Glückseligkeit bei Wind und Wellen - Anna Sonngarten - E-Book

Glückseligkeit bei Wind und Wellen E-Book

Anna Sonngarten

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Es war einer dieser Tage, an dem man sich ganz weit weg wünschte. Ein Tag, an dem eine Katastrophennachricht die nächste jagte und man nicht zur Ruhe kam. Amelie Merz steuerte ihren Wagen durch den dichten Verkehr zu Pierres Schule. Seine Lehrerin hatte vor einer viertel Stunde angerufen, um ihr mitzuteilen, daß Pierre im Lehrerzimmer abgeholt werden könne. Auf Amelies Frage, was geschehen sei, erhielt sie die wenig erfreuliche Antwort, daß Pierre sich weigere sein Klassenzimmer zu betreten, nach irgendeinem Vorfall auf dem Schulhof, über den Pierre jedoch beharrlich schweige. »Okay, ich komme«, hatte Amelie lediglich gesagt und war kurz danach ins Auto gesprungen. Glücklicherweise waren bald Ferien, und egal was wieder einmal passiert war, Pierre würde nach den Sommerferien in eine andere Klasse kommen. Damit wäre das Problem vielleicht gelöst. Zumindest konnte Amelie sich für den Augenblick mit dieser vagen Hoffnung trösten. Natürlich wußte sie nur zu gut, daß ihr Sohn Pierre ein Kind war, das sich schlecht in eine Gruppe einfügen konnte. Pierre würde wohl immer ein Außenseiter bleiben, wenn nicht ein Wunder geschähe. Aber wer glaubte heutzutage noch an Wunder? Die Sache mit Pierres Schule war aber nicht das einzige, was ihr zur Zeit Kopfschmerzen verursachte. Vor einer Stunde hatte ihre Bekannte Ursula angerufen und ihr mitgeteilt, daß sie sich von ihrem Mann getrennt habe. Damit wurde der geplante Urlaub in Dänemark hinfällig. Die Holtermanns hatten Amelie versprochen, Pierre mit nach Dänemark zu nehmen. Ihr Sohn Jan war Pierres bester Freund. Pierre freute sich schon seit Wochen darauf mit Jan zu verreisen. Wie sollte sie nur diese schlechte Nachricht Pierre beibringen?

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Mami – 2016 –

Glückseligkeit bei Wind und Wellen

Eine aufregendes Kreuzfahrt auf der "Astoria"

Anna Sonngarten

Es war einer dieser Tage, an dem man sich ganz weit weg wünschte. Ein Tag, an dem eine Katastrophennachricht die nächste jagte und man nicht zur Ruhe kam.

Amelie Merz steuerte ihren Wagen durch den dichten Verkehr zu Pierres Schule. Seine Lehrerin hatte vor einer viertel Stunde angerufen, um ihr mitzuteilen, daß Pierre im Lehrerzimmer abgeholt werden könne. Auf Amelies Frage, was geschehen sei, erhielt sie die wenig erfreuliche Antwort, daß Pierre sich weigere sein Klassenzimmer zu betreten, nach irgendeinem Vorfall auf dem Schulhof, über den Pierre jedoch beharrlich schweige.

»Okay, ich komme«, hatte Amelie lediglich gesagt und war kurz danach ins Auto gesprungen.

Glücklicherweise waren bald Ferien, und egal was wieder einmal passiert war, Pierre würde nach den Sommerferien in eine andere Klasse kommen. Damit wäre das Problem vielleicht gelöst.

Zumindest konnte Amelie sich für den Augenblick mit dieser vagen Hoffnung trösten. Natürlich wußte sie nur zu gut, daß ihr Sohn Pierre ein Kind war, das sich schlecht in eine Gruppe einfügen konnte. Pierre würde wohl immer ein Außenseiter bleiben, wenn nicht ein Wunder geschähe. Aber wer glaubte heutzutage noch an Wunder? Die Sache mit Pierres Schule war aber nicht das einzige, was ihr zur Zeit Kopfschmerzen verursachte. Vor einer Stunde hatte ihre Bekannte Ursula angerufen und ihr mitgeteilt, daß sie sich von ihrem Mann getrennt habe.

