Der Ursprung der Arten - Charles Darwin - E-Book

Der Ursprung der Arten E-Book

Charles Darwin.

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Beschreibung

Erste komplette Neuübersetzung seit 100 Jahren Mit seinem am 24. November 1859 erstmals publizierten Werk »Der Ursprung der Arten« leitet Charles Darwin eine entscheidende Wende in der modernen Biologie ein. Diese brillante Neuübersetzung würdigt einen der bedeutendsten Naturwissenschaftler, dessen bahnbrechende Forschung unsere Sicht auf die Welt revolutioniert hat. Als Charles Darwin 1836 von seiner abenteuerlichen Weltreise mit der HMS Beagle zurückkehrt, glaubt er nicht länger an die Schöpfungslehre und die Unveränderlichkeit der Arten. Seine unterwegs gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen lassen nur einen Schluss zu: Die Natur hat sich allmählich entwickelt; alle Lebewesen haben einen gemeinsamen Ursprung. Fortan arbeitet Darwin akribisch daran, seine Erkenntnisse in eine Theorie zu überführen. Als seine Überlegungen schließlich im Jahr 1859 unter dem Titel »On the Origin of Species by Means of Natural Selection« zum ersten Mal erscheinen, ist das Buch sogleich vergriffen. Weit über die Wissenschaftskreise hinaus erfährt Darwin im Laufe der Zeit große Anerkennung für seine Studien zur Veränderlichkeit der Arten und der natürlichen Selektion, die ihn zum Begründer der Evolutionstheorie machen. Gleichzeitig stößt er immer wieder auf erbitterten Widerstand, gegen den er sich zur Wehr setzen muss. Die letzte von Darwin bearbeitete, sechste Auflage erschien im Jahr 1872 und liegt dieser Neuübersetzung zugrunde. Sie bietet dem Leser die Möglichkeit, Darwins epochales Werk, das bis heute Bestand hat, in seiner bestechenden Klarheit wiederzuentdecken.

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Seitenzahl: 942

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Dies ist der Umschlag des Buches »Der Ursprung der Arten« von Charles Darwin, Eike Schönfeld

CHARLES DARWIN

DER URSPRUNG DER ARTEN

durch natürliche Selektion

oder

Die Erhaltung begünstigter Rassenim Existenzkampf

Übersetzt von Eike Schönfeldund mit einem Nachwort versehenvon Josef H. Reichholf

KLETT-COTTA

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2018 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Lektorat: Jan Strümpel, Göttingen

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

unter Verwendung mehrerer Fotos von © bridgeman images

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Abdruck der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von John van Wyhe ed. 2002 – The Complete Work of Charles Darwin Online (darwin-online.org.uk)

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96115-7

E-Book: ISBN 978-3-608-11088-3

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Historischer Abriss

Ursprung der Arten

KAPITEL I

Ursachen der Variabilität

Auswirkungen von äußeren Bedingungen sowie des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs von Gliedmaßen; korrelierte Variation; Vererbung

Merkmale domestizierter Varietäten: Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Varietät und Art; Entstehung domestizierter Varietäten aus einer oder mehreren Arten

Rassen der Haustaube, ihre Unterschiede und ihr Ursprung

Frühere Vorgehensweisen bei der Züchtung und ihre Wirkungen

Unbewusste Selektion

Umstände, die dem Menschen beim Selektieren dienlich sind

KAPITEL II

Individuelle Unterschiede

Zweifelhafte Arten

Weit verbreitete, stark verstreute und gewöhnliche Arten variieren am meisten

Arten der größeren Gattungen einer Region variieren häufiger als die der kleineren Gattungen

Viele Arten innerhalb der größeren Gattungen ähneln Varietäten, indem sie sehr nahe, aber ungleich miteinander verwandt sind und ein begrenztes Verbreitungsgebiet haben

Resümee

KAPITEL III

Der Begriff Kampf ums Dasein in einem weiten Sinn gebraucht

Geometrisches Verhältnis der Vermehrung

Wesen der Vermehrungshemmnisse

Komplexe Beziehungen aller Tiere und Pflanzen zueinander im Kampf ums Dasein

Der besonders harte Existenzkampf zwischen Individuen und Varietäten einer Art

KAPITEL IV

Sexuelle Selektion

Erläuterungen zur Wirkung natürlicher Selektion oder des Überlebens der am besten Angepassten

Zum Kreuzen von Individuen

Günstige Umstände für die Entstehung neuer Formen durch natürliche Selektion

Durch natürliche Selektion bedingtes Aussterben

Merkmalsabweichung

Die voraussichtlichen Folgen der Wirkung natürlicher Selektion durch Merkmalsabweichung und Aussterben für die Nachkommen eines gemeinsamen Vorläufers

Über die Stufe, bis zu der die innere Anordnung fortzuschreiten strebt

Konvergenz von Merkmalen

Resümee

KAPITEL V

Auswirkungen des zunehmenden Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Gliedmaßen im Verlauf natürlicher Selektion

Akklimatisierung

Korrelierte Variation

Kompensation und Ökonomie des Wachstums

Mehrfach auftretende, rudimentäre und niedrig organisierte Strukturen sind variabel

Ist ein Bestandteil bei einer Art besonders stark oder ausgeprägt entwickelt, neigt er, verglichen mit dem gleichen Bestandteil bei einer verwandten Art, zu hoher Variabilität

Artmerkmale sind variabler als Gattungsmerkmale

Sekundäre Geschlechtsmerkmale sind variabel

Verschiedene Arten weisen analoge Variationen auf, sodass die Varietät einer Art häufig ein Merkmal annimmt, das zu einer verwandten Art gehört, oder auf Merkmale eines frühen Vorläufers zurückschlägt

Resümee

KAPITEL VI

Zum Fehlen oder der Seltenheit von Übergangsvarietäten

Zum Ursprung und den Übergängen von Lebewesen mit eigentümlicher Lebensweise und Struktur

Organe äußerster Vollendung und Komplexität

Übergangsformen

Besondere Schwierigkeiten bei der Theorie der natürlichen Selektion

Organe von augenscheinlich geringer Bedeutung von natürlicher Selektion beeinflusst

Inwieweit die Nützlichkeitslehre richtig ist; wie Schönheit erworben wird

Resümee: das Gesetz von der Einheit im Typus und das Gesetz der Bedingungen der Existenz im Einklang mit der Theorie der natürlichen Selektion

KAPITEL VII

KAPITEL VIII

Ererbte Änderungen von Gewohnheiten oder Instinkt bei domestizierten Tieren

Besondere Instinkte

Einwände gegen die Theorie der natürlichen Selektion in ihrer Anwendung auf Instinkte: geschlechtslose und unfruchtbare Insekten

Resümee

KAPITEL IX

Grade der Unfruchtbarkeit

Gesetze, welche die Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und von Hybriden regeln

Ursprung und Ursachen der Unfruchtbarkeit erster Kreuzungen und von Hybriden

Wechselseitiger Dimorphismus und Trimorphismus

Fruchtbarkeit von Varietäten nach Kreuzung und ihrer Mischlingsnachkommen nicht allgemein

Vergleich zwischen Hybriden und Mischlingen unabhängig von ihrer Fruchtbarkeit

Resümee

KAPITEL X

Zum Vergehen der Zeit, geschlossen aus dem Maß an Ablagerung und Erosion

Zur Dürftigkeit unserer paläontologischen Sammlungen

Zum Fehlen zahlreicher Zwischenvarietäten in allen Einzelformationen

Zum plötzlichen Auftreten ganzer Gruppen verwandter Arten

Zum plötzlichen Auftreten ganzer Gruppen verwandter Arten in den untersten bekannten fossilienhaltigen Schichten

KAPITEL XI

Über das Aussterben

Über Lebensformen, die sich auf der ganzen Welt nahezu zeitgleich verändern

Zur Verwandtschaft ausgestorbener Arten untereinander und mit lebenden Arten

Zum Stadium der Entwicklung alter im Vergleich mit lebenden Formen

Zur Aufeinanderfolge derselben Typen innerhalb eines Gebiets während der späteren Tertiärperioden

Resümee des vorigen und dieses Kapitels

KAPITEL XII

Einzelne Zentren vermuteter Schöpfung

Mittel der Verbreitung

Ausbreitung während der Eiszeit

Abwechselndes Einsetzen der Eiszeit im Norden und Süden

KAPITEL XIII

Süßwasserlebewesen

Über die Bewohner ozeanischer Inseln

Fehlen von Batrachiern und Landsäugetieren auf ozeanischen Inseln

Zur Beziehung zwischen Inselbewohnern und denen des nächsten Festlandes

Resümee des letzten und dieses Kapitels

KAPITEL XIV

Klassifizierung

Analoge Ähnlichkeiten

Zur Natur der Verwandtschaften, die Lebewesen verbinden

Morphologie

Entwicklung und Embryologie

Rudimentäre, atrophierte und verkümmerte Organe

Resümee

KAPITEL XV

Vom Sein zum Werden

Die Variation

Die Züchter und die Züchtung

Die Zeitdauer von Veränderungen

Darwins Positionen erneut betrachtet

Die heutige Position

Tafelteil

Der deutschen Neuübersetzung liegt die 6. und letzte zu Darwins Lebzeiten erschienene Auflage seines Hauptwerks »On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life«, London: John Murray 1872 (Nachauflage 1876 mit weiteren kleinen Ergänzungen und Korrekturen) zugrunde. Für diese Auflage strich Charles Darwin das »On« aus dem Titel.

Die vorliegende Übersetzung versucht Darwins Original so gut wie möglich gerecht zu werden und soll gleichzeitig dem heutigen Leser zugänglich sein. Daher wurden zahlreiche lateinische Fachbegriffe eingedeutscht und fremdsprachige Passagen ins Deutsche übertragen. Das Glossar, das Darwin aufgrund zahlreicher Leserbeschwerden für die 6. Auflage anfertigen ließ, wurde dadurch obsolet. Das Register wurde vollständig neu verfasst.

