Der Vaterschaftstest - Nina Kayser-Darius - E-Book

Der Vaterschaftstest E-Book

Nina Kayser-Darius

0,0

Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich. »Du tätest uns einen großen Gefallen, Adrian«, sagte Thomas Laufenberg, der Verwaltungsdirektor der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg. »Ich weiß, daß du so etwas nicht gern machst, aber wir könnten ein bißchen Werbung in eigener Sache im Augenblick gut gebrauchen. Du weißt, wie es um unsere Finanzen steht.»Ja«, seufzte Dr. Adrian Winter, »besser als ich weiß das vermutlich niemand.« Er leitete seit Jahren die Notaufnahme der Klinik, die wegen der Geldknappheit unter chronischem Personalmangel litt, obwohl Thomas Adrians Arbeit sehr unterstützte, seit er Verwaltungsdirektor geworden war. »Aber ein Interview fürs Fernsehen – also, ehrlich, Tom, ich weiß nicht, ob das wirklich so viel bringen würde. Wahrscheinlich wäre ich sehr nervös, würde stottern und stammeln – und das wäre dann bestimmt keine Werbung für unser Haus.Thomas betrachtete ihn lä­chelnd. Sie waren Freunde geworden – und wenn Adrians Zwillingsschwester Esther sich endlich auf einen Hochzeitstermin festlegte, würde Thomas in absehbarer Zeit auch noch Adrians Schwager werden. »Du redest dummes Zeug«, sagte er freundlich. »Du wirst überhaupt nicht stottern, und das weißt du auch. Angela Orloff ist das, was man eine Star-Journalistin nennt. Alle ihre Filme sind mit Preisen ausgezeichnet worden – und wenn sie jetzt einen über die Notfallmedizin in Deutschland drehen will, dann darf ein Interview mit dir nicht fehlen. So einfach ist das.Adrian nickte trübsinnig. »Du hast ja recht, aber es paßt mir trotzdem nicht. Mich macht allein die Vorstellung nervös, vor einer Kamera zu sitzen und wohlgeformte Sätze zu bilden. Trotzdem mache ich es natürlich.Thomas atmete erleichtert auf.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 117

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kurfürstenklinik – 78–

Der Vaterschaftstest

Eine enttäuschte Frau droht die Karriere des Chefarztes zu vernichten

Nina Kayser-Darius

»Du tätest uns einen großen Gefallen, Adrian«, sagte Thomas Laufenberg, der Verwaltungsdirektor der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg. »Ich weiß, daß du so etwas nicht gern machst, aber wir könnten ein bißchen Werbung in eigener Sache im Augenblick gut gebrauchen. Du weißt, wie es um unsere Finanzen steht.«

»Ja«, seufzte Dr. Adrian Winter, »besser als ich weiß das vermutlich niemand.« Er leitete seit Jahren die Notaufnahme der Klinik, die wegen der Geldknappheit unter chronischem Personalmangel litt, obwohl Thomas Adrians Arbeit sehr unterstützte, seit er Verwaltungsdirektor geworden war. »Aber ein Interview fürs Fernsehen – also, ehrlich, Tom, ich weiß nicht, ob das wirklich so viel bringen würde. Wahrscheinlich wäre ich sehr nervös, würde stottern und stammeln – und das wäre dann bestimmt keine Werbung für unser Haus.«

Thomas betrachtete ihn lä­chelnd. Sie waren Freunde geworden – und wenn Adrians Zwillingsschwester Esther sich endlich auf einen Hochzeitstermin festlegte, würde Thomas in absehbarer Zeit auch noch Adrians Schwager werden. »Du redest dummes Zeug«, sagte er freundlich. »Du wirst überhaupt nicht stottern, und das weißt du auch. Angela Orloff ist das, was man eine Star-Journalistin nennt. Alle ihre Filme sind mit Preisen ausgezeichnet worden – und wenn sie jetzt einen über die Notfallmedizin in Deutschland drehen will, dann darf ein Interview mit dir nicht fehlen. So einfach ist das.«

