Der unheimliche Mönch - Edgar Wallace - E-Book

Der unheimliche Mönch E-Book

Edgar Wallace

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Beschreibung

Ungekürzte Übersetzung von 1935 Der Gauner O'Shea erbeutet bei seinem letzten Überfall unfassbare 3 Tonnen Gold. Doch er liefert seine Komplizen ans Messer, und die schwören nun Rache. Wer ist Der unheimliche Mönch, der nachts im Herrenhaus umherschweift und seine Opfer sucht? Wird Inspektor Elk noch rechtzeitig eingreifen können? Spannend, in der Tradition alter, britischer "Whodunit"-Krimis. Null Papier Verlag

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Edgar Wallace

Der unheimliche Mönch

Kriminalroman

Edgar Wallace

Der unheimliche Mönch

Kriminalroman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Übersetzung: Hans Herdegen 1. Auflage, ISBN 978-3-954181-87-2

www.null-papier.de/wallace

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ka­pi­tel 1

Ka­pi­tel 2

Ka­pi­tel 3

Ka­pi­tel 4

Ka­pi­tel 5

Ka­pi­tel 6

Ka­pi­tel 7

Ka­pi­tel 8

Ka­pi­tel 9

Ka­pi­tel 10

Ka­pi­tel 11

Ka­pi­tel 12

Ka­pi­tel 13

Ka­pi­tel 14

Ka­pi­tel 15

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Kapitel 1

O’Shea be­fand sich schon die gan­ze Nacht über in ei­ner ent­setz­li­chen Stim­mung. Auf­ge­regt ging er auf dem Wie­senab­hang auf und ab, sprach halb­laut mit sich selbst, ges­ti­ku­lier­te mit den Hän­den, als ob er in ei­ner großen Ver­samm­lung re­de­te, und lach­te dann ner­vös über sei­ne ei­ge­nen ge­heim­nis­vol­len Wit­ze. Und als der Mor­gen grau­te, war er über den klei­nen Lip­ski her­ge­fal­len und hat­te ihn mit ei­nem Faust­hieb zu Bo­den ge­schla­gen. Das hat­te auch sei­nen Grund, denn Lip­ski hat­te es ge­wagt, eine Zi­ga­ret­te ge­gen je­des Ver­bot an­zu­ste­cken. Bru­tal hat­te O’Shea ihn nie­der­ge­streckt. Die bei­den an­de­ren, die zu­ge­gen wa­ren, hat­ten sich nicht ge­traut, ihn dar­an zu hin­dern.

Joe Con­nor lag der Län­ge nach im Gra­se, kau­te an ei­nem Halm und be­ob­ach­te­te den ru­he­lo­sen Wan­de­rer mit düs­te­ren Bli­cken. Auch Marks, der mit un­ter­ge­schla­ge­nen Bei­nen ne­ben sei­nem Ka­me­ra­den saß, schau­te ihm nach, und ein halb spöt­ti­sches, halb schlau­es Lä­cheln spiel­te da­bei um sei­ne schma­len Lip­pen.

»Heu­te ist er wie­der ein­mal glatt ver­rückt«, sag­te Joe Con­nor lei­se. »Wenn er dies­mal die Sa­che hin­kriegt, ohne daß wir für den Rest un­se­res Le­bens ins Ge­fäng­nis wan­dern, dann ha­ben wir Glück.«

Marks feuch­te­te die tro­ckenen Lip­pen mit der Zun­ge an.

»O’Shea ist am glän­zends­ten, wenn er so ver­rückt ist«, sag­te er. Sei­ne Stim­me klang kul­ti­viert. Sei­ne Be­kann­ten er­zähl­ten sich auch, daß er Theo­lo­gie stu­diert hat­te, bis er eine leich­te­re und be­que­me­re Art fand, sei­nen Le­bens­un­ter­halt zu ver­die­nen, und zu ei­nem der ge­ris­sens­ten und ge­fähr­lichs­ten Ver­bre­cher Eng­lands wur­de.

»Trotz­dem braucht er sei­ne Kum­pa­ne nicht der­ar­tig nie­der­zu­schla­gen, das ist doch Blöd­sinn. Die­ser Lip­ski stöhnt so in­fam; kannst du nicht da­für sor­gen, daß er das Maul hält?«

Joe Con­nor er­hob sich nicht. Er sah nur zu Lip­ski hin­über, der auf dem Bo­den lag und ab­wech­selnd stöhn­te und fluch­te.