Den Begriff »survival of the fittest« übernahm Darwin ab der 5. Auflage von 1869 ergänzend zu seinem zum Fachterminus gewordenen Begriff »natural selection« (natürliche Selektion) von dem britischen Sozialphilosophen Herbert Spencer. Gemeinhin wird »survival of the fittest« mit »Überleben des Stärksten« wiedergegeben. Das ist allerdings nur näherungsweise übersetzt: Die »fitness« eines Individuums umfasst bei Darwin den Grad der Anpassung an seine Umwelt sowie dessen relativen Fortpflanzungserfolg im Vergleich mit anderen Individuen seiner Art. Andere mögliche Annäherungen im Deutschen wären »Überleben des Fittesten« oder, wie in dieser Übersetzung, »Überleben der am besten Angepassten«.

Die Illustrationen wurden analog zur dänischen Erstausgabe von 1872 übernommen aus Charles Darwin: »The Variation of Animals and Plants Under Domestication«, London: John Murray, Vol. 1, 1868.

»Doch im Hinblick auf die materielle Welt können wir zumindest so weit gehen – wir können erkennen, dass Geschehnisse nicht durch einsame, in jedem einzelnen Falle vorgenommene Eingriffe göttlicher Macht herbeigeführt werden, sondern durch die Einsetzung allgemeiner Gesetze.«

Whewell: Bridgewater Treatise

»Die einzige eindeutige Bedeutung des Wortes ›natürlich‹ ist vorgegeben, festgelegt oder entschieden, denn was natürlich ist, bedarf ebenso eines intelligenten Mittlers und setzt diesen voraus, um es dazu zu machen, i.e., um es beständig oder zu bestimmten Zeiten zu bewirken, so wie das Übernatürliche oder Wunderbare es einmalig bewirkt.«

Butler: Analogy of Revealed Religion

»Folglich möge daher niemand aus einem flauen Dünkel der Ehrbarkeit oder falsch aufgefasster Mäßigung heraus glauben oder dafürhalten, ein Mensch könne im Buch von Gottes Wort oder im Buch der Werke Gottes, in Theologie und Philosophie zu weit forschen oder zu gut bewandert sein; vielmehr soll der Mensch in beiden zahllose Fortschritte und Fertigkeiten erstreben.«

Bacon: Advancement of Learning

Historischer Abriss

Der Entwicklung der Ansichten über den Ursprung der Arten vor Veröffentlichung der ersten Auflage dieses Werks

Im Folgenden gebe ich einen kurzen Abriss der Entwicklung der Ansichten über den Ursprung der Arten. Noch bis vor kurzem glaubten Naturforscher mehrheitlich, die Arten seien unwandelbare Wesen und jeweils getrennt voneinander geschaffen worden. Diese Auffassung haben viele Autoren sachkundig verfochten. Einige wenige Naturforscher hingegen sind der Ansicht, dass die Arten Modifikationen durchlaufen und dass die Lebensformen von heute aufgrund stetiger Zeugung Nachkommen zuvor existierender Formen sind. Lässt man Hinweise klassischer Autoren zum Thema außer Acht,* so war Buffon der erste Autor, der dies in der Moderne im Geist der Wissenschaft behandelt hat. Doch da seine Ansichten zu verschiedenen Zeiten stark schwankten und er sich zu den Ursachen oder Mitteln der Veränderung von Arten nicht äußert, brauche ich hier nicht auf Einzelheiten einzugehen.

Jean-Baptiste de Lamarck war der Erste, der mit seinen Feststellungen zu diesem Thema großes Aufsehen erregte. Der zu Recht gepriesene Naturforscher legte seine Ansichten erstmals 1801 vor. In seiner Philosophie zoologique von 1809 erweiterte er sie erheblich und erneut 1815 in der Einleitung zu seiner Histoire naturelle des animaux sans vertèbres. In diesen Arbeiten vertritt er die Lehre, dass alle Arten einschließlich des Menschen von anderen Arten abstammen. Ihm kam das bedeutende Verdienst zu, auf die Wahrscheinlichkeit aller Veränderung in der organischen wie der anorganischen Welt aufmerksam zu machen; diese sei die Folge einer Gesetzmäßigkeit und nicht wundersamen Eingreifens. Zu seiner Schlussfolgerung über die allmähliche Veränderung der Arten gelangte Lamarck wohl hauptsächlich durch die Schwierigkeit, Arten von Varietäten zu unterscheiden, durch die nahezu vollkommene Abstufung der Formen in manchen Gruppen und durch die Ähnlichkeit mit domestizierten Tieren und Pflanzen. Was die Mittel der Modifikation angeht, so sah er sie teils in der unmittelbaren Einwirkung äußerer Lebensbedingungen, teils in der Kreuzung schon bestehender Formen und insbesondere im Gebrauch und Nichtgebrauch, also den Auswirkungen von Gewohnheit. Dieser letzteren Kraft schreibt er offenbar all die schönen Anpassungen in der Natur zu wie den langen Hals der Giraffe, mittels dessen sie in den Ästen von Bäumen äsen kann. Ebenso glaubte er aber auch an ein Gesetz der fortschreitenden Entwicklung, und da somit alle Lebensformen fortschreiten, vertritt er zur Erklärung der gegenwärtigen Existenz einfacher Hervorbringungen die Ansicht, solche Formen würden heute spontan erzeugt.**

Étienne Geoffroy Saint-Hilaire hatte, so ist in der von seinem Sohn verfassten Vie zu lesen, schon 1795 den Verdacht, dass das, was wir Arten nennen, verschiedene Ausartungen derselben Gattung sind. Erst 1828 machte er seine Überzeugung publik, dass nicht seit dem Ursprung aller Dinge immer dieselben Formen bewahrt wurden. Geoffroy stützte sich, was die Ursache der Veränderung betraf, offenbar hauptsächlich auf die Lebensbedingungen, die »monde ambiant«. Mit Schlussfolgerungen hielt er sich zurück, und er glaubte auch nicht, dass heute bestehende Arten noch Modifikationen durchlaufen. Sein Sohn fügte hinzu: »Demnach ist dies ein Problem, dessen Lösung ganz allein der Zukunft vorbehalten ist, immer vorausgesetzt, dass sich die Zukunft seiner auch annimmt.«

1813 präsentierte Dr. William Charles Wells vor der Royal Society einen »Bericht über eine weiße Frau, deren Haut in Teilen der einer Negerin ähnelt«; veröffentlicht wurde sein Vortrag jedoch erst 1818 im Anhang seiner berühmten Two Essays upon Dew and Single Vision. In diesem Vortrag bekennt er sich eindeutig zum Prinzip der natürlichen Selektion. Es ist die erste bezeugte Anerkennung, aber er lässt sie lediglich für die Menschenrassen und allein für bestimmte Merkmale gelten. Nach der Bemerkung, Neger und Mulatten erfreuten sich einer Immunität gegenüber bestimmten Tropenkrankheiten, sagt er erstens, dass alle Tiere in gewissem Maß variieren, und zweitens, dass Landwirte ihre domestizierten Tiere durch Selektion verbessern. Dann fügt er hinzu, was in letzterem Fall »von der Kunst« gemacht sei, »scheint mit gleicher Wirksamkeit, wenngleich langsamer, durch Herausbildung von Varietäten der Menschheit, die der von ihnen bewohnten Region angepasst sind, von der Natur gemacht zu sein. Von den zufälligen Varietäten des Menschen, die wohl unter den ersten wenigen und verstreuten Bewohnern der mittleren Regionen Afrikas auftraten, wäre eine widerstandsfähiger gegenüber den Krankheiten des Gebiets als die anderen. Diese Rasse würde sich folglich vermehren, während die anderen abnähmen, nicht nur aufgrund ihrer Unfähigkeit, Krankheiten zu überstehen, sondern auch, weil sie sich im Wettbewerb mit ihren kräftigeren Nachbarn nicht behaupten könnten. Die Farbe dieser kräftigen Rasse wäre, wie ich nach dem bisher Gesagten für ausgemacht halte, dunkel. Doch aufgrund der weiter bestehenden Neigung zum Bilden von Varietäten würde im Lauf der Zeit eine dunklere und eine noch dunklere Rasse auftreten, und da die dunkelste die dem Klima am besten angepasste wäre, würde diese schließlich die am meisten verbreitete darstellen, wenn nicht gar die einzige Rasse der Region, in der sie aufgekommen war.« Sodann überträgt er diese Ansichten auf die weißen Bewohner kälterer Lebensräume. Ich bin Mr. Rowley aus den Vereinigten Staaten zu Dank verpflichtet, dass er mich über Mr. Brace auf obige Passage in Dr. Wells’ Arbeit hingewiesen hat.

Der ehrenwerte Reverend William Herbert, später Dekan von Manchester, stellt im vierten Band der Horticultural Transactions (1822) und in seiner Arbeit über die Amaryllidaceae (1837, S. 19, 339) fest, dass »gärtnerische Experimente ohne jede Möglichkeit der Widerlegung ergeben haben, dass botanische Arten lediglich eine höhere und beständigere Stufe von Varietäten sind«. Die gleiche Auffassung dehnt er auf Tiere aus. Der Dekan glaubt, einzelne Arten einer Gattung seien in einem ursprünglich höchst formbaren Zustand geschaffen worden, und dass diese hauptsächlich durch Kreuzung, doch ebenso durch Variation, alle unsere bestehenden Arten hervorgebracht hätten.

1829 bringt Professor Robert Edmond Grant im Schlussabsatz seines bekannten Vortrags über Schwämme (Edinburgh Philosophical Journal, Bd. XIV, S. 283) seine Überzeugung klar zum Ausdruck, dass Arten von anderen Arten abstammen und im Rahmen von Modifikation verbessert werden. Dieselbe Ansicht vertrat er in seiner 55. Vorlesung, erschienen 1834 in Lancet.

