Um uns herum die Dunkelheit - Barbara Eckhoff - E-Book

Um uns herum die Dunkelheit E-Book

Barbara Eckhoff

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Beschreibung

Der Fall schien klar zu sein - Kunstraub! Doch von einer Sekunde zur nächsten schien für FBI Agent Luke MacKenzie nichts mehr so zu sein, wie es vorher war. Er lief Gefahr, nicht nur sein Leben sondern auch sein Herz zu verlieren. Konnte er beidem entgehen oder war er bereits verloren? Denn um ihn herum war nur die Dunkelheit... Casey Flemming war auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Gefunden hatte sie diese in einem Provinznest in den USA, doch in welcher Gefahr sie dabei schwebte, sollte sie schnell erfahren. Gab es für sie ein Entkommen?

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Barbara Eckhoff

Um uns

Um uns herum die Dunkelheit

Roman

Barbara Eckhoff

Kapitel 1

Die Straße war nass. Es hatte die ganze Nacht hindurch geregnet und auch jetzt hing der Himmel noch voller dunkler Wolken. Es waren kaum Fahrzeuge unterwegs, was wohl daran lag, dass es Sonntagmorgen war.

Der Fahrer des kleinen roten Wagens, der sich jetzt der Kreuzung nach Paradise näherte, interessierte dies alles nicht. Er bog ab und fuhr zielstrebig in Richtung Stadt.

Paradise machte seinem Namen alle Ehre. Wie ein kleines Paradies lag es in malerischer Kulisse, denn die Ausläufer des Coronado National Parks lagen direkt vor der Haustür. Auch war die mexikanische Grenze nicht weit. Für Outdoor Enthusiasten der ideale Ausgangspunkt. So lebte der Ort von dem wachsenden Tourismus. Viele Städter aus dem nahen Tuscon zog es am Wochenende in die Berge. Paradise war die Typische, amerikanische Kleinstadt. Eine Ortschaft mit Idylle. Die Stadt besaß zwei Friseurgeschäfte, ein Hotel, zwei Supermärkte ein kleines Sheriff Office und noch so allerhand kleine Läden die Sachen für den täglichen Bedarf verkauften. Trotz seiner kleinen Größe merkte man dass sich in näherer Zukunft hier mehr tun würde. Es kamen immer mehr Leute, die sich hier niederließen. In den letzten Jahren hatten sich größere Firmen am Ortsrand angesiedelt. Sie alle waren durch die geringen Grundstückspreise und der niedrigen Steuern angezogen worden. Viele waren Speditionen, die ihren Umschlagplatz für die zu beförderten Waren hatten. Paradise war nur eine gute Stunde von der mexikanischen Grenze entfernt und somit eine gute Ausgangsposition für Geschäfte mit Mittelamerika.

Eine dieser Firmen war die Hooks Incorporating. Sie war die größte Spedition vor Ort und besaß einen guten Ruf.

Der Firmeninhaber Alan Hooks war vor ungefähr fünf Jahren nach Paradise gekommen. Er suchte damals einen guten Platz für sein Vorhaben und gründete so seine Firma vor Ort. Schnell zeigte es sich, dass er ein gutes Händchen fürs Geschäft hatte. Seine Firma wuchs stetig und zwei Jahre später war er mit seinem Betrieb schon der erfolgreichste Unternehmer in der Umgebung.

Ein weiteres Jahr später kandidierte er für den Bürgermeisterposten und gewann deutlich gegenüber seinem Gegner. Die Leute von Paradise mochten ihren Bürgermeister. Er hatte ihnen in kurzer Zeit viele Arbeitsplätze geschaffen und zahlte gute Löhne. Dies war Grund genug, meinten sie, ihn ins Amt zu bringen.  

Hooks bewohnte mit seiner Familie ein großes Haus in den Hügeln oberhalb der Stadt. Das Grundstück war riesig und wurde von einer hohen Mauer ringsherum umgeben. Auch Kameras beobachteten die Gegend. Dort kam niemand Ungebetenes herein.

Soeben fuhr der kleine rote Wagen an der Firma der Hooks Incorporating vorbei. Der Fahrer fuhr etwas langsamer und schaute sich die drei riesigen Hallen an. Etwas abgelegen lag noch das Verwaltungsgebäude. Vor den Hallen standen viele LKWs und warteten auf ihren Einsatz am Montagmorgen.

Nun gab das rote Auto wieder Gas und fuhr gleich darauf an den ersten Häusern von Paradise vorbei.

Es waren gepflegte Einfamilienhäuser, die dort  an der Hauptstraße standen. Ihre Gärten blitzten nur so und luden zu einem schönen Stadtbild ein.

Der kleine Wagen bog an der großen Kreuzung im Herzen der Stadt ab und hielt vor dem einzigen Hotel an.

Der Himmel hatte sich etwas aufgelockert und nun schien sich ab und zu die Sonne durch die dunklen Wolken zu kämpfen. Die Wagentür öffnete sich und es stieg eine junge, recht große, schlanke Frau aus dem Wagen. Sie ging mit sicheren Schritten auf den Hoteleingang zu.

Es war kein allzu großes Hotel, aber für die Bedürfnisse der kleinen Stadt reichte es aus. Die Zimmer waren schön und sauber, auch wenn sie nicht mehr einem  modischen Ambiente entsprachen. Ein kleines Restaurant war gleich neben dem Hotel und bot dem Gast gutes bürgerliches Essen.   

Die junge Frau betrat das Hotel und ging zur Rezeption hinüber. Ein freundlicher Mann mittleren Alters begrüßte sie.

„Guten Tag, Madam. Womit kann ich Ihnen dienen?“

„Ich bin Casey Flemming und Mrs. Carmichel  sagte mir, sie würde hier den Schlüssel für mein Haus hinterlassen. Ist dies geschehen?“

„Oh, sie kommen aus Los Angeles, nicht wahr? Mrs. Carmichel hat es uns erzählt. Ist es richtig, dass sie bei der Hooks Incorporating morgen eine Stelle anfangen möchten?“

„Ja, das stimmt!“ Casey war gleichermaßen überrascht und verärgert, weil Mrs. Carmichel wohl bereitwillig Auskunft erteilt hatte.

„Haben Sie den Schlüssel bekommen?“, wollte Sie nun wissen. Die Fahrt war lang gewesen und nun wollte sie eigentlich nur noch schnell ins Haus, damit sie sich auf den morgigen Tag vorbereiten konnte.

„Ja, selbstverständlich, hier ist er. „Mit den Worten griff er unter den Rezeptionstisch und holte einen Umschlag hervor.

„Kennen Sie die Adresse?“, fragte er.

