Der Wind in meinen Federn - Barbara Eckhoff - E-Book

Der Wind in meinen Federn E-Book

Barbara Eckhoff

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Beschreibung

In den Weiten der amerikanischen Prärie des 19. Jahrhunderts, begibt sich der junge und stolze Häuptlingssohn Chàgha tho, auf die Suche nach seiner Vergangenheit. Sein Weg führt ihn weit weg von seinem Stamm in die Nähe von Fort Laramie. Dort trifft er auf die junge und schöne Farmerstochter Isabella, der er das Leben rettet, als Ihr Pferd bei einem Ausritt von einem Puma angegriffen wird. Chàgha tho bringt sie wohlbehalten zu ihrem Vater James auf die Farm zurück. Fasziniert von der ihm fremden Welt bittet er ihren Vater darum, ein wenig auf der Ranch bleiben und bei der Arbeit helfen zu dürfen. Nach einigen Zweifeln willigt James ein und Chàgha tho beginnt die Bräuche und die Sprache der Weißen zu lernen. Doch der Alltag ist nicht so einfach, wie es sich der junge Indianer vorgestellt hatte. Von Anfang an wird ihm Misstrauen und Hass entgegen gebracht. Als Isabella sich dann noch in Chàgha tho verliebt, scheint die Situation zu eskalieren. Beide versuchen sie den Vorurteilen entgegenzutreten aber wird es ihnen gelingen ? Auch ist da noch die Frage, was es mit dem Amulett auf sich hat, welches Chàgha tho um den Hals trägt.

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Seitenzahl: 470

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Barbara Eckhoff

Der Wind in meinen Federn

Der Wind in meinen Federn

Roman

Barbara Eckhoff

Ungekürzte Taschenbuchausgabe

1. Auflage 12/2019

Alle Namen, Personen, Orte und Ereignisse in diesem Roman sind der Fantasie der Autorin entsprungen oder wurden schriftstellerisch verfremdet benutzt.

Jede weitere Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, örtlichen Gegebenheiten sowie lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Impressum

Texte:   © by Barbara EckhoffUmschlag: © by Barbara Eckhoff, 2019

Druck:  epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Weitere Titel der Autorin im Handel:

Um uns herum die Dunkelheit

Krimi

Erschienen 6/2019

Prolog

Wyoming. 1862

 

 

Unermüdlich schob sich die Wagenkolonne Meile für Meile durch die endlosen Weiten der Prärie. Mit ihr die Hoffnung vieler Reisender, auf die Erfüllung ihrer Träume oder auf ein besseres Leben, welches bisher von Armut und Verzweiflung geprägt war. In diesen Tagen des Jahres 1862 zog es eine Gruppe von Menschen, die aus allen Gesellschaftsschichten zusammen gewürfelt war, Richtung Westen. Aristokraten und Geschäftsleute zogen Seite an Seite mit Menschen, die sie in der alten Welt nur als Leibeigene und Bedienstete in ihre Nähe gelassen hätten. Doch hier, in der neuen Welt, war alles anders. Hier zählte nicht die Herkunft eines Menschen, sondern wer er selber war. Man musste sich untereinander unterstützen und helfen und ein jeder musste seine Fähigkeiten mit einbringen. Nur so konnten sie es bis ans Ende, bis nach Oregon schaffen. Dieser Trail war hart und unerbittlich und würde seine Opfer fordern, wenn man nichtzusammenhielt. Beweise dafür hatten sie auf dem Weg schon viele gesehen. Skelette von gestorbenem Vieh, umgestürzte Planwagen die langsam verrotteten oder gar Kreuze, die am Wegesrand standen. Jeder von ihnen kannte das Risiko und doch hatte es diese Gruppe nicht abschrecken können, mit ihrem Hab und Gut, Rindern und Pferden sich der Herausforderung zu stellen.

30 Planwagen rollten in der bereits warmen Frühlingssonne, auf einem vorgegebenen Pfad, über die Prärie. Seit Wochen waren sie schon unterwegs und befanden sich jetzt auf dem Weg nach Fort Laramie, wo sie ihren Proviant auffüllen wollten. Es war die letzte Möglichkeit, bevor Sie über die Rocky Mountains nach Oregon kamen. Auch Robert war mit seiner Familie in diesem Treck unterwegs. Doch im Gegensatz zu all den anderen Reisenden unter ihnen fuhr er nicht einer ungewissen Zukunft entgegen, sondern wusste, was ihn an seinem Ziel erwartete. Er machte diesen Treck schon zum zweiten Mal mit und hatte genau gewusst, welche Strapazen er seiner kleine Familie zumuten würde.

Vor 20 Jahren war er im Alter von zehn Jahren zusammen mit seinen Eltern in eben solch einem Treck nach Wyoming gekommen. Damals war das für ihn alles spannend und aufregend gewesen. Er hatte zuvor in seiner Heimat in Schottland, Bücher über Cowboys und Indianer gelesen und war ganz versessen darauf gewesen, selber welche zu sehen. Seine Eltern, beide zur schottischen Aristokratie gehörend, hatten sich mit ihrem Vermögen auf den Weg nach Oregon gemacht, wo sie den Traum vom Aufbau einer großen Pferdezucht geträumt hatten.     

Bis nach Oregon hatten sie es nicht geschafft. Sie waren in der Nähe von Fort Laramie geblieben, weil sie dort das Land gefunden hatten, welches bestens für ihr Vorhaben geeignet gewesen war. Außerdem hatten sie damit spekuliert, dass die Armee immer neue Pferde benötigen würde. Der Plan seiner Eltern war ungewöhnlich gewesen aber er hatte funktioniert.

Elf Jahre später waren sie stolze Besitzer der besten und größten Pferdezucht in Wyoming gewesen. Sie hatten aus dem Nichts eine große Farm errichtet, die sich in den Jahren immer vergrößert hatte.

Mittlerweile arbeiteten und wohnten etliche andere Familien mit auf der Ranch. Robert freute sich darauf zu sehen, was sich in seiner Abwesenheit verändert hatte. Neun Jahre war er weg von daheim gewesen, aber jetzt war es an der Zeit einen Besuch abzustatten und seinen Eltern seine Frau und seinen kleinen Sohn vorzustellen.

Er hatte einen Brief mit einem Familienfoto von ihnen ihrem Besuch vorausgeschickt und hoffte inständig, dass dieser auch seinen Empfänger erreicht hatte. Was vor zwanzig Jahren noch spannend war, zerrte allmählich an seinen Nerven. Seit Wochen waren sie unterwegs und jeden Tag war es das gleiche Bild. Morgens reihte man sich mit seinem Wagen in die Reihe ein und sah den ganzen Tag über nichts anderes als den Planwagen vor sich. Bemühte sich den Anschluss zu halten, bis man abends zur Ruhe die Wagen im Kreis aufstellte und sich zur Nachtruhe begab. Komfort gab es nicht. Die Wagen waren schlicht und schützten nur notdürftig gegen die Naturgewalten. Staub, Hitze, Regen und Wind zerrten an den Kräften. Noch immer gab es keine andere Methode, den langen Weg zu bestreiten. Eine Eisenbahnlinie in diese Richtung gab es noch nicht und auch Kutschen fuhren noch nicht, da es an Zwischenstationen mangelte.

Wie viel einfacher war da doch das Reisen in Europa. Diese grenzenlose Weite konnte einem schier um den Verstand bringen. Er bewunderte die Leute hier, die voller Vorfreude und Tatendrang sich jeden Morgen wieder auf den Weg ins Ungewisse machten. Er hätte diesen Schritt nie gewählt. Er fühlte sich inzwischen wohl in Schottland.

In den letzten sieben Jahren hatte er dort seine Erfüllung gefunden und so würde dieser Besuch bei seinen Eltern gleichzeitig auch ein Abschied werden, denn er hatte nicht vor, diesen Weg noch ein drittes Mal zu gehen.

Mittlerweile war es Mittag geworden und seine Frau saß mit ihrem Sohn neben ihm auf dem Kutschbock. Moira, wie seine Frau hieß, war ein Geschenk Gottes. Er hatte sie vor sieben Jahren bei einem Ball in seinem Hause kennen gelernt. Mit Ihrem eleganten Auftreten und dem strahlenden Lächeln, mit dem sie ihm vorgestellt worden war, hatte sie ihn damals sofort in ihren Bann gezogen. Ihr liebreizendes Wesen und die Schönheit, mit der sie bedacht worden war, hatten ihn schnell davon überzeugt, dass sie die Frau seines Lebens war. Nun waren sie seit sieben Jahren verheiratet und sie war bisher immer an seiner Seite gewesen. Vor fünf Jahren hatte sie ihm seinen ganzen Stolz geboren, seinen Sohn. Etwas schläfrig saß dieser nun an den Arm seiner Mutter gekuschelt neben ihm.