1831 veröffentlichte Patrick Matthew seine Arbeit über Schiffsholz und Baumzucht, worin er genau die gleiche Ansicht (auf die ich gleich noch komme) über den Ursprung der Arten vertritt wie Mr. Wallace und ich im Linnean Journal und wie sie im vorliegenden Buch erweitert dargelegt wird. Leider trug Mr. Matthew seine Ansicht nur sehr knapp in verstreuten Passagen im Anhang einer Arbeit zu einem anderen Thema vor, sodass sie erst wahrgenommen wurde, als Mr. Matthew selbst im Gardener’s Chronicle vom 7. April 1860 darauf hinwies. Die Unterschiede zwischen Mr. Matthews Ansicht und der meinen sind von keiner sehr großen Bedeutung: Er nimmt offenbar an, dass die Welt in stufenweisen Phasen nahezu ausgestorben und dann wieder neu bevölkert worden war, und er nennt als Variante, neue Formen könnten »ohne Vorhandensein jedweder Vorbilder oder Keime früherer Ansammlungen« hervorgebracht worden sein. Bei manchen Passagen weiß ich nicht, ob ich sie richtig verstanden habe, aber mir scheint, dass er der unmittelbaren Einwirkung der Lebensumstände großen Einfluss zumisst. Gleichwohl hat er die ganze Wirkkraft des Prinzips natürlicher Selektion erkannt.

Der berühmte Geologe und Naturforscher Leopold von Buch bekundet in seiner hervorragenden Physicalischen Beschreibung der Canarischen Inseln (engl. Ausgabe 1836, S. 147) eindeutig die Ansicht, dass Varietäten langsam zu beständigen Arten verändert werden, die zur Kreuzung nicht mehr in der Lage sind.

Rafinesque schrieb in seinem Buch New Flora of North America (1836, S. 6): »Alle Arten mochten einmal Varietäten gewesen sein, und viele Varietäten werden allmählich Arten, indem sie beständige, eigene Wesen werden«, fügt im weiteren Verlauf jedoch hinzu: »ausgenommen die ursprünglichen Typen oder Vorfahren der Gattung« (S. 18).

1843/44 hat Professor Samuel Stehman Haldeman (Boston Journal of Nat. Hist. U. States, Bd. IV, S. 468) kenntnisreich die Argumente für und wider die Hypothese der Entwicklung und Modifikation der Arten dargelegt. Er scheint der Veränderung zuzuneigen.

Die Vestiges of Creation erschienen 1844. In der zehnten, erheblich verbesserten Auflage (1853) schreibt der anonyme Autor (S. 155): »Das auf reifliche Überlegung gestützte Ergebnis lautet, dass die zahlreichen Reihen beseelter Wesen vom einfachsten und ältesten bis hin zum höchsten und jüngsten unter Gottes Vorsehung die Ergebnisse erstens eines den Lebensformen gewährten Impulses sind, der diese zu bestimmten Zeiten über Generationen durch Stufen der inneren Anordnung beförderte, die in den höchsten Zweikeimblättrigen und Wirbeltieren endeten, wobei diese Stufen gering an Zahl und allgemein durch Lücken organischer Art bestimmt sind, die uns praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Ähnlichkeiten bereiten; zweitens eines anderen, mit den Lebenskräften verbundenen Impulses, der im Laufe von Generationen dazu neigt, organische Strukturen aufgrund äußerer Umstände wie Nahrung, Art des Lebensraums und der meteorischen Kräfte zu modifizieren, welche die ›Anpassungen‹ der natürlichen Theologie sind.« Der Autor glaubt offenbar, dass die Struktur sich durch jähe Sprünge entwickelt, die äußerlich bedingten Einwirkungen aber allmählich verlaufen. Mit starker Betonung auf allgemeinen Grundlagen legt er dar, dass Arten keine unwandelbaren Hervorbringungen sind. Doch ich kann nicht erkennen, wie die beiden angenommenen »Impulse« die zahlreichen schönen wechselseitigen Anpassungen, die wir überall in der Natur sehen, wissenschaftlich erklären können; ich sehe nicht, dass wir damit zur Einsicht gelangen, wie etwa ein Specht zu seinen eigentümlichen Lebensgewohnheiten kam. Aufgrund seines kraftvollen, brillanten Stils hat sich dieses Werk sogleich sehr weit verbreitet, obwohl es in früheren Auflagen wenig akkurates Wissen und einen großen Mangel an wissenschaftlicher Umsicht offenbarte. Meiner Meinung nach hat es in diesem Land hervorragende Dienste geleistet, indem es auf das Thema aufmerksam machte, Vorurteile ausräumte und damit den Boden für die Aufnahme ähnlicher Ansichten bereitete.

1846 machte der altgediente Geologe Jean Baptiste Julien d’Omalius d’Halloy in einem zwar kurzen, doch hervorragenden Aufsatz (Bulletins de l’Acad. Roy. Bruxelles, Bd. XIII, S. 581) seine Ansicht publik, es sei wahrscheinlicher, dass neue Arten durch Abstammung mit Modifikation als jeweils separat geschaffen wurden. Der Autor verbreitete diese Ansicht erstmals 1831.

Professor Richard Owen schrieb 1849 (in Nature of Limbs, S. 86): »Die Idee des Grundtypus offenbarte sich in diversen derartigen Modifikationen auf diesem Planeten lange vor der Existenz der sie jetzt veranschaulichenden Tierarten. Welchen Naturgesetzen oder sekundären Ursachen die regelmäßige Abfolge und Weiterentwicklung solcher organischen Erscheinungen unterworfen war, wissen wir bislang nicht.« In seinem Vortrag vor der British Association 1858 spricht er (S. LI) vom »Grundsatz des anhaltenden Wirkens einer Schöpfungskraft oder des geordneten Werdens von Lebewesen«. Sodann (S. XC) fügt er nach einem Verweis auf die geographische Verbreitung hinzu: »Diese Erscheinungen erschüttern unseren Glauben an die Folgerung, dass der Kiwivogel Neuseelands und das Moorhuhn Englands auf ihren jeweiligen Inseln und für diese je eigene Schöpfungen waren. Auch sollte man sich stets in Erinnerung rufen, dass der Zoologe mit dem Begriff ›Schöpfung‹ einen Prozess meint, ›von dem er nichts weiß‹.« Diesen Gedanken erweitert er mit dem Zusatz, wenn Fälle wie das Moorhuhn »vom Zoologen als Beweis für die eigenständige Schöpfung dieses Vogels auf solchen Inseln und für sie angeführt werden, so sagt er damit vornehmlich, dass er nicht weiß, wie das Moorhuhn dorthin, und zwar ausschließlich dorthin, gelangt ist; mit dieser derart bekundeten Unwissenheit gibt er auch seiner Überzeugung Ausdruck, der Vogel wie die Inseln verdankten ihren Ursprung einer großen ersten Schöpfungstat.« Deuten wir diese alle im selben Vortrag formulierten Sätze einen nach dem anderen, so zeigt sich, dass dieser bedeutende Naturforscher 1858 sein Vertrauen darauf erschüttert sah, dass Kiwi und Moorhuhn erstmals in ihrer jeweiligen Heimat auftraten, »er weiß nicht, wie«, durch irgendeinen Vorgang, »er weiß nicht, welchen«.

Dieser Vortrag wurde gehalten, nachdem die Aufsätze von Mr. Alfred Russel Wallace und mir über den Ursprung der Arten, auf die gleich eingegangen wird, vor der Linnean Society gelesen worden waren. Bei Erscheinen der ersten Auflage dieses Werks war ich, wie viele andere auch, von Wendungen wie »das anhaltende Wirken einer Schöpfungskraft« so vollkommen irregeführt, dass ich Professor Owen zu den Paläontologen zählte, die von der Unveränderlichkeit der Arten fest überzeugt sind. Doch dies schien (Anat. of Vertebrates, Bd. III, S. 796) ein grotesker Irrtum meinerseits zu sein. In der letzten Auflage dieses Werks schloss ich – und dieser Schluss erscheint mir noch immer vollkommen gerechtfertigt – aus einem Absatz, der mit den Worten »Zweifellos ist die Typusform« usw. (ebd., Bd. I, S. XXXV) beginnt, Professor Owen räume ein, natürliche Selektion könne zur Herausbildung neuer Arten etwas beigetragen haben, was aber wohl ungenau und unbewiesen ist (ebd., Bd. III, S. 798). Auch habe ich Auszüge aus einem Briefwechsel zwischen Professor Owen und dem Herausgeber der London Review zitiert, denen zufolge es dem Herausgeber wie mir naheliegend erschien, Professor Owen nehme für sich in Anspruch, die Theorie der natürlichen Selektion noch vor mir verbreitet zu haben, worauf ich mich ob dieser Nachricht überrascht und befriedigt zeigte. Doch soweit es möglich ist, manche unlängst veröffentlichte Passagen (ebd., Bd. III, S. 798) zu verstehen, habe ich mich erneut teilweise oder ganz geirrt. Ich tröste mich damit, dass andere Professor Owens umstrittene Schriften ebenso schwer verstehen und miteinander in Einklang bringen können wie ich. Was die bloße Formulierung des Prinzips der natürlichen Selektion betrifft, so ist es ganz unwesentlich, ob Professor Owen mir zuvorgekommen ist, da, wie in diesem historischen Abriss gezeigt, Dr. Wells und Mr. Matthew uns beiden längst zuvorgekommen waren.

Isidore Geoffroy Saint-Hilaire nennt in seinen 1850 gehaltenen Vorträgen (zu denen in der Revue et Mag. de Zoolog., Jan. 1851, eine Zusammenfassung erschien) kurz den Grund für seine Annahme, dass spezifische Wesenszüge »vollkommen feststehen, und zwar bei jeder Art, solange diese sich im Milieu derselben äußeren Verhältnisse fortpflanzt. Sie unterliegen jedoch einem Wandel, sobald sich die Lebensumstände der Umwelt zu verändern beginnen.« »Im Ganzen lässt bereits die Beobachtung der wilden Tiere eine nur sehr eingeschränkte Veränderlichkeit der Arten erkennen. Die Versuche, die man mit gezähmten Wildtieren und umgekehrt auch mit verwilderten Haustieren gemacht hat, zeigen dies in einem noch viel klareren Licht. Außerdem stellen derartige Versuche unter Beweis, dass die erzeugten Verschiedenheiten die Gültigkeit von Gattungsunterschieden haben können.« In seiner Hist. Nat. Générale (Bd. II, S. 430, 1859) vertieft er ähnliche Schlussfolgerungen.