„Ja ich war schon vor einem Monat einmal hier und habe mir alles angesehen.  Haben Sie vielen Dank für Ihre Mühe. Auf Wiedersehen.“

Mit diesen Worten nahm sie den Umschlag und verabschiedete sich.

Als sie wieder in Ihrem Wagen saß, öffnete Sie den Umschlag und entnahm ihm den Hausschlüssel und einen Zettel. Sie entfaltete den Zettel und las laut vor.

Liebe Miss Flemming,

   leider wird es mir nicht möglich sein, heute an

   Ihrem ersten Tag sie in Ihrem Haus zu begrüßen.

   Mein Mann hatte einen Unfall und liegt mit

   Beinbruch im Krankenhaus. Gott sei Dank ist

   nichts Schlimmeres passiert.

  Auf der Rückseite dieses Zettels habe ich Ihnen

  noch einmal eine Wegbeschreibung gegeben.

  Ich werde versuchen in den nächsten Tagen einmal

  bei Ihnen vorbeizuschauen. Der  Briefkastenschlüssel liegt in der Kueche.

  Alles Weitere dann später

                  Gruß Mrs. Carmichel

Casey drehte den Brief um und prägte sich die Wegbeschreibung ein. Danach faltete sie den Brief wieder und steckte ihn in ihre Jackentasche. Sie ließ den Motor an und folgte der Beschreibung.

Nach ca. 10 Minuten kam sie in der kleinen Nebenstraße an. Lauter kleine Einfamilienhäuser mit hübschen Vorgärten prägten das Bild. Zwischen den einzelnen Grundstücken hatte man vor langer Zeit Magnolienbäume gepflanzt. Diese standen jetzt in voller Blüte und gaben der Straße ihren Namen und einen einladenden Charakter. Die Magnolien Lane war nach Caseys Geschmack die schönste Straße des Ortes und sie freute sich, dass sie jetzt ihr zuhause war. Sie steuerte Ihren Wagen zur Hausnummer 8 und hielt dann an. Das Haus selbst, ein kleines rotes Backsteingebäude mit schwarzem Dach und einer überdachten Veranda, die sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckte, sah noch genauso aus, wie sie es in Ihrer Erinnerung hatte.

Vor einem Monat hatte sie sich auf eine Anzeige hin gemeldet. Eine ältere Frau hatte für Ihr Haus einen Mieter gesucht. Sie, Mrs. Carmichel, wollte mit Ihrem Mann zu den Kindern nach Tucson ziehen. Sie war daraufhin an einem Wochenende nach Paradise gefahren und hatte sich das Haus angeschaut. Es war klein, aber sauber und ordentlich gepflegt. Die beiden Frauen waren sich sofort einig geworden und Casey hatte den Übergabetermin für den heutigen Tag vereinbart.

Nun stand sie also vor Ihrer neuen Heimat und freute sich auf die Dinge, die da noch kommen würden. Mrs. Carmichel war mit ihrem Mann schon vor zwei Wochen ausgezogen und hatte das Haus in einem sauberen Zustand verlassen. Casey schloss die Haustür auf und trat ein. Ein etwas muffiger Geruch kam ihr entgegen. Sie riss die Fenster im Erdgeschoss auf und lief dann die schmale Treppe hinauf ins obere Geschoss. Nachdem sie dort ebenfalls alle Fenster geöffnet hatte, merkte sie schon, dass die frische Luft durch das Haus strömte und den modrigen Geruch mit sich nahm.

Alle Zimmer waren leer. Sie hatte nur zwei Koffer und eine aufblasbare Luftmatratze mitgebracht. Alle ihre Möbel und die anderen Sachen würde die Umzugsfirma am morgigen Tage bringen. Casey holte Ihre Sachen aus ihrem Wagen und brachte sie ins Haus. Sie stellte sie ins Wohnzimmer und fing an die Luftmatratze aufzublasen.

Es war jetzt später Vormittag, als sie die Luftmatratze ins Wohnzimmer legte.  Dies war nun das einzige Möbelstück, welches in Ihrem Haus stand. Ihr Haus dachte Sie und schaute sich um. Im Erdgeschoss gab es einen kleinen Flur, von wo aus es in das Wohnzimmer auf der einen Seite und zur Küche auf der anderen Seite ging. Neben der Küche lag eine kleine Gästetoilette.  Der Flur endete mit der Treppe, die ins obere Geschoss führte. Oben gab es drei Schlafzimmer und zwei Bäder. Die Zimmer waren nicht sehr groß, aber für sie reichte der Platz aus. In eines der drei Schlafzimmer würde sie Ihr Himmelbett stellen, in das zweite Schlafzimmer käme Ihr Schreibtisch  und das Dritte wäre frei für eventuelle Übernachtungsgäste. Sie fand das Haus wunderschön und vollkommen passend für ihre Bedürfnisse. Die Carmichels mussten die Gartenarbeit sehr geliebt haben, denn der kleine Garten hinter dem Haus war liebevoll mit Sträuchern und kleinen Blumenbeeten zu einer grünen Oase gestaltet worden. Zur Straße hin befand sich die winzige Auffahrt, die mit Blumenbeeten gesäumt war. Sie würde versuchen, das alles mit in Schuss zu halten, obwohl sie nicht der hundertprozentige Gartenfreak war.

Caseys Magen knurrte. Das war ja kein Wunder, denn sie hatte schon seit sechs Uhr heute Morgen nichts mehr gegessen und inzwischen war es schon zwei. Sie entschloss sich noch einmal zum Hotel zurückzufahren, um dort im Restaurant etwas zu essen. Danach wollte sie im Supermarkt noch ein paar Sachen einkaufen, damit sie ihren Kühlschrank füllen konnte.

Das Restaurant war zwar nicht sehr groß aber dafür gut besucht. Sie hatte Schwierigkeiten gleich einen Platz zu bekommen und musste ein wenig warten. Dafür bekam sie dann aber einen Platz am Fenster zugewiesen. Die Karte konnte sich sehenlassen. Es standen Unmengen von verschiedenen Gerichten drauf. Sie bestellte sich ein Omelette mit Champignons und Brot und eine Coca- Cola und aß dies mit gutem Hunger auf.