Adrian nickte trübsinnig. »Du hast ja recht, aber es paßt mir trotzdem nicht. Mich macht allein die Vorstellung nervös, vor einer Kamera zu sitzen und wohlgeformte Sätze zu bilden. Trotzdem mache ich es natürlich.«

Thomas atmete erleichtert auf. »Da bin ich aber froh, einen Moment lang habe ich wirklich befürchtet, du weigerst dich.«

»Das kann ich ja wohl kaum tun. Wann soll das Ganze denn stattfinden?«

»Na ja«, meinte Thomas verlegen, »das kommt jetzt vielleicht ein bißchen überraschend für dich…« Er stockte kurz und sagte dann entschlossen: »Morgen schon.«

»Wie bitte?«, rief Adrian aus. »So schnell? Aber das ist doch völlig unmöglich, die müssen das doch richtig planen, und ich…« Er unterbrach sich, als er Thomas’ Gesicht sah und fragte mißtrauisch: »Sag’ einmal, wie lange weißt du denn schon von diesem Vorhaben?«

»Schon eine ganze Weile«, gestand Thomas, »aber ich hielt es für besser, dich zu überraschen. Sieh es doch einmal so: Du hättest nur länger Zeit gehabt, dich aufzuregen! Von daher ist es doch eigentlich so am besten, oder?«

Adrian schwankte zwischen Ärger und Belustigung – schließlich siegte sein Humor, und er fing an zu lachen. »Wahrscheinlich hast du recht«, gab er zu. »Ich hätte mir sonst jede Menge Gedanken gemacht und mich wahrscheinlich auch noch richtig vorbereitet – nur, um dann festzustellen, daß die Journalistin sich für ganz andere Dinge interessiert, als ich angenommen habe. Morgen also. Wann?«

»Um elf Uhr – am liebsten irgendwo in der Notaufnahme, falls das möglich ist. Frau Orloff sprach von ›authentischer Atmosphäre‹. Sie ist übrigens eine interessante Frau. Sehr attraktiv, sehr klug.«

»Laß das nicht meine Schwester hören, Tom!«

»Oh, keine Sorge, ihr gegenüber habe ich mich genauso geäußert. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr, das solltest du eigentlich wissen.«

»Eine Frage mußt du mir aber doch noch beantworten, Tom!« Adrian beugte sich vor und sah seinem Freund direkt in die Augen. »Was hättest du gemacht, wenn ich abgelehnt hätte?«

»Dann hätte ich Frau Orloff jetzt angerufen und ihr mit dem Ausdruck größten Bedauerns gesagt, daß aus dem Interview leider doch nichts werden kann, weil deine vielfältigen Aufgaben es dir nicht erlauben, deine Zeit dafür zu opfern. Übrigens wird sie ein wenig früher kommen, um ein kurzes Vorgespräch mit dir zu führen, während ihr Team aufbaut.«

»Aufbaut?« fragte Adrian verwirrt. »Was bauen sie denn auf?«

»Licht und Ton«, antwortete Thomas. Als er Adrians erstaunten Blick sah, fügte er hinzu: »Ich habe ihr die gleiche Frage gestellt, deshalb weiß ich das.«

Adrian erhob sich. Das Gespräch hatte in Thomas Laufenbergs Büro stattgefunden. »Gut, dann gehe ich jetzt einmal zurück an die Arbeit und sage Julia und Bernd Bescheid, daß sie morgen eine Weile auf mich verzichten müssen. Ich hoffe, das Ganze dauert nicht allzu lange.«

Die Internistin Dr. Julia Martensen und der Chirurg Dr. Bernd Schäfer waren Adrians liebste Kollegen. Mit ihnen arbeitete er seit Jahren gut zusammen.

»Sicher nicht. Aber eine Stunde würde ich an deiner Stelle einplanen.«

»Dafür bist du mir bei Gelegenheit einen Gefallen schuldig«, sagte Adrian und lächelte unschuldig. »Du kannst schon einmal anfangen, dir Gedanken darüber zu machen – und glaub’ ja nicht, daß du allzu leicht davonkommst!« Bevor Thomas antworten konnte, hatte er das Büro bereits verlassen und die Tür hinter sich geschlossen.