Einem unlängst publizierten Rundschreiben zufolge hat Dr. Henry Freke 1851 (Dublin Medical Press, S. 322) offenbar die Lehre vorgelegt, alle Lebewesen stammten von einer Urform ab. Die Grundlagen seiner Überzeugung und Behandlung des Themas unterscheiden sich vollkommen von den meinen, doch da Dr. Freke nun (1861) seine Abhandlung über »die Entstehung der Arten durch organische Ähnlichkeit« veröffentlicht hat, erübrigt sich der schwierige Versuch, meinerseits eine Vorstellung seiner Ansichten zu geben.

Herbert Spencer hat in einer Abhandlung (erstmals veröffentlicht in Leader, März 1852, dann wieder in seinen Essays, 1858) die Theorien der Schöpfung und der Entwicklung von Lebewesen mit beachtlichem Geschick und viel Überzeugungskraft gegenübergestellt. Anhand der Parallelen zu domestizierten Tieren, der Veränderung, denen die Embryonen zahlreicher Arten unterliegen, und des Prinzips einer allgemeinen Stufenfolge stellt er dar, dass die Arten modifiziert werden, und diese Modifikation schreibt er veränderten Umständen zu. Auch hat der Autor (1855) die Psychologie nach dem Prinzip des notwendigen Erwerbs jeder geistigen Kraft und Fähigkeit durch Abstufung behandelt.

1852 hat Charles Victor Naudin, ein angesehener Botaniker, in einem hervorragenden Aufsatz über die Entstehung der Arten (Revue Horticole, S. 102, danach teilweise erneut abgedruckt in den Nouvelles Archives du Muséum, Bd. I, S. 171) seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass die Arten ganz ähnlich wie gezüchtete Varietäten gebildet werden; letzterer Prozess ergebe sich aus der Fähigkeit des Menschen zur Selektion. Allerdings zeigt er nicht, wie Selektion in der Natur wirkt. Wie Dekan Herbert glaubt er, dass die Arten bei ihrer Entstehung formbarer waren als heute. Er legt Gewicht auf das, was er das Prinzip des Endzustandes nennt: »… eine geheimnisvolle Kraft, ganz unbestimmt; eine Schicksalsmacht für die einen, für andere eine Willensäußerung der Vorsehung, deren unaufhörliche Tätigkeiten zu allen Zeiten der Weltgeschichte auf sämtliche Lebewesen einwirkt. Sie bestimmt die Form, den Umfang und die Lebensdauer jedes einzelnen Wesens. Das ist ihr eigentlicher Zweck in der Daseinsordnung, deren Teil sie ist. Es ist diese Kraft, die eine Harmonisierung jedes einzelnen Gliedes mit dem größeren Ganzen herbeiführt. Dabei eignet sie sich eine Funktion an, die sie im gesamten Organismus der Natur auszufüllen hat, eine Aufgabe, die für sie der Daseinszweck ist.«***

1853 hielt der berühmte Geologe Alexander von Keyserling (Bulletin de la Soc. Geolog., 2. Ser., Bd. X, S. 357) es für möglich, dass ebenso wie neue Krankheiten entstanden und sich weltweit verbreiteten, als deren Auslöser irgendein Miasma angenommen wird, zu manchen Zeiten die Keime bestehender Arten durch sie umgebende Moleküle bestimmter Beschaffenheit chemisch beeinflusst wurden und so neue Formen entstehen ließen.

Im selben Jahr 1853 veröffentlichte Dr. Hermann Schaaffhausen eine hervorragende Schrift (Verhandl. des Naturhist. Vereins des Preuß. Rheinlands usw.), in der er die fortschreitende Entwicklung organischer Formen auf der Erde vertritt. Er nimmt an, dass viele Arten über lange Zeiten hinweg gleich geblieben sind, während einige wenige modifiziert wurden. Dass sich die Arten unterscheiden, erklärt er mit der Zerstörung von Zwischenstufen. »Somit sind existierende Pflanzen und Tiere von den ausgestorbenen nicht durch neue Schöpfungen getrennt, sondern müssen als deren Abkömmlinge aufgrund kontinuierlicher Fortpflanzung betrachtet werden.«

Der bekannte französische Botaniker Henri Lecoq schreibt 1854 (Etudes sur Géograph. Bot., Bd. I, S. 250): »Man sieht, dass unsere Nachforschungen über die Beständigkeit oder die Veränderlichkeit der Arten uns unmittelbar zu jenen Vorstellungen führen, die zwei zu Recht berühmte Männer, Geoffroy Saint-Hilaire und Goethe, bereits ausgesprochen haben.« Einige andere verstreute Passagen in Lecoqs umfassendem Werk nähren jedoch Zweifel, inwieweit er seine Ansichten auf die Modifikation der Arten überträgt.

Die Philosophie der Schöpfung wurde von Rev. Baden Powell meisterlich in seinem Essay on the Unity of Worlds (1855) behandelt. In überaus eindrucksvoller Weise legt er dar, dass die Einführung neuer Arten »kein zufälliges, sondern ein regelmäßiges Phänomen« ist oder, wie Sir John Herschel es formuliert: »ein natürlicher im Gegensatz zu einem übernatürlichen Prozess«.

Der dritte Band des Journal of the Linnean Society enthält von Mr. Wallace und mir am 1. Juli 1858 gehaltene Vorträge, worin, wie in den einleitenden Bemerkungen zum vorliegenden Band erklärt, die Theorie der natürlichen Selektion von Mr. Wallace mit bewundernswerter Kraft und Klarheit dargelegt wird.

Karl Ernst von Baer, der bei allen Zoologen hochangesehen ist, äußerte um das Jahr 1859 (siehe Prof. Rudolph Wagner, Zoologisch-Anthropologische Untersuchungen, 1861, S. 51) seine vornehmlich auf den Gesetzen der geographischen Verbreitung gründende Ansicht, dass heute vollkommen eigenständige Formen von einer einzigen Elternform abstammen.

Im Juni 1859 hielt Professor Thomas Henry Huxley vor der Royal Institution eine Vorlesung über die »Bleibenden Typen des Tierlebens«. Mit Bezug auf derlei Fälle bemerkt er: »Es ist schwierig, die Bedeutung solcher Tatsachen zu begreifen, wenn man annimmt, dass jede Tier- und Pflanzenart oder auch jeder große Typus der inneren Anordnung über lange Zeiträume hinweg von einem jeweils eigenen schöpferischen Akt geformt und auf das Antlitz der Erde gebracht wurde. Auch tut man gut daran zu bedenken, dass eine solche Annahme in der Überlieferung oder Offenbarung keinerlei Stütze findet, wie sie sich auch der allgemeinen Analogie der Natur entgegenstellt. Betrachten wir andererseits ›Bleibende Typen‹ in Bezug auf die Hypothese, der zufolge die zu irgendeiner Zeit lebenden Arten das Ergebnis der allmählichen Modifikation zuvor existierender sind – eine Hypothese, die zwar unbewiesen ist und der einige ihrer Anhänger leider Schaden zugefügt haben, aber doch die einzige, die sich von der Physiologie stützen lässt –, so zeigt ihre Existenz offenbar, dass die Menge an Modifikationen, die Lebewesen im Laufe der geologischen Zeit durchlaufen haben, nur sehr gering ist im Verhältnis zur gesamten Serie erfahrener Veränderungen.«

Im Dezember 1859 veröffentlichte Dr. Joseph Dalton Hooker seine Einführung in die australische Flora. Im ersten Teil dieses großartigen Werks bestätigt er die Richtigkeit von Abstammung und Modifikation der Arten und stützt diese Lehre durch viele neue Beobachtungen.

Die erste Auflage dieses Werks erschien am 24. November 1859, die zweite am 7. Januar 1860.

* Nachdem Aristoteles angemerkt hat, der Regen falle nicht, damit das Getreide wachse, ebenso wenig wie er falle, damit dem Bauer das Getreide verderbe, wenn er’s im Freien drischt, verwendet er in seinen Physicae auscultationes (Buch 2, Kap. 8, S. 2) ebendiese Schlussfolgerung für den Körperbau und fügt hinzu (Mr. Clair Grece hat mich auf diese Passage hingewiesen): »Was demnach steht dem im Wege, dass auch die Teile [des Körpers] in der Natur sich ebenso (zufällig) verhalten, dass z.B. die Zähne durch Notwendigkeit hervorwachsen, nämlich die vorderen schneidig und tauglich zum Zerteilen, hingegen die Backenzähne breit und brauchbar zum Zermalmen der Nahrung, da sie ja nicht um dessen willen so werden, sondern dies eben nebenbei erfolgt: und ebenso auch bei den übrigen Teilen, bei welchen das um eines Zweckes willen Wirkende vorhanden zu sein scheint; und die Dinge dann nun, bei welchen alles Einzelne gerade so sich ergab, als wenn es um eines Zweckes willen entstünde, diese hätten sich, nachdem sie grundlos von selbst in tauglicher Weise sich gebildet hätten, auch erhalten; bei welchen aber dies nicht der Fall war, diese seien schon zugrunde gegangen und gingen noch zugrunde.« [Dt. Übersetzung von Carl Prantl] Hier sehen wir schon eine Andeutung des Prinzips der natürlichen Selektion, doch wie wenig Aristoteles das Prinzip vollkommen verstand, zeigt sich an seinen Bemerkungen zur Ausbildung der Zähne.