Nachdem Sie bezahlt hatte, fuhr sie mit ihrem Wagen zum Supermarkt hinüber. Der Parkplatz war voll und Casey fand, dass der Supermarkt für die kleine Stadt riesig war. Doch wie sich zeigte, kauften auch alle umliegenden Farmen hier ein und heute am Sonntag schien sie alle zur selben Zeit einkaufen zu wollen. Der Laden war voll und Mütter mit ihren Kindern im Schlepptau schoben ihre gefüllten Einkaufswagen durch die Gänge. Das Sortiment war gut. Man konnte eigentlich alles, was das Herz begehrte dort kaufen. So schnell es bei dem Andrang ging, besorgte sie die Sachen, die sie benötigte, bezahlte an der Kasse und belud ihr kleines Auto. Dann machte sie sich wieder auf den Heimweg.

Zuhause wieder angekommen packte sie die Sachen in die Küche und setzte sich dann auf Ihre Luftmatratze. Bequem war es nicht und sie war auch recht müde und so legte sie sich hin. Es dauerte gar nicht lange, da war sie eingeschlafen.

Als sie wieder erwachte, war es noch hell draußen. Sie schaute auf ihren Wecker und konnte es gar nicht fassen, welches Datum er anzeigte. Es war doch tatsächlich Montagmorgen sechs Uhr. Das würde bedeuten, dass sie fast vierzehn Stunden  geschlafen hatte. Sie konnte es nicht glauben. So müde hatte sie sich gar nicht gefühlt. Klar die letzten Tage waren alle sehr stressig gewesen. Sie hatte alles in Umzugskartons packen müssen und nebenbei war sie ja auch noch zur Arbeit gegangen. Freie Tage hatte sie sich zuletzt nicht leisten können. Tja, wahrscheinlich war doch alles ein bisschen anstrengend gewesen, sodass sie sich jetzt ausruhen musste. Nun ja, es war jetzt Montag und heute würde sie ihre neue Stelle bei der Hooks Incorporating anfangen.

Dort hatte sie von nun an eine Stelle als Mitarbeiterin der Transportabteilung.

Ihre Aufgabe bestand darin, die zu befördernden Waren für die geeigneten Transportmittel vorzubereiten und die Transportmittel zu finden, wenn es einmal nicht per Lastwagen gehen sollte. So würde sie demnächst mit Flughäfen und Schiffsreedereien in Kontakt treten.  In Los Angeles hatte sie zuletzt bei einer großen Im – und Export Gesellschaft als Sekretärin des stellv. Leiters gearbeitet. Da sie in ihrem Privatleben eine Veränderung nötig gehabt hatte und nebenbei ihr bisheriger Job Sie angefangen hatte zu langweilen, hatte Sie nach einer neuen Herausforderung gesucht und sie hier bei Hooks Inc. scheinbar gefunden. Ihr alter Chef war ganz verwundert gewesen, als Sie vor vier Wochen zu ihm kam und sagte, dass sie gehen wollte.

„Was sie wollen uns verlassen?“, hatte er fassungslos gefragt.

„Ja, ich möchte mich gerne etwas verändern und habe eine Stelle in Paradise gefunden.“ Antwortete sie ihm.

„In Paradise? Wo liegt das denn?“ wollte er wissen.

„Ein paar Stunden südöstlich von hier. Nahe der mexikanischen Grenze.“

„Nun ja, es ist schade, ich dachte es gefällt Ihnen bei uns ganz gut.“

„Das stimmt auch. Trotzdem möchte ich mich ein wenig beruflich verändern. Ich hoffe, sie können das verstehen.“

„Ja, das kann ich schon. Trotzdem tut es mir leid, für uns. Sie waren eine gute, fleißige Mitarbeiterin. Wie es auch sei. Ich kann sie zum 29. dieses Monats entlassen. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.“ Er reichte Ihr seine Hand zum Abschied.

„Vielen Dank. Sir.“ Casey gab ihm die Hand und verabschiedete sich ebenfalls.

Tja das war vor einem Monat gewesen. Jetzt stand sie hier vor dem Spiegel im Badezimmer und machte sich für ihren ersten Tag in der neuen Firma fertig. Als sie fertig war, fuhr sie mit dem Wagen zum Bäcker und holte sich noch schnell etwas zum frühstücken. Danach fuhr sie weiter zur Hooks Incorporating.

„Verdammt noch mal heute geht aber auch alles schief „ fluchte Max Pembroke, als er aus dem Auto stieg. Er hatte vor einer großen Pfütze geparkt und war beim aussteigen mitten hineingetreten. Nun tropfte das Wasser an seinem linken Bein herunter. Wütend schlug er die Fahrertür zu und hätte um ein Haar noch seine Aktentasche mit eingeklemmt.

Hinter sich hörte er ein schallendes Lachen. Er drehte sich um und sah zwei seiner Kollegen auf ihn zukommen.

„Hallo Pembroke. Na wieder mal einer solcher Tage?“

„Hey Stone, Miller. Naja der Tag fängt gut an.“ Meinte Pembroke mit wachsamen Augen.

„Na ich weiß nicht. Dass was wir eben beobachtet haben, sah doch aus, als wäre es der ganz normaler Wahnsinn von Dir. Ich meine, Dir passiert doch eigentlich immer was. Denk doch nur mal an letzten Dienstag. Da hattest Du doch Probleme mit dem Fahrstuhl, oder nicht?“ Miller und Stone mussten schallend lachen. Pembroke wollte nicht daran erinnert werden, das der letzte Dienstag wirklich ein ganz schwarzer Tag war. Erst hatte er sich morgens beim Rasieren in die Haut geschnitten und musste so ein blödes Pflaster draufkleben. Später in der Firma kam er nicht rechtzeitig aus dem Fahrstuhl heraus und hatte sich das Jackett hinten eingeklemmt. Der Fahrstuhl hatte sich in Bewegung gesetzt und hatte ihn beim aufwärtsfahren fasst vom Boden gehoben. Er hatte sich gerade noch rechtzeitig aus den Ärmeln retten können und konnte dann nur noch beobachten, wie sein Jackett in Streifen riss.

Das Gelächter, seiner Kollegen konnte man wahrscheinlich noch in Alaska hören. Mit gesenktem Kopf und dem Rest seines Jacketts war er dann unter schallendem Gelächter in sein Büro gegangen. Es war so peinlich gewesen. Und heute stand er in der Pfütze und hatte beinahe seine Aktentasche eingeklemmt. Tja, er musste zugeben. Seine besten Tage waren das nicht.

Pembroke arbeitete seit einem guten halben Jahr bei der Hooks Incorporating als Buchhalter. Er liebte diesen Beruf, den er jetzt schon seit dem Abschluss  der Schule ausübte. Er hatte schon bei zwei anderen Firmen gearbeitet, bevor er dieses Jahr zu Hooks kam. Er mochte das Arbeiten mit Zahlen.