»Der wird schon wie­der zu sich kom­men«, er­wi­der­te Con­nor gleich­gül­tig. »Je mehr Prü­gel er kriegt, de­sto mehr Re­spekt hat er vor O’Shea.«

Er rück­te ein we­nig nä­her zu sei­nem Ka­me­ra­den her­an und frag­te lei­se: »Hast du je­mals O’Shea deut­lich ge­se­hen? – Ich mei­ne – sein Ge­sicht?«

»Nein, noch nie, und da­bei habe ich doch schon drei­mal mit ihm zu­sam­men­ge­ar­bei­tet. Im­mer hat­te er die­sen Man­tel an, den er auch heu­te abend trägt, den Kra­gen hoch­ge­schla­gen und den breit­krem­pi­gen schwar­zen Hut tief ins Ge­sicht ge­zo­gen. Ich hät­te nie ge­glaubt, daß es einen der­ar­ti­gen Ver­bre­cher gibt – ich dach­te, so et­was könn­te man nur auf der Büh­ne se­hen. Das ers­te­mal habe ich von ihm ge­hört, als er mich ru­fen ließ – ich traf ihn da­mals in der St. Al­ban’s Road um zwölf Uhr nachts. Ich habe sein Ge­sicht nie­mals zu se­hen be­kom­men, aber er wuß­te al­les von mir und sag­te mir, wie oft ich be­reits ver­ur­teilt wor­den war. Dann setz­te er mir aus­ein­an­der, wozu er mich brauch­te.«

»Und vor al­lem hat er dich gut be­zahlt«, ent­geg­ne­te Marks gleich­gül­tig, als Joe eine Pau­se mach­te.

»Er zahlt wirk­lich aus­ge­zeich­net, und er holt sich sei­ne Leu­te im­mer auf die­sel­be Art und Wei­se zu­sam­men.«

Marks spitz­te die Lip­pen, als ob er pfei­fen woll­te, dann sah er nach­denk­lich zu dem ru­he­los um­her­wan­dern­den O’Shea hin­über.

»Ja, er ist ver­rückt – aber er zahlt gut. Und dies­mal wird er noch bes­ser zah­len als sonst!«

Con­nor sah plötz­lich auf. »Zwei­hun­dert­fünf­zig Pfund Be­loh­nung und fünf­zig Pfund, um da­von­zu­kom­men, das nen­ne ich eine an­stän­di­ge Be­zah­lung.«

»Und ich sage dir, dies­mal zahlt er mehr«, mein­te Marks ru­hig. »Die Ge­schich­te, zu der er uns hier braucht, be­zahlt sich so gut, daß er es auch kann. Meinst du, ich steu­re ein La­st­au­to mit drei­tau­send Kilo aus­tra­li­schen Gold­stücken durch die Stra­ßen von Lon­don und ris­kie­re, da­für an den Gal­gen zu kom­men – nur für schä­bi­ge zwei­hun­dert­fünf­zig Pfund und das biß­chen Geld für die Rei­se? Ich den­ke nicht dar­an!«

Er er­hob sich und klopf­te den Staub von sei­ner Hose. O’Shea war im Au­gen­blick nicht zu se­hen, er war auf die an­de­re Sei­te des Hü­gels ge­gan­gen und be­fand sich wahr­schein­lich hin­ter der He­cke, die in ei­nem großen Halb­bo­gen die Wie­se teil­te.

»Drei Ton­nen Gold, das ist mehr als eine hal­be Mil­li­on Pfund! Wir müs­sen min­des­tens zehn Pro­zent da­von be­kom­men.«

Con­nor grins­te, er wies mit ei­ner Kopf­be­we­gung auf Lip­ski, der noch im­mer stöhn­te.

»Willst du den auch ins Ver­trau­en zie­hen?«

Marks biß sich auf die Lip­pen.

»Ich glau­be, das ist über­flüs­sig, den brau­chen wir nicht.«

Er schau­te sich um, ob et­was von O’Shea zu se­hen sei, dann ließ er sich wie­der ne­ben sei­nem Ka­me­ra­den nie­der.