„Papa dauert es noch sehr lange, bis wir Granny sehen? Und darf ich da auch mal auf einem Pony reiten, bitte ja?“

Robert musste schmunzeln. Sein Sohn schien sich schon zu einem echten MacIntyre zu entwickeln. In dieser Familie lag das Gespür für die für ihn schönsten Tiere der Welt. Für die Pferde. Sein Vater hatte ein außergewöhnliches Gespür für diese Tiere und auch er konnte sehr gut mit ihnen umgehen. Scheinbar war diese Gabe genauso wie die strahlend blauen Augen weitervererbt worden.

„In zwei Tagen sollten wir Fort Laramie erreicht haben und dann sind es noch einmal zwei Tage bis zu deinen Großeltern. Großvater nimmt dich bestimmt mal mit und Großmutter wird für dich bestimmt ihre leckeren Kekse backen. Es wird mit Sicherheit eine schöne Zeit werden, mein Sohn.“

„Hast du das gehört, Mama. Ich darf mit Großvater reiten.“ Der kleine Junge war ganz aufgeregt geworden und strahlte seine Mutter an.

„Ja, ich bin auch schon ganz gespannt. Dein Papa hat uns immer soviel von der Ranch erzählt, dass ich es kaum noch abwarten kann.“

Liebevoll schlang sie die Arme um ihren kleinen Jungen und musste wieder einmal feststellen, dass sein strahlendes Lächeln ihr Herz erwärmte. Mit seinen fünf Jahren war der kleine Knirps schon ausgesprochen eigenwillig. Er entwickelte einen starken Willen und konnte sie mit seinem Lächeln so manches Mal bezaubern. Ganz wie der Vater dachte sie im Stillen und schaute zu ihm rüber. Robert war ihr damals sofort ins Auge gestochen, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Er hatte in seinem schwarzen Anzug damals so atemberaubend gut ausgesehen. Mit seiner großen, schlanken Figur hatte er etliche andere Männer überragt. Sein schwarzes Haar, das wie Samt in der Sonne geglänzt hatte, war ein starker Kontrast gewesen zu den strahlend blauen Augen, die sie warm angelächelt hatten. Auch jetzt merkte sie, wie ein leichtes Kribbeln durch ihren Körper floss, als er ihren Blick erwiderte und sie anlächelte. Sie liebte diesen Mann wie am ersten Tag und diese Liebe zu ihm zusammen mit Neugierde hatte sie dazu gebracht, sich diesen Strapazen auszusetzen. Doch auch sie fieberte nun endlich dem Ende der Reise zu.

„Indianer!“

Plötzlich wurde es unruhig und Panik brach aus. Immer wieder schrie der Treckführer das Wort, als er an allen Wagen im scharfen Galopp vorbei preschte. Die vorderen Wagen fuhren nun schneller und der Treckführer kam im wilden Galopp zurück und befahl Ihnen eine Wagenburg zu bauen.

„Oh mein Gott, Robert! Indianer! Was sollen wir tun?“

„Geht beide nach hinten und legt euch flach auf den Boden. In der einen Kiste sind meine Patronen, hol sie mir und dann geht in Deckung.“

Schnell kletterte Moira mit ihrem Sohn ins Innere des Wagens. Durch die hintere Öffnung konnte sie sehen, das alle Wagen hinter ihr versuchten, mit ihrer Geschwindigkeit mitzuhalten.

Sie drückte ihren Sohn auf den Boden und gab ihm ein Zeichen dort zu bleiben. Schnell suchte sie in der Kiste die Packung mit den Patronen und reichte sie ihrem Mann nach vorne. Dann legte sie sich dicht neben ihren Sohn auf den Boden. Durch das Tempo der galoppierenden Pferde wurde der Wagen hart durchgeschüttelt. Von draußen konnte sie jetzt das Kriegsgeschrei von näher kommenden Indianern hören. Die Angst stieg in ihr hoch. Ganz unbewusst zog sie ihren Sohn stärker zu sich ran. Wieder hörte sie den Treckführer Kommandos brüllen und merkte sofort, wie der Wagen im Kreis fuhr.

Alle Wagen schafften es gerade noch rechtzeitig einen Kreis zu bilden, den sie so eng hielten, dass zwischen den einzelnen Wagen niemand durchkam. Dann brach der Tumult los. Eine riesige Horde von Sioux Indianern griff die Wagenburg an. Mit großem Gebrüll galoppierten sie um die Wagenburg herum. Schnell brachten sich die Menschen des Trecks in Sicherheit. Kinder und Frauen wurden in die Wagen geschickt, während die Männer sich bewaffnet unter die Wagen legten und auf das Kommando zum Angriff warteten. Dieses ließ nicht lange auf sich warten. Als der erste Pfeil der Indianer die Wagenburg traf, gab der Führer den Befehl zum Schießen.

Der ersten Gewehrfeuer Salve folgte sogleich ein Pfeilregen der Indianer. Nach den ersten Verlusten aufseiten der Indianer änderten diese Ihre Taktik und schossen nun Brandpfeile auf die Wagen, die sofort Feuer fingen. Frauen und Kinder darin drangen nach draußen um sich vor den Flammen in Sicherheit zu bringen, wo sie von den Pfeilen der Indianer in Empfang genommen wurden.

Die entsetzten Männer schossen, was die Gewehre hergaben. Die Mittagssonne schien auf ein Bild des Grauens nieder. Schüsse und Todesschreie wollten nicht enden. Moira kramte aus einer Tasche einen kleinen Beutel hervor und gab diesen ihrem kleinen Jungen. Darin befand sich ein kleines Amulett, welches Sie von Robert zur Hochzeit bekommen hatte. In diesem Amulett waren die Bilder von ihr und von Robert. Weiterhin waren dort noch eine Fotografie, die sie alle drei zusammen zeigte und der kleine Teddybär, den schon Robert von seiner Mutter bekommen hatte. Sie hängte den Beutel ihrem Sohn um den Hals.

„Pass gut darauf auf. Sollte uns etwas passieren, geh zu Großmutter, hörst Du? Ich bete zu Gott, dass wir das hier überleben.“

Moira versuchte die Tränen, die in ihr aufstiegen zu verdrängen. Ihr kleiner Sohn brauchte ihre Stärke. Verängstigt kroch er näher an seine Mutter heran. Noch war sie auf dem Fußboden in ihrem Wagen und sie hörte von draußen die Schreie der Menschen, die von Pfeilen getroffen waren. Plötzlich fing auch ihr Wagen an zu brennen. Wenn sie nicht bei lebendigem Leibe verbrennen wollten, musste sie aus dem Wagen raus.

Schnell aber vorsichtig robbten beide zum Ausgang. Sie schrie nach Robert, der darauf sofort aus seiner Deckung kam und seinen Sohn zu sich runter riss. Er gab ihm den Wink sich unter dem Wagen flach auf den Bauch zu legen. Gerade als Robert seiner Frau aus dem Wagen helfen wollte, flog ein Pfeil in seine Richtung und er konnte gerade noch in Deckung gehen, bevor er sich vor ihm ins Holz bohrte.

Sofort legte er sein Gewehr an und zielte auf den nächsten Indianer, der an ihm vorbei galoppierte. Er drückte ab und sah, wie der Sioux vom Pferd flog. Diese Sekunde genügte ihm, um seine Frau ebenfalls vom Wagen zu heben. Doch gerade, als sie unter den Wagen kriechen wollte, traf, sie ein Pfeil mitten ins Herz. Sie brach vor den Augen ihres Sohnes tot zusammen.

„Neeiin!“, schrie Robert vor Entsetzen. In seinem Schmerz dachte er nicht mehr an seinen Sohn und nahm das Gewehr, feuerte, ohne selber in Deckung zu gehen, auf die wilden Indianer. Drei von ihnen nahm er noch mit, bevor er selbst von einem Pfeil im Rücken getroffen tot zusammenbrach. Der kleine MacIntyre saß zitternd vor Angst, zusammengekauert unter dem Wagen seiner toten Eltern. Er vergrub weinend und schluchzend das Gesicht zwischen seinen Knien und verschloss die Ohren mit seinen Händen. Den letzten Todeskampf der anderen Mitreisenden bekam er nur vage mit. Der Siegesschrei der Indianer übertönte alles andere.