Während er den Flur entlangeilte, sah er auf die Uhr und erschrak: Er hatte sich länger aufgehalten als geplant. Aber bis jetzt war es ein recht ruhiger Tag gewesen, in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik ging es sonst viel hektischer zu.

Als er dort ankam, warf er zuerst einen Blick ins Wartezimmer. Glück gehabt, dachte er, als er lediglich zwei Patienten sah. Offenbar war es auch während seiner Abwesenheit ruhig geblieben.

*

»Na, endlich!« sagte Angela Orloff triumphierend, als sie ihr Telefongespräch beendet hatte. »Die haben sich aber wirklich geziert mit ihrer Zusage!«

»Wer denn?« fragte ihre jüngere Schwester Vera, die bei dem Sender, für den Angela arbeitete, gerade als Praktikantin angefangen hatte. Tatsächlich spielte sie für ihre prominente ältere Schwester das Mädchen für alles, doch das störte sie nicht. Vera war erst einundzwanzig, sie hatte sich noch nicht für einen Beruf entscheiden können, da sie vielseitig interessiert war und keine Lust hatte, sich bereits festzulegen. Als »Assistentin« ihrer Schwester konnte sie sicherlich viel lernen. Es war Angela, die Vera »meine Assistentin« nannte, wenn sie gegenüber Dritten von ihr sprach, und das gefiel Vera. Sie fühlte sich sogar ein wenig geschmeichelt. Angela war schließlich nicht irgendwer, im Sender hatte sie eine völlig unangefochtene Machtposition.

Die Schwestern sahen einander sehr ähnlich, Vera war eine jüngere Ausgabe von Angela: Vor allem die schönen, grünlich schimmernden Augen der beiden jungen Frauen fielen auf. Die dunklen Haare trugen sie beide lang, allerdings band sich Vera öfter einen unkomplizierten Pferdeschwanz, während Angela strengere Hochsteckfrisuren bevorzugte oder ihre Haare offen trug.

Sie waren beide attraktiv, aber Angela war sich dieser Attraktivität bewußt und setzte sie ein, während Vera kaum zu ahnen schien, wie sie auf das andere Geschlecht wirkte.

»Na, die von der Kurfürsten-Klinik in Berlin«, antwortete Angela jetzt auf Veras Frage. Ihre Stimme hatte einen ungeduldigen Unterton, so, als habe Vera instinktiv wissen müssen, von wem sie gerade sprach. »Jetzt endlich steht der Interviewtermin mit diesem Dr. Winter fest, morgen früh drehen wir in seiner Notaufnahme.«

»Unser Programm für Berlin ist ganz schön voll«, sagte Vera besorgt.

»Klar, aber das schaffen wir schon. Ohne ein Interview mit Dr. Adrian Winter kann ich den ganzen Film vergessen. Er ist der berühmteste Notfallmediziner dieses Landes, Vera.« Jetzt strahlte Angela, der kleine Anfall von Unmut war bereits vergessen. Sie strahlte immer, wenn sie ihren Willen wieder einmal durchgesetzt hatte. Sie liebte es, wenn alles so lief, wie sie wollte. »Und außerdem kann ich endlich einmal wieder ein paar Nächte im King’s Palace in Berlin verbringen. Es ist das beste Hotel weit und breit, das kann ich dir sagen. Du wirst dir vorkommen wie eine Prinzessin.«

Vera schluckte. Angela hatte beim Sender durchgesetzt, daß ihre jüngere Schwester ebenfalls ein Zimmer in dem Luxushotel beziehen konnte, in dem Angela selbstverständlich wohnen würde. Praktikanten wurden natürlich normalerweise viel bescheidener untergebracht. Aber Angela Orloffs Wunsch war den Verantwortlichen Befehl gewesen – niemandem war daran gelegen, es sich mit ihr zu verscherzen. Ihre Filme brachten immer hohe Einschaltquoten, und so bemühte man sich, ihr ihre Wünsche zu erfüllen, wenn sich das irgendwie machen ließ.