Damit wurde der geplante Urlaub in Dänemark hinfällig. Die Holtermanns hatten Amelie versprochen, Pierre mit nach Dänemark zu nehmen. Ihr Sohn Jan war Pierres bester Freund. Pierre freute sich schon seit Wochen darauf mit Jan zu verreisen. Wie sollte sie nur diese schlechte Nachricht Pierre beibringen?

Im Geiste ging sie alle möglichen Formulierungen durch, aber wie sie es auch drehte und wendete, es gab einfach nichts zu beschönigen. Das würde eine riesige Enttäuschung für Pierre werden.

Um sich abzulenken, hatte Amelie das Radio eingeschaltet. Gerade rief der Radiosprecher seine Zuhörer dazu auf, an dem heutigen Quiz teilzunehmen. Amelie hatte die Sendung schon oft gehört, doch noch nie den Mut gehabt anzurufen. Als Preis gab es immer eine Reise für zwei Personen zu gewinnen. Die Telefonnumer kannte sie mittlerweile auswendig. Wie in Trance griff sie nach ihrem Handy und fuhr auf den Randstreifen.

Jetzt oder nie! An einem Tag wie diesem konnte alles oder nichts passieren. Natürlich wußte sie, daß ihre Chance überhaupt durchzukommen äußerst gering war.

Sie wählte die Nummer. Zunächst kam sie in eine Warteschleife, doch dann befand sie sich unvermittelt auf Sendung. Sie stellte das Radio leiser, um den Sprecher besser hören zu können.

»Hallo! Willkommen bei West drei. Wen haben wir heute in der Leitung?« fragte der Sprecher mit der typischen Gutelaunestimme eines Radiomoderators.

»Hallo, Amelie Merz.«

»Schön, Frau Merz, oder darf ich Amelie sagen?«

»Sagen Sie ruhig Amelie.«

»Okay! Amelie, von wo rufen Sie uns an?

»Aus Oldenburg.«

»Aus dem schönen Oldenburg«, wiederholte der Moderator und begann mit dem Quiz.

»Also, Amelie, drei Fragen, drei richtige Antworten und Sie sind die Preisgewinnerin der Woche. Sind Sie bereit?«

»Ja, ich bin bereit«, sagte Amelie und merkte, wie ihr Herz zu klopfen begann.

»Erste Frage: Die Hauptstadt von Portugal ist... Lissabon. Ha, ha..., ja, das wäre ein bißchen zu einfach. Nein, unsere Frage: Wie heißt das berühmte Kloster in Lissabon aus dem sechzehnten Jahrhundert.

»Das ist das Hieronymiten-Kloster«, sagte Amelie wie aus der Pistole geschossen.

»Ja, das ist richtig. Mein Gott, woher wissen Sie das?«

»Ich habe kürzlich darüber gelesen. Ich weiß das ehrlich gesagt nur zufällig.«

»Na, dann wollen wir einmal sehen, ob sie auch die nächste Frage zufällig beantworten können. Es ist eine Fußballfrage.«

»Toll, das ist mein Spezialgebiet«, sagte Amelie lakonisch.

»Tatsächlich?« fragte der Radiosprecher nach.

»Nein, nicht wirklich«, gab Amelie zurück. Sie hatte durch die richtige Beantwortung der ersten Frage an Sicherheit gewonnen. Und eine Fußballfrage falsch zu beantworten war keine Blamage, fand sie.

»Okay, die nächste Frage: Wer war der Trainer der Nationalmannschaft, die 1974 Weltmeister wurde.«

»Hm«, sagte Amelie zunächst einmal. »War das nicht der Trainer, der immer so eine merkwürdige Mütze auf dem Kopf hatte?« fragte sie nach.

»Richtig, aber wie hieß der Trainer?« wollte der Radiomoderator wissen.