Mit einem Mal war es still. Keine Schüsse fielen mehr, kein Geschrei war mehr zu hören. Nur ein kleines Wimmern drang von irgendwo her. Sollte er sich trauen, unter dem Wagen hervor zu kommen oder sollte er lieber dort bleiben. Er verhielt sich mucksmäuschenstill und traute sich nicht einmal Luft zu holen. Wie lange er da so still gesessen hatte, wusste er nicht. Gerade als er aufatmen wollte, griff eine Hand nach seinem Arm und zog ihn mit Gebrüll unter dem Wagen hervor. Entsetzt schrie er auf und schaute in das kriegsbemalte Gesicht des Sioux Indianers, bevor er die kalte Klinge seines Messers an seinem Hals spürte.

Kapitel 1

 

 

Wyoming 1877

 

 

Über der Prärie lag noch die Stille der Nacht, doch am Horizont konnte man schon die ersten Anzeichen des neuen Tages erblicken. Langsam wich die Dunkelheit dem tiefen Orange der aufgehenden Sonne. Die Nacht war sternenklar gewesen, doch nun verblassten die kleinen Glitzerpunkte schnell am Himmel. Der harte Winter war vorbei, doch noch immer herrschte ein eisiger Wind, der über die endlose Weite fegte. Die aufgehende Sonne würde bald die ersten warmen Strahlen bringen, die die Prärie aufblühen lassen würde und in eine grüne mit Wildblumen übersäte Landschaft verändern würde.

Wenn man die Augen offen hielt, konnte man überall die Vorboten des Frühlings entdecken. Kleine zarte Knospen an den Bäumen, ein erstes zaghaftes Grün auf der Erde und auch die Tierwelt rappelte sich aus dem Winterschlaf auf. In der Luft roch es nach mehreren gut geschürten Lagerfeuern. Um sie herum standen die Zelte der Cheyenne. Bis auf ein paar Krieger, die dick eingehüllt in Decken ums Feuer saßen und Wache hielten, war es noch still im Lager. Pferde grasten ruhig in der Nähe. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es taghell wäre und das Leben in den Zelten erwachen würde.

Die beiden Männer, die das Geschehen im Dorf von einer Anhöhe beobachteten, saßen schweigsam auf ihren Pferden. Beide trugen lange braune Wildlederhosen mit Fransen an den Außennähten. Dazu passend ein mit bunten Perlen besticktes, langärmeliges Wildlederhemd.

Ihre Füße steckten in mit Büffelfell gefütterten Moccasins. Um sich vor der Kälte zu schützen, hatten sie sich Decken, die mit reichlichen indianischen Mustern bestickt waren, um die Schultern gelegt. Die langen schwarzen Haare waren zu je zwei Zöpfen geflochten, die ein kleines Lederband zusammenhielt. Um die Stirn herum trugen sie ein einfaches Band aus Schlangenleder, in dem am Hinterkopf eine Adlerfeder steckte.

Vollkommen ruhig standen Mensch und Tier auf der Anhöhe und nur der heiße Atem aus den Nüstern der Pferde, der in der kalten Luft zu erkennen war verriet, dass es sich hier um lebende Wesen handelte und nicht um Statuen.

„Mein Bruder weiß, dass er nicht gehen muss!“

Ohne seinen Blick vom Dorf abzuwenden, hatte er seinen Freund angesprochen. Dieser schwieg, lange bevor er endlich antwortete:

„Ich weiß, aber es ist besser so.“

„Meinen Bruder beschäftigen viele neue Gedanken, seit der große Häuptling in die ewigen Jagdgründe gegangen ist.“

„Mantotohpa wird die Lücke gut füllen und die Krieger der Cheyenne weise führen.“

„Warum will mein Bruder dann fortgehen? Was wird Hon Avonaco dazu sagen?“

„Sie weiß es seit gestern und versteht es.“

„Honiahake ist traurig, dass er seinen Freund verliert. Er ist wie ein Bruder für ihn gewesen.“

„Ich werde Honiahake auch vermissen, aber ich habe eine Mission, die ich erfüllen muss“

„Lass mich mit dir ziehen.“

„Nein, das muss ich alleine tun und der Stamm braucht dich.“

„Wirst du eines Tages zurückkommen?“

„Das weiß ich noch nicht.“

„Dein Platz ist hier, und wie immer deine Suche ausgehen wird, du wirst willkommen sein.“

„Ich weiß. Es wird Zeit. Möge Manitou dich beschützen, Honiahake!“

„Möge Manitou dich beschützen und dir helfen bei dem, was du tun musst.“ Beide hoben sie ihren rechten Arm und formten ein Zeichen des Abschiedes. Dann warf er noch einmal einen letzten Blick auf sein Dorf, bevor er sein Pferd in den angrenzenden Wald lenkte und zwischen den Bäumen von der Dunkelheit verschlungen wurde. Zurück blieb nur Honiahake, der traurig sein Pferd die Anhöhe hinab trieb, um ins Dorf zurückzugelangen.

Kapitel 2

 

 

Die helle Glocke des kleinen Schulhauses läutete zum Schluss der sonntäglichen Andacht. Reverend Charles Duncan verabschiedete einen jeden seiner kleinen Gemeinde mit Handschlag. Jeden zweiten Sonntag hielt er seine Kirchenandacht auf der Rinderranch der Hunts. Er kannte William Hunt schon seit dem Tage, als dieser damals mit viel Mut und Zuversicht und nur mit einer Hand voll Rinder hier in den Westen gekommen war und sich in der Nähe von Fort Laramie Land gekauft hatte. William Hunt hatte damals vorgehabt eine große Rinderzucht aufzubauen, um die Gegend mit Vieh und Fleisch zu versorgen.

Damals war das Fort nur ein kleiner Außenposten gewesen mit nur wenigen Soldaten. Es war die letzte, von Weißen besetzte Station vor den großen Rockies gewesen, wo Mensch und Tier eine sichere Rast fanden, bevor sie den anstrengenden Weg über die Rocky Mountains in Richtung Westen wagten. Mittlerweile hatte Fort Laramie sich aber zu einer großen Militärbasis entwickelt und beherbergte mehrere Garnisonen der Kavallerie. In unmittelbarer Nähe zum Fort hatte sich inzwischen eine kleine Stadt mit Läden, Saloons und sogar einem kleinen Hotel gebildet. Sein ganzer Stolz, seine eigene kleine Kirche befand sich am Ortsrand. Von montags bis freitags gab er dort den Kindern Schulunterricht und jeden zweiten Sonntag läutete die Glocke zur Andacht.

Die anderen zwei Sonntage im Monat ritt er auf die Hunt Ranch, die einen guten Tagesritt vom Fort entfernt lag. William Hunt und seine Frau Gloria waren vom ersten Tag an regelmäßige Besucher in seinem kleinen Gotteshaus gewesen, bis diese vor einigen Jahren selber eine kleine Kapelle auf ihrem Grund errichtet hatten und ihn gebeten hatten dort ebenfalls seine Andachten zu halten.

Mittlerweile befand sich die Ranch in der zweiten Generation, denn James der fünfundvierzigjährige Sohn von William und Gloria war jetzt der Boss. Sein Vater hatte sich nach dem Tod seiner geliebten Frau vor drei Jahren zurückgezogen und die Geschäfte in die Hände seines Sohnes gelegt. Beide hatten in der Vergangenheit die Ranch zur größten der Umgebung gemacht und waren angesehene Bürger von Laramie geworden.

Wenn James auch die geschäftlichen Fähigkeiten seines Vaters geerbt hatte und in Bezug auf seine Geschäfte ein harter Bursche sein konnte, so wurde er doch ganz zahm, wenn sein ganzer Stolz, seine hübsche Tochter Isabella, in seiner Nähe war. Er hatte Isabella vor achtzehn Jahren getauft und musste ein Jahr später der Familie Beistand leisten als James Frau und Isabellas Mutter an einer Lungenentzündung gestorben war. Es war damals eine schwere Zeit gewesen, aber Isabella war dank ihrer Großmutter Gloria und den beiden Männern zu einer jungen, klugen und selbstbewussten Frau herangewachsen.