»Die anderen wohnen doch auch nicht da«, sagte Vera. Sie hatte diesen Punkt bereits mehrmals mit Angela besprechen wollen, doch ihre Schwester hatte jede Diskussion darüber schnell unterbunden. Sie konnte sehr herrisch und bestimmend werden, und Vera ließ sich noch immer leicht einschüchtern von ihr. Angela war immerhin sieben Jahre älter als sie, und sie war eine prominente Persönlichkeit. »Mir ist es peinlich, daß ich als Praktikantin in einem Luxushotel wohnen darf, Angie!«

Sie nannte ihre Schwester nur noch selten mit diesem Namen aus ihrer Kinderzeit – zur heutigen Angela Orloff, die eine knallharte Medienfrau geworden war, wollte der zärtliche Kosename nicht mehr so recht passen.

»Fang nicht schon wieder damit an!« fauchte Angela gereizt. »Es geht darum, daß ich dich zu jeder Zeit brauche, verstehst du? Das hat nichts mit Vorzugsbehandlung zu tun – du wirst schon noch sehen, daß du sehr hart dafür arbeiten mußt, daß du in diesem Hotel wohnen darfst. Mir fallen manchmal mitten in der Nacht irgendwelche Sachen ein, und dann werde ich dich wecken, verlaß dich darauf. Du wirst so viel arbeiten müssen, daß du am Ende der Dreharbeiten umfällst vor Müdigkeit, das garantiere ich dir. Schließlich bist du noch nie mit einem Team beim Drehen unterwegs gewesen, du weißt überhaupt nicht, wie es da zugeht. Warte es einfach ab und hör’ endlich auf, von diesem Hotel zu reden.«

Mit energischem Schwung drehte sich Angela wieder um und griff erneut zum Telefon. Während sie wählte, kommandierte sie: »Sag’ den anderen Bescheid, daß wir in einer Stunde starten. Los, mach schon!«

Vera nickte und verließ das Zimmer. Sie fragte sich, ob das Leben, das ihre Schwester führte, ihr selbst gefallen könnte. Vermutlich nicht. Diese ständige Hektik ging ihr bereits jetzt auf die Nerven, dabei war sie erst seit einigen Wochen im Sender. Hier schienen es alle immer eilig zu haben – Angela war in der Hinsicht keine Ausnahme. Nun ja, dafür war so ein Praktikum ja schließlich gedacht, daß man herausfand, ob einem die Arbeit lag oder nicht. Für ein abschließendes Urteil war es natürlich noch zu früh, sie mußte erst einmal die kommenden Dreharbeiten abwarten. Immerhin war es denkbar, daß sie ihre Meinung während dieser Zeit änderte.

Sie fand den Kameramann, mit dem ihre Schwester all ihre Filme drehte, erst nach längerem Suchen. Er war gerade dabei, die gesamte Ausrüstung zusammenzustellen. »In einer Stunde starten wir«, sagte Vera schüchtern. »Das soll ich Ihnen von Angela ausrichten.«

Joschka Holm grinste gutmütig. Er war ein stämmiger Mann unbestimmten Alters – Vera schätzte ihn auf Mitte Vierzig. Seine braunen Augen in dem verwitterten Gesicht blickten freundlich, seine dunklen Haare waren bereits stark gelichtet. Er trug einen sehr kurz geschnittenen Bart, der ihm gut stand. »Hier duzen sich alle, Mädchen«, brummte er. »Du weißt ja, wie ich heiße, und ich weiß, wie du heißt. Und außerdem werden wir in den kommenden Wochen Tag und Nacht zusammen verbringen…«

Er zwinkerte ihr zu, und sie wurde rot. Das war auch so etwas, womit sie Schwierigkeiten hatte: Diese ständigen anzüglichen Reden! Sie war leicht in Verlegenheit zu bringen, und das hatten die Männer natürlich längst herausgefunden. In ihrer Gegenwart machten sie sich einen Spaß daraus, unanständige Witze zu erzählen, nur um sich dann darüber zu amüsieren, daß sie tatsächlich errötete und den Blick abwandte.