»Helmut Schön«, sagte sie schließlich.

»Ja, das ist ebenfalls richtig. Toll. Jetzt kommt die dritte und letzte Frage. Eine Musikfrage. Kennen Sie sich da aus?«

»Kommt darauf an. Musik? Das ist ein weites Feld. In der klassischen Musik kenne ich mich nicht so gut aus. In der Pop-Musik schon eher«, gab Amelie zu.

»Schauen wir mal. Hier die letzte Frage: Welcher Künstler sang das Lied ›Männer‹?«

»Na, das ist aber jetzt wirklich einfach. Das war natürlich Herbert Grönemeyer.«

»Herbert Grönemeyer? Sind Sie sich sicher?« fragte der Moderator nach.

»Absolut sicher.« Amelie ließ sich jetzt nicht mehr aus der Ruhe bringen. Eine Art Fanfarenmusik erklang und dann eingeblendeter Applaus.

»Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Kreuzfahrt, Amelie. Wen werden Sie mitnehmen?«

»Kreuzfahrt?«

»Ja, Sie haben eine Mittelmeerkreuzfahrt für zwei Personen gewonnen.«

»Ach, das ist ja großartig... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Natürlich werde ich die Reise mit meinem Sohn Pierre machen. Er ist acht.«

»Sehr schön, Amelie. Bleiben Sie bitte noch in der Leitung...«

Eine andere Stimme meldete sich.

»Guten Tag, Frau Merz. Herzlichen Glückwunsch. Wir brauchen jetzt noch Ihre genaue Anschrift...«

Als Amelie wenige Minuten später ihren Weg zu Pierres Schule fortsetzte, hatte sich ihre Gefühlslage deutlich verändert. Egal was passiert war, egal daß die Reise nach Dänemark ins Wasser gefallen war. Sie hatte eine Kreuzfahrt für zwei Personen gewonnen! In diesem Augenblick war sie wirklich glücklich.

*

Thomas Heinrichs verfolgte ohne großes Interesse die Röntgenbesprechung der allgemeinchirurgischen Abteilung. In dem nur mittelgroßen Raum waren heute alle Plätze besetzt. Die Luft war zum Schneiden, weil die Klimaanlage ausgefallen war. Als die Aufnahmen seiner Patienten gezeigt wurden, war der junge Facharzt für Allgemeinchirurgie mit seinen Gedanken plötzlich ganz woanders und schrak zusammen, als ihm der leitende Radiologe eine Frage stellte. Sein Kollege Michael stieß ihn in die Seite.

»Aufwachen!« raunte er ihm zu.

»Entschuldigung, ich war gerade mit meinen Gedanken...«

»Doch nicht etwa schon auf hoher See, Herr Kollege, noch sind Sie hier bei uns im Hildegardis-Krankenhaus«, sagte der Radiologe spöttisch.

Alles lachte.

Der Chefarzt drehte sich zu Thomas um und zog die Augenbrauen streng zusammen.

Thomas stotterte irgendeine Entschuldigung und wurde zu seinem Ärger auch noch rot. Zum Glück war die Röntgenbesprechung kurz darauf zu Ende. Alles strömte aus dem überhitzten Raum Richtung Stationen, Funktionsabteilungen oder zum OP. Thomas blieb absichtlich etwas zurück, um dem Chef nicht in die Arme zu laufen.

Am Ausgang wartete Michael auf ihn.

»Na, wie geht’s? Es hat sich ja wie ein Lauffeuer verbreitet, daß du uns verlassen willst und als Schiffsarzt anheuerst. Wie bist du nur auf diese Idee gekommen?

»Ach, das ist eine lange Geschichte«, wich Thomas aus.