»Wir ha­ben die gan­ze Sa­che in der Hand«, flüs­ter­te er. »Mor­gen wird O’Shea wie­der bei Ver­nunft sein. Die­se An­fäl­le hat er nur sel­ten, und wenn er wie­der bei kla­rem Ver­stand ist, hört er auch an, was ich ihm zu sa­gen habe. Also, wir hal­ten die­sen Goldtrans­port an – das ist ein al­ter Trick von O’Shea –, in­dem wir die Tal­mul­de ver­ga­sen, durch die der Weg hier führt. Ich wun­de­re mich nur, daß O’Shea den Mut hat, den Plan zu wie­der­ho­len. Ich wer­de das La­st­au­to mit dem Gold zur Stadt fah­ren und an ei­ner si­che­ren Stel­le ab­stel­len. Meinst du, O’Shea wür­de uns nicht un­se­ren Teil ge­ben, wenn er vor die Wahl ge­stellt wird, uns un­se­ren An­teil aus­zu­be­zah­len oder In­spek­tor Br­ad­ley in die Hän­de zu fal­len?«

Con­nor brach einen Gras­halm ab und kau­te dar­an. »Er ist ver­teu­felt schlau –«

Marks ver­zog spöt­tisch die Lip­pen.

»Ist das nicht im­mer so? Sit­zen in Dart­moor nicht lau­ter schlaue Leu­te? In­spek­tor Hallick macht sich doch einen Scherz dar­aus, daß er die Ge­fan­ge­nen nur Aka­de­mi­ker nennt. Nein, mein Lie­ber, glau­be mir, Schlau­heit ist ein re­la­ti­ver Be­griff –«

»Was be­deu­tet die­ses Fremd­wort nun schon wie­der?«, brumm­te Con­nor und run­zel­te die Stirn. »Ver­such bloß nicht, mich mit die­sen ge­bil­de­ten Wor­ten be­sof­fen zu ma­chen! Red nicht im­mer so ge­lehrt, sprich wie ein ge­wöhn­li­cher Mensch, da­mit je­der dich ver­ste­hen kann.«

Er sah sich wie­der ein we­nig ängst­lich um. Die Tat­sa­che, daß O’Shea nicht zu se­hen war, be­un­ru­hig­te ihn. Das Auto O’Sheas stand hin­ter dem Hü­gel auf ei­nem klei­nen Ne­ben­weg. O’Shea wür­de sich, nach­dem der Über­fall ge­lun­gen war, da­mit so­fort in Si­cher­heit brin­gen. Sei­ne Leu­te konn­ten dann zu­se­hen, wie sie durch all die Ge­fah­ren hin­durch­ka­men. Sie hat­ten den schwie­ri­ge­ren Teil aus­zu­füh­ren, aber sie muß­ten zu­ge­ben, daß der gan­ze Plan ge­ni­al aus­ge­dacht und or­ga­ni­siert war.

In ei­ni­ger Ent­fer­nung la­gen links an ei­nem stei­len Ab­hang vier große Gas­zy­lin­der in ei­ner Rei­he. Con­nor und Marks konn­ten von ih­rem Platz aus die lan­ge hell­graue Land­stra­ße se­hen, die durch die tie­fe Mul­de führ­te. In kür­zes­ter Zeit muß­ten die Lich­ter des La­st­au­tos mit dem Goldtrans­port auf­tau­chen. Con­nor hielt sei­ne Gas­mas­ke in der Hand; Marks hat­te sei­ne in die Ta­sche ge­steckt.

»Der muß eine Un­men­ge Geld ha­ben«, mein­te Con­nor.

»Wer – O’Shea?« Marks zuck­te die Schul­tern. »Das weiß ich nicht, er gibt aber auch das Geld aus wie kein an­de­rer. Man soll­te ei­gent­lich mei­nen, daß er wie­der plei­te ist. Es ist na­he­zu zwölf Mo­na­te her, daß er sei­nen letz­ten großen Fang ge­macht hat.«

»Was macht der bloß mit all dem vie­len Geld?«, frag­te Con­nor neu­gie­rig.

»Er gibt es aus wie wir auch. Als ich ihn das letz­te Mal frag­te, sag­te er: ›Ich muß ein großes Land­haus kau­fen.‹ Dort woll­te er sich nie­der­las­sen und ein be­que­mes, ru­hi­ges Le­ben füh­ren. Als ich ihn ges­tern abend wie­der­sah, sag­te er, daß er die Hälf­te des Gol­des brau­che, um sei­ne Schul­den zu be­zah­len.«

Marks rieb sich mit dem Ta­schen­tuch die Fin­ger­spit­zen ab.

