Wenn Liebe Zweifel sät - Barbara Eckhoff - E-Book

Wenn Liebe Zweifel sät E-Book

Barbara Eckhoff

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Beschreibung

Die junge Schottin Moira Fergusson sieht einer rosigen Zukunft entgegen, doch dann trifft sie das Schicksal hart. Mit einer schweren Bürde belastet, glaubt sie endlich das Glück gefunden zu haben, als sie Robert begegnet. Robert MacIntyre ist nach Schottland gekommen, um das Erbe seines verstorbenen Onkels anzutreten. Jung und gesegnet mit dem guten Aussehen aller MacIntyres, zieht er schnell die Aufmerksamkeit der ledigen Damenwelt auf sich. Doch Robert hat nur Augen für Moira. Hals über Kopf verlieben sich die beiden ineinander. Doch als neuer Lord von Shepherds King ahnt er nicht, dass er sich durch die Liebe zu Moira in große Gefahr begibt. Dunkle Machenschaften bestimmen die Ereignisse. Habgier, Verrat und Mord stellen die junge Liebe auf eine harte Probe. Können die das Unvermeidliche besiegen und alle Zweifel aus der Welt schaffen, oder ist ihre Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt_

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Seitenzahl: 397

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Barbara Eckhoff

Wenn Liebe Zweifel sät

Wenn Liebe Zweifel sät

Roman

Barbara Eckhoff

Ungekürzte Taschenbuchausgabe

Erschienen   11/2020

Alle Namen, Personen, Orte und Ereignisse in diesem Roman sind der Fantasie der Autorin entsprungen oder wurden schriftstellerisch verfremdet benutzt.

Jede weitere Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, örtlichen Gegebenheiten sowie lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Impressum

Texte:   © by Barbara EckhoffUmschlag: © by Barbara Eckhoff, 2020

Lektorat: J.E.N.S. Global

Druck:  epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Weitere Titel der Autorin im Handel:

Um uns herum die Dunkelheit

Krimi

Erschienen 6/2019

Der Wind in meinen Federn

Prolog

Schottland - November 1853

Der Wind fegte eisig über das frisch aufgeschüttete Grab.

Trotz der mittäglichen Stunde war es düster draußen, denn am Himmel schob er bedrohlich

dunkel aussehende Wolken vor sich her.

Die Trauergemeinde hatte sich längst

ins Warme zurückgezogen, doch die kleine, zierliche Gestalt, die mit wehendem Umhang am Grabe stand, bekam von alledem nichts mit.

Trotz des warmen Wintercapes und der mit Fell gefütterten Kapuze stand sie zitternd vor dem mit Blumen bedeckten Erdhügel. Ihre Tränen, die sie leise vergoss, trocknete der Wind sofort und hinterließ rote Wangen in ihrem Gesicht. 

Nun war alles aus. Ihre letzte Hoffnung hatte sie soeben zu Grabe getragen. Wer sollte ihr jetzt noch helfen können?

„Moira“

Sie erschrak, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte und die Stimme des Pfarrers vernahm. 

„Moira, ihr könnt nichts mehr für ihn tun und ihr selber werdet euch den Tod holen, wenn

ihr euch nicht ins Warme begebt.

Komm mein Kind, Martha hat bestimmt eine

Tasse heißen Tee bereitstehen, der wird

euch wieder aufwärmen.“

Mit diesen Worten legte er ihr den Arm um die Schultern und führte sie sanft vom Grab weg in Richtung Pfarrhaus. Moira ließ es stumm mit sich geschehen.

Im Haus empfing sie eine wohlige Wärme vom aufgeheizten Kamin und Martha,

die Haushaltshilfe des Pfarrers, reichte ihr eine heiße Tasse Tee mit einem guten Schuss Rum darin.

„Das wird euch gleich wieder aufwärmen, ihr seid ja halb erfroren.“

Dankbar nahm Moira die Tasse entgegen

und merkte erst jetzt, wie kalt ihr war. Ihre Hände und Füße fingen zu prickeln an, als die Wärme nun durch ihren Körper floss.

Sie schaute aus dem Fenster hinaus und sah, dass sich draußen immer mehr, ein Unwetter zusammenbraute.

Vielleicht sollte sie besser den Heimweg antreten, sodass sie vor dem zu erwartenden

Regen zuhause war. 

„Ich danke euch für die Gastfreundschaft, aber ich denke, ich sollte mich jetzt auf

den Heimweg machen.“

„Du hättest vorhin mit einem der Anderen zurück ins Dorf fahren sollen, dann müsstest du nicht den ganzen Weg zu Fuß laufen. Ach, es ist eine Schande. Ich weiß noch genau, wie du mit deinen Eltern immer in der Kutsche vorgefahren bist. Du hättest sie für dich behalten sollen, damit du nicht den langen Weg gehen musst.“

Moira musste an die Zeit zurückdenken, wo von der Pfarrer redete.

Ja, früher war alles anders gewesen. Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, als sie noch unbeschwert durchs Leben gehen konnte.

Als ihr Vater ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte und ihre Eltern ihr eine rosige und sichere Zukunft versprochen hatten. Doch das war einmal.

Diese Zeit würde niemals mehr zurückkommen. Sie steckte in Schwierigkeiten und der Einzige, der ihr noch hätte helfen können, lag nun da draußen im kalten Grab.

Moira versuchte, die in ihr wieder aufkommenden Tränen zu unterdrücken, nickte deswegen nur

und verabschiedete sich schnell vom Pfarrer und von Martha um sich wieder hinaus in das grausige Wetter zu begeben.

Eine Windböe erfasste sie, schnell hielt sie sich ihren Umhang fester an den Körper und eilte mit schnellen Schritten in Richtung Dorf davon. Normalerweise konnte sie den Klippenweg zu ihrem Zuhause gehen, dieser war eine Abkürzung, doch bei diesem Wetter war es nicht ratsam.

Der schmale Trampelpfad, der an sonnigen Tagen eine atemberaubende Aussicht auf

das Meer unter sich frei gab und mit windschiefen Bäumen und Hecken auf der Landseite des Weges gesäumt war, war jetzt bei regnerischem und windigem Wetter aufgeweicht und rutschig.

So bestand leicht die Gefahr, durch die kräftigen Böen den Halt zu verlieren und die Klippen hinab zu stürzen.

Dies war in der Vergangenheit schon passiert und aus dem Grunde wählte Moira an diesem Tage den zwar längeren, aber sicheren Weg durchs Dorf.

Gerade hatte sie in der Ferne das Grollen des Donners vernommen. Wie ungewöhnlich bei diesen Temperaturen, dachte sie und ging noch einen Schritt schneller.

Im Dorf sah sie keinen Menschen auf der Straße und so eilte sie in Richtung ihres Zuhauses weiter.

Als die ersten Tropfen vom Himmel fielen, kam sie die lange Auffahrt entlang.

Sie verharrte einen kurzen Augenblick

vor der Brandruine des großen zweistöckigen Backsteinhauses, welches einmal ihr Zuhause gewesen war und eilte dann an der Ruine vorbei, hinüber zu einem weitaus kleineren Haus, dessen erhellte Fenster und der Rauch aus dem Schornstein sie einzuladen schienen.

Gerade als der Himmel seine Schleusen öffnete, erreichte sie die schwere Holztür und trat in die wohlige Wärme des Hauses ein.