»Hey, du wirst einem alten Kollegen doch erzählen können, was dich dazu bewogen hat, ausgerechnet als Schiffsarzt deine Brötchen zu verdienen. Ich dachte, du wolltest die Praxis deines Vaters übernehmen. Soviel ich weiß, würde der Chef dich auch gern behalten. Und jetzt machst du einen auf Schiffsarzt. Also, ich muß schon sagen, du bist immer für eine Überraschung gut.«

Thomas zuckte mit den Schultern. »Es sind private Gründe, Michael. Mit meiner Karriere hat das ehrlich gesagt nicht viel zu tun... Obwohl man auch nicht mal eben so Schiffsarzt wird. Ich mußte einen Kurs in Zahnmedizin absolvieren, und man hat mich darauf hingewiesen, daß es nichts schaden könnte, noch mal einen Blick in die Frauenheilkunde zu werfen, Kapitel: Geburtshilfe.« Thomas lachte kurz auf und fügte dann ernster hinzu: »Natürlich muß man seinen Facharzt gemacht haben.«

»Tatsächlich...? Na ja, das mit der Zahnheilkunde leuchtet mir ein..., aber was sind das denn für private Gründe, wenn ich mal so indiskret sein darf.«

Thomas warf ihm einen Blick zu. Er haßte Indiskretion, aber der gute Michael schaute so treuherzig, daß Thomas sich erweichen ließ und mit einem Stoßseufzer erklärte: »Margret hat sich von mir getrennt. Ich brauch’ einfach mal etwas Abstand von allem hier... Wir waren fünf Jahre zusammen, das steckt man nicht mal soeben weg.« Thomas wirkte auf einmal ganz geknickt.

Michael schaute betroffen. Margret hatte sich von Thomas getrennt? Die beiden galten doch überall als das Traumpaar. Diese Nachricht mußte er erst einmal verdauen, bevor er tröstende Worte fand. Michael kannte Margret eigentlich nur flüchtig. Sie war Stewardeß bei der Lufthansa. Eine geradezu engelhafte Erscheinung. Groß, schlank, blauäugig. Langes blondes Haar umrahmte ein bildhübsches Gesicht. Eine Traumfrau auch in Michaels Augen. Er hatte seinen Kollegen Thomas insgeheim immer beneidet um Margret. Wenn man eine solche Frau erobert hatte, dachte Michael, mußte man sich am Ende seiner Wünsche wähnen. Er legte Thomas die Hand auf die Schulter.

»Tut mir leid für dich. Habt ihr euch auseinandergelebt? Ist bestimmt nicht leicht, Margret Stewardeß, du Arzt. Ihr habt euch vielleicht zu selten gesehen«, überlegte Michael die Gründe für das Scheitern Thomas’ Beziehung zu analysieren.

»Ja, ja..., irgend so etwas muß es sein«, antwortete er gleichgültig, was Michael zu neuen Spekulationen veranlaßte.

»Ach, sie hat einen anderen?« fragte er.

»Michael, du nervst. Laß mich bitte in Ruhe«, antwortete Thomas plötzlich schroff und gab Michael damit das Gefühl, den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

»Okay, ist schon gut. Es geht mich ja auch wirklich nichts an... aber erzähl doch mal. Wann bist du denn hier weg? Wann stecht ihr in See?« fragte er betont heiter.

»In einer Woche ist es soweit. Ich habe auf einem Mittelmeerkreuzer angeheuert. MS Astoria, wenn dir der Name des Schiffes etwas sagt.«

»Nee, noch nie davon gehört. Aber von einem Assistentengehalt kann man sich ja auch keine Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer leisten«, sagte Michael lachend.

»Ja, das stimmt. Vor allem dann nicht, wenn man sich nebenbei noch andere teure Hobbys leistet«, gab Thomas zurück in Anspielung auf Michaels mondänen Lebensstil.

Michael hatte die Anspielung verstanden.

»Nur keinen Neid, Herr Kollege«, konterte er, aber Thomas lächelte nur mild. Er war kein Autonarr wie sein Kollege Michael, der schon als Assistent mit einem sündhaft teuren Zweisitzer zum Dienst gebraust kam. Thomas fuhr immer noch seinen alten Kleinwagen, bei dem sich jeder wunderte, daß er es wieder einmal durch den TÜV geschafft hatte.