»Un­ter an­de­rem kann er lü­gen wie ge­druckt«, be­merk­te er leicht­hin. »Aber was war das?«

Marks sah arg­wöh­nisch auf die He­cke, die nur ein paar Me­ter von ih­nen ent­fernt war, denn er hat­te ein Ra­scheln im Laub ge­hört. Schnell sprang er auf, eil­te zu den Sträu­chern und sah sich nach al­len Sei­ten um, aber er konn­te nie­man­den ent­de­cken. Nach­denk­lich kehr­te er zu sei­nem Ka­me­ra­den zu­rück.

»Ich möch­te nur wis­sen, ob der Teu­fel ge­lauscht und wie lang er un­se­re Un­ter­re­dung mit an­ge­hört hat!«

»Wen meinst du? Doch nicht etwa O’Shea?«, frag­te Con­nor be­stürzt.

Marks ant­wor­te­te nicht, er hol­te nur tief Luft. Al­lem An­schein nach fühl­te er sich nicht si­cher.

»Wenn er et­was ge­hört hät­te, wäre er zu uns ge­kom­men. Er ist in ei­ner so ver­teu­felt schlech­ten Stim­mung, daß er so­fort los­ge­platzt wäre.«

Con­nor stand auf und streck­te sich.

»Ich möch­te nur wis­sen, was für ein Le­ben er führt. Bei­na­he möch­te ich wet­ten, daß er eine Frau und eine Fa­mi­lie ir­gend­wo im Land un­ter­hält. Sol­che Leu­te ma­chen so et­was. Da kommt er üb­ri­gens!«

Sie sa­hen die Ge­stalt O’Sheas, der von der Höhe des Hü­gels auf sie zu­kam.

»Hal­ten Sie die Mas­ken be­reit. Sie wis­sen, was Sie zu tun ha­ben, Marks?«

Die Stim­me klang durch den hoch­ge­schla­ge­nen Kra­gen et­was ge­dämpft und un­deut­lich, aber trotz­dem war der Ton freund­lich und lie­bens­wür­dig.

»Ho­len Sie ein­mal den Kerl her«, sag­te O’Shea und zeig­te auf Lip­ski.

Die bei­den ge­horch­ten und ka­men gleich dar­auf mit dem noch et­was be­nom­me­nen Lip­ski wie­der zu O’Shea.

»Sie ge­hen an das Ende der Stra­ße«, sag­te er zu Lip­ski. »Ste­cken Sie die rote La­ter­ne an. Es ist nicht not­wen­dig, daß die Ker­le an­hal­ten, sie brau­chen nur lang­sa­mer zu fah­ren. Un­ter kei­nen Um­stän­den ge­hen Sie aus der De­ckung her­aus. Es sind wahr­schein­lich zehn schwer­be­waff­ne­te Po­li­zis­ten auf dem La­st­au­to.«

O’Shea ging dann zu den Gas­be­häl­tern hin­über. An der Öff­nung je­der Fla­sche war ein di­cker Gum­mischlauch be­fes­tigt, der in die Mul­de hin­ab­führ­te. Mit ei­nem Schrau­ben­schlüs­sel dreh­te er die Ven­ti­le auf. Un­ter lei­sem Zi­schen ent­wich das Gas durch die Schläu­che.

»Das Gas ist schwer und bleibt un­ten im tiefs­ten Teil der Mul­de. Sie brau­chen Ihre Gas­mas­ke erst im letz­ten Mo­ment auf­zu­set­zen.«

Er folg­te Lip­ski bis zum Ende der Sen­ke und kon­trol­lier­te, daß der Mann die rote La­ter­ne an­zün­de­te. Dann zeig­te er ihm die Stel­le, wo er sich ver­ste­hen soll­te, und ging zu Marks zu­rück. Nicht im min­des­ten ließ er sich an­mer­ken, daß er die Un­ter­hal­tung der bei­den ge­hört hat­te. Jetzt war es auch nicht an der Zeit, mit ih­nen ab­zu­rech­nen oder einen Streit vom Zaun zu bre­chen.

Gleich dar­auf hör­ten sie von fern das Geräusch des La­st­au­tos, das sich auf der Stra­ße nä­her­te, lan­ge be­vor die Schein­wer­fer auf­blitz­ten. Der Trans­port muß­te den Wald von Fels­ted pas­sie­ren, be­vor er an die­ser Stel­le vor­bei­kam.

»Jetzt!«, rief O’Shea scharf.

Er selbst setz­te kei­ne Gas­mas­ke auf.