Nach dem Tod der Großmutter vor drei Jahren war sie nun die erste Frau im Haus und sorgte dafür das im Haushalt alles funktionierte. Sie war ein fleißiges Mädchen und meisterte trotz ihrer Jugend die Aufgaben mit Bravur. Lediglich in der Küche stand ihr die Frau des ersten Vorarbeiters zur Hilfe. Die Ranch beschäftigte mittlerweile an die zwanzig Mann, die fast alle verpflegt werden wollten.

„Reverend Duncan, wollen Sie nicht noch mit hinüber ins Haus kommen, bevor Sie sich wieder auf den langen Heimweg machen? Louisa hat heute Morgen ganz früh frischen Apfelkuchen gebacken und ich weiß doch, dass Sie diesen so gerne essen.“

Der Reverend wurde durch Isabellas Frage wieder in die Gegenwart zurückgeholt.

„Das ist lieb, mein Kind. Vielleicht ein Stück. Ich kann frisch gebackenen Apfelkuchen wirklich schlecht widerstehen. Das hat schon Deine Großmutter immer gewusst.“

Lachend hakte sie sich beim Arm vom Reverend ein: „Na dann begleiten Sie mich doch gleich hinüber.“

Beide machten sich auf den kleinen Weg von der Kapelle zum Haupthaus. Dieses bestand aus einem großen zweistöckigen Blockhaus, um das eine breite Veranda führte.

Zwei Stufen führten hinauf zur Haustür. Auf der Veranda standen zwei Holzschaukelstühle, auf denen ihr Großvater zusammen mit Ihrer Großmutter gerne gesessen hatte. Jetzt saß sie oft an lauschigen Abenden mit Ihrem Großvater zusammen dort und lauschte seinen Geschichten von damals. Vor dem Haus waren in die Erde mehrere Holzpflöcke gerammt, an denen man sein Pferd oder seine Pferdekutsche anbinden konnte. Nun stand dort nur das Pferd des Reverends und wartete geduldig auf seinen Herren.

„Was macht denn der Aufbau deiner Schule? Kommst du voran?“

„Ja. Ich habe jetzt drei Schüler im Alter von fünf und sieben und zwei neunjährige, die ich gleichzeitig an drei Tagen in der Woche hier in der Kapelle unterrichte. Es macht mir sehr viel Spaß und ich wünschte, es würden noch mehr sein, aber im Moment gibt es außer zwei kleinen Babys noch keine weiteren Kinder auf der Ranch. Und bis die beiden Babys soweit sind, sind die Ersten schon fertig mit der Schule.“

„Ich finde es bemerkenswert, dass du aus Eigeninitiative die Schule hervorgerufen hast und die Leute dir ihre Kinder auch anvertrauen. Das ist nicht einfach, besonders wenn man noch so jung ist wie du.“

„Alle sollten die Möglichkeit haben, Lesen, Rechnen und Schreiben zu können und ich habe das große Glück gehabt, das meine Großmutter derselben Meinung war und mir dies

alles beigebracht hat und nun möchte ich mein Wissen einfach weitergeben.

Leider habe ich nur an drei Tagen in der Woche Zeit, den Unterricht zu geben. Die Hausarbeit und die Buchführung der Ranch lassen mir nur wenig Zeit dafür.“

„Dein Vater kann sehr stolz auf dich sein, Isabella. Er hätte kein besseres Kind haben können.“

„Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich denke, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er einen Sohn anstelle einer Tochter bekommen hätte. Er könnte ihm mehr zur Hand gehen, als ich es tun kann. Er arbeitet schwer und könnte Hilfe gebrauchen und ich werde ihm nie so zur Hand gehen können, wie es ein Sohn hätte machen können.“

„Isabella, so darfst du nicht denken. Du warst und bist der Sonnenschein deines Vaters. Wenn Gott damals deine Mutter nicht so früh zu sich gerufen hätte, dann hättest du heute wahrscheinlich eine ganze Schar von Geschwistern um dich herum, aber Gott hat es leider nicht so gewollt.“

„Was trödelt ihr beide da so vor euch hin. Charles sieh zu, dass du hineinkommst, der Apfelkuchen wartet.“

Isabella und der Reverend hatten gerade die erste Stufe zur Veranda erreicht, als von drinnen die Tür aufging und ihr Großvater im Türrahmen erschien. Lachend beeilten sich nun beide, und während Isabella an ihrem Großvater vorbei huschte, blieb Charles vor William stehen.

„William, ich befand mich gerade in

netter Gesellschaft und wollte das noch ein bisschen genießen.“

„Du alter Charmeur. Komm rein sonst wird der Kaffee kalt.“

Lachend gingen beide ins Haus hinein.

Kapitel 3

 

 

Isabella hatte ihr Sonntagskleid gegen ihr Reitkostüm eingetauscht. Es war so ein herrlicher Frühlingstag, dass sie sich ein paar Stunden stehlen und einen Ausritt wagen wollte. Es war der Erste seit dem langen Winter und es würde ihr und ihrer Stute Tipsy gut tun, von der Ranch zu kommen. Nachdem der Reverend nicht nur zum Apfelkuchen, sondern auch zum Mittagessen geblieben war, hatte er sich jetzt auf den Weg nachhause gemacht und Isabella blieb ein bisschen Zeit, bevor sie sich um das Abendessen kümmern musste.

Mit Louisa hatte sie abgemacht, pünktlich wieder da zu sein. Schnell war sie in ihren braunen Winterreitrock geschlüpft, der aus schwerer Wolle geschneidert war. Dazu passend trug sie eine weiße Bluse mit langen Ärmeln und hohem Kragen. Gegen die noch frischen Temperaturen zog sie ihre moosgrüne Jacke aus warmer Winterwolle an, welche ihr bis zur Hüfte reichte und nach hinten ein längeres Schößchen hatte. Abgerundet wurde ihr Erscheinungsbild mit warmen, aus Wolle gefütterten, braunen Reitstiefeln,

schwarzen Handschuhen, einem keck um den Hals gebundenen lindgrünen Schal und einem nicht ganz zum eleganten Kleidungsstil passenden aber sehr praktischen Cowboyhut, unter dem sie ihr langes, kastanienbraunes Haar versteckte.

Mit einem letzten, zufriedenen Blick in den Spiegel, verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den Weg zum Stall. Normalerweise machte sie nicht so viel Aufheben um ihr Aussehen, aber heute war ein schöner Tag und sie freute sich auf ihren Ausritt. Warum also sich nicht auch mal schick anziehen. Die Gelegenheiten auf einer Ranch waren da nicht sehr häufig vorhanden. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einer kleinen Melodie im Kopf kam sie am Stall an.

Die Stallungen gehörten zu einem großen Scheunen Komplex, der sich in der Nähe des Haupthauses befand. Eine Scheune beherbergte die Pferde, die für die Rancharbeit genutzt wurden. Gleich dahinter befanden sich mehrere Koppeln, auf denen jetzt die Pferde grasten und etliche kleine und größere Paddocks, in denen die Cowboys neue Pferde zuritten oder Rinder zum Branding hineintreiben konnten.

In einem kleinen Paddock etwas abseitsstand ein rabenschwarzer Hengst und beobachtete sie aus aufmerksamen Augen. Die Ohren gespitzt, verfolgte er jede Ihrer Bewegung. Sie überlegte und hielt kurz inne, bevor sie sich dem Tier zuwandte. Langsam ging sie auf das kleine Paddock zu. Sofort setzte sich das Tier in Bewegung und lief unruhig umher. Ihr Vater hatte den wilden Mustang vor einer Woche eingefangen und mit hierher gebracht. Eigentlich wollte er ihn längst für sich zugeritten haben aber das Tier war der Teufel in Person, denn es hatte bisher niemanden an sich herangelassen und stieg bedrohlich, sobald man sich ihm nur näherte. Auch jetzt schnaubte er, warf seine schwarze Mähne wild hin und her und tänzelte am Boden. Isabella hielt an. Sie war nur noch wenige Meter vom Zaun entfernt und konnte die diabolischen Augen des Tieres erkennen. Es war ein wunderschönes Tier, doch leider unreitbar und sie fragte sich, als sie kehrt machte und zum Stall zurückging, was ihr Vater mit ihm vorhatte. Nun, heute würde sie sich mit ihrem eigenen Pferd ein paar schöne Stunden machen.