** Das Datum von Lamarcks erster Veröffentlichung habe ich Isidore Geoffroy Saint-Hilaires (Hist. Nat. Générale, Bd. II, S. 405, 1859) hervorragender Geschichte der Meinungen zu diesem Thema entnommen. Dieses Werk enthält auch eine vollständige Darstellung von Buffons Folgerungen dazu. Es ist eigenartig, wie sehr mein Großvater Dr. Erasmus Darwin Lamarcks Auffassungen und irrige Standpunkte in seiner 1794 erschienenen Zoonomia (Bd. I, S. 500–510) vorweggenommen hat. Isidore Geoffroy zufolge besteht kein Zweifel, dass Goethe ein starker Verfechter ähnlicher Auffassungen war, wie sich in der Einleitung zu einer 1794/95 verfassten, aber erst sehr viel später veröffentlichten Arbeit zeigt: Seiner klaren Ansicht nach (Dr. Karl Meding: Goethe als Naturforscher, S. 34) werde die zukünftige Frage für Naturforscher sein, wie zum Beispiel Rinder zu ihren Hörnern kamen, und nicht, wofür sie benutzt werden. Es ist doch ein eigentümliches Beispiel dafür, wie ähnliche Auffassungen etwa um dieselbe Zeit entstehen und dass Goethe in Deutschland, Dr. Darwin in England und Geoffroy Saint-Hilaire (wie wir sehen werden) in Frankreich in den Jahren 1794/95 zum selben Schluss über den Ursprung der Arten gelangten.

*** Hinweise in Heinrich Georg Bronns Untersuchungen über die Entwickelungs-Gesetze legen nahe, dass der berühmte Botaniker und Paläontologe Franz Unger 1852 seine Ansicht publik machte, die Arten durchliefen eine Entwicklung und Modifikation. Auch Joseph Eduard d’Alton hat in der Arbeit von Pander und d’Alton über fossile Faultiere 1821 eine vergleichbare Ansicht bekundet. Ähnliches vertrat, wie wohlbekannt, Lorenz Oken in seiner mystischen Natur-Philosophie. Verweise in Gordons Arbeit Sur l’Espèce legen ebenfalls nahe, dass Bory St. Vincent, Burdach, Poiret und Fries allesamt bestätigt haben, dass kontinuierlich neue Arten entstehen. Ich darf noch hinzufügen, dass von den 34 in diesem historischen Abriss genannten Autoren, die an die Modifikation der Arten glauben, 27 über spezielle Teilgebiete der Naturkunde oder Geologie geschrieben haben.

Ursprung der Arten

Einleitung

Als Naturforscher an Bord der HMSBeagle fielen mir etliche Umstände hinsichtlich der Verbreitung der in Südamerika heimischen Lebewesen wie auch der geologischen Bezüge gegenwärtiger zu früheren Bewohnern jenes Kontinents ins Auge. Diese Umstände schienen mir, wie man in den letzten Kapiteln dieses Buches sehen wird, ein Licht auf den Ursprung der Arten zu werfen – jenes Rätsel aller Rätsel, wie einer unserer größten Philosophen es genannt hat. Nach meiner Rückkehr 1837 kam mir der Gedanke, dass ich in dieser Frage vielleicht vorankäme, indem ich jegliche Tatsachen, die hierfür irgendwie von Bedeutung sein könnten, geduldig sammle und durchdenke. Nach fünf Jahren Arbeit gestattete ich mir erste Vermutungen und schrieb einige kurze Bemerkungen dazu nieder; 1844 arbeitete ich diese zu einem Entwurf der Folgerungen aus, die mir da als möglich erschienen: Von jener Zeit bis zum heutigen Tage habe ich dieses Ziel beharrlich weiterverfolgt. Ich hoffe, man sieht mir den Verweis auf diese persönlichen Details nach, die ich nur erwähne, um zu zeigen, dass ich nicht übereilt zu dieser Erkenntnis gelangt bin.

Meine Arbeit ist nun (1859) nahezu beendet. Doch da es noch viele weitere Jahre dauern wird, bis ich sie ganz abgeschlossen habe, und da ich gesundheitlich keineswegs stabil bin, wurde ich gedrängt, diesen Abriss zu veröffentlichen. Veranlasst hat mich dazu ganz besonders, dass Mr. Wallace, der gegenwärtig den Malaiischen Archipel naturkundlich erforscht, zu beinahe denselben allgemeinen Schlüssen über den Ursprung der Arten gelangt ist wie ich. 1858 hat er mir eine Abhandlung darüber geschickt, verbunden mit der Bitte, sie an Sir Charles Lyell weiterzuleiten, der diese an die Linnean Society schickte, wo sie im dritten Band der Zeitschrift dieser Gesellschaft veröffentlicht wird. Sir C. Lyell und Dr. Hooker, die beide meine Arbeit kannten – Letzterer hat meinen Entwurf von 1844 gelesen –, erwiesen mir Ehre, indem sie es für angebracht hielten, gemeinsam mit Mr. Wallaces vorzüglicher Abhandlung einige kurze Auszüge aus meinen Manuskripten zu veröffentlichen.

Der hiermit vorgelegte Abriss ist zwangsläufig unvollkommen. Ich kann an dieser Stelle nicht all die Verweise und Quellen für meine diversen Behauptungen nennen und muss darauf bauen, dass die Leser meiner Sorgfalt vertrauen. Zweifellos werden sich Fehler eingeschlichen haben, allerdings hoffe ich, stets so umsichtig gewesen zu sein, ausschließlich guten Quellen zu vertrauen. Ich kann hier nur die allgemeinen Schlussfolgerungen darlegen, zu denen ich gelangt bin, dazu einige wenige veranschaulichende Fakten, die in den meisten Fällen jedoch hoffentlich genügen werden. Niemand weiß besser als ich um das Erfordernis, alle Fakten samt Belegen, auf denen meine Folgerungen gründen, im Detail zugänglich zu machen, und ich hoffe, dies in einer künftigen Arbeit tun zu können. Denn mir ist wohl bewusst, dass in diesem Buch kaum ein Thema erörtert wird, zu dem sich nicht auch Umstände heranziehen ließen, die oftmals augenscheinlich zu Schlüssen führen, die den meinen diametral entgegengesetzt sind. Zu einem sauberen Befund gelangt man nur, indem man bei jeder Frage die Tatsachen und Argumente beider Seiten vollständig darlegt und abwägt; hier ist das unmöglich.

Zu meinem großen Bedauern verwehrt mir Platzmangel das Vergnügen, die großzügige Unterstützung zu würdigen, die ich von sehr vielen, mir teils nicht persönlich bekannten Naturforschern erhielt. Dennoch darf ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, meine tiefe Dankesschuld gegenüber Dr. Hooker zu bekunden, der mir fünfzehn Jahre hindurch mit seinem großen Wissensschatz und seiner vortrefflichen Urteilskraft in jeglicher Hinsicht eine Hilfe war.

Beim Betrachten des Ursprungs der Arten ist durchaus denkbar, dass ein Naturforscher, der über die gemeinsamen Ähnlichkeiten von Lebewesen bezüglich ihrer embryologischen Verwandtschaft, räumlichen Ausbreitung, erdgeschichtlichen Abfolge und dergleichen mehr nachdenkt, zu dem Schluss gelangt, dass die Arten nicht unabhängig voneinander geschaffen wurden, sondern wie Varietäten von anderen Arten abstammen. Doch wäre ein solcher Schluss, wie wohlbegründet auch immer, so lange unbefriedigend, bis sich zeigen ließe, wie die zahllosen Arten, welche die Welt bewohnen, modifiziert wurden bis hin zu jener Vollkommenheit von Struktur und wechselseitiger Anpassung, die wir zu Recht bewundern. Naturforscher verweisen beständig auf äußere Bedingungen wie Klima, Nahrung usw. als die einzig möglichen Ursachen für Variation. In begrenztem Sinne mag dies, wie wir noch sehen werden, zutreffen, es wäre jedoch lächerlich, die Struktur etwa des Spechts, dessen Füße, Schwanz, Schnabel und Zunge sich so hervorragend zum Erbeuten von Insekten unter der Baumrinde eignen, bloß äußeren Bedingungen zuzuschreiben. Im Fall der Mistel, die ihre Nahrung ganz bestimmten Bäumen entnimmt, deren Samen von ganz bestimmten Vögeln fortgetragen werden müssen und deren getrenntgeschlechtige Blüten den Einsatz ganz bestimmter Insekten erfordern, damit der Pollen von einer Blüte zur nächsten gelangt, ist es ebenso lächerlich, die Struktur dieses Parasiten in seinen Beziehungen zu einigen speziellen Lebewesen mit der Einwirkung äußerer Bedingungen, der Gewohnheit oder dem eigenen Willen der Pflanze zu erklären.

Es ist daher von höchster Bedeutung, zu einer klaren Kenntnis der Mittel von Modifikation und wechselseitiger Anpassung zu gelangen. Zu Beginn meiner Beobachtungen erschien mir ein sorgfältiges Studium domestizierter Tiere als die beste Möglichkeit, dies dunkle Problem zu erhellen. Und ich wurde nicht enttäuscht; in diesem wie in allen anderen schwer durchschaubaren Fällen habe ich stets erkannt, dass unser wie auch immer unvollkommenes Wissen von Variation durch Domestizierung den besten und sichersten Schlüssel liefert. Ich möchte zum Ausdruck bringen, wie überzeugt ich vom großen Wert solcher Forschungen bin, auch wenn sie unter Naturforschern im Allgemeinen nicht sehr gründlich betrieben werden.

Ausgehend von diesen Überlegungen soll das erste Kapitel dieses Abrisses der Variation durch Domestizierung gewidmet sein. Dabei werden wir sehen, dass erbliche Modifikation durchaus in großem Umfang möglich ist, und auch, mindestens ebenso wichtig, wie groß die Macht des Menschen ist, mittels Selektion immer neue kleine Variationen anzusammeln. Danach widme ich mich der Variabilität von Arten im Naturzustand, wobei ich dieses Thema leider nur viel zu kurz werde behandeln können, da es sich allein durch Auflistung zahlreicher Tatsachen angemessen behandeln lässt. Immerhin können wir dann erörtern, welche Umstände für eine Variation besonders günstig sind. Im Kapitel darauf betrachten wir den Kampf ums Dasein aller Lebewesen überall auf der Welt, zwangsläufige Folge ihrer exponentiell ansteigenden Vermehrung. Es ist dies die Lehre von Malthus, übertragen auf das gesamte Tier- und Pflanzenreich. Da von jeder Art viel mehr Individuen geboren werden, als letztlich überleben können, und sich daraus ein ständiger Existenzkampf ergibt, wird folglich jedes Lebewesen, indem es sich – wie geringfügig auch immer – in nutzbringender Form von anderen unterscheidet, bessere Überlebenschancen haben und somit natürlich selektiert sein. Gemäß dem soliden Prinzip der Vererbung wird jede selektierte Varietät bestrebt sein, ihre neue, modifizierte Form fortzupflanzen.