Ein paar Monate später 

 „Moira! Du musst sofort kommen.“

„Was gibt es denn so Wichtiges?“

Gerade war sie dabei, ihr Ausgabenbuch zu kontrollieren, als die Tür zu dem

kleinen Schreibzimmer aufging und Eileen,

ihre einzige Angestellte und

Freundin zugleich, aufgeregt eintrat.

„Sir Dumfrey fährt gerade vor. Du solltest ihn begrüßen gehen.“

Moira verzog ihren Mund und stieß einen Seufzer aus, doch sie erhob sich von ihrem Stuhl und marschierte an Eileen mit den Worten vorbei:

„Der hat mir gerade noch gefehlt“.

Sie öffnete die Haustür just in dem Moment, als Sir Dumfrey seine Hand erhob um das Klingelseil zuziehen.

Mit zuckersüßer Stimme und einem strahlenden Lächeln empfing Moira ihren ungebetenen Gast.

„Sir Dumfrey, das ist aber eine Überraschung. Sie hätten ihren Besuch ankündigen sollen, dann hätte ich etwas zu Essen vorbereiten können, so kann ich ihnen leider nur eine Tasse Tee mit etwas Gebäck anbieten.“

Sir Dumfrey umschloss Moiras Hand

mit seinen feuchten Fingern und drückte einen glitschigen Kuss darauf. Angewidert ließ sie es über sich ergehen.

„Meine liebe Moira, sie brauchen sich keine Umstände zu machen. Sie wissen ja, wie sie mich glücklich machen könnten.“

Moira erschauderte innerlich. Charles Dumfrey hatte in den vergangenen Monaten mehrmals seine Aufwartung bei ihr gemacht und jedes Mal waren seine Besuche begleitet gewesen von lüsternen Anspielungen.

Zweimal hatte er ihr schon einen Heiratsantrag gemacht und zweimal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie nicht gewillt war, ihn zu heiraten. Was wollte er also noch bei ihr?

Die Höflichkeit gebot es ihr, ihren Gast dennoch hereinzubitten und so führte sie ihn in

das kleine Wohnzimmer und bat Eileen, ihnen eine Tasse Tee zu bringen.

Charles Dumfrey nahm in einem der

vier kleinen, mit dunkelrotem Samt bespannten Sesseln Platz und beobachtete, wie Moira sich Eileen zuwandte.

Die junge Dame war eine Schönheit. Ihre zierliche Figur steckte in einem hellblauen Musselinkleid, die schlanke Taille war mit einem gelben Gürtel betont und dazu trug sie eine weiße Bluse und ein

enges, hellblaues Jäckchen, welches unter ihrem Brustansatz aufhörte.

Die langen braunen Haare hatte sie zu einem Dutt gedreht. Der rosa Teint ihrer Haut ließ ihre grünen Augen auffallend hervorheben.

Sie war jung, gerade erst achtzehn und für

ihn eigentlich zu jung, aber er mochte junge, unerfahrene Frauen, die er noch nach seinem Geschmack formen konnte und die seine speziellen Vorlieben zu befriedigen vermochten. Moira hatte zweimal schon seinen Heiratsantrag abgelehnt und es war vielleicht an der Zeit, ihr zu zeigen, dass sie keine Wahl hatte.

 Als sie sich ihm wieder zuwandte und auf ihn zukam, fing er an zu sprechen.

„Moira, es erschreckt mich immer wieder, in welch armseligen Verhältnissen ihr hier leben müsst.

Dies hier“, er machte eine weit ausladende Bewegung mit seinen Händen, “ist doch eurer nicht würdig. Habt ihr über mein Angebot vom letzten Mal nachgedacht?“

Moira nahm im Sessel gegenüber Platz und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

„Wenn ihr damit euren Heiratsantrag meint, so muss ich euch leider erneut eine Absage erteilen. Ich liebe euch nicht und werde euch nicht heiraten.“

„Ich verlange auch nicht von euch, dass ihr mich lieben sollt. Nennen wir es doch eine Vereinbarung. Ich biete euch an, ein Leben an meiner Seite in meinem Schloss mit dem Luxus, der euch gebührt und ihr im Gegenzug übertragt mir die Rechte an eurem Besitz. Dieser liegt im Moment brach und verkommt. Euer Haus liegt in Schutt und Asche und ihr vegetiert hier vor euch hin.“

„Wenn mein Grundbesitz nicht viel wert sein soll, warum interessiert er euch dann so? Ihr seid ein reicher Mann und braucht das Anwesen nicht.“

„Nun, ich war ein guter Bekannter eurer Eltern und es ist einfach eine Schande, wie der Besitz nach ihrem Tode verkommt. Nicht dass es eure Schuld ist. Ihr seid jung und unerfahren und vergebt mir, wenn ich das sage, aber ihr seid eine Frau und das ist doch eher eine Männerangelegenheit.“

Moira wollte gerade protestieren, als Sir Dumfrey beschwichtigend die Hand hob und fortfuhr.

„Ich möchte die Felder wieder bestellen und das Haus aufbauen lassen, damit alles wieder in seinem alten Glanz erstrahlt. Nun was meint ihr zu meinem Angebot?“

Schweigend saß sie eine Weile da. Es war natürlich ein verlockendes Angebot.

Wie sehr würde sie sich darüber freuen, wenn ihr Zuhause wieder aufgebaut werden würde und die Bauern zurückkehren könnten. Wenn alles wieder so wäre wie früher. Doch den Preis, den sie dafür bezahlen sollte, erschien ihr zu hoch.

Sie schaute Sir Dumfrey in seine wässrigen braunen Augen. Er war mindestens Mitte vierzig, war nicht viel größer als sie selbst und hatte einen Bauchansatz. Seine ehemals schwarzen Haare waren mit Silberstreifen durchzogen und er trug ein Rasierwasser, welches zu schwer an ihm lastete und ihr in der Nase hing.

Seine beigefarbenen Pantalons waren

von einem teuren Schneider und auch die Brokatwesten, die er stets trug, waren aus edlen Stoffen, dennoch konnte all sein Luxus sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ihm nicht traute. Seine Augen schienen stets auf der Lauer zu sein und irgendetwas an ihm mahnte sie innerlich zur Vorsicht.

Nein, sie würde sich nicht für Besitz verkaufen. Es musste eine andere Lösung geben, wie sie ihr Land behalten konnte und so wandte sie sich ihm wieder zu.

„Sir Dumfrey, ich fühle mich geschmeichelt, dass ihr scheinbar nur mich als eure Ehefrau in Betracht zieht, aber leider muss ich erneut ablehnen. Die Annahme dieses Angebotes erscheint mir nicht richtig und ich bitte euch, nicht weiter in mich einzudringen.“

„Nun meine Liebe. Eure Antwort ist bedauerlich, weil ich euch damit eine Möglichkeit eingeräumt habe, von den Schulden ihrer Eltern Abstand zu nehmen.

Da ihr nun aber weiterhin nicht gewillt

seid in eine Ehe mit mir einzuwilligen, muss ich euch darüber in Kenntnis setzen, dass ich den Betrag, den mir ihre Eltern schuldeten, von euch einfordern werde.“

Moira glaubte, sich verhört zu haben. Von welchen Schulden sprach er? Ihre Eltern waren vermögend gewesen und hatten keine Schulden gehabt. Da musste ein Irrtum vorliegen.