»Schie­ßen Sie nicht, wenn es nicht durch­aus nö­tig ist, aber hal­ten Sie die Waf­fen be­reit, falls et­was schief­ge­hen soll­te. Und den­ken Sie dar­an, daß die Begleit­mann­schaf­ten so­fort feu­ern, wenn sich je­mand bli­cken läßt. War­ten Sie, bis die Leu­te von dem Gas be­täubt sind. Sie wis­sen doch, wo Sie mich mor­gen tref­fen sol­len?«

Marks nick­te. Das La­st­au­to nä­her­te sich in ver­hält­nis­mä­ßig lang­sa­mem Tem­po. Al­lem An­schein nach hat­te der Chauf­feur die rote La­ter­ne ent­deckt, denn jetzt hör­ten sie das durch­drin­gen­de Heu­len ei­ner Si­re­ne. O’Shea konn­te von sei­nem Platz aus die gan­ze Stra­ße deut­lich über­se­hen.

Der Last­wa­gen war bis auf fünf­zig Me­ter an die ver­gas­te Stel­le her­an­ge­kom­men und fuhr jetzt nur noch lang­sam. Plötz­lich sprang Lip­ski aus den Bü­schen, aber nicht an der Stel­le, wo O’Shea ihn pos­tiert hat­te, son­dern etwa zehn bis fünf­zehn Me­ter wei­ter. Mit er­ho­be­nen Hän­den lief er auf das La­st­au­to zu. Im nächs­ten Mo­ment knall­te ein Schuß. Lip­ski feu­er­te, um die Auf­merk­sam­keit der Leu­te im Auto auf sich zu len­ken. O’Shea ball­te die Fäus­te. Lip­ski woll­te ihn ver­ra­ten.

»Ach­tung!«, rief er Marks und Con­nor zu. »Wenn die Sa­che schief­geht, lau­fen Sie quer­feld­ein nach ver­schie­de­nen Rich­tun­gen!«

Und dann ge­sch­ah das Wun­der. Von dem La­st­au­to fie­len zwei Schüs­se. Lip­ski stürz­te ge­trof­fen am Rand der Stra­ße nie­der, und der Wa­gen fuhr lang­sam und vor­sich­tig wei­ter. Die Begleit­mann­schaft hat­te Lips­kis Ab­sicht nicht ver­stan­den, son­dern ge­glaubt, daß er den Goldtrans­port an­hal­ten woll­te.

»Glän­zend!«, sag­te O’Shea mit hei­se­rer Stim­me, denn im Au­gen­blick fuhr das La­st­au­to in die ver­gas­te Sen­ke.

In ei­ner Se­kun­de war al­les vor­über. Der Chauf­feur sank be­wußt­los auf sein Steu­er­rad, und bald dar­auf fuhr der Wa­gen ge­gen die hohe Bö­schung und blieb ste­hen. O’Shea hat­te an al­les ge­dacht. Wenn Lip­ski nicht das rote Licht ge­zeigt hät­te, wäre der Last­wa­gen mit un­ver­min­der­ter Ge­schwin­dig­keit wei­ter­ge­fah­ren und dann so schwer be­schä­digt wor­den, daß er nicht hät­te wei­ter­fah­ren kön­nen. So aber brauch­te Marks nur auf den Füh­rer­sitz zu stei­gen und den Rück­wärts­gang ein­zu­schal­ten, um wie­der frei­zu­kom­men.

Ein paar Mi­nu­ten spä­ter war das Auto mit dem Goldtrans­port aus der Sen­ke her­aus­ge­fah­ren. Die be­wußt­lo­sen Po­li­zis­ten und der Chauf­feur wa­ren ge­fes­selt und la­gen am Stra­ßen­rand. In­ner­halb von fünf Mi­nu­ten war al­les er­le­digt ge­we­sen. Marks nahm sei­ne Mas­ke ab und setz­te sei­ne Uni­form­müt­ze auf, wäh­rend Con­nor ins In­ne­re des Wa­gens kroch, wo die klei­nen, ver­sie­gel­ten Kis­ten mit dem Gold stan­den.

»Vor­wärts!«, be­fahl O’Shea.

Das La­st­au­to setz­te sich in Be­we­gung, und zehn Mi­nu­ten spä­ter war es au­ßer Sicht.

O’Shea ging zu sei­nem Wa­gen zu­rück und fuhr in der ent­ge­gen­ge­setz­ten Rich­tung da­von.