Max Pembroke war ganz in Gedanken vertieft, als er am Eingang mit einer jungen Dame zusammenstieß. Der Aufprall war so heftig, dass die Handtasche der Dame in weitem Bogen auf die Straße fiel.

„Oh, verflucht nochmal“, schnaufte Casey.

„Es tut mir leid. Warten Sie, ich helfe Ihnen.“ schnell bückte er sich um die Handtasche aufzuheben und sie der Besitzerin wiederzugeben. Als er sich wieder aufrichtete, um ihr die Tasche zu geben, fiel sein Blick auf ihr Gesicht. Vor ihm stand wohl die atemberaubendste Frau, die ihm jemals begegnet war. Sie war groß, er schätzte sie auf mindestens 177 cm, schlank mit wohl proportionierten Rundungen. Ihre langen braunen Haare waren immer noch schulterlang, obwohl sie sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sie hatte feine Gesichtszüge, eine schmale Nase und strahlend blaue Augen, die ihn jetzt allerdings fragend ansahen. Ihr betörender Mund kräuselte sich ein wenig, bevor sie das Wort an ihn richtete.

„Habe ich ihre  Musterung bestanden, dann können Sie mir ja bitte jetzt die Tasche geben, danke!“

Miller und Stone, die knapp hinten ihm gegangen waren, klatschten sich vor Lachen auf die Schenkel.

„Unser Trottel ist wieder unterwegs, Madam. Man muss echt aufpassen, wenn er in der Nähe ist. Nehmen Sie sich vor ihm in acht.”

Mit diesen Worten verschwanden sie lachend und feixend im Inneren der Firma.Casey nahm die Tasche, die Pembroke ihr nun ganz beschämt entgegen hielt, in die Hand und ging ohne ein weiteres Wort hinter den beiden Männern her.

Pembroke holte einmal tief Luft und folgte dann langsam den anderen.

In der Eingangshalle sah er die Dame mit der Empfangsdame reden.

Er hörte noch gerade, wie sie sich als Casey Flemming vorstellte und erfuhr, dass es heute ihr erster Tag in der Firma sei. Der Boss würde sie erwarten.

Max eilte zu den Fahrstühlen, und während er auf den Aufzug wartete, riskierte er noch einen Blick zurück. Man würde sich jetzt bestimmt öfters sehen.

Casey meldete sich unten bei der Empfangsdame an und fragte nach dem Büro von Mr. Hooks.

Man erklärte ihr, wo sie ihn finden würde und daraufhin machte sie sich auf den Weg.

Mr. Hooks hatte sein Büro im obersten Stock. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl die vier Stockwerke hoch. Als sich die Tür öffnete, stand sie in einer Art großem Zimmer. Genau gegenüber dem Fahrstuhl befand sich ein riesiger Schreibtisch, an dem eine junge Dame saß.

Casey ging zu ihr hinüber und stellte sich vor.

„Ach ja, Miss Flemming. Mr. Hooks wartet schon auf Sie. Bitte folgen Sie mir.“

Mit diesen Worten stand die Dame auf und machte sich auf den Weg zu Mr. Hooks Büro. Casey folgte ihr und konnte im vorbeigehen sehen, dass es sich tatsächlich um nur zwei Büros hier oben handelte. Das eine war das von der jungen Dame, die scheinbar seine Sekretärin war. Ihr Büro war offen, ohne Tür. Das andere Büro war durch eine große Mahagoni Tür verschlossen. Diese öffnete nun die junge Dame und ließ Casey hinein. Sie staunte nicht schlecht. Das ganze Büro war mit Kunstwerken verschiedener Künstler eingerichtet und sah eigentlich nicht aus wie ein Büro. Vielmehr sah es wie ein großes Wohnzimmer aus. In der Mitte standen zwei Couchen, die sehr bequem aussahen.

„Bitte kommen Sie doch hier herüber.“

Casey erschrak, als sie die Stimme hörte. Sie war ganz in Gedanken gewesen und hatte Mr. Hooks gar nicht wahrgenommen. Er saß an einem sehr großen und schweren Marmor Schreibtisch und zeigte auf den Sessel davor.

Sie ging auf ihn zu, begrüßte ihn und nahm dann Platz.

„Guten Morgen Miss Flemming. Wir freuen uns, sie bei uns begrüßen zu dürfen. Ihr Arbeitsplatz ist im ersten Stockwerk. Ich habe nach Mrs. Granger geklingelt. Sie wird sie nach unten begleiten und sie in die Arbeit einweisen. Mrs. Granger wird uns in einem Monat verlassen, da sie ein Kind erwartet. Ich erwarte von ihnen, dass sie die Arbeit von ihr übernehmen.”

In diesem Moment klopfte es an der Tür und es trat eine hochschwangere Dame ein.

„Ach! Mrs. Granger, da sind sie ja schon, bitte kommen sie herüber.“

„Mrs. Granger dies ist Miss Flemming ihre Nachfolgerin. Bitte zeigen Sie ihr alles, damit sie sich hier zurechtfindet.“

„Ja Sir, Bitte kommen sie Miss Flemming, ich werde ihnen alles zeigen.“ Mrs. Granger zeigte zur Tür und sie verabschiedeten sich von Mr. Hooks.

Als sie mit dem Fahrstuhl in den ersten Stock gefahren waren, ging Mrs. Granger links den Gang hinunter. An der dritten Tür hielt sie an und öffnete Sie. Sie traten in ein kleines Büro ein.

„So dies ist mein Reich, beziehungsweise jetzt ihr Reich. Ich werde die Firma bald verlassen, weil ich ein Kind erwarte. Auf dieser Etage befindet sich die Buchhaltung, der Versand das sind wir und die Koordination. In der Etage darüber haben wir die Schreibbüros und darüber ist die Chefetage. Die haben wir ja eben gesehen. Unter uns ist nur der Empfang. Ihre Jacke können Sie dort an dem Jackenständer aufhängen. So, dann wollen wir mal anfangen. Nehmen Sie sich doch bitte einen Stuhl und setzen sich neben mich. Hier in den Aktenordnern stehen die Adressen der Gesellschaften, mit denen wir schon Waren transportiert haben. Weiterhin sind hier die.........“

Mrs. Granger erzählte Casey alles, was ihr so einfiel. Der Tag war anstrengend aber schon sehr lehrreich.

Gegen 18:00 Uhr war ihr erster Tag zu Ende. Sie bemerkte, dass kein Mitarbeiter länger arbeitete. Die Firma wurde gegen 18:30 Uhr geschlossen. Somit würde ihre Arbeitszeit immer von 8:00 bis 18:00 Uhr gehen. Dazwischen hatte sie eine Stunde Mittagspause.