„Meine Eltern hatten keine Schulden, das hätte ich gewusst.“

„Ich habe den Schuldschein bei mir, den ihr Vater kurz vor seinem Tode bei mir unterzeichnet hat. Er hat sich eine Summe von zehntausend Pfund geliehen.“

„Zehntausend Pfund! Das ist unmöglich.“

Sie war entsetzt. Wieso hatte ihr Vater so viel Geld gebraucht und wo war das ganze Geld geblieben? Es konnte sich nur um einen Irrtum handeln.

„Darf ich diesen Schuldschein einmal sehen?“

„Aber sicher doch.“

Sir Dumfrey zog aus seiner Westentasche einen gefalteten Zettel hervor und reichte ihn Moira. Diese sah die unglaubliche Summe darauf stehen und die Unterschrift ihres Vaters. Das Datum lautete auf einen Tag, zwei Wochen vor dem Brand. Sie starrte auf den Brief. „Ich sehe, ihr bestätigt mir die Echtheit der Unterschrift und um es kurz zu machen, ich gebe euch die Möglichkeit, mir den Betrag in Raten zurückzuzahlen.

Jeden Monat von nun an werdet ihr mir die Summe von einhundert Pfund zahlen.“

„Das...das kann ich nicht. Woher soll ich soviel Geld nehmen. Ich habe nicht einmal genug, um das Waisenhaus aufrecht zu erhalten.“

„Ihr hattet die Wahl. Mit einer Heirat wäret ihr die Schulden auf einmal los geworden, so ist es nun euer Problem, wie ihr das

Geld zusammenbekommt. Ihr könntet mir natürlich auch das Land als Entschädigung übertragen.“

„Niemals!“

Verärgert sprang sie auf. Auch Sir Dumfrey erhob sich langsam, kam ihr bedrohlich nahe und meinte nur: „Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen und ich erwarte die Zahlungen am Ersten eines jeden Monats.“ 

Damit deutete er eine Verbeugung an und marschierte aus dem Raum.

Eileen, die gerade mit dem Tee hereinkam, sah ihn überrascht an.

„Bemühen sie sich nicht, ich finde alleine heraus.“

Mit sich sehr zufrieden, bestieg er seine wartende Kutsche und hinterließ zwei verzweifelte Frauen in dem Haus.

Kapitel 1

Schottland - Sommer 1854

 „Land in Sicht!“

Der Ruf des Matrosen im Ausguck ließ die Passagiere an die Reling treten.

Auch Robert schaute in die Richtung, in die der Seemann deutete und versuchte, in der Ferne etwas zu erkennen. Am Horizont zeichnete sich ein dunkler Streifen von dem Grau des Wassers und dem sich von der Morgensonne rot färbenden Himmel ab. Obwohl es noch früh am Tage war und die Sonne gerade erst aufging, waren schon etliche Passagiere an Deck unterwegs.

Wahrscheinlich sehnten sie sich dem Ende der Schifffahrt genauso entgegen, wie er es tat. Endlich kam er dem Ziel seiner Reise näher.

Es würde jetzt noch etwa einen Tag dauern, bis

er in Fort William an Land gehen konnte.

 Robert hob sein Gesicht zum Himmel und schaute in die vom leichten Wind aufgeblähten Segel. Wenn der Wind weiterhin so blies, würden sie die vorgelagerten Inseln von Schottland bald passieren und dann kurz darauf das Flussdelta hinauf nach Fort William erreichen.

Für Robert wurde es Zeit. Nun, da das Ziel in Kürze vor ihm zu sehen sein würde, fieberte er der Ankunft entgegen. In den letzten Wochen und Monaten seiner Reise hatte er festgestellt, dass er lieber festen Boden unter sich hatte und nicht diese schwimmenden und wankenden Planken eines Schiffes.

Er hatte sich zwar in Boston den Luxus einer Einzelkabine geleistet, doch im Laufe der Überfahrt nach Schottland war es ihm vorgekommen,

als seien die Wände auf ihn zugekommen und hatten somit die Kajüte immer kleiner werden lassen.

Wahrscheinlich hatte er schon jeden einzelnen Nagel in den Holzbrettern gezählt, dachte Robert sich, als er weiter hinaus aufs Meer starrte und der graue Streifen immer mehr Form annahm.

Die Schiffspassage hatte länger gedauert, als angenommen. Sie hatten Boston mit schönem Wetter verlassen, doch ein paar Tage später hatte ein heftiger Sturm sie ordentlich durchgeschüttelt gehabt. Die darauffolgende Flaute hatte sie zwei Tage gekostet.

Das Schiff war kaum vom Fleck weggekommen und hatte auch in den darauffolgenden Tagen die Zeit nicht wiedergutmachen können.

Nun aber schienen sie es endlich geschafft zu haben.

Robert atmete noch einmal die kühle, aber würzige Luft des Meeres tief ein und begab sich dann über eine schmale und steile Stiege hinab

in den Bauch des Schiffes, zu seiner Kabine.

Dort angekommen sah er sich um.

Er würde diesen Raum bestimmt nicht vermissen.

Obwohl die Kabine recht groß war, empfand er diesen Raum fast als Gefängnis.

Wie oft hatte er die Schritte von seinem Bett,

an der einen Seite der Kabine, bis zum

kleinen Schreibtisch in der Mitte des Raumes, der

unter einem jetzt offenstehenden Bullauge stand, gezählt. Es waren nur ein paar Schritte gewesen.

Er wusste, dass er schon die Luxusausstattung mit einer kleinen separaten Nasszelle, in der er seine Morgentoilette vollbringen konnte, gebucht hatte und das die normalen Kabinen bei Weitem

viel kleiner oder sogar Mehrbettkabinen waren.

Doch für ihn, der den Großteil seines Lebens in

der freien Wildnis der Prärie verbracht hatte, war

es eine Tortur.

Robert ging zu dem kleinen Kleiderschrank hinüber, öffnete ihn und

entnahm ihm die Ledertasche, die sein einziges Reisegepäck war.

In Boston hatten sich die Schiffsjungen gewundert, dass er nur mit diesem kleinen Gepäckstück auf die lange Passage gegangen war, doch er war einen großen

Teil seiner Reise nur per Pferd unterwegs gewesen und hatte dadurch nur mit leichtem Gepäck reisen können.

Jetzt, da er seine paar Hemden und Hosen wieder fein säuberlich in die Tasche legte, musste

er innerlich schmunzeln.

Dort, wohin es ihn führte, war man

es gewohnt, dass er mit einer großen Entourage reisen würde und er konnte sich bildlich vorstellen, welch große Augen sie machen würden, wenn er nur mit seiner Reisetasche vor ihnen stand.

Zwei Tage später war es endlich soweit. Die Mietkutsche, die er im Hafen von Fort Williams einen Tag zuvor angeheuert hatte, fuhr bereits seit ein paar Stunden auf seinem Land. Das schottische Wetter war gnädig mit dem Neuankömmling und zeigte sich von seiner besten Seite.

 Die nachmittägliche Sonne strahlte und nur langsam zogen kleine weiße Quellwolken am blauen Himmel entlang. Robert genoss die Fahrt in vollen Zügen.