Kapitel 2

Es war eine reg­ne­ri­sche Nacht in Lon­don, und das war Con­nor recht. Das Wet­ter be­güns­tig­te sein Vor­ha­ben. Er trat durch die Sei­ten­tür ei­nes klei­nen Re­stau­rants in Soho, stieg die enge Trep­pe hin­auf und klopf­te an eine Tür. Ein Stuhl wur­de, ge­rückt, ein Schlüs­sel dreh­te sich, dann öff­ne­te Marks, der al­lein im Zim­mer war.

»Hast du ihn ge­spro­chen?«, frag­te Con­nor has­tig.

»Ja, ich habe O’Shea am Them­seu­fer ge­se­hen. Üb­ri­gens – hast du die Zei­tun­gen ge­le­sen?«

Con­nor grins­te. »Ich bin nur froh, daß die Ker­le nicht kre­piert sind.«

Marks warf ihm einen ver­ächt­li­chen Blick zu.

Auf dem Tisch lag eine Zei­tung, und auf der ers­ten Sei­te las Con­nor die Schlag­zei­len:

Ein Goldtrans­port von drei Ton­nen wird zwi­schen Southamp­ton und Lon­don er­beu­tet.

Ei­ner der Räu­ber tot am Tat­ort auf­ge­fun­den.

Trans­port­au­to spur­los ver­schwun­den.

In den frü­hen Mor­gen­stun­den wur­de ges­tern ein küh­ner Hand­streich aus­ge­führt, der den Tod von sechs Be­am­ten von Scot­land Yard hät­te her­bei­füh­ren kön­nen. Es wur­de ein Trans­port von ei­ner hal­b­en Mil­li­on Pfund er­beu­tet, der für die Bank von Eng­land be­stimmt war.

Der Damp­fer ›Ari­ta­nia‹, der ges­tern abend in Southamp­ton an­kam, hat­te eine Gold­sen­dung von Aus­tra­li­en an Bord. Um mög­lichst we­nig Auf­se­hen zu er­re­gen, wur­de das Gold in ei­nem La­st­au­to von Southamp­ton um drei Uhr mor­gens ab­ge­sandt, da­mit es vor Be­ginn des re­gen Ver­kehrs in Lon­don an­kom­men soll­te. In der Nähe des Wal­des von Fels­ted führt die Stra­ße durch eine Sen­ke, die von der Räu­ber­ban­de ver­gast wur­de. Daß ein Über­fall ge­plant war, merk­ten die Begleit­mann­schaf­ten, be­vor sie die ge­fähr­li­che Stel­le pas­sier­ten. Ein Mann sprang aus ei­ner He­cke und schoß auf das La­st­au­to. Die Be­am­ten er­wi­der­ten das Feu­er so­fort, und der Be­tref­fen­de wur­de spä­ter ster­bend am Stra­ßen­rand auf­ge­fun­den. Ei­nen zu­sam­men­hän­gen­den Be­richt konn­te er nicht ge­ben, er nann­te nur einen Na­men, wahr­schein­lich den des Ban­den­füh­rers.

Die In­spek­to­ren Br­ad­ley und Hallick sind mit der Auf­klä­rung des Fal­les be­traut wor­den …

Dann folg­te noch ein ein­ge­hen­der Be­richt und die of­fi­zi­el­le Be­kannt­ma­chung der Po­li­zei, die sich auf die Aus­sa­gen ei­nes der Be­am­ten stütz­ten.

»Die Nach­richt scheint in Lon­don großes Auf­se­hen her­vor­ge­ru­fen zu ha­ben«, sag­te Marks, als er die Zei­tung zu­sam­men­fal­te­te.

»Und was ist aus O’Shea ge­wor­den?«, frag­te Con­nor un­ge­dul­dig. »Hat er un­se­ren Vor­schlag an­ge­nom­men? Will er uns tat­säch­lich zehn Pro­zent zah­len?«

Marks nick­te. »Er war ein we­nig är­ger­lich, was ja er­klär­lich ist. Aber in sei­nen lich­ten Mo­men­ten ist O’Shea klug und kann klar den­ken. Am meis­ten hat ihn na­tür­lich ge­wurmt, daß wir das La­st­au­to an ei­ner an­de­ren Stel­le park­ten, als er es vor­ge­schrie­ben hat­te. Er woll­te so­fort wis­sen, wo wir das Gold ge­las­sen hät­ten, und nur so war es mög­lich, ihn zu dem Zu­ge­ständ­nis zu brin­gen.«