbeln und in Gold gefassten Spiegeln. Aus einem Impuls blieb sie vor einem der Spiegel stehen und blickte hinein. Sie erschrak über ihren ernsten fast sorgenvollen Blick. Sie war zu blass. Die Sonne Venedigs würde das hoffentlich ändern. Bernadette atmete tief durch und eilte weiter.

*