Schon die Einfahrt des Schiffes in den Hafen von Fort William hatte er genau beobachtet gehabt.

Schnell war er von Bord gegangen und hatte sich beim Hafenmeister erkundigt, wo er eine Mietkutsche herbekommen konnte. Er war der Beschreibung des Mannes durch die quirligen Gassen des Hafenstädtchens gefolgt und hatte dann schnell einen Kutschenverleih gefunden.

 Die Fahrt brachte ihn auf erstaunlich guten Straßen voran, vorbei an Feldern und Weiden mit Rindern und Schafen.

Sie passierten etliche kleine, malerische Dörfer und waren dann etwas landeinwärts gefahren, um eine große Bucht zu umrunden.

In einem netten, kleinen Gasthof hatte er genächtigt, bis es am heutigen Morgen sehr früh weitergegangen war.

Mit ausgeruhten Pferden war es weiter nach Süden gegangen und man hatte vor ein paar Stunden die Grenze seines Besitzes passiert.

Als er nun den Blick nach rechts und links aus dem Fenster seiner Kutsche warf, sah er Bauern, die auf ihren gepachteten Feldern arbeiteten, Schafhirten, die mit ihren Hunden

die Herden zusammenhielten und kleine Siedlungen, in denen die Menschen auf der Straße stehen blieben und der Kutsche, die an ihnen vorbeizog, neugierig hinterher schauten.

Je näher er seinem Endziel kam, desto mehr veränderte sich die Landschaft. Dort wo zuerst Wiesen und Felder den Weg säumten, waren jetzt Wälder und kleine Hügel mit saftigem Grün zu sehen. 

Auch die Luft hatte sich verändert. Der frische Duft nach Korn und Wiesenblumen hatte sich in die leichte würzige Brise des Meeres verwandelt. Sein Weg führte ihn wieder zurück ans Meer und die Umgebung stieg leicht an.

Gerade durchfuhr er das Dorf Shepherd, welches zu den größten Dörfern gehörte, die er von nun an zu verwalten hatte.

Die Siedlung selber machte einen sehr gepflegten Eindruck und hatte eine eigene Kirche, etliche kleine Läden, eine Poststation und sogar ein Gasthaus für Durchreisende.

Vom Dorf aus war es nur ein Katzensprung ans Meer, denn von der etwas außerhalb liegenden Kirche mit dem angrenzenden Friedhof, hatte man

bereits einen Blick auf das tief unten liegende Meer. 

Nachdem er die Kirche passiert hatte, säumten links windschiefe Bäume und

ein angrenzender dichter Wald den Weg und rechts eingezäunte Wiesen, auf denen sich große Schafherden befanden.

Sein Onkel hatte die alteingesessene Schaf- und Hochlandrinderzucht der Familie weitergeführt und in seiner kurzen Schaffenszeit profitabel vergrößert.

Robert würde sich umstellen müssen. Schafe und Rinder waren nicht gerade das, wo er sich meisterlich mit auskannte.

Er war eher ein Meister in der Pferdezucht und hatte vor, die kleine aber feine Zucht, die sein Onkel in der letzten Zeit begonnen hatte, weiter auszubauen.

Es würde viel Arbeit auf ihn zukommen, aber er war ja nicht zum Faulenzen hergekommen. Als die Kutsche ihr Tempo verlangsamte, richtete Robert seine Aufmerksamkeit wieder nach draußen.

Sie fuhren eine mit alten Eichen gesäumte Allee hinunter.

Der Kies unter ihren Rädern knirschte.

Hinter den Eichen säumten große Rasenflächen

mit herrlich blühenden Rosenbeeten

und Rhododendronbüschen den Weg.

Kleine und große Blumenbeete sowie akkurat geschnittene Büsche und Hecken ließen die große Fläche als prachtvollen Garten erstrahlen.

In der Luft hing der Duft von blühenden Blumen und Sträuchern und frisch geschnittenem Gras.

Am Ende der langen Auffahrt öffnete sich der

Weg und gab den Blick frei auf ein

großes, herrschaftliches, zweistöckiges Schloss

im Renaissancestil.

Kleine Türmchen und Zinnen säumten rechts

und links das schwarze Dach. Die weiße Fassade strahlte in der Sonne und blendete fast

den Ankömmling.

In der langen Zeit seiner Abwesenheit, schien sich nichts verändert zu haben.

Das letzte Mal, als er hier gewesen war, hatten seine Großeltern noch gelebt und er war als kleiner Junge durch die vielen Räume getobt.

War mit seinem kleinen Pony im Garten über kleine Hindernisse gesprungen und hatte mit seinem Großvater morgens die Stallungen hinter dem Haus inspiziert.

Nun war sein Großvater schon lange tot und auch sein Sohn war schon zu Grabe getragen worden und er war jetzt der neue Besitzer.

Die Kutsche fuhr um ein wunderschön bepflanztes Blumenbeet herum und hielt

dann direkt vor der Freitreppe, die

zum Haus hinaufführte. Sofort eilte

ein Junge auf ihn zu und öffnete den Beschlag der Tür.

Ein kleiner Tritt wurde heruntergelassen, der dem ankommenden Gast das Aussteigen erleichtern sollte. Robert erhob sich und stieg aus.

Der Junge verbeugte sich tief und ließ Robert vorausgehen. Als er den ersten Fuß auf

die unterste Stufe stellte, eilten von oben etliche Bedienstete heraus und stellten sich in Reih

und Glied auf. Ein Herr im mittleren Alter mit einem schwarzen Frack gekleidet, kam auf ihn zu.

Er verbeugte sich vor ihm und hieß ihn willkommen.

„Herzlich willkommen auf Shepherds King, euer Lordschaft. Ich bin Albert Gaines, der Butler ihres verstorbenen Onkels. Verzeihen sie uns bitte, dass wir nicht vorbereitet waren, aber wir wussten nicht genau ihren Ankunftstag. Darf ich ihnen kurz ihren Haushalt vorstellen?“

Mit den Worten deutete er auf die Bediensteten hin, die sich nun alle tief verneigten.

Robert kam die Stufen weiter hinauf, bis er vor dem Butler stand.

„Es freut mich, sie alle kennen zu lernen, aber ich glaube ich sollte erst einmal mein Gepäck holen, damit der Kutscher sich wieder auf den Heimweg machen kann.“

„Oh darum kümmert sich natürlich William, ihr Page.“

Albert gab dem Jungen, der bereits mit

der Reisetasche von Robert in der Hand vor der Kutsche stand, ein Zeichen und wollte sich schon

dem neuen Lord wieder zuwenden, als er

den unsicheren Blick des Jungen sah. 

„Gibt es ein Problem, William?“

Etwas verunsichert antwortete der Junge: “Das ist das einzige Gepäck, Sir.“

Erstaunt sah Albert zu Robert hin, der nur mit den Schultern zuckte und meinte: „Ich musste

mit leichtem Gepäck reisen und hoffe, meine Garderobe hier auffüllen zu können.“

„Oh, aber selbstverständlich. Wir haben einen hervorragenden Schneider im Ort und ich werde diesem gleich Bescheid geben, dass er zum Maßnehmen vorbeikommt. William, bringe doch bitte die Tasche hinauf ins Schlafgemach. Darf ich ihnen, Lord MacIntyre, jetzt die Anderen ihres Haushaltes vorstellen?“

„Selbstverständlich“

Neben Albert dem Butler und William seinem Pagen lernte Robert die Hausdame Harried kennen, die mehrere Hausmädchen unter sich hatte und wenn es ihn nicht täuschte, die Frau von Albert war, sowie die Chefköchin Gwyneth, die mit ihren fleißigen Damen von nun an für sein leibliches Wohl zuständig war. Gwyneth war mit ihrer etwas rundlichen Figur die absolute Vorstellung einer guten Köchin.