Rasch fuhr sie nachhause, weil sie sehr gespannt darauf war, ob die Umzugsfirma alle Sachen von ihr mitgebracht hatten. Sie hatte heute um 13:30 Uhr ihre Mittagspause genommen, war nachhause gefahren und hatte die angekommene Umzugsfirma in Ihr Haus gelassen. Jetzt wollten Sie fertig sein.

Als sie in ihre Straße einbog, sah sie, dass der LKW von der Firma nicht mehr da war. Das bedeutete, dass sie fertig waren. Nachdem sie das Auto geparkt hatte und die Haustür mit dem Zweitschlüssel aufgeschlossen hatte, schaute sie in ihren Briefkasten und fand dort den Schlüssel, den die Umzugsleute hineingeworfen hatten. Im Flur herrschte das absolute Chaos. Überall standen Kisten und Kartons herum. Im Wohnzimmer hatten sie die Schränke aufgebaut aber dann irgendwo stehen gelassen. So sah es im ganzen Haus aus. Die Packer hatten die Möbel zusammengebaut und auch in die richtigen Räume gestellt, nur war es jetzt ihre Aufgabe die Möbel auch an die richtige Stelle zu schieben. Das würde noch eine Menge Arbeit bedeuten. Doch für heute sollte es so reichen. Sie fand, dass das auch noch morgen Zeit haben würde. Das Einzige, was sie heute noch tat, war ihr Bett an die Stelle zu schieben, wo es von nun an stehen sollte. Sie bezog das Bett mit dem Laken, womit sie im Wohnzimmer die Luftmatratze bezogen hatte und brachte ihr Bettzeug nach oben. Danach versuchte sie in den Kartons, die in der Küche standen, Kochgeschirr, Teller und Bestecke zu finden. Nachdem sie alles gefunden hatte, machte sie sich etwas zu essen und nahm dann das Essen mit hinüber ins Wohnzimmer. Dort saß sie dann an ihrem Tisch, der irgendwie im Wohnzimmer stand und blickte sich um. Sie hatte noch verdammt viel Arbeit vor sich, bis es hier ein bisschen gemütlich aussah.

Gut war, dass die Carmichels ihre Gardinen hängen gelassen hatten, somit sah der Raum schon nicht so kalt und leer aus. Die recht modernen Vorhänge zeigten von einem guten Geschmack der Vorgänger und würden bestimmt gut zu ihrer Einrichtung passen, dachte Casey, als sie während des Essens ihre Augen durch den Raum schweifen ließ und gedanklich schon  jedes Möbelstück an seinem Ort stehen sah.

Nachdem sie gegessen und das Geschirr abgespült hatte, versuchte Sie ihren Fernseher in Gang zu bekommen. Als Sie endlich ein paar Kanäle eingestellt hatte, schob sie Ihre Couch vor den Fernseher und nahm Platz. Sie zappte ein bisschen herum, bis sie die Nachrichten hinein bekam. Über Konflikte in Nahost wurde gerade berichtet. Mit großem Interesse verfolgte sie die Meldungen. Ein Kunsthaus in Mexiko war letzte Nacht bestohlen worden. Man hatte zwei große Vasen aus der Inkazeit gestohlen. Der Wert ungefähr 1,5 Millionen Dollar.  Casey dachte bei der Nachricht darüber nach, was sie wohl mit 1,5 Millionen Dollar machen würde. Ihr fiel sehr viel ein. Als die Nachrichten vorbei waren, schaltete sie das Gerät ab und ging nach oben. In irgendeinem Karton musste sie ein paar Bücher haben. Sie durchsuchte die Kartons oberflächlich und fand schnell ein Buch, was sie interessierte. Müde und erschöpft vom ersten Tag, legte sie sich ins Bett. Sie versuchte noch ein paar Seiten zu lesen, merkte aber schnell, dass sie sich auf die Zeilen nicht konzentrieren konnte und legte somit das Buch weg. Bald darauf schlief sie ein.

Der Tag war schön. Es war warm und überall hörte man Vögel singen. Zwar war es schon Spätsommer, aber hier in Arizona wurde es ja nie richtig kalt. Man kannte zwar auch kühlere Tage aber richtig kalt wie drüben im Osten oder in den Hochtälern der Berge wurde es hier nie. Casey liebte Arizona. Ihre Eltern waren früher oft in den Ferien zum Golfen nach Phönix gefahren und sie hatte in den dazu gehörenden Hotel Resorts sich gut am Pool vergnügt. Außerdem lag Arizona so dicht an ihrem Heimatstaat Kalifornien. Sie war in Los Angeles geboren worden. Ihre Eltern waren recht wohlhabend und so mangelte es ihr meistens nicht an Geld. Nicht das sie nicht mit dem Geld auskam, das sie verdiente. Nein im Gegenteil sie hatte immer schon eine gute Einstellung zum Geld gehabt. War nie verschwenderisch gewesen. Alle Ausgaben wurden gut überlegt. Ihre Eltern hatten sie dazu erzogen, sich nie etwas darauf einzubilden, dass man wohlhabend war.  Somit war es für sie auch selbstverständlich gewesen, nach dem College einen Beruf zu lernen und eine eigene Wohnung zu haben. Casey wusste immer, was sie als Nächstes tun wollte. Nur als ihr Vater vor ein paar Jahren unerwartet verstorben war, war sie kurzzeitig ins grübeln gekommen, ob das was sie tat, auch wirklich das war, was sie wollte. Sie war geneigt gewesen, sich eine Stelle fern von daheim zu suchen aber nach dem Tod ihres Vaters verwarf sie die Idee und blieb in Los Angeles, um in der Nähe ihrer Mutter zu sein. Jetzt etliche Jahre später schien es nicht mehr nötig zu sein, immer in greifbarer Nähe ihrer Mutter zu bleiben. Sie hatte ihr Leben gut im Griff und war dank des Vermögens in der Lage einen gewissen Lebensstil sich zu behalten. Ihre Mutter verstand auch, dass sie privat eine Veränderung brauchte.

So hatte sie auch keine Einwände gehabt, als ihre Tochter ihr mitgeteilt hatte, dass sie bei ihrem Chef gekündigt hatte, um eine neue Stelle in Paradise anzutreten. Nun war sie also hier. Das Haus sah noch chaotisch aus und den ersten Tag hatte sie schon hinter sich gebracht. Nun fuhr sie mit ihrem Wagen auf den Parkplatz der Firma.

Max Pembroke kam auch gerade mit seinem Wagen angefahren. Als er ausstieg, sah er zu Ihr hinüber.Er winkte ihr zu und begrüßte Sie. Sie grüßte zurück und ging zum Fahrstuhl.