Ihre Fuchsstute wieherte schon fröhlich, als sie sie den Gang hinunter kommen hörte. Tipsy war eine gutmütige, schnelle Fuchsstute, die Isabella als kleines Fohlen zu ihrem fünften Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Seitdem waren sie ein Herz und eine Seele und verstanden sich blind, wenn sie gemeinsam ausritten.

„Na meine Schöne? Wollen wir heute einen Ausritt machen? Es ist so schön draußen. Es wird dir gefallen, den Wind durch die Mähne pusten zu lassen.“

Freudig rieb die Stute ihre Nüstern an Isabellas Arm und wieherte zustimmend, als ob sie verstanden hätte, was sie soeben gehört hatte.

Es dauerte nicht lange, da hatte Isabella ihr Pferd gesattelt und aus dem Stall geführt. Gekonnt schwang sie sich in den Sattel und lenkte ihre Stute in Richtung Haupthaus, da ihr Großvater gerade aus der Haustür gekommen war.

„Willst Du einen kleinen Ausritt wagen?“

„Ja, es ist herrlich heute und ich war schon lange nicht mehr los.“

„Reite aber nicht zu weit. Hast Du das Gewehr mit? Für alle Fälle?“

Sie griff an ihren rechten Oberschenkel und zog aus dem Gewehrholster den Gewehrschaft ein bisschen heraus, damit ihr Großvater das Gewehr sehen konnte.

„Es ist alles da, ich bin in ein paar Stunden wieder daheim. Bis später.“

Damit schob sie das Gewehr wieder zurück ins Holster, tippte sich an den Hut zum Gruß und gab ihrer Stute das Kommando zum Trab. Freudig trabten sie beide davon.

 

 

Die Sonne schien strahlend vom Himmel und nicht eine kleine Wolke trübte das Wetter. Zuerst war sie ein gutes Stück an dem Zaun der Rinderweide entlang geritten und hatte etliche Cowboys ihres Vaters bei der Arbeit gesehen. Die Ranch lag in einer Art Hochtal. In der Ferne konnte man rechts und links der Ranch, Wälder, Hügel und hohe Bergketten erkennen. Dazwischen lag die Ranch mit ihren weit reichenden Weiden. Dann hatte sie einen kleinen aber scharfen Galopp über die endlose Weite der angrenzenden Prärie gemacht, bis sie nun auf einem Hügel pausierte und sich um sah. Von hier oben hatte sie einen atemberaubenden Blick auf ihr Zuhause. So weit das Auge reichte, sah man kleine schwarze Punkte auf der Prärie grasen. Es waren die Rinder ihres Vaters. Das Ranchhaus konnte man schon nicht mehr sehen.

„Das war herrlich, nicht wahr Tipsy? Komm wir reiten weiter.“

Glücklich klopfte sie dem Tier auf den Hals und Tipsy schnaubte zufrieden. Sie lenkte ihr Pferd in den angrenzenden Wald und ritt langsam hinein. All zu weit wollte sie nicht mehr reiten, da sie ja versprochen hatte pünktlich wieder zurück zu sein, aber sie beide genossen den Ausritt so sehr, dass sie sich entschied, ihn noch ein bisschen auszudehnen. Sie liebte den Duft des Waldes.

Die zarten, lindgrünen Knospen der neuen Blätter an den Bäumen. Ihr Pferd trug sie sicher auf dem kleinen Trampelpfad um die Bäume herum. Irgendwo oberhalb in den Bäumen saßen Vögel und sangen ihr Frühlingslied. Sie erschrak kurz, als zwei Hasen vor ihr aus dem Gebüsch sprangen, doch Tipsy ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Frech setzten sich die beiden Hasen vor ihnen auf den Waldboden und beobachteten die Näherkommenden, bevor sie dann mit einem Satz plötzlich im Unterholz verschwanden. Lachend ritt sie weiter. Ein Reh tauchte im Unterholz auf und verschwand darauf gleich wieder aus ihrem Blickwinkel. Die ganze Natur war aus dem langen Winterschlaf erwacht. Sie genoss die friedliche Stimmung, die hier herrschte. Wie gerne wäre sie noch länger geblieben aber sie musste sich auf den Heimweg machen. Isabella kannte sich hier gut aus. Wie oft war sie schon diesen Weg entlang gekommen. Nur noch ein kurzes Stück, dann würde der Wald sich öffnen und ein kleiner Pfad würde die Böschung hinab führen, wo sie dann am Wald entlang auf freier Prärie zurück zur Ranch reiten konnte.

Plötzlich hielt Tipsy abrupt an und fing an nervös zu wiehern. Isabella schaute sich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Beruhigend versuchte sie, auf das immer nervöser werdende Tier einzureden.

„Ruhig, Tipsy. Was ist es, was dich nervös macht? Komm wir reiten weiter.“

Doch das Tier ließ sich nicht vom Fleck bewegen. Stattdessen fing es an, laut zu wiehern und nervös auf der Stelle zu tänzeln. Isabella zog langsam das Gewehr aus dem Holster und machte sich innerlich bereit, einen Schuss abgeben zu müssen. Was immer um sie herum war, sie musste versuchen Tipsy aus dem Wald zu treiben.

Sie hatte diesen Gedanken noch nicht ganz beendet, da sprang wie aus dem nichts ein Puma auf den Hals ihres Pferdes und biss dem Tier in den Nacken. Wild vor Schmerz bäumte sich das Tier auf, schüttelte krampfhaft mit dem Hals und versuchte das Tier abzuschütteln. Isabella hatte entsetzt aufgeschrien, als der Puma vor ihr auf das Pferd gesprungen war. Die Schrecksekunde, die es gedauert hatte, bis sie die Situation erkannt hatte, hatte der Puma genutzt um sich am Pferdehals fest zubeißen. Schießen konnte sie nicht, dafür war der Puma zu nah, doch sie versuchte ihn, mit dem Gewehrkolben vom Pferd zu schlagen. Mit aller Kraft schlug sie auf das Tier ein, der Puma ließ vom Hals des Pferdes ab und krallte nun seine eine Tatze tief in Ihren Oberschenkel, während er mit seinen spitzen Zähnen ihrem Körper näher kam. Schmerzlich schrie sie auf und panisch hieb sie weiter und weiter mit dem Gewehr auf den Puma ein.

In diesem Moment setzte sich Tipsy in Bewegung, um dem Puma zu entkommen. Doch dieser hatte sich wieder in ihrem Hals festgebissen. Mit großer Mühe konnte sie sich auf dem Pferd halten und versuchte gleichzeitig die Bestie abzuschütteln. Tipsy wurde schneller und schneller. Isabella hielt in der einen Hand die Zügel und zugleich das Sattelhorn um sich Halt zugeben, während die andere Hand versuchte mit dem Gewehrkolben den Puma zu treffen, der immer noch am Hals hing. Geduckt, um nicht von den Ästen der Bäume aus dem Sattel gehoben zu werden, sah sie vor sich das Ende des Waldes kommen.

Bis zur offenen Prärie musste sie es schaffen, dann würde sie sich besser bewegen können, doch bis dahin schien endlose Zeit zu vergehen. Endlich hatte Tipsy die Böschung erreicht und galoppierte in wildem Tempo hinunter. Isabella drohte Gefahr den Halt zu verlieren. Sie war eine gute Reiterin und saß seit Kindesbeinen an im Sattel, doch auf diese Extremsituation war sie nie vorbereitet worden. Sie krallte sich mit den Oberschenkeln am Pferd fest und war froh, als sie auf ebenem Boden angekommen waren. Doch anstelle, das Tipsy in Richtung Ranch ritt, fegte sie die Prärie in der entgegengesetzten Richtung entlang. Nun konnte sie sich aufrichten. Sie band die Zügel um den Sattelknauf, damit sie sie nicht verlor und nahm das Gewehr in beide Hände. Mit der restlichen Kraft, die sie noch hatte, holte sie mit dem Gewehr aus und schlug dem Puma mit voller Wucht den Kolben auf den Kopf. Dieser ließ endlich fauchend von dem Tier ab und mit einem gleich darauf folgenden zweiten Hieb flog der Puma in hohem Bogen vom Pferd. Innerlich atmete Isabella auf.