Ihr schmeckte selber, was sie kochte. Abgerundet wurde die Vorstellung durch Charlie Wethers, den Oberaufseher der Gärtner und zuletzt seinem jungen Verwalter mit dem wohlklingenden Namen Samuel Summerton.

Woher Samuel, den absolut nicht schottischen Vornamen hatte, war Robert egal, denn mit seinen aufgeweckten braunen Augen und dem pechschwarzen Haar entsprach er

dem typischen Aussehen der Highlander und war ihm damit sofort sympathisch. 

Zwei Wochen später hatte sich Robert schon recht gut eingelebt. Durch die Fülle der Aufgaben war sein Tagesablauf straff durchorganisiert. Anders als sein Onkel es zu tun pflegte, war Robert nicht gewillt, sich nur hinter seinem Schreibtisch zu verstecken und die Arbeit seinen Angestellten zu überlassen.

Jeden Morgen bei Tagesanbruch begab er sich zu den Ställen und unternahm einen ersten Ritt hinaus zu den Schaf- und Rinderherden, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Er genoss es in den frühen Morgenstunden,

über die oft mit Morgentau bedeckten Wiesen und Felder zu reiten, den neuen Tag zu begrüßen

und seinen Gedanken in aller Stille ihren Lauf zu lassen. In der Natur fühlte er sich wohl.

Seit er damals mit seinen Eltern nach Amerika gegangen war, hatte er dort seinem Vater geholfen, in den Weiten des Westens eine Pferdezucht aufzuziehen.

Zwölf harte und schwere Jahre lang hatten sie sich den Naturgewalten und den Indianern entgegengestellt. Sie hatten große Erfolge erzielt und manche Rückschläge verkraften müssen.

Doch jetzt war die Ranch seiner Eltern zur größten der Gegend gewachsen und die Zucht erzielte gute Erträge. Diese prägnanten Jahre, die mit schwerer körperlicher Arbeit versehen waren, hatten ihn zu dem gemacht, der er jetzt war.

Seine Eltern hatten ihm gelehrt, dass die

Herkunft eines Menschen keine Rolle spielte und so war er zusammen mit den Kindern der Cowboys aufgewachsen, hatte Pferde zugeritten und gelernt, ein guter Rancher zu werden.

Nie hatte er sich etwas auf seine herrschaftliche Geburt eingebildet. In Wyoming, wo seine Heimat war, zählte all dieses nicht.

Robert ritt mit dem grauen Araberhengst, den er heute gewählt hatte, im scharfen Galopp über die Felder, bis die Umrisse des Schlosses zu erkennen waren. Bei den Stallungen kam ihm schon Samuel entgegen.

Der junge Mann, der im gleichen Alter wie er selber war, hatte ihm in den letzten Wochen geholfen, sich hier schnell zurechtzufinden.

Zusammen waren sie den Bestand an Schafen und Hochlandrindern durchgegangen und Samuel hatte Robert die kleine, aber doch sehr feine Zucht

von Arabern und englischen Vollblütern gezeigt, die sein Onkel sich in den letzten zwei Jahren vor seinem Tod zugelegt hatte.

 Darauf wollte Robert sich konzentrieren. Es gab viel zu tun, aber mit der kompetenten Hilfe von Samuel konnten sie hier etwas aufbauen und darauf freute er sich.

„Wie hat ihnen Majestic gefallen, Sir?“ 

Samuel hielt den schnaubenden Hengst mit einer Hand am Halfter fest, als Robert von ihm stieg.

„Sehr gut. Er ist schnell, aber ab und zu geht sein Temperament mit ihm durch. Das bedarf einer Korrektur. Die Pferde sind bisher nicht viel bewegt worden, nicht wahr?“

„Nun, ihr Onkel war kein sonderlich guter Reiter und hat die Kutsche vorgezogen und meine

 Zeit reichte nicht aus, mich neben all den anderen Aufgaben, um die Ausbildung der Pferde zu kümmern.“

„Das werden wir von nun an ändern. Ich werde mir Gedanken darüber machen, wie wir die Aufgaben neu verteilen können. Mein Onkel hat diese Zucht angefangen und es wäre schade, sie nicht weiter zu verfolgen. Komm heute Abend nach dem Essen zu mir ins Büro, dann werden wir darüber reden.“

„Wie sie wünschen, Sir.“

Robert hob den Zeigefinger und mit einem Lächeln im Gesicht, drohte er damit Samuel.

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich Robert nennen sollst, schließlich arbeiten wir zusammen.“

„Verzeihung Sir, ich meine Robert. Es ist nur, dass ich meinen Herrn noch nie beim Vornamen genannt habe.“

„Ich bin nicht dein Herr. Ich möchte, dass wir zusammenarbeiten und du mir widersprichst, wenn meine Vorschläge, deiner Meinung nach, nicht durchsetzbar sind. Wenn nötig solltest du mir deine Meinung mitteilen und Ratschläge geben.

Ich möchte ein Arbeitsverhältnis zwischen zwei Männern auf gleicher Augenhöhe haben. Es wäre schön, wenn wir das hinbekommen.“

Samuel sah ihn überrascht an, doch dann fingen seine Augen an zu leuchten und er nickte mit dem Kopf.

„Schön, da wir nun das Grundsätzliche geklärt haben, sehe ich dich heute Abend um halb acht in meinem Büro, um die Einzelheiten zu besprechen.“

Robert wollte sich schon zum Gehen abwenden, als ihm noch etwas einfiel.

„Reib Majestic gut ab und gib ihm etwas mehr Hafer. Das hat er sich heute verdient.“

„Ja - Robert.“

Mit diesen Worten schaute er dem jungen Lord noch so lange nach, bis dieser aus seinem Blickwinkel verschwunden war.

Samuel wusste nicht so recht, was er von dem vergangenen Gespräch halten sollte. Meinte der junge Herr es wirklich ernst, wenn er sagte, er wollte von ihm behandelt werden wie einer von seinesgleichen? Es hatte in den ersten Tagen nach seiner Ankunft mächtiges Gerede unter den Bediensteten gegeben. Jeder, der den jungen Lord zu Gesicht bekommen hatte, berichtete das Gleiche.

Robert MacIntyre benahm sich keineswegs so, wie sich ein schottischer Lord zu benehmen hatte.

 Er trug zwar Kleidung, die seinen Stand unterstrich und auch seine Umgangsformen

waren tadellos, doch er hielt keineswegs den gebührlichen Abstand ein, den der Adel zu seinen Bediensteten in Europa pflegte und so gab

es immer wieder Berichte darüber, wo der junge Lord die unsichtbare Grenze zwischen den Ständen überschritten hatte.

Der Gärtner hatte zu berichten gehabt, dass der Herr sich eine geschlagene halbe Stunde mit ihm über seine Familie unterhalten und

sich tatsächlich nach seinem Wohlbefinden erkundigt hatte.