Dies grundlegende Thema der natürlichen Selektion wird im vierten Kapitel ausführlicher behandelt, in dem wir dann auch sehen werden, wie natürliche Selektion nahezu zwangsläufig zum Aussterben unzureichend verbesserter Lebensformen führt und zu dem, was ich Merkmalsabweichung genannt habe. Im nächsten Kapitel erörtere ich die komplexen und wenig bekannten Gesetze der Variation. In den fünf Kapiteln darauf werden die offensichtlichsten und zentralsten Hindernisse bei der Akzeptanz der Theorie benannt: erstens das Problem des Übergangs, also wie ein einfaches Lebewesen oder Organ zu einem hochentwickelten Lebewesen oder komplexen Organ verändert und vervollkommnet werden kann; zweitens das Thema des Instinkts, also der Geisteskraft der Tiere; drittens die Hybridisierung, also die Unfruchtbarkeit von Arten und die Fruchtbarkeit von Varietäten bei der Kreuzung; und viertens die Unvollständigkeit der geologischen Zeugnisse. Im darauffolgenden Kapitel werde ich die geologische Abfolge der Lebewesen im Lauf der Zeit betrachten, im zwölften und dreizehnten Kapitel ihre geographische Verbreitung im Raum, im vierzehnten ihre Klassifizierung, also die verwandtschaftlichen Beziehungen im entwickelten wie im embryonalen Zustand. Im letzten Kapitel resümiere ich alles noch einmal kurz samt einiger weniger Schlussbemerkungen.

Mit Blick auf unsere tiefe Unkenntnis bei den wechselseitigen Beziehungen der zahlreichen Lebewesen um uns herum sollte es niemanden überraschen, dass hinsichtlich des Ursprungs der Arten und Varietäten noch vieles offenbleibt. Wer kann schon erklären, warum eine Art weit verbreitet und sehr zahlreich ist und eine andere, verwandte Art wenig verbreitet und selten? Und doch sind diese Beziehungen von größter Bedeutung, da sie das heutige Wohlergehen und, wie ich meine, das künftige Gedeihen und die Modifikation eines jeden Bewohners dieser Welt bestimmen. Noch weniger wissen wir über die wechselseitigen Beziehungen der zahllosen Erdenbewohner während der vielen vergangenen geologischen Zeitalter. Zwar bleibt vieles im Dunkeln und wird es noch lange bleiben, doch nach dem sorgfältigsten Studium und unbefangensten Urteil, dessen ich fähig bin, hege ich keinen Zweifel an der Irrigkeit der Ansicht, der die meisten Naturforscher noch unlängst anhingen wie vordem auch ich: dass nämlich jede Art für sich selbst erschaffen wurde. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Arten nicht unveränderlich sind, sondern dass Angehörige einer sogenannten Gattung direkte Abkömmlinge einer anderen, gemeinhin ausgestorbenen Art sind, ebenso wie die anerkannten Varietäten einer Art deren Abkömmlinge sind. Weiterhin bin ich überzeugt, dass natürliche Selektion das wichtigste, jedoch nicht das alleinige Mittel der Modifikation ist.

KAPITEL I

Variation beim Domestizieren

Ursachen der Variabilität – Auswirkungen von äußeren Bedingungen sowie des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs von Gliedmaßen; korrelierte Variation; Vererbung – Merkmale domestizierter Varietäten: Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Varietät und Art; Entstehung domestizierter Varietäten aus einer oder mehreren Arten – Rassen der Haustaube, ihre Unterschiede und ihr Ursprung – Frühere Vorgehensweisen bei der Züchtung und ihre Wirkungen – Unbewusste Selektion – Unbekannter Ursprung unserer domestizierten Formen – Umstände, die dem Menschen beim Selektieren dienlich sind

Ursachen der Variabilität

Beim Vergleich einzelner Individuen einer Varietät oder Untervarietät unserer älteren Kulturpflanzen und Nutztiere fällt als einer der ersten Punkte auf, dass sie sich im Allgemeinen mehr voneinander unterscheiden als die Individuen einer Art oder Varietät im Naturzustand. Und angesichts der riesigen Vielfalt kultivierter Pflanzen und Tiere, die zu allen Zeiten unter den verschiedensten regionalen Bedingungen und Behandlungsweisen variiert haben, gelangen wir zu dem Schluss, dass sich diese große Variabilität domestizierten Formen verdankt, gezüchtet unter Bedingungen, die im Vergleich zu denen ihrer Elternarten einst in der Natur nicht so gleichförmig wie jene und auch etwas anders waren. Einiges für sich hat auch Andrew Knights Ansicht, diese Variabilität könne teilweise mit einem Übermaß an Nahrung verbunden sein. Klar scheint, dass Lebewesen über mehrere Generationen hinweg neuen Bedingungen ausgesetzt sein müssen, um ein größeres Maß an Variationen zu entwickeln, und dass die innere Anordnung, hat sie erst einmal variiert, dies im Allgemeinen über viele Generationen hinweg fortführt. Es ist kein Fall eines veränderbaren Organismus belegt, der das Variieren einstellt, wenn man ihn kultiviert. Unsere ältesten Kulturpflanzen wie der Weizen bringen weiterhin neue Varietäten hervor, unsere ältesten domestizierten Tiere sind weiterhin zu einer raschen Verbesserung bzw. Modifikation imstande.

Soweit ich es nach langer Beschäftigung mit dem Thema beurteilen kann, wirken die Lebensbedingungen in zweierlei Weise: direkt auf die gesamte innere Anordnung oder nur auf bestimmte Gliedmaßen sowie indirekt durch Einwirkung auf den Fortpflanzungsapparat. Hinsichtlich der direkten Einwirkung müssen wir bedenken, dass es bei jedem Fall, wie unlängst Professor Weismann betont hat und wie auch ich in meiner Arbeit über Variation im Zustand der Domestikation gezeigt habe, zwei Faktoren gibt: die Beschaffenheit des Körpers und die der äußeren Bedingungen. Erstere dürfte wesentlich wichtiger sein, denn soweit sich das beurteilen lässt, entstehen zuweilen nahezu gleiche Variationen bei ungleichen Bedingungen, andererseits entstehen ungleiche Variationen bei nahezu einheitlich erscheinenden Bedingungen. Die Auswirkungen auf die Nachkommen sind entweder bestimmt oder unbestimmt. Als bestimmt können sie gelten, wenn alle oder fast alle Nachkommen eines Individuums, die über mehrere Generationen hinweg konkreten Bedingungen ausgesetzt waren, auf dieselbe Weise modifiziert sind. Es ist enorm schwierig, bezüglich des Ausmaßes der Veränderungen, die bestimmt verursacht wurden, zu einem Ergebnis zu gelangen. Dagegen besteht wenig Zweifel an vielen kleinen Veränderungen wie der Größe infolge der Nahrungsmenge, der Farbe infolge der Art der Nahrung, der Dicke von Haut und Haaren infolge des Klimas usw. Jede der unzähligen Variationen, die wir im Gefieder unserer Vögel sehen, muss eine wirksame Ursache gehabt haben, und würde dieselbe Ursache in einer langen Reihe von Generationen gleichartig auf viele Individuen einwirken, so würden vermutlich alle in derselben Weise modifiziert werden. So etwas wie die verwachsenen, ungewöhnlichen Gebilde, die unweigerlich aus der Injektion eines winzigen Tropfens Gift durch ein Galle produzierendes Insekt folgen, zeigt uns, welche eigentümlichen Modifikationen sich im Falle von Pflanzen durch eine chemische Veränderung in der Beschaffenheit des Saftes ergeben können.

Die unbestimmte Variabilität ist als Ergebnis veränderter Bedingungen weit üblicher als die bestimmte und hat bei der Herausbildung unserer domestizierten Rassen wahrscheinlich eine wichtigere Rolle gespielt. Eine unbestimmte Variabilität sehen wir in den zahllosen Feinheiten, in denen sich die Individuen einer Art unterscheiden und die nicht der Vererbung von einem Vorfahr oder einem ferneren Vorläufer zugeschrieben werden können. Zuweilen treten bei den Jungen eines Wurfes wie bei den Sämlingen einer Samenkapsel sogar stark ausgeprägte Unterschiede auf. Über lange Zeiträume hinweg entstehen unter Millionen Individuen, die in derselben Gegend aufwuchsen und nahezu dieselbe Nahrung bekamen, derart stark ausgeprägte Abweichungen, dass sie schon Missgeburten genannt werden können; Missgeburten jedoch können nicht sauber von kleineren Variationen unterschieden werden. Alle derartigen Veränderungen der Struktur bei vielen zusammenlebenden Individuen, seien sie extrem gering oder stark ausgeprägt, können als die unbestimmten Auswirkungen der Lebensbedingungen auf die Struktur eines Individuums nahezu auf dieselbe Weise betrachtet werden, wie leichtes Frieren auf Menschen je nach körperlicher Verfassung in nicht festgelegter Weise einwirkt und Husten oder Schnupfen, Rheuma oder Entzündungen diverser Organe hervorrufen kann.