Die Tür des Fahrstuhls wollte sich gerade schließen, als Mr. Pembroke sie wieder aufmachte.

„Vielen Dank, dass sie mich noch mitnehmen.“ bedankte er sich.

„Das macht nichts. Wenn ich gewusst hätte, dass sie auch mit dem Fahrstuhl fahren, dann hätte ich auf sie gewartet.“ meinte Casey.

Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Einen kurzen Augenblick später hielt er wieder an. Die Tür ging auf und sie befanden sich im ersten Stockwerk.

Mr. Pembroke wollte gerade hinausgehen, als er von ihr angesprochen wurde.

„Müssen sie hier auch aussteigen?“

„Ja, ich arbeite hier in der Buchhaltung, das sagte ich ihnen doch gestern schon. Die Buchhaltung befindet sich hinter der zweiten und dritten Tür hier auf der rechten Seite.“

„Ja, es stimmt, sie sagten es mir gestern. Ich entschuldige mich, dass ich nicht richtig zugehört habe. Ich hatte gestern meinen ersten Tag und da war ich wohl etwas aufgeregt.“

„Ja, das hatten Sie mir gesagt, Miss Flemming. Herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

Mit diesen Worten verließ er den Fahrstuhl und ging den Gang hinunter zu seinem Büro.

„Hallo Casey! Was willst du denn mit dem?“ Mrs. Granger kam auf sie zu und deutete mit einem Wink auf Pembroke.

„Mit Mr. Pembroke?“, fragte Sie.

„Ja, lass dich bloß nicht mit ihm ein. Es sei denn, du stehst auf Trottel.“ spöttisch fügte Mrs. Granger hinzu, als sie den Gang hinunter gingen.

„Jeden Tag passiert ihm irgendetwas Blödes. Neulich hat er sein Jackett im Fahrstuhl eingeklemmt. Das wurde ganz zerrissen. Oder er steht plötzlich auf der Damentoilette und meint er hätte das Schild nicht richtig gelesen. Und so weiter und so fort. Seit einem guten halben Jahr ist er hier, der Chef behält ihn bestimmt nur, weil er vielleicht Mitleid mit ihm hat.“

„Meinst du nicht, dass das ein bisschen übertrieben ist?“, wollte Casey wissen.

„Wenn du mir nicht glaubst, kannst du ja die Anderen fragen. Die haben alle die gleiche Meinung. Ich meine, schau ihn dir doch nur mal an. Wie der allein schon rum läuft. Diese Hosen, die könnten auch aus der Kriegszeit stammen. Überhaupt nicht modisch mehr. Immer nur Anzüge. In seine Haare macht er zu viel Pomade und seine Brille hat auch schon frühere Zeiten erlebt. Und dann sein Gesicht. Diese viel zu buschigen Augenbrauen und die unreine Haut. Diese Krater hat er bestimmt von aufgekratzten und nicht wieder verheilten Windpocken. Also wenn  Du mich fragst, ein abstoßender Mensch. Aber nun komm, wir wollen mit der Arbeit anfangen.“

Mit dieser Beschreibung war für Mrs. Granger , Pembroke gestorben. Auch Casey musste zugeben, dass er nicht gerade eine Schönheit war. Zu allen anderen Punkten konnte sie noch nichts sagen. Sie wollte sich ein eigenes Bild machen. Ein bisschen merkwürdig schien er aber zu sein.

Casey hatte viel zu tun und war überrascht, dass der Tag so schnell zu Ende ging.

Als sie zuhause ankam, erwartete sie das gleiche Chaos wie am Vortag. Sie hatte aber auch heute keine Lust mehr hier noch aufzuräumen. Sie beschloss, dies am Samstag zu tun. Sie müsste dann nicht arbeiten und hätte den ganzen Tag Zeit dafür.

Die neue Arbeit schlauchte. Es war so anstrengend sich die ganzen neuen Sachen zu merken, trotzdem war sie zuversichtlich, dass sie das alles lernen würde. In der Zukunft würde es immer besser werden.

Kapitel 2

Es stürmte draußen. Man hatte das Gefühl, als wenn gleich die Bäume umfallen würden. Es war Oktober und ein Ausläufer eines schweren Sturmes brauste über Paradise hinweg. Seit zwei Tagen schüttete es schon am laufenden Band. Der Sturm brach Äste und fegte über den Firmenplatz. Leere Kisten, die nicht in Sicherheit gebracht worden waren, polterten über das Pflaster. Zwei Männer versuchten alle Kisten wieder einzufangen. Dies erwies sich als schwierig, da immer wieder neue Böen kamen und die Kisten fort trugen.

Casey saß in ihrem Büro und hatte sich vertieft in Ihre Arbeit. Sie war nun schon zweieinhalb Monate hier. Seit Mrs. Granger nicht mehr da war, waren ihre Tage mit viel Arbeit ausgefüllt.

An manchen Abenden musste sie Überstunden machen, damit sie ihre Arbeit schaffte. Sie war dann oft die Letzte, die ging.

Heute war wieder einer von diesen langen Tagen. Seit dem Nachmittag häuften sich die Aufträge auf ihren Schreibtisch, die alle noch bearbeitet werden mussten. Sie schaute auf ihre Uhr. Es war jetzt fast sechs Uhr abends und sie wusste, dass sie mindestens noch für drei Stunden Arbeit hatte. Nach einer Weile brauchte Sie eine Pause. So entschloss sie sich dazu, in die Kaffeeküche zu gehen und sich einen Kaffee zu holen. Dies würde ihre Kraftreserven wieder auffüllen.    

„Oh, Sie arbeiten noch so spät?“ Casey drehte sich um und sah Mr. Pembroke vor sich mit einer Kaffeetasse stehen.

„Ja, ich habe noch viel Arbeit. Müssen sie heute auch länger bleiben?“

„Ja, leider. Ich muss noch einen Bericht ans Finanzamt fertig schreiben. Werde wohl noch eine Stunde dafür brauchen. Ich wollte mir nur eine Tasse Kaffee holen, um nochmal richtig durchstarten zu können. Ihnen geht es wohl genauso!“ sagte er und deutete auf ihre Kaffeetasse. Sie schenkte ihm eine Tasse ein und berührte dabei aus Versehen seine Hand. Ein warmer Schauer durchzog Ihren Arm. Verdutzt hielt sie inne und schaute auf Ihre Hand. Was war das gewesen. Etwas verlegen meinte Sie:

“So eine Tasse Kaffee wirkt bei mir manchmal wie ein Aufputschmittel. Wie es scheint, sind wir heute Abend die Einzigen, die länger arbeiten müssen. So nun werde ich mich mal wieder an die Arbeit machen, sonst sitze ich noch morgen Früh hier. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend.“

„Ich ihnen auch Miss Flemming.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in sein Büro. Auch Casey ging wieder in ihr Büro und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Sie musste erst einmal über das eben erlebte nachdenken. Es konnte doch gar nicht sein, dass Max Pembroke solche Gefühle bei Ihr auslöste. Er war nun wirklich nicht der Typ, dem sich die Frauen reihenweise an den Hals warfen. Ein Schauer durchlief sie, als sie sich die Situation noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Sie hätte erwartet, dass es eher ein Gefühl von Ablehnung hätte sein müssen, stattdessen hatte es für einen Bruchteil einer Sekunde wie elektrisierend in ihrem Innern gebebt. Sie fragte sich, ob er es wohl auch gemerkt hatte.