Die Köchin konnte berichten, ihn schon in

der Küche erwischt zu haben, wie er sich selber ein belegtes Brot gemacht hatte. Auf den dezenten Hinweis hin, dass er doch nur Albert etwas hätte sagen müssen, hatte er erwidert, dass er für so eine Nichtigkeit keinen zu sich zitieren würde.

Solche und ähnliche Geschichten hatten in den ersten Wochen die Runde gemacht, und wenn er ihn nicht selber eines Morgens im Stall beim Ausmisten gesehen hätte, hätte er

diese Geschichten für Hirngespinste abgetan.

Eines ließ sich mit Sicherheit sagen, der neue

Herr von Shepherds King war anders als alle bisher vor ihm dagewesenen schottischen Aristokraten und er wusste nicht, ob das gut oder schlecht war.

Er für seinen Teil mochte Robert sehr, wie er nun im Stillen zu sagen übte, damit er heute Abend nicht böse auf ihn wurde. 

„Wir werden sehen, wie es weitergeht, nicht wahr Majestic?“

Damit widmete er sich dem Hengst an seiner Hand und musste fast lachen, als dieser mit dem Kopf nickte und wieherte.

„Na dann komm mal, wir wollen dich abreiben und dann gibt es Frühstück“.

Kapitel 2

Mitternacht war vorbei und im Haus war alles still. Dennoch wälzte sich Robert seit Stunden im Bett hin und her. Er fand heute Nacht keine Ruhe. Das helle Mondlicht drang selbst durch die schweren Vorhänge hindurch in sein Zimmer. Genervt stand er auf und ging zum Fenster hinüber.

Er warf einen Blick nach draußen. Es war alles ruhig. Vollmond, dachte er missmutig.

Jeden Monat dasselbe. Er war schon als Kind anfällig dafür gewesen. Wenn der Mond rund am Himmel stand, konnte er nicht schlafen. In diesen Nächten hatte er nur zwei Möglichkeiten.

Entweder er ging zurück ins Bett und würde sich dann die restliche Nacht weiter von einer

Seite zur anderen wälzen oder er stand auf und beschäftigte sich so lange mit etwas Anderem, bis ihm irgendwann die Augen zufallen würden.

Robert entschied sich heute Nacht für keine dieser Möglichkeiten. Er kleidete sich an und schlich sich leise, sodass er keinen im Hause weckte, aus dem Haus.

Die kühle Nachtluft tat ihm gut und

so entschied er sich, einen kleinen nächtlichen Spaziergang zu unternehmen.

In den letzten Wochen, in denen er nun schon hier auf dem Besitz lebte, war es ihm noch nicht möglich gewesen, einen Blick von den Klippen aufs Meer zu werfen. Er wusste, dass ein Teil seines Landes bis an eine Bucht reichte, die über einen schmalen Pfad zu erreichen war.

Da ihm nichts Besseres einfiel, schlenderte er nun in diese Richtung davon.

Das helle Mondlicht leuchtete ihm den Weg und so erreichte er die Steilküste mit der darunter liegenden Bucht.

Der schmale Pfad, der von seinem Grundstück aus nach unten führte, verlief in der entgegengesetzten Richtung parallel zu seinen Feldern und führte einen direkt zu seinem nächsten Nachbarn, den Fergussons.

Er selber hatte bisher keine Möglichkeit gehabt, dieser Familie einen Besuch abzustatten, setzte dies aber sofort gedanklich auf seine Aufgabenliste. 

Unentschlossen stand er nun da und lauschte dem gleichmäßigen Geräusch der Wellen, die an den kleinen Strand unter ihm schlugen. Tief zog er die würzige Luft des Meeres in seine Lungen ein.

Es war schon ein schönes Stück Land, welches er hier besaß. Inzwischen waren am Himmel dunkle Wolken aufgetaucht, die den hellen Mond verdeckten.

Es war Zeit zurückzukehren, bevor es vielleicht anfangen würde zu regnen. Gerade wollte er dem Meer den Rücken zu kehren, als er plötzlich zusammenfuhr. Was war das gewesen?

Hatte er da nicht gerade ein Licht draußen auf dem Meer aufflackern gesehen?

Seine Augen mussten ihm einen Streich gespielt haben, denn so sehr er sich nun anstrengte, etwas in der Ferne ausmachen zu können, blieb das Meer unter ihm schwarz. Da drangen plötzlich Worte an sein Ohr. Zuerst schaute er sich um, ob dort jemand den Pfad entlangkam, aber es regte sich nichts und die Stimmen kamen auch nicht näher. Vorsichtig legte er sich auf den Boden, um nicht bei einem Fehltritt hinabzustürzen und schob seinen Körper bis an den Rand der Steilküste. Langsam lugte er über den Rand hinweg nach unten in die Finsternis.

„Shawn, gib dem Kapitän das Zeichen, damit wir anfangen können. Wir wollen hier nicht die ganze Nacht verbringen.“

Robert beobachtete, wie unter ihm eine kleine Laterne zweimal geschwungen wurde. Wenig später flammte in der Ferne, auf dem Wasser, ein weiteres Licht auf.

Was trieben diese Männer dort unten und wer waren sie? Neugierig geworden, blieb Robert auf dem Bauch liegen und versuchte zu erkennen, was da vor sich ging. 

Lange musste er nicht warten, denn von unten drangen wieder Worte zu ihm hoch. Scheinbar wiegten sich die Männer dort in Sicherheit, denn sie verhielten sich nicht gerade leise.

Robert hatte keine Mühe die Gespräche aus der Bucht mit anzuhören.

„Da kommen sie. Ist alles für den Abtransport vorbereitet?“

„Ja, die Anderen müssten jeden Moment kommen. Der Kapitän ist diesmal pünktlich, da sollte es also schneller gehen.“

Als Robert diese Worte vernommen hatte, konnte er gerade noch rechtzeitig aufspringen und

sich hinter einem Busch in Sicherheit bringen, da er Schritte auf dem Pfad hörte und sechs Männer den Pfad entlangkommen sah. Er verhielt sich absolut leise, bis er sicher sein konnte, dass niemand mehr kam und die Männer in der Bucht angekommen waren.

Schnell robbte er wieder zurück an die Stelle,

die er vorher eingenommen hatte und konnte

nun sehen, wie mit Fackeln, zwei kleine Boote beleuchtet wurden, die von zwei Matrosen ans Ufer gebracht wurden.

Sogleich verteilten sich die nun acht Männer um

die Boote und fingen an, sie zu entladen. Was sie dort genau entluden, konnte er von seiner Position aus nicht erkennen und es war zu riskant, seine Lage zu ändern.

Wenig später konnte Robert beobachten, wie die beiden Boote wieder ins Wasser zurückgeschoben wurden und kurz darauf in der Dunkelheit verschwanden.

Eine Weile schaute er, ob dort noch mehr

Boote kamen, doch es schien bei den beiden zu bleiben, denn unten in der Bucht machten sich die Männer geschäftig daran, die Waren auf sich zu verteilen.