»Ich muß los«, sagte Thomas mit einem Blick auf seine Uhr. Der Chef hat mich nicht vom OP-Plan gestrichen, obwohl ich bald weg bin«, sagte Thomas, und ein kleines verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht, als müsse er sich dafür entschuldigen, daß er der beste Chirurg im Hause war. Ausgenommen der Chef natürlich.

Michael nickte.

»Laß mal was von dir hören«, sagte er zum Abschied. Eine Floskel zwar, aber ernst gemeint. Thomas war einer der beliebtesten Kollegen im Haus. Michael würde ihn wirklich vermissen.

*

Ein Steward der MS Astoria begleitete Thomas zur Brücke.

Ein langer Weg, der die beiden über mehrere Decks führte und bei Thomas die stille Frage aufkommen ließ, ob er sich jemals auf diesem Riesenschiff würde zurechtfinden können. Der Steward, der sich bei Thomas als Steward Brix vorgestellt hatte, legte ein solches Tempo vor, daß Thomas mit seinem geschulterten Gepäck Mühe hatte Schritt zu halten.

Endlich waren sie angekommen. Die sogenannte Brücke war ein großer mit einer breiten Glasfront versehener Raum. Die Kommandozentrale. Das Allerheiligste der MS Astoria. Der Raum war angefüllt mit technischem Gerät, was Thomas sofort Respekt einflößte, weil ihm alles sehr kompliziert und geheimnisvoll vorkam. Er kannte den Kapitän nicht persönlich und bemerkte eine innere Anspannung, als Steward Brix Thomas ankündigte.

»Melde Dr. Thomas Heinrichs, Herr Kapitän«, rief der Steward sehr förmlich in die Kommandozentrale hinein.

Der Kapitän war gerade im Gespräch mit einigen Mitarbeitern. Sie hatten verschiedene Uniformen an, die ihren jeweiligen Rang und ihren Aufgabenbereich verrieten.

Thomas sagten diese Uniformen jedoch gar nichts. Er hätte noch nicht einmal den Kapitän als solchen erkannt, wenn dieser jetzt nicht aufgeblickt hätte und auf ihn zugekommen wäre. Ein Mann Anfang Fünfzig. Nicht sehr groß, aber breitschultrig. Graumelierte Haare, ein kurzgeschorener Vollbart, ernste graue Augen. Er blieb etwa einen Meter vor Thomas stehen und betrachtete den Neuankömmling mit unverhohlener Verwunderung.

Thomas hatte plötzlich das Gefühl, daß Trekkingsandalen und Khakihemd nicht die passende Kleidung für seine Vorstellung beim Kapitän der MS Astoria waren.

»Sie sind noch in Zivil!« stellte der Kapitän dann auch prompt fest, und so wie er seinen Blick über Thomas gleiten ließ, war es keine Frage mehr, daß ihm das, was er sah, nicht gefiel.

Die anderen Mitarbeiter hoben sofort die Köpfe und drehten sich zu Thomas um. Thomas begann sich unwohl zu fühlen. Er räusperte sich.

»Entschuldigen Sie, aber ich bin soeben erst angekommen...«, versuchte Thomas sich zu erklären, doch der Kapitän winkte ab.

»Schon gut... Ich bin Kapitän Rohleder. Ich habe Ihre Papiere zur Kenntnis genommen. Sie scheinen auf Ihrem Gebiet ein guter Mann zu sein, aber hier auf diesem Schiff gelten ein paar andere Regeln... Es wäre gut, wenn Sie die schnell lernen würden. Sie sind ab heute nicht nur der Schiffsarzt der Astoria, Sie sind jetzt Offizier. Und für Offiziere gelten andere Regeln als für unsere Gäste.«

Thomas verstummte.

Zu Steward Brix gewandt sagte Rohleder: »Kümmern Sie sich um Heinrichs, und zeigen Sie ihm auch wo der Friseur ist.« Dann wandte er sich wieder zu Thomas.