Dreieinhalb Stunden später war sie endlich fertig. Es war jetzt halb zehn und stockdunkel draußen. Sie packte ihre Sachen zusammen und knipste dann das Licht aus. Auf dem Flur brannte nur eine kleine Lampe. Alles war ruhig. Auch auf der Seite von Mr. Pembroke war alles ruhig und dunkel. Er musste schon vor Stunden gegangen sein. Als der Fahrstuhl endlich kam, stieg sie ein und fuhr nach unten. In der Empfangshalle saß nur der Nachtwächter und schaute ab und zu auf seine Überwachungskameras.

„Hallo Miss Flemming. Heute mal wieder länger gearbeitet?“

„Guten Abend Mr. Long. Ja, für heute reicht es mir. Es war ein ziemlich langer Tag. Ich glaube, ich bin die Letzte heute. Vorhin war noch Mr. Pembroke, da aber er ist, glaube ich schon weg.“

„Ja, aber noch nicht lange. Er ist um kurz vor 21:00 Uhr gegangen.

Hier bitte tragen sie sich aus. Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“

Mr. Long schob ihr die Anwesenheitsliste hinüber. Jeder Mitarbeiter musste sich  morgens dort eintragen und nach Feierabend wieder austragen. Dies wurde aus Sicherheitsgründen gemacht, hatte man ihr gesagt.

„Gute Nacht Mr. Long.“

Casey trug sich aus der Liste aus und verabschiedete sich von ihm.

Er war die gute Seele hier im Haus. Mr. Long mochte wohl schon fast siebzig Jahre alt sein, aber er wollte noch nicht aufhören zu arbeiten. Er hatte früher als Farmarbeiter hier gelebt.  Mit sechzig war ihm diese Arbeit aber zu anstrengend geworden und er hatte sich nach einer neuen Beschäftigung umgesehen. Vor sechs Jahren war dann seine Frau plötzlich gestorben und da hatte er kurze Zeit später diese Stelle angenommen. Da sie nie Kinder gehabt hatten und auch keine andere Verwandtschaft mehr da war, war es für ihn die beste Lösung. Der Job war nicht schwer und wurde recht gut bezahlt.

Somit erklärte er die Firma zu seinem neuen Zuhause.

Mr. Long legte die Namensliste fort und schaute noch einmal auf seine Monitore. Es war alles ruhig.

Als Casey die Tür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte sie, dass der Sturm sich etwas gelegt hatte. Es hatte jetzt zu regnen angefangen aber der Wind hatte nachgelassen. Schnell lief sie zu ihrem Auto hinüber. Leider hatte sie keinen Regenschirm dabei und so durchnässten die großen Tropfen schnell ihre Kleidung. Sie fluchte  darüber, dass sie ihr Auto heute nicht etwas weiter vorne am Eingang geparkt hatte. Als sie Ihr Fahrzeug endlich erreicht hatte, hatte sie bereits klatschnasse Haare. Sie schloss schnell auf und flüchtete sich dann hinein.

Auf dem Rücksitz lag noch eine Decke vom Umzug. Sie nahm sie und versuchte sich damit etwas abzutrocknen.

Einen Augenblick später startete sie Ihren Wagen und fuhr los.

Als sie fast in Höhe der Lagerhallen war, erregte eine Bewegung an der zweiten  Halle ihre Aufmerksamkeit. Sie fuhr etwas langsamer, um Genaueres zu sehen. Irgendwas huschte dort in den Schutz der Dunkelheit. Genau konnte sie es nicht erkennen. Aber sie war sich fast sicher, dass sie einen  Mann gesehen hatte. Jetzt konnte sie nichts mehr erkennen. Sie fuhr mit ihrem Wagen näher an die Hallen heran. Im Lichtschein ihrer Scheinwerfer konnte sie aber nichts mehr sehen. Merkwürdig dachte sie, einen Augenblick hatte sie wirklich geglaubt, etwas gesehen zu haben. Wahrscheinlich hatte sie sich doch getäuscht. Der Wind hatte vielleicht etwas bewegt und bei diesem Regen konnte sie sich vielleicht doch getäuscht haben.

Der Mann huschte zwischen den Hallen in die sichere Dunkelheit. Er hatte nicht damit gerechnet, dass noch jemand mit seinem Auto unterwegs war. Gerade rechtzeitig noch konnte er sich um die Ecke schleichen, als die Scheinwerfer zwischen die Hallen leuchteten. Der Fahrer musste etwas gemerkt haben, denn plötzlich fuhr er den Wagen dicht an die Hallen heran.

Er schwitzte Blut. Wenn das Auto jetzt näher kam, konnte er sich nirgendwo mehr verstecken. Er würde entdeckt werden. Er gab Stoßgebete zum Himmel herauf und beobachtete vorsichtig das Auto. Er konnte keinen erkennen, denn die Scheinwerfer blendeten ihn.

Plötzlich setzte sich das Fahrzeug wieder in Bewegung. Doch es fuhr davon.

Er atmete tief durch und versuchte langsam die Feuertreppe an der zweiten Halle hochzuklettern. Oben stand ein kleines Fenster offen, da wollte er sich hindurchzwängen. Er musste allerdings auf die Kameras acht geben, damit der Alte Long ihn nicht sah. Es dauerte nicht lange, da hatte er das Fenster erreicht. Vorsichtig schlich er sich hindurch. Geschafft! Er war in der Lagerhalle. Auf dieser Seite führte eine Treppe wieder hinunter. Es war stockdunkel hier drin. Langsam versuchte er seine Augen an die absolute Dunkelheit zu gewöhnen.

Er konnte mehrere Gänge erkennen. In jedem Gang standen mehrere Regale auf denen große und kleine Kisten lagen. Er knipste seine kleine Taschenlampe an und versuchte die Etiketten aus den Kisten zu lesen.