„Los, los Männer, Beeilung. Der Karren wird schon oben stehen und warten.“

„Es ist eine elende Schlepperei bis dahin. Gibt es keine andere Lösung?“

„Maul nicht herum, der Boss entlohnt dich großzügig dafür.“

„Großzügig! Dass ich nicht lache! Die paar Schilling reichen nicht vorne und hinten.“

„Jetzt hör auf und mach dich auf den Weg. Der Boss mag es gar nicht gerne, wenn wir uns verspäten und es wäre besser, wenn du deinen Missmut ihm gegenüber nicht zeigst, denn er kann recht ungemütlich werden.“

Robert bemerkte, wie sich die acht Männer am Strand entfernten und wenig später sich ein tanzender Lichtschein die Steilküste emporkämpfte. Gleich würden sie seine Stelle passieren und er tat besser daran, sich ein Versteck zu suchen. Er fand ein dichtes Gebüsch, welches ihn gut vor dem Lichtstrahl der beiden Laternen schützte, mit denen die Männer nun den Weg beleuchteten.

 Die Gefahr darin entdeckt zu werden

war zu groß. Stumm hockte er in dem Busch und sah, wie nicht unweit von ihm die Männer

mit jeweils zwei Fässern auf dem Rücken

sein Versteck passierten.

Er ließ ihnen genug Vorsprung, damit sie ihn nicht entdeckten, und folgte dann der Gruppe. Der Himmel war nun vollkommen zugezogen und die anfänglich helle Nacht umfing ihn nun mit einer tiefen Schwärze.

Was hätte Robert nun dafür gegeben, wenn die Mondstrahlen ihm wenigstens ein wenig den Weg geleuchtet hätten.

Zuerst hatte er in der Ferne noch das tanzende Licht der Lampen gesehen und hatte sich daran auf

dem schmalen Pfad orientieren können, doch in der Finsternis kam er in dem ihm nicht bekannten Terrain, nicht so schnell vorwärts,

wie er das wollte und so war das Licht plötzlich verschwunden. Er blieb stehen. Unter ihm hörte er das tosende Donnern der Wellen, wie sie an die Felsen im Meer schlugen und es erinnerte ihn daran, dass er sich hier in Lebensgefahr befand.

Er kannte den Weg nicht und wusste nicht, wie nah er an der Felskante lief. Das Meer hörte sich sehr dicht an und ein Fehltritt in der Dunkelheit hätte seinen Tod bedeuten können. Es half alles nichts, er musste die Verfolgung abbrechen.

Er würde sich die ganze Sache noch einmal bei Tageslicht ansehen.

Vielleicht konnte er etwas entdecken, was

ihm des Rätsels Lösung brachte. Enttäuscht,

dem Geheimnis dieser Nacht nicht mehr auf die Spur zu kommen, drehte er um und

ging landeinwärts zurück. 

„Zu spät! Wenn es hier Spuren gegeben hat, so hat der Sturm der letzten Tage

alles verwischt“, grummelte Robert vor sich hin, als er drei Tage später am frühen Morgen den Strand absuchte.

Noch in den frühen Morgenstunden des gleichen Tages hatte ein heftiger Regen eingesetzt, der in einen zwei Tage anhaltenden Sturm übergegangen war und damit jegliche Hoffnung auf Hinweise schlicht und einfach weggeweht hatte.

Mit dem Regen waren die Temperaturen gesunken und der Sturm hatte etliche morsche Äste von den Bäumen gerissen. Noch immer blies ein kräftiger kalter Wind und wühlte das Meer weiterhin auf. Die hohen Wellen schlugen hart auf dem Sand auf und spülten den halben Strand entlang.

Es war nicht gerade ungefährlich gewesen, bei diesem Wetter den Pfad hier herunterzusteigen, aber es hatte Robert keine Ruhe gelassen.

Er hatte der Sache auf den Grund gehen müssen

und war nun zutiefst enttäuscht, dass

er keine Anhaltspunkte gefunden hatte. Während er sich wieder unverrichteter Dinge auf den Heimweg machte, dachte er über die Geschehnisse nach.

Es war Vollmond gewesen. Was

wäre, wenn die Männer nur in diesen Nächten hier herkamen?

Er nahm sich vor, beim nächsten Vollmond, wieder auf der Lauer zu liegen, denn er war sich ziemlich sicher, dass sie wiederkämen.

Es war nur die Frage nach dem wann und bis dahin würde er sich diesen Weg an der Steilküste genau einprägen und erkunden, damit er ihn das nächste Mal auch in der Dunkelheit, gehen konnte.

In den frühen Morgenstunden trieb sich eine Gestalt durch die finsteren Gassen des kleinen Dorfes.

Immer darauf bedacht, sich jeden Augenblick

in eine der dunklen Hauseingänge zu retten,

falls es doch noch eine andere Person zu dieser nächtlichen Stunde auf die Straße trieb.

Doch so oft er auch stehen blieb und horchte, es blieb alles still und nur sein eigener gehetzter Atem war zu vernehmen.

Schnell hastete er weiter und bog um

die nächste Hausecke herum, eilte die Gasse hinunter und lief zu der großen Eiche

hin, die vor dem Dorfeingang stand.

Die Äste des alten Baumes ragten weit hinaus und bildeten so ein Dach aus Laub. Am Tage spielten gerne die Kinder unter ihr, doch heute Nacht würde sie der einzige Zeuge sein, für das Treffen, um das er gebeten hatte.

„Was gibt es so Wichtiges, dass du mich hierher zitiert hast.

Ich glaube, ich hatte mich klar ausgedrückt, als ich sagte, dass es keine Kontaktaufnahme mit mir geben sollte“

Er erschrak fürchterlich, als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte und war fast bereit gewesen, sich zu verteidigen, als er die Stimme vernahm und sich entspannte.

„Es tut mir leid, aber ich denke, es dürfte sie interessieren, dass wir ein Problem haben.“

Er konnte den Mann ihm gegenüber nicht genau erkennen, trotzdem spürte er, dass dieser nicht erbaut war, von dem was er sagte.

„Was für ein Problem? Stimmt was nicht mit

der Lieferung oder macht der

Kapitän Schwierigkeiten?“

„Nein, nichts von all dem. Der neue Lord schnüffelt in der Bucht herum. Bei der letzten Lieferung hatte ich gleich so ein merkwürdiges Gefühl. So als ob wir beobachtet werden würden und weil ich dieses Gefühl nicht loswerden konnte, bin ich ein paar Tage später noch einmal hin und da habe ich ihn dort gesehen. Er hat natürlich nichts gefunden, aber es ist nicht gut, dass er dort war.“

„Nun, das ist eine neue Sachlage. Es war gut, dass du mich informiert hast. Ihr macht weiter wie bisher. Ich werde mich dem Problem selber annehmen und ich weiß auch schon wie.“

Kapitel 3

An diesem wunderschönen Nachmittag spielten die Kinder draußen in dem Garten und Moira beneidete sie dafür, dass sie noch unbekümmert und unbeschwert durch den Tag gehen konnten. So gut es ging, versuchte sie, ihnen nicht anmerken zu lassen, wie schlecht es um das Waisenhaus stand. Mehr als ein Dach über dem Kopf, Nahrung und Kleidung, die dringend erneuert werden musste, konnte sie aus materieller Hinsicht ihnen nicht bieten.

Doch wie lange konnte sie diese einfachen Grundbedürfnisse noch befriedigen?