Sie hatte es geschafft, die gefährliche Bestie abzuschütteln. Schnell verstaute sie das Gewehr wieder in dem Schaft unter ihrem Oberschenkel und nahm die Zügel wieder auf. Nun musste sie nur noch Tipsy beruhigen und in Richtung Ranch lenken, doch das Tier war so in Panik, das es weder auf die beruhigenden Worte von ihr noch auf die Zügelhilfen reagierte. Im Gegenteil jetzt auf dem offenen Gelände legte das Tier noch an Tempo zu. Sie entfernten sich im mörderischem Tempo Meile um Meile mehr von der Ranch und die Umgebung wurde immer fremder für sie.

 

 

Auf der Anhöhe zügelte er sein Pferd. Der Wald lag endlich hinter ihm und gab ihm nun einen freien Blick auf die atemberaubende Landschaft unter ihm. Lange war er unterwegs gewesen und seine Mission betreffend war er in der Zwischenzeit keinen Schritt vorangekommen.

Etwas unentschlossen, wohin er sich nun wenden sollte, stand er auf dieser Anhöhe und ließ den Zauber der Natur auf sich wirken. Zwischen dem kleinen Bergrücken, auf dem er jetzt stand und der tiefen Schlucht, die sich ein paar hundert Meter entfernt von ihm auftat, lag grüne Prärie. Sein Blick schweifte nach links, wo er sah, dass die Schlucht dort breiter wurde und die Prärie endete. Dort käme man nur weiter, wenn man einen Weg hinunter finden würde und die Schlucht es zuließe, dass man in ihr reiten könnte.

Nach rechts sah das Gelände eher aus, als könnte man dort hin seinen Weg fortsetzen. Gerade als er sein Pferd in diese Richtung den Hügel hinab lenken wollte, zog eine Staubwolke am Horizont seine Aufmerksamkeit auf sich. Was konnte es sein, was in scheinbar schnellem Tempo auf ihn zu kam. Eine Büffelherde? Nein, dazu war die Staubwolke nicht groß genug.

Er hatte schon viele Büffelherden gesehen, und wenn sie kamen, dann bebte der Boden und die Staubwolken waren riesig. Sein geübter scharfer Blick erkannte plötzlich einen einzelnen Reiter, doch was trieb diesen Reiter in diese Gegend mit solcher Geschwindigkeit. Langsam gab er seinem Pferd das Kommando den Hügel hinab zu steigen. Er wollte sich nicht zu früh dem entgegenkommenden Reiter zu erkennen geben. Unten angelangt suchte er hinter einem Busch Deckung und konnte von hier aus beobachten, dass der Reiter sein Tempo nicht verringert hatte und aus seiner Sicht extrem gefährlich am Abgrund entlang preschte. Der Reiter musste wahnsinnig sein. Er konnte jeden Augenblick mit einem Fehltritt des Pferdes in den Abgrund stürzen.

Nun war das Pferd auf seiner Augenhöhe und er erkannte, dass der Reiter eine Frau war, die scheinbar die Kontrolle über Ihr Tier verloren hatte. Ohne lange zu fackeln, hieb er seinem Pferd die Fersen in die Flanken und preschte in wildem Galopp der Reiterin hinterher.

Das Pferd war schnell, doch gegen seinen Mustang kam es nicht an und so machte er Meter für Meter an Boden gut. Die Reiterin schien weder ihn schon bemerkt zu haben, noch war sie sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte. Jeden Augenblick konnte sie das Gleichgewicht verlieren, oder ihr Pferd konnte mit ihr, in die Schlucht stürzen. Mit einem Blick nach vorne sah er, dass sie sich dem Ende näherten, an dem die Schlucht sich mit dem Bergrücken vereinte und das Gras endete.

Das Tier der Reiterin preschte ohne Halt

weiter darauf zu. Er erkannte den panischen Blick in den Augen des Pferdes und wusste, dass er die Frau vom Pferd holen musste. Mit den indianischen Worten, die er seinem Pferd ins Ohr flüsterte, verschärfte das Tier sofort noch einmal sein Tempo. Langsam schob er sich links neben das panische Tier und ritt nun fast gleichauf mit ihm. In diesem Moment erhaschte die Frau einen Blick auf ihn und riss angstvoll die Augen auf. Gerade als sie mit ihrer rechten Hand das Gewehr ziehen wollte, lenkte er sein Pferd direkt neben das ihre, beugte sich zu ihr hinüber, schlang seinen rechten Arm um ihre zierliche Taille und hob sie mit einem gekonnten Griff aus ihrem Sattel. Er warf sie sich direkt über den Hals seines Tieres. Schnell riss er die Zügel herum und ließ seinen Mustang noch ein paar Meter auslaufen, bevor er das Tier zum Stehen brachte. Dann ließ er sich elegant vom Pferd gleiten und zog die vor sich her strampelnde Frau vom Pferd.

Dadurch, dass sie wild um sich schlug und er in dem Moment von ihr abließ, verlor sie das Gleichgewicht und landete auf ihrem Hinterteil. Mit einem Aufschrei versuchte sie sich aufzurappeln, doch ihre Beine versagten ihr den Gehorsam und so landete sie wieder auf dem Fußboden. Verzweifelt und von Angst getrieben, robbte sie langsam von dem Angst einflößenden Indianer weg, der jetzt ganz ruhig neben seinem schwarzen Hengst stand und sie genau beobachtete.

Kapitel 4

 

 

Oh Gott, sie war verloren! Der Puma allein war schon schlimm gewesen, aber nun hatte sie es mit Indianern zu tun und sie wusste aus den Erzählungen ihres Großvaters, das diese Kreaturen mit Frauen kein Mitleid hatten. Sie wusste das die Krieger, Frauen vergewaltigten, ihnen den Skalp nahmen und sie dann oft töteten oder sie mit den schweren Verletzungen einfach liegen ließen, bis die Natur ihr Werk beendete. Was immer ihr jetzt bevorstand, würde grausig werden und ihren Tod hervorrufen. Sie sah sich panisch um. Im Moment sah sie nur ihn. Wo waren die Anderen?

Ein Indianer kam meistens nie allein. Doch bisher konnte sie nur ihn sehen und er stand ganz ruhig neben seinem großen, schwarzen Pferd und beobachtete sie. Er machte keine Anstalten, dass er sich ihr nähern wollte. Was führte er im Schilde? Worauf wartete er? Sollte es so eine Art Spiel werden? Ihre Ängste weiter schüren, war das der Anreiz, den er brauchte, um sein grausiges Werk an Ihr zu vollbringen? Isabella versuchte sich zu beruhigen. Es half ihr nichts, wenn sie weiterhin in Panik verfiel.

Bisher konnte sie nur ihn sehen und vielleicht konnte sie ihm irgendwie entkommen. Wenn sie auf ihr Pferd wieder käme, dann hätte sie eventuell eine Chance, denn da war ihr Gewehr am Sattel. Schnell blickte sie sich um, doch sie konnte Tipsy nirgendwo sehen. Wo war ihr Pferd geblieben? Ernüchternd musste sie feststellen, dass weit und breit nur der Indianer mit seinem Pferd und sie hier waren. Könnte sie es schaffen, ihn zu überlisten, um sein Pferd zu stehlen? So groß und stolz, wie er da stand und sie beobachtete, hatte sie nicht wirklich vertrauen in ihre Idee. Er schien jung zu sein, nur ein paar Jahre älter als sie selbst es war und seine äußere Gestalt zeigte ihr, dass er unter seiner indianischen Kleidung recht muskulös sein musste. Er würde also wahrscheinlich flink und stark sein und sie nicht so ohne Weiteres an sein Pferd lassen. Es musste einen anderen Weg geben.

Isabella saß nun ein kleines Stück von ihm entfernt im Gras und wollte gerade wieder versuchen aufzustehen, als ein heftiger Schmerz durch ihren Oberschenkel fuhr. Sofort sank sie mit einem Aufschrei zu Boden. Sie musste sich verletzt haben. Doch sie konnte unmöglich hier nach ihrem Bein sehen, wo sie dazu den Rock hätte lüften müssen, um an die Stelle zu kommen. Mit schmerzverzogenem Gesicht kauerte sie nun auf dem Boden und beobachtete, wie der Indianer sich seinem Pferd zu wandte, eine Decke und einen kleinen Lederbeutel vom Pferd nahm und in langsamen Schritten auf sie zu kam. Innerlich betete sie zu Gott, dass er ihr beistehen sollte. Was immer auch jetzt passieren würde, kampflos würde sie sich nicht ergeben. Und wenn es das Letzte wäre, was sie auf dieser Erde tun würde, es würde auf alle Fälle auch die Hölle für ihn werden. Bis zum bitteren Ende.