»Kann ich noch irgend etwas helfen?« fragte Vera, in dem Bemühen, sich nicht anmerken zu lassen, daß ihr auf seine Bemerkung keine flapsige Antwort einfiel.

»Bist du sicher, daß Angela dich nicht braucht?« fragte er. »Schließlich sollst du ihr Arbeit abnehmen, nicht uns.«

»Sie telefoniert, dabei kann ich ihr sowieso nicht helfen.«

»Wenn das so ist: Ja, du kannst uns beim Einladen helfen.«

Joschka nahm seine Kamera und zwei Stative und ging voraus, Vera folgte ihm mit zwei Koffern, von denen sie nicht wußte, was sie enthielten – sie waren so schwer, als hätte jemand Steine eingepackt. Schon nach wenigen Metern schmerzten ihre Handgelenke, aber sie biß die Zähne zusammen und ließ sich nichts anmerken. Man sollte nicht glauben, sie sei nur als Praktikantin angenommen worden, weil ihre berühmte Schwester sich für sie stark gemacht hatte. Sie würde allen beweisen, daß sie arbeiten konnte!

*

Alice Hübener klopfte an die Tür zum Büro ihrer jungen Chefin Stefanie Wagner und sagte: »Herr Sasse ist da, Frau Wagner. Kann er hereinkommen?«

»Ja, natürlich«, sagte Stefanie. Sie strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht und lächelte ein wenig müde. Ihr Arbeitstag war selten kürzer als zehn Stunden, meist sogar länger, und am vergangenen Abend war es besonders spät geworden. Das merkte sie jetzt.

Alice Hübener hatte einen scharfen Blick und bemerkte sofort, wie erschöpft Stefanie war. »Ich koche frischen Kaffee«, sagte sie. Sie war eine gestandene Frau von siebenundvierzig Jahren, die noch nicht sehr lange in Stefanies Vorzimmer saß. In dieser Zeit hatte sie jedoch längst mitbekommen, daß ihre neue Vorgesetzte mehr arbeitete als jeder andere Mensch im Hotel King’s Palace.

Offiziell war Stefanie Direktionsassistentin, inoffiziell jedoch war sie die Chefin des Hauses. Zumindest die Angestellten sahen es so. Der Hoteldirektor Andreas Wingensiefen liebte das Rampenlicht, er ließ sich gerne mit Prominenten für Zeitschriften fotografieren und begrüßte berühmte Gäste, aber die tägliche mühsame Arbeit im Hotel lag ihm nicht so sehr. Dafür hatte er Stefanie, jedenfalls war das seine Auffassung von Arbeitsteilung.

Arno Sasse kam herein und begrüßte Stefanie respektvoll. Er war erst zwei Monate im Hotel, in der Verwaltung, und natürlich wußte er, daß Stefanie von den anderen im Haus geradezu verehrt wurde. Da sie darüber hinaus eine sehr schöne und elegante Frau war, schüchterte sie ihn regelrecht ein, obwohl er sonst wirklich nicht auf den Mund gefallen war. Arno Sasse war vierundzwanzig Jahre alt, ausgebildeter Hotelkaufmann mit hervorragenden Referenzen, und er freute sich, nun eine Stelle in einem der besten Häuser des ganzen Landes bekommen zu haben. Er war blond, die blauen Augen blickten unternehmungslustig in die Welt, und mit seiner meist guten Laune steckte er andere unwillkürlich an.

»Nehmen Sie bitte Platz, Herr Sasse«, sagte Stefanie. »Ich habe Sie hergebeten, weil ich von Ihnen hören möchte, ob Sie sich bei uns wohl fühlen und ob Sie sich gut eingearbeitet haben.«

»Ich fühle mich sogar sehr wohl«, sagte Arno, der seine Befangenheit allmählich vergaß. Als nun noch Alice Hübener mit zwei Tassen Kaffee hereinkam, entspannte er sich noch mehr. Ihm war ein wenig unbehaglich gewesen vor dem Gespräch, aber nun erkannte er, daß er nichts zu befürchten hatte.