Der kleine Gemüsegarten gab gerade genug für

sie selber her und die Bezahlung, die sie

für Näharbeiten vom Schneider im Dorf

bekam, bezahlten das Mehl, das sie brauchte, um Brot backen zu können.

 Zwölf Mäuler mussten ernährt werden, und wenn sie selber auch nur das Minimalste aß, so reichte es gerade für alle, nicht Hunger leiden zu müssen. Moira seufzte vor sich hin, als sie sich von ihrem Schreibtischstuhl erhob und mit schweren Schritten zum Fenster ging.

 Ihr Blick fiel nach draußen, doch anstatt sich an der Schönheit der sich bereits färbenden Bäume zu weiden, ging ihr Blick ins Leere. Wie durch einen Nebel drangen die hellen und fröhlichen Stimmen der Kinder an ihr Ohr.

Sie würde diesen Monat die Rate an Sir

Dumfrey nicht zahlen können. Überhaupt war es unmöglich, diese hohe Summe jemals zurückzuzahlen und sie wusste,

dass er es ebenfalls wusste. Das machte ihr Angst. Was würde passieren, wenn sie nicht

zahlen konnte? Würde man sie dafür ins Gefängnis stecken?

Langsam richtete sie den Blick in den Himmel, als ob dort die Lösung ihrer Probleme stand.

„Ach Vater, was ist nur passiert?

Warum hast du soviel Geld gebraucht und was ist mit unserem Vermögen passiert? Was soll ich bloß tun?“

Moira hielt inne, denn ohne sich

umzudrehen, spürte sie, dass Eileen den Raum betreten hatte.

„Sieht es so schlimm aus?“

Ohne den Blick von draußen abzuwenden, meinte sie:“ Ja. Ich kann die Bücher meines Vaters noch so oft durchgehen, nirgendwo erkenne ich, wo sein Geld geblieben ist und unsere Kasse ist leer.“

Moira drehte sich um, verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah ihre beste Freundin an. 

„Es ist aus, Eileen. Ich muss

dich entlassen. Ich kann dich

nicht mehr bezahlen und um

ehrlich zu sein, ich weiß nicht,

wielange ich noch den Kindern ein Dach über dem Kopf bieten kann.“

Eileen eilte ihrer Freundin entgegen, nahm sie in den Arm und hielt sie fest gedrückt.

„Ich werde nicht gehen und du brauchst mich nicht zu bezahlen. Gemeinsam werden wir

es schon schaffen.“

„Nein, das werden wir nicht.“

Mit einem Ruck befreite sich Moira trotzig aus Eileens Umarmung, trat einen Schritt zur Seite und kämpfte mit ihren aufsteigenden Tränen.

„Das werden wir nicht. Du weißt ja nicht alles.“

„Was weiß ich nicht?“

„Mein Vater hat sich kurz vor seinem Tod zehntausend Pfund bei Sir Dumfrey geliehen und dieser verlangt die Rückzahlung von mir. Jeden Monat soll ich hundert Pfund an ihn bezahlen. Bisher konnte ich es noch aufbringen, doch nun ist alles Geld weg und ich werde diesen Monat nicht bezahlen können. Vielleicht ist es doch das Beste, wenn ich einwillige, ihn zu heiraten und ihm das ganze Land überlasse.“

Eileen schüttelte ihre Freundin an beiden Armen und versuchte, auf sie einzudringen.

„Das wirst du nicht tun, hörst du mich! Du wirst nicht dein Leben diesem Widerling opfern. Es wird eine andere Lösung geben und wir werden sie gemeinsam suchen.

Wo ist denn das Geld hin, was dein Vater sich geliehen hat. Wenn wir es finden, könntest du es Dumfrey zurückzahlen.“

Moira wusste nicht, ob sie ihrer Freundin böse darüber sein sollte, dass sie scheinbar die Situation verkannte oder froh darüber sein sollte, dass sie einfach für sie da war. 

„Das ist es ja, was ich nicht verstehe. Mein Vater war vermögend, er brauchte Sir Dumfreys Geld nicht. Er hatte es immer in seinem Safe im Haus, aber nach dem Brand habe ich nachgeschaut und der Safe war leer. In den Büchern finde ich nichts über große Ausgaben. Sein Geld und die zehntausend Pfund von Dumfrey sind einfach spurlos verschwunden.“

„Kann es gestohlen worden sein?“

„Die Kombination des Safes kannten nur

meine Eltern und ich.

Eileen, ich weiß mir einfach nicht mehr zu helfen. Der Garten wirft nicht genug ab, als das wir auf dem Markt noch etwas verkaufen könnten und meine Näharbeiten decken nur die nötigsten Kosten. Was also deiner Meinung nach bleibt mir noch anderes übrig, als bei Dumfrey zu Kreuze zu kriechen?“

Es trat eine lange Schweigeminute ein und beide Frauen schienen fieberhaft nach der rettenden Lösung zu suchen,

als Eileen plötzlich, „Ich hab es!“, schrie.

„Warum gehst du nicht zum neuen Lord und sprichst mit ihm? Sein Onkel wollte dir helfen und vielleicht tut er es auch?“

„Sein Onkel war der beste Freund meines Vaters. Lord MacIntyre aber kannte weder meinen Vater noch kennt er unsere Familie.

Welche Veranlassung sollte es also für ihn geben, mir zu helfen?“

„Vielleicht, weil er zu dem Wort steht, dass sein Onkel dir gegeben hat? Ein Versuch wäre es wert.“

Moira schwieg eine Weile und dachte über das nach, was Eileen gesagt hatte. Vielleicht hatte sie Recht. Mehr als Nein sagen konnte er nicht.

„Was sagen die Leute aus dem Dorf über ihn? Hast du was gehört?“

„Nun, ich weiß nur, dass er seit dem Sommer hier ist, aber im Dorf war er scheinbar noch nicht. Jedenfalls ist der Klatsch dort über ihn nur der, der aus dem Schloss dringt.

Er soll jung und gut aussehend sein.“

Schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern stupste Eileen Moira an.

Diese hatte ihre Contenance wiedergefunden und musste lächeln.

Versuchte Eileen etwa, sie zu verkuppeln?

„So, so. Jung und gut aussehend.

Und woher weißt du das, wenn er noch nicht im Dorf gesehen wurde? Triffst du dich immer noch mit diesem Samuel?“

„Du weißt davon?“, erstaunt sah Eileen ihre Freundin an. 

Moira nickte nur. Etwas peinlich berührt fuhr Eileen fort.

„Nun ja, wir lieben uns, und wenn alles gut geht und Samuel weiterhin seine gut bezahlte Stellung behält, dann fragt er mich bestimmt, ob ich seine Frau werden will.“

„Oh, Eileen, das freut mich für dich.“

„Nun, noch ist es nicht soweit, was uns wieder zu unserem Problem zurückbringt.

Samuel sagt jedenfalls, dass Lord MacIntyre so ganz anders ist. Nett und zugänglich soll er sein und deshalb bin ich der Meinung, du solltest mit ihm reden.“

„Vielleicht hast du Recht. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen.“

„Das solltest du tun und nun komm, wir werden uns eine schöne Tasse Tee machen und uns auch in die Sonne setzen. Wer weiß, wie oft wir sie dieses Jahr noch zu Gesicht bekommen. Der Winter steht schon vor der Tür.“