Sie wappnete sich innerlich für einen Angriff, doch der Indianer blieb kurz vor ihr stehen und breitete die Decke vor ihr aus. Dann zog er sie mit einem schnellen Griff, der total überraschend für sie kam und ihr einen Angstschrei entweichen ließ, auf die Decke. Sie wollte sich gerade seinem Zugriff entziehen, als er sich neben sie auf die Decke kniete, sein langes Messer aus der Scheide zog und ihr deutete, dass sie Ruhe geben sollte. Vollkommen eingeschüchtert von dem Anblick des Messers vor ihrem Körper und dem energischen Blick seiner merkwürdig stahlblauen Augen, kehrte eine plötzliche Starre bei ihr ein, sodass sie sich nicht bewegen konnte.

Als er aber nun anfing, ihren Rock an der Stelle zu heben, an der der Schmerz war, war es mit der Ruhe bei ihr vorbei. Sie schlug nach ihm und versuchte sich seinem Griff zu entziehen. Doch es half alles nichts, er legte die Stelle an ihrem Oberschenkel frei und nun konnten sie beide sehen, dass zwei tiefe Bissstellen und ein langer Kratzer die Schmerzen hervor riefen. Der Puma hatte ihr also in den Oberschenkel gebissen und mit einer Pranke die Haut aufgerissen. Das hatte sie in ihrer Panik gar nicht so mitbekommen. Der Indianer griff in seinen kleinen Lederbeutel und nahm ein paar Kräuter daraus. Diese reichte er Isabella und deutete ihr an, sie in den Mund zu nehmen und darauf zu kauen. Leicht skeptisch wollte sie dies zuerst nicht tun doch der Krieger gab nicht nach und so steckte sie die Kräuter widerwillig in den Mund. Sie schmeckten bitter und es war komisch auf ihnen herumzukauen, aber je länger sie es tat, hatte sie das Gefühl, als wenn die Schmerzen in ihrem Bein weniger wurden. In der Zwischenzeit hatte der Indianer mit seinem Messer von ihrem Rock eine Stoffbahn entnommen und daraus einen Verband geschnitten.

Nun hielt er ihr seine Hand vor den Mund und deute ihr an die Kräuter auszuspucken. Ganz interessiert verfolgte sie, wie er die eingespeichelten Kräuter, nun wie eine klebrige Masse, auf den Wunden verteilte und dann mit dem Verband fest fixierte. Danach erhob er sich wieder, steckte sein Messer ein und brachte den Beutel wieder zurück zu seinem Pferd. Isabella wusste nicht, was sie davon halten sollte. Er hatte ihr geholfen. Bis jetzt hatte er noch keine Anzeichen gemacht, dass er ihr was antun wollte. Konnte es vielleicht sein, dass sie ihn zu schnell verurteilt hatte und ihm unrecht tat?

Sie hatte keine Erfahrungen mit Indianer, verstand nicht ihre Sprache und kannte doch nur die Erzählungen der Anderen. Doch dieses Verhalten passte so gar nicht in das blutrünstige Bild, was man ihr bisher gezeigt hatte. Ruhig abwartend sass sie auf der Decke und beobachtete, wie er nun seinem Tier etwas ins Ohr flüsterte und dann an ihr vorbei zum Abgrund ging. Sie drehte sich um und sah, dass er in die Tiefe blickte, etwas am Abgrund entlang ging und dann langsam hinabstieg, bis er nicht mehr zu sehen war. Nun war sie alleine mit dem Pferd. Es wäre ihre Gelegenheit abzuhauen. Doch irgendetwas ließ sie wie gebändigt auf der Decke sitzen und in Richtung Schlucht sehen. Was hatte er vor?

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie aus der Richtung Geräusche vernahm und zuerst ihren Sattel und dann ihn mit ihrem Gewehr in der Hand die Schlucht heraufkommen sah. Woher hatte er Tipsys Sattel und wo war ihre Stute? Langsam realisierte sie, dass ihr Pferd in die Schlucht gestürzt sein musste. Schnell raffte sie sich auf, ignorierte dabei den Schmerz in ihrem Oberschenkel und hastete zum Abgrund hinüber. Er konnte gerade noch ihren Sattel und das Gewehr fallen lassen und sie auffangen, als sie stolpernd und schluchzend am Abgrund in seine Arme fiel. Mit seinen starken Armen und dicht an seinen Körper gepresst hielt er sie fest und ließ sie über den Abgrund in die Tiefe blicken, an dessen Boden sie zerschmettert ihr geliebtes Tier liegen sah.

„Tipsy, nein“, rief sie dem toten Tier hinunter und brach dann in Tränen zusammen. In ihrer Trauer um das Tier bekam sie gar nicht mit, dass die starken Arme des Kriegers sie zu der Decke zurückgetragen hatten und er sie dort niedergelassen hatte. Dann war er zurückgegangen und hatte ihre Sachen geholt, hatte ihren Sattel seinem Pferd aufgesetzt und das Gewehr, in dem Holster verstaut. Danach hatte er sich neben sie auf die Decke gesetzt und wartete nun, dass sie sich ein bisschen beruhigte. Er wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Diese Frau war so ganz anders als die Indianerinnen, die er bisher gekannt hatte. Sie zeigte ihre Gefühle offen und war scheinbar mit dem toten Tier sehr verbunden gewesen. Darüber hinaus schien sie ihre nicht gerade unerheblichen Verletzungen total vergessen zu haben. Es war ein Puma gewesen, der diese Spuren hinterlassen hatte und er hatte ihr Pferd gesehen, dessen Hals tief aufgeklafft gewesen war. Das Tier hätte auch keine Überlebenschance gehabt, wenn es nicht in Panik die Schlucht hinab gestürzt worden wäre. Irgendwo musste diese junge Frau herkommen sein und vielleicht könnte sie ihm den Weg zeigen, denn dann würde er sie sicher nachhause bringen. Es war schon spät und fing an zu dämmern. Sie sollten sich auf den Weg machen. Er richtete sich auf, hob die vollkommen aufgelöste Frau auf den Arm und nahm die Decke mit. Vorsichtig setzte er sie in den Sattel, verstaute die Decke wieder und schwang sich dann hinter ihr auf das Pferd. In der einen Hand die Zügel hielt er mit dem anderen Arm die Frau fest an seine Brust gedrückt. So folgte er den Spuren, die ihr Pferd hinterlassen hatte.

Kapitel 5

 

 

Inzwischen war es dunkel geworden und auf der Ranch herrschte helle Aufregung. Isabella war längst überfällig von ihrem Ausritt und inzwischen waren nicht nur James und William unterwegs, um nach ihr zu suchen, sondern auch die Cowboys der Ranch hatten Suchtrupps gebildet. Louisa war im Haupthaus geblieben, falls sie in der Zwischenzeit auftauchen würde, und vertrieb sich nun die bange Zeit mit Essensvorbereitungen. Wenn die Männer wiederkamen, würden sie alle Hunger haben. Gott, hoffentlich war dem Mädchen nichts zugestoßen. Das würden weder James noch William überleben, wenn dem einzigen Kind und Enkelkind etwas passieren würde. Doch es musste etwas geschehen sein. Es war nicht Isabellas Art, unpünktlich zu sein. Auf das Mädchen war immer Verlass. Hoffentlich würden die Männer sie finden, und gerade als sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte sie Hufgetrappel vor dem Haus. Schnell eilte sie zur Tür und riss diese soeben auf, als James und William und die restlichen Cowboys von ihren müden Pferden stiegen.