Hinsichtlich dessen, was ich die indirekte Wirkung veränderter Bedingungen genannt habe, nämlich wenn der Fortpflanzungsapparat betroffen ist, können wir folgern, dass dadurch eine Variabilität ausgelöst wird, teils weil dieses System außerordentlich empfindlich auf jede Veränderung der Bedingungen reagiert, teils auch durch die von Kölreuter und anderen beobachtete Ähnlichkeit zwischen der Variabilität, die sich aus der Kreuzung eigenständiger Arten ergibt, und jener, die man bei Pflanzen und Tieren beobachten kann, wenn sie unter neuen oder unnatürlichen Bedingungen gezüchtet werden. Viele Umstände zeigen deutlich, wie ungeheuer empfindlich der Fortpflanzungsapparat schon bei sehr kleinen Veränderungen der äußeren Bedingungen reagiert. Nichts ist einfacher, als ein Tier zu zähmen, und weniges schwieriger, als es dazu zu bewegen, sich in Gefangenschaft frei zu vermehren, selbst wenn Männchen und Weibchen sich paaren. Wie viele Tiere gibt es doch, die sich, selbst wenn sie in einem nahezu freien Zustand in ihrer Heimat gehalten werden, nicht vermehren wollen! Dies wird gemeinhin, wenn auch irrtümlich, beeinträchtigten Instinkten zugeschrieben. Viele Kulturpflanzen strotzen vor Wachstumskraft und bilden doch kaum oder nie Samen aus. In seltenen Fällen wurde entdeckt, dass eine sehr geringfügige Veränderung wie etwas mehr oder weniger Wasser in einer bestimmten Wachstumsphase darüber entscheidet, ob eine Pflanze Samen trägt oder nicht. Ich kann hier nicht weiter auf die von mir gesammelten und an anderer Stelle veröffentlichten Einzelheiten zu diesem merkwürdigen Thema eingehen; um die Eigentümlichkeit der Gesetze darzulegen, welche die Fortpflanzung von Tieren in Gefangenschaft bestimmen, möchte ich jedoch erwähnen, dass sich fleischfressende Tiere, selbst aus den Tropen, bei uns in Gefangenschaft recht frei vermehren, ausgenommen die Sohlengänger bzw. die Bärenfamilie, die nur selten Junge haben, während fleischfressende Vögel mit ganz wenigen Ausnahmen kaum je fruchtbare Eier legen. Viele exotische Pflanzen wie die unfruchtbarsten Hybriden haben einen vollkommen wertlosen Pollen. Wenn wir einerseits sehen, wie domestizierte Tiere und Pflanzen, obwohl häufig schwach und krank, sich in Gefangenschaft frei vermehren, und andererseits Individuen, die schon jung und vollkommen gezähmt aus dem Naturzustand genommen wurden, lange und gesund leben (wofür ich zahlreiche Beispiele nennen könnte) und wie deren Fortpflanzungsapparat dennoch aus unbekannten Ursachen so stark beeinträchtigt ist, dass er nicht mehr wirkt, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass dieser Apparat, wenn er in Gefangenschaft doch noch wirkt, dies unregelmäßig tut und Nachkommen hervorbringt, die etwas anders sind als die Eltern. Ich darf hinzufügen, dass manche Organismen sich unter ganz unnatürlichen Bedingungen frei vermehren (etwa in Verschlägen gehaltene Kaninchen und Frettchen) und damit zeigen, dass ihre Fortpflanzungsorgane nicht so leicht betroffen sind, weshalb manche Tiere und Pflanzen auch der Domestizierung oder Kultivierung widerstehen und nur sehr leicht variieren, vielleicht kaum mehr als im Naturzustand.

Einige Naturforscher sind der Ansicht, dass alle Variationen mit dem Akt der geschlechtlichen Fortpflanzung verbunden sind, doch das ist gewiss ein Irrtum, denn ich habe in einer anderen Arbeit eine lange Liste von »Sports«, wie der Gärtner sie nennt, aufgeführt, das heißt Pflanzen, die plötzlich eine einzelne Knospe mit neuen und von den anderen Knospen an der Pflanze teils sehr verschiedenen Merkmalen ausgebildet haben. Diese Knospenvarianten, wie sie sich nennen ließen, können durch Pfropfen, Ableger usw. und gelegentlich auch durch Samen vermehrt werden. In der Natur treten sie selten auf, kultiviert dagegen recht häufig. Daran, dass unter Tausenden Knospen, die Jahr für Jahr am selben Baum bei gleichbleibenden Bedingungen wachsen, einzelne Exemplare plötzlich neue Merkmale hervorbringen und wiederum Knospen an Bäumen, die unter verschiedenen Bedingungen wachsen, manchmal nahezu dieselbe Varietät ergeben – etwa Knospen an Pfirsichbäumen, die Nektarinen hervorbringen, und Knospen an gemeinen Rosen, die Portulakröschen treiben –, sehen wir deutlich, dass die äußeren Bedingungen bei der Ausprägung einer Variante weniger von Bedeutung sind als die Beschaffenheit des Organismus – vielleicht nicht mehr als der Funken, durch den eine Masse brennbaren Materials entzündet wird, für die Beschaffenheit der Flammen.

Auswirkungen von äußeren Bedingungen sowie des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs von Gliedmaßen; korrelierte Variation; Vererbung

Veränderte äußere Bedingungen erzeugen eine vererbliche Wirkung, so etwa bei Pflanzen, die in der Blütezeit von einem Klima in ein anderes versetzt werden. Bei Tieren hat der vermehrte Gebrauch oder Nichtgebrauch von Gliedmaßen einen deutlicheren Einfluss, weshalb ich sehe, dass im Verhältnis zum Gesamtskelett bei der Hausente die Flügelknochen weniger wiegen und die der Beine mehr als die gleichen Knochen der Wildente. Dieser Wandel liegt mit Sicherheit daran, dass die Hausente weniger fliegt und mehr läuft als ihre wilden Vorläufer. Die große, ererbte Entwicklung des Euters von Kühen und Ziegen in Ländern, wo man sie regelmäßig melkt, ist wohl ein weiteres Beispiel für die Wirkung des Gebrauchs. Wir können kein einziges von uns domestiziertes Tier nennen, das nicht in irgendeinem anderen Land Hängeohren hat; es spricht einiges für die vorgebrachte Ansicht, das Herabhängen sei auf den Nichtgebrauch der Ohrmuskeln zurückzuführen, da die Tiere nur selten sehr aufgeschreckt werden.

Viele Gesetze regeln die Variation, von denen einige wenige sich vage erkennen lassen und hiernach kurz erörtert werden. Im Moment möchte ich lediglich auf etwas hinweisen, das man korrelierte Variation nennen könnte. Wesentliche Änderungen am Embryo oder an der Larve ziehen vermutlich Änderungen beim ausgewachsenen Tier nach sich. Bei Missgeburten fallen Übereinstimmungen zwischen ganz verschiedenen Gliedmaßen besonders auf; viele Beispiele dafür finden sich in Isidore Geoffroy Saint-Hilaires großartiger Arbeit zu diesem Thema. Züchter glauben, dass lange Gliedmaßen fast stets mit einem länglichen Kopf einhergehen. Manche Fälle von Korrelation sind recht sonderbar: So sind vollkommen weiße Katzen mit blauen Augen im Allgemeinen taub, wobei Mr. Tait kürzlich erklärt hat, dies beschränke sich auf die Männchen. Farbe und körperliche Ausprägungen fallen gemeinhin zusammen, wofür sich viele bemerkenswerte Fälle bei Tieren und Pflanzen anführen ließen. Von Heusinger gesammelte Beobachtungen legen nahe, dass weiße Schafe und Schweine von bestimmten Pflanzen geschädigt werden, während dunkle Individuen dem entgehen: Professor Wyman hat mir unlängst etwas übermittelt, das dies gut veranschaulicht; auf die Frage, wie es komme, dass ihre Schweine alle schwarz seien, erfuhr er von Bauern in Virginia, dass die Schweine Farbwurz (Lachnanthes) fräßen, die ihre Knochen rosa färbe und wovon bei allen außer den schwarzen Varietäten die Hufe abfielen, und einer der »cracker« (d.h. Siedler Virginias) fügte hinzu: »Wir wählen die schwarzen eines Wurfs zum Züchten aus, weil nur sie eine gute Überlebenschance haben.« Unbehaarte Hunde haben fehlerhafte Zähne; langhaarige und rauhaarige Tiere neigen angeblich zu langen oder vielen Hörnern; Tauben mit gefiederten Füßen haben Haut zwischen den äußeren Zehen; Tauben mit kurzem Schnabel haben kleine Füße und große die mit einem langen Schnabel. Wenn der Mensch daher weiter selektiert und mithin ein Merkmal verstärkt, modifiziert er aufgrund der rätselhaften Gesetze der Korrelation fast sicher auch unabsichtlich andere Teile der Struktur.

Die Folgen der vielen unbekannten oder nur vage verstandenen Gesetze der Variation sind unendlich komplex und vielfältig. Es lohnt sich daher, die diversen Abhandlungen über einige alte Kulturpflanzen wie die Hyazinthe, die Kartoffel, selbst die Dahlie usw. sorgfältig zu studieren, wobei die zahllosen Details in der Struktur und Konstitution, durch welche die Varietäten und Untervarietäten sich leicht voneinander unterscheiden, wahrhaft überraschen. Offensichtlich ist der gesamte Aufbau formbar geworden und weicht geringfügig von jener des Elterntypus ab.

Jede nicht ererbte Variation ist unwichtig für uns. Doch erbliche Abweichungen in der Struktur von geringer wie erheblicher physiologischer Bedeutung sind in Anzahl und Vielfalt endlos. Dr. Prosper Lucas’ Abhandlung in zwei großen Bänden ist die umfassendste und beste dazu. Kein Züchter bezweifelt, wie stark die Neigung zur Vererbung ist; seine grundlegende Überzeugung ist, dass Gleiches Gleiches hervorbringt. Zweifel an diesem Prinzip äußern nur Theoretiker. Tritt eine Abweichung in der Struktur häufig auf und beobachten wir sie bei Vater und Kind, so wissen wir nicht, ob sie bei beiden dieselbe Ursache hat. Tritt jedoch bei sichtlich denselben Bedingungen ausgesetzten Individuen eine sehr seltene Abweichung aufgrund einer außergewöhnlichen Kombination von Umständen beim Vater auf – etwa einmal unter mehreren Millionen Individuen – und auch wieder beim Kind, dann zwingt uns schon fast allein die Wahrscheinlichkeitslehre, ihr Wiederauftauchen der Vererbung zuzuschreiben. Gewiss hat jeder schon von Fällen von Albinismus, schuppiger Haut, starker Körperbehaarung usw. gehört, die bei mehreren Angehörigen derselben Familie auftreten. Sollten eigenartige und seltene Abweichungen in der Struktur tatsächlich ererbt sein, so dürfen weniger eigenartige und gängigere Abweichungen durchaus auch als erblich gelten. Vielleicht wäre die korrekte Sicht auf das ganze Thema die, die Vererbung jedes beliebigen Merkmals als die Regel und Nichtvererbung als Abweichung zu betrachten.