„Habt ihr sie gefunden?“

„Nein, leider nicht. Wir haben die gesamte nähere Umgebung abgesucht aber nichts gefunden und jetzt ist es dunkel und wir können nichts mehr sehen.“

„Kommt erst einmal rein. Ich habe Essen auf dem Tisch und einen guten Kaffee, der euch wieder aufwärmt. Ihr könnt dann in Ruhe planen, was ihr als Nächstes tun könnt.“

„Ja, vielleicht hast du Recht. Männer, wir machen erst einmal Rast und die Tiere brauchen auch eine Pause!“

Mit diesen Worten gingen James und William mit sorgenvollen Blicken voran und die Cowboys folgten ihnen. Während des Essens hing ein jeder seinen Gedanken nach und somit war es wohl die schweigsamste Mahlzeit, die in diesem Hause je eingenommen worden war. Als alle gestärkt waren und nur noch mit ihren Kaffeetassen am Tisch saßen, meinte Malcolm, der Ehemann von Louisa und Vormann der Arbeiter, zu James:“ ich weiß es hört sich jetzt hart an, aber ich glaube, wir haben heute Abend keine Chance mehr, sie zu finden. Es ist bereits dunkel da draußen und wir haben ihre Spur bis zum Wald verfolgen können. Im Wald können wir aber heute Nacht nichts mehr ausrichten und ich denke, wir sollten morgen bei Sonnenaufgang uns gleich wieder auf den Weg machen. Da stehen unsere Chancen besser. Was meinst du?“

William sah James erwartungsvoll an, und wenn es auch seine Enkeltochter war, die es zu finden galt, musste er innerlich seinem Vormann Recht geben. Sie hatten jetzt alles abgesucht und bis zur Dunkelheit nichts von ihr gefunden. Morgen Früh hätten sie da mehr Chancen. James sah ihn an und erkannte in dem Blick seines Vaters die gleiche Antwort, die er jetzt schweren Herzens geben musste.

„Du hast Recht. Wir können heute Nacht nichts mehr ausrichten und werden gleich morgen Früh die Suche fortsetzen. Geht und nutzt die Stunden zum schlafen, bevor wir wieder aufbrechen.“

Die Cowboys verabschiedeten sich und James meinte zu William gerichtet:“ ich hoffe, ich mache das Richtige. Ich mache mir schreckliche Sorgen. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn ihr was zugestoßen sein sollte.“

„Denk nicht gleich an das Schlimmste. Isabella ist klug und kein Kind mehr. Sie wird die Nacht im Freien verbringen. Sie kann sich Schutz suchen und sie hat ein Gewehr mit. Und du wirst sehen, morgen finden wir sie. Vielleicht hat sie sich nur verirrt und wartet ebenfalls bis zum Morgen, damit sie den Weg wieder zurückfindet. Mach es Deinen Männern gleich und versuch ein wenig zu schlafen.“ Mit diesen Worten schob er seinen Sohn fast die ersten Stufen zum Obergeschoss hinauf.

 

 

Isabella erwachte, weil ihr der Duft von Leder und Pferd in die Nase stieg. Sie brauchte eine Weile, bis sie registrierte, dass sie weiterhin auf dem Pferd des Indianers sass, welches sie sicher durch die dunkle Nacht trug. Sie musste eingeschlafen sein, denn das Letzte, woran sie sich erinnerte war, dass er sie auf sein Pferd gehoben hatte und mit ihr in die Richtung geritten war, aus der sie gekommen war. Nun bemerkte sie, dass sie sich an ihn geschmiegt hatte und ihr Kopf an seiner breiten Brust lag. Sofort hob sie den Kopf und rückte ein wenig von ihm ab. Bei dieser abrupten Bewegung verstärkte er automatisch seinen Griff um ihre Taille und hielt sie so an sich fest, gleichzeitig versuchte er, sie zu beruhigen.

„Schhh!“ vorsichtig strich er mit seiner Hand über ihre weichen Haare. Isabella erschrak ein wenig bei dieser zärtlichen Geste und stellte fest, dass sie Ihren Hut nicht mehr trug. Dieser baumelte jetzt lose an der Seite ihres Sattels, denn er hatte ihn ihr abgenommen, damit sie sich an ihn schmiegen konnte. Langsam beruhigte sie sich wieder und ließ es zu, dass er sie wieder an seine Brust zog. Sie versuchte sich zu entspannen, was ihr merkwürdigerweise nicht so recht gelingen wollte. Noch nie hatte sie so eng mit einem Mann gesessen. Hatte den Körper eines Mannes durch ihre Kleidung gespürt.

Durch die Bewegung des Pferdes und der Nähe zu ihm konnte sie jeden Einzelnen seiner Muskel fühlen. Seine Brust war muskulös und seine Arme stark. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht richtig erkennen aber das er sehr markante Gesichtszüge mit ausgeprägten Wangenknochen hatte, hatte sie vorhin schon bemerkt gehabt. Das Interessantestes an ihm waren jedoch seine Augen. Sie hatte noch nie einen Menschen mit so strahlend blauen Augen gesehen und diese zogen sie irgendwie magisch in ihren Bann. Inzwischen hatte sie auch nicht mehr das Gefühl, als würde er Ihr Gewalt antun wollen. Doch wohin er mit ihr ritt, wusste sie auch nicht. Sie wollte ihn fragen doch wie sollte sie sich mit ihm verständigen. Sie sprach nicht seine Sprache, und ob er sie verstand, wusste sie nicht, da er bisher noch kein Wort mit ihr geredet hatte.

„Wo bringst du mich hin?“ Sagte sie mehr zu sich selbst als an ihn gewandt. Trotzdem zügelte er sein Pferd und hielt an. Isabella richtete sich auf. Wiederholte ihre Frage und sah ihn dabei fest in die Augen.

„Wo bringst du mich hin?“

Es kam keine Antwort. Er schaute sie an, verstand aber nicht was sie sagte. Sie versuchte es weiter.

„Wie heißt du?“

Sie klopfte sich mit ihrer Hand auf die eigene Brust und sagte dabei „Isabella“.

Dies wiederholte sie ein paar Mal, bis es schien, das er kapiert hatte, denn er antwortete plötzlich mit einer tiefen, extrem männlichen Stimme:

„Chágha tho“

„Chágha tho?“

Er nickte zustimmend.

„Ich bin Isabella und du Chágha tho.“ Sie strahlte und das erwärmte plötzlich sein Herz und er lächelte leicht zurück. Insgeheim musste Isabella schmunzeln.

Der erste Schritt zur Völkerverständigung war gemacht.

Langsam merkte sie auch, wie die kühlen Nachttemperaturen in ihre Knochen krochen, denn sie fing an zu zittern. Auch er musste das gespürt haben, denn er griff plötzlich hinter sich und zog die Decke, auf der sie vorhin gesessen hatte hervor und legte sie sich beiden um. Dankbar für diese Geste, schmiegte sie sich wieder näher an ihn ran und zog die Decke fest um sich. Irgendwie konnte sie es sich nicht erklären, doch sie hatte keine Angst mehr vor ihm. Er war ihr fremd, ja und sie wusste nicht, was er vorhatte. Sie konnte sich nicht mit ihm verständigen, aber irgendetwas Beruhigendes ging von ihm aus.

Bis jetzt hatte er auch keine Anstalten gemacht, dass er Böses im Schilde führte. Insgeheim hoffte sie nur, dass er sie nachhause bringen würde und nicht zu seinen Leuten. Wohin er ritt, konnte sie in der Dunkelheit nicht erkennen, er aber schien genau den Weg zu kennen. Sie hatte keine Ahnung, wie er es schaffte, in der Nacht seinen Weg zu finden. Total erschöpft und müde, merkte sie wie das leichte Geschaukel des Pferdes sie einschlummern ließ.

 

 

 

Chágha tho hielt die weiße Frau fest an sich gedrückt, damit sie ihm nicht vom Pferd fiel. Sie zitterte wie Espenlaub und war ganz kalt. Durch die Nähe zu ihm und der Decke um sie beide herum würde sie hoffentlich wieder ein bisschen aufwärmen. Der Angriff des Pumas, der Verlust ihres Pferdes und die Verletzung zerrte an ihrem Körper und er merkte, wie sie immer wieder wegnickte. Er folgte den Spuren ihres Pferdes und würde sie damit nachhause bringen. Auch wenn er aus einem unerklärlichen Grund es schade fand, sie gehen lassen zu müssen.

Diese Frau war keine Indianerin und gehörte zu ihres Gleichen. Irgendwo musste sie hier wohnen. Er glaubte nicht, dass sie all zu weit weg wohnte. Sie war nicht für einen langen Ritt angezogen und machte auch sonst nicht den Eindruck, dass sie schon lange unterwegs gewesen war. Welcher Mann ließ seine Squaw so alleine durch die Wildnis reiten. Wenn sie seine Frau wäre, dann……er war überrascht über sich selbst. Hatte er jemals zuvor schon mal darüber nachgedacht gehabt, sich eine Frau zu nehmen?