Die Gesetze, welche die Vererbung regeln, sind ganz überwiegend unbekannt. Niemand vermag zu sagen, warum eine Eigenheit bei verschiedenen Individuen derselben Art oder verschiedener Arten mal vererbt wird und mal nicht, warum das Kind bei bestimmten Merkmalen auf den Großvater, die Großmutter oder einen noch weiter entfernten Vorfahren zurückschlägt, warum eine Eigenheit oftmals von einem Geschlecht auf beide Geschlechter oder nur auf eines übertragen wird, zumeist, aber nicht ausschließlich auf dasselbe. Es ist für uns von einiger Bedeutung, dass Merkmale der Männchen domestizierter Rassen häufig ausschließlich oder viel umfänglicher nur an die Männchen weitergegeben werden. Eine noch weit wichtigere und, wie ich finde, durchaus gesicherte Regel ist, dass eine Eigenheit, die in einem bestimmten Lebensabschnitt auftaucht, sich bei den Nachkommen tendenziell ebenfalls im entsprechenden Alter zeigt, zuweilen aber auch früher. In vielen Fällen kann dies gar nicht anders sein; die ererbten Eigenheiten bei den Hörnern von Rindern können bei den Nachkommen erst kurz bevor sie ausgewachsen sind erscheinen. Eigenheiten bei der Seidenraupe treten, wie man weiß, entsprechend im Raupen- oder Kokonstadium auf. Erbkrankheiten jedoch und manch andere Umstände führen mich zu der Ansicht, dass die Regel weiter ausgreift und dass sie, wenn kein offensichtlicher Grund dafür vorliegt, warum eine Eigenheit zu einem bestimmten Zeitpunkt auftaucht, bei den Nachkommen eben doch häufig zur selben Zeit auftaucht, zu der sie auch beim Elternteil erschienen ist. Für mich ist diese Regel von größter Bedeutung für die Erklärung der Gesetze der Embryologie. Diese Bemerkungen beschränken sich natürlich auf das erste Erscheinen der Eigenheit und gelten nicht für die Primärursache, die auf die Eizellen oder das männliche Element eingewirkt haben könnte, und zwar in nahezu der gleichen Weise, wie die größere Länge der Hörner bei den Nachkommen einer Kuh mit kurzen Hörnern von einem langhornigen Bullen, auch wenn sie sich erst später im Leben zeigt, eindeutig auf das männliche Element zurückzuführen ist.

Da ich das Thema des Rückschlags bereits angedeutet habe, möchte ich hier auf eine von Naturforschern häufig vorgetragene Aussage zu sprechen kommen: dass unsere domestizierten Varietäten, wenn sie verwildern, in ihren Merkmalen sehr allmählich, aber ausnahmslos zum Urtypus zurückkehren. Daraus wurde abgeleitet, es könnten keine Rückschlüsse von Hausrassen auf Arten im Naturzustand gezogen werden. Ich habe mich vergeblich darum bemüht herauszufinden, welche maßgeblichen Tatsachen dieser so häufig und so nachdrücklich getroffenen Aussage zugrunde liegen. Ihre Wahrheit dürfte sehr schwer zu beweisen sein: Wir können sicher davon ausgehen, dass sehr viele der besonders ausgeprägten domestizierten Varietäten unmöglich wild überleben könnten. In vielen Fällen wissen wir gar nicht, was der Urtypus war, und können daher auch nicht sagen, ob eine nahezu vollkommene Rückkehr überhaupt erfolgt war. Um die Auswirkungen einer Kreuzung zu verhindern, würde es genügen, dass nur eine einzige Varietät in ihr neues Zuhause entlassen wurde. Da unsere Varietäten in einigen Merkmalen gelegentlich durchaus auf Urformen zurückschlagen, halte ich es gleichwohl nicht für unwahrscheinlich, dass sie weitgehend oder sogar ganz zu ihrem wilden Urtypus zurückkehrten, etwa wenn es uns gelänge, die verschiedenen Kohlarten heimisch zu machen oder wir sie über viele Generationen hinweg in sehr schlechter Erde anbauen würden (wobei allerdings manche Wirkungen sehr deutlich auf den Einfluss der schlechten Erde zurückzuführen wären). Ob das Experiment erfolgreich wäre oder nicht, ist für unsere Argumentation nur von geringer Bedeutung, da schon durch das Experiment selbst die Lebensbedingungen verändert werden. Ließe sich zeigen, dass unsere domestizierten Varietäten stark zum Rückschlag neigen – das heißt, dass sie unter Beibehaltung derselben Bedingungen und in beträchtlicher Menge gehalten ihre erworbenen Merkmale verlieren, sodass ungehindertes Kreuzen alle geringen Abweichungen in der Struktur durch Vermischung aufhalten könnte –, dann würde ich zugestehen, dass wir hinsichtlich der Art nichts aus domestizierten Varietäten ableiten können. Doch für diese Ansicht gibt es nicht den Hauch eines Beweises: Zu behaupten, wir könnten unsere Zug- und Rennpferde, unser lang- und kurzhorniges Rind, Geflügel verschiedener Rassen und das essbare Gemüse nicht über eine unbegrenzte Zahl von Generationen hinweg fortpflanzen, würde jeder Erfahrung widersprechen.

Merkmale domestizierter Varietäten: Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Varietät und Art; Entstehung domestizierter Varietäten aus einer oder mehreren Arten

Betrachten wir die erblichen Varietäten oder Rassen unserer domestizierten Tiere und Pflanzen und vergleichen sie mit nahe verwandten Arten, so stellen wir, wie schon bemerkt, allgemein bei jeder domestizierten Rasse eine geringere Einheitlichkeit der Merkmale fest als bei reinrassigen Arten. Domestizierte Rassen haben häufig sozusagen missgestaltete Merkmale, womit ich meine, dass sie, auch wenn sie sich voneinander und von anderen Arten derselben Gattung verschiedentlich leicht unterscheiden, dies häufig in hohem Maß in einem bestimmten Punkt tun, zumal verglichen mit derjenigen Art in der Natur, mit der sie am nächsten verwandt sind. Abgesehen von diesen Ausnahmen (und von jener der vollkommenen Fruchtbarkeit der Varietäten bei einer Kreuzung – ein Thema, das später noch erörtert werden soll), unterscheiden sich domestizierte Rassen einer Art genauso voneinander wie die eng verwandten Arten einer Gattung im Naturzustand, nur sind die Unterschiede in den meisten Fällen geringer. Dies muss man als wahr anerkennen, werden die domestizierten Rassen vieler Tiere und Pflanzen doch von manchen Fachleuten als Nachkommen ursprünglich eigenständiger Arten eingestuft, von anderen lediglich als Varietäten. Gäbe es denn eine klar ausgeprägte Abgrenzung zwischen einer domestizierten Rasse und einer Art, dann würde diese Quelle des Zweifels nicht immer wieder auftreten. Oft wird behauptet, domestizierte Rassen würden sich nicht in gattungsprägenden Merkmalen voneinander unterscheiden. Man kann zeigen, dass diese Aussage nicht korrekt ist, doch Naturforscher sind bei der Bestimmung dessen, welche Merkmale von gattungsprägendem Wert sind, oft verschiedener Ansicht, da alle derartigen Bewertungen momentan noch empirisch sind. Sobald geklärt ist, wie Arten in der Natur entstehen, wird man sehen, dass wir nicht annehmen dürfen, bei domestizierten Rassen ein größeres Maß an vererbbaren Unterschieden vorzufinden.

Beim Versuch, das Maß an Unterschieden in der Struktur zwischen verwandten domestizierten Rassen abzuschätzen, kommen uns bald Zweifel, da wir nicht wissen, ob sie von einer oder mehreren Elternarten abstammen. Dieser Punkt wäre, könnte er geklärt werden, interessant, denn ließe sich etwa zeigen, dass Windhund, Schweißhund, Terrier, Spaniel und Bulldogge, die sich bekanntlich allesamt reinrassig fortpflanzen, die Nachkommen einer einzigen Art sind, kämen uns starke Zweifel an der Unveränderbarkeit der vielen eng verwandten natürlichen Arten – etwa der vielen Füchse –, die in ganz verschiedenen Teilen der Welt heimisch sind. Wie wir bald sehen werden, glaube ich nicht, dass sämtliche Unterschiede zwischen den diversen Hunderassen durch Domestizierung erzeugt wurden, vielmehr ist ein kleiner Teil der Unterschiede darauf zurückzuführen, dass sie von eigenständigen Arten abstammen. Im Fall stark ausgeprägter Rassen einer anderen domestizierten Art bestehen Indizien oder gar starke Hinweise darauf, dass alle von einem wilden Urtypus abstammen.

Man hat häufig vermutet, der Mensch habe zur Domestizierung Tiere und Pflanzen mit besonders ausgeprägter Neigung zur Variation ausgewählt, die zudem den Bedingungen unterschiedlicher Großlebensräume standhalten. Ich bestreite nicht, dass diese Eigenschaften sehr zum Wert der meisten domestizierten Hervorbringungen beigetragen haben, doch wie konnte ein Wilder, als er das erste Tier zähmte, denn wissen, ob es in nachfolgenden Generationen variiert und andere Lebensräume verträgt? Haben die geringe Variabilität von Esel und Gans oder die geringe Widerstandskraft des Rentiers gegen Wärme oder des Kamels gegen Kälte ihre Domestizierung verhindert? Ich zweifle nicht daran, dass andere Tiere und Pflanzen in gleicher Anzahl wie unsere domestizierten und aus ebenso verschiedenen Klassen und Regionen, würden sie aus dem Naturzustand geholt, um sich über eine gleiche Anzahl von Generationen unter Bedingungen der Domestizierung zu vermehren, im Durchschnitt ebenso stark variieren würden, wie es die Elternarten unserer bestehenden domestizierten Hervorbringungen getan haben.