Es standen die Bestimmungsorte und die Firmen, die sie erwarteten auf den Kisten. So konnte er sehen, dass das erste Regal zu seiner rechten Seite mit  Waren für die Firma Huntington in Los Angeles gefüllt war. Er holte aus seiner Jacke einen kleinen Fotoapparat. Damit fotografierte er so viele Etiketten wie möglich. Weiter hinten standen sehr große Kisten auf dem Fußboden. Bei einer Kiste versuchte er den Deckel aufzumachen, aber es gelang ihm nicht. Er suchte um sich und fand nach längerem Suchen eine Brechstange. Vorsichtig versuchte er den Deckel aufzustemmen. Die Nägel mit der die Kiste zugenagelt war gaben langsam nach. Es verursachte Geräusche. Als er den Deckel einen Spalt aufgestemmt hatte, lauschte er, ob irgendetwas zu hören war. Es war alles ruhig. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Kiste. Ein goldener Schimmer drang aus der Kiste heraus. Gerade wollte er sich die Sache näher anschauen, als er plötzlich hörte, wie die vordere Hallentür geöffnet wurde und das Licht anging. Schnell schloss er den Deckel und sprang hinter eine der großen Kisten. Er bewegte sich nicht und horchte wachsam auf die Schritte, die sich ihm näherten. Wahrscheinlich war es nur Mr. Long, der seine Wachrunde machte. Als die Schritte immer näher kamen, hielt er den Atem an. Bereit sich sofort auf den Ankommenden zu stürzen, waren seine Nerven bis aufs äußerste gespannt.

Und dann sah er ihn. Mr. Long kam ganz dicht an ihm vorbei, aber er blieb unentdeckt. Ein paar Minuten später knipste Mr. Long das Licht wieder aus und schloss die Tür. Der Schlüssel wurde im Schloss umgedreht. Jetzt war wieder alles ruhig. Schnell versuchte der Mann die Kiste wieder in den alten Zustand zu bringen. Er huschte die Treppe zum Fenster hinauf und schaute hinaus. Es war nichts zusehen. Aber er musste vorsichtig sein. Der alte Mr. Long konnte ja noch irgendwo seine Runde drehen. Er durfte ihm nicht begegnen, denn dies würde für seine Aufgabe das Aus bedeuten. Und er durfte nicht auffliegen. Schnell und sicher stieg er die Feuertreppe wieder hinunter. Mit großen Schritten lief er an den Hallen entlang immer im Schatten der Kameras.

Zwei Minuten später hatte er das Gelände verlassen und saß in seinem Wagen, den er etwas entfernt im Gebüsch geparkt hatte.

Kapitel 3

Der Morgen brachte Sonne und Wärme. Der Sturm war vergangen. Der Regen hatte in der Nacht aufgehört. Man sah nur auf der Straße und auf den Gehwegen, dass gestern ein großer Sturm übers Land gefegt war. Überall lagen kleine und große Äste, die von den Bäumen abgeschlagen worden waren.

Casey war froh, dass es heute schon Donnerstag war. Sie fühlte sich heute irgendwie nicht so gut. Wahrscheinlich bekam sie eine Erkältung. Seit Tagen hatte sie schon dieses Gefühl und gestern die nassen Haare und die nasse Kleidung konnten nicht gerade gut gewesen sein.

Sie befühlte sich ihren Kopf und stellte fest, dass sie etwas Temperatur hatte. Trotzdem schleppte sie sich aus dem Bett. Sie durfte nicht krank werden. Was würde ihr Arbeitgeber sagen. Sie war doch erst seit knapp drei Monaten hier und konnte nicht schon krank sein.

Ihre Arme taten ihr heute weh und schmerzten, als sie sich anzog.

Sie schleppte sich nach unten und packte sich etwas zu essen ein. Im Moment hatte sie keinen Hunger. Etwas später würde sie vielleicht etwas essen wollen.

„Hallo Casey! Wie siehst Du denn heute aus? Geht es Dir nicht gut?“

Stefanie, eine Arbeitskollegin sah ganz besorgt aus.

„Ach ich glaube, ich bekomme eine Erkältung. Sag mal ist es heute so kalt draußen oder kommt es mir nur so vor.“ Casey schüttelte sich.

„Nein es ist ganz warm heute. Lass mal deine Stirn anfassen.“

Sie legte ihre Hand auf Caseys Stirn. Erschrocken wich sie zurück.

„Mein, Gott Du glühst ja. Du hast eine Grippe. Mach das Du ins Bett kommst.“

„Das geht nicht, Stefanie. Ich kann mich doch nicht schon krankmelden.“ protestierte sie.

„Papperlapapp,  ich rufe jetzt Mr. Hooks an und sage ihm, dass er Dich nachhause schicken soll.“

Stefanie griff zum Telefonhörer und wählte seinen Apparat an. Bevor Casey etwas entgegnen konnte, hörte sie Mrs. Mittler antworten.

„Ach er ist nicht da? Es geht um Mrs. Flemming. Sie hat Grippe und sieht aus als würde sie gleich zusammenklappen. Ich würde Sie gerne nachhause schicken, aber das wollte ich zuerst mit Mr. Hooks besprechen.“ hörte sie Stefanie erklären.

„Ist in Ordnung ich sage es ihm.“

Stefanie legte den Hörer auf die Gabel und wendete sich an Casey.

„Mrs. Mittler hat gesagt, Du sollst nachhause fahren. Mr. Hooks ist nicht da aber Mrs. Mittler meinte, sie wird es ihm ausrichten. Das ginge schon in Ordnung. Also ab nachhause mit Dir!“

Stefanie drückte Casey ihre Sachen in die Hand und schob sie aus dem Büro.

„Aber die Arbeit -  ich muss das heute doch fertigmachen.“ zögerte Sie.

„Ach, was.darum kümmern wir uns schon. Nun leg Dich ins Bett und kurier dich aus. Tschüss Casey.“

„Vielen Dank Stefanie. Du bist wirklich nett.“

Mit diesen Worten schleppte sie sich langsam zum Fahrstuhl hin.

Sie wollte gerade den Fahrstuhl betreten, als ihr Mr. Pembroke entgegen kam.

„Meine Güte wie sehen Sie den aus. Sind Sie krank?“ fragte er ganz entsetzt.

„Lassen Sie sie gehen, Mr. Pembroke. Sie hat die Grippe und geht nachhause.“ antwortet Stefanie, die hinter ihr hergekommen war.

Mr. Pembroke machte Platz und ließ Casey den Fahrstuhl betreten.

Die Tür schloss sich und der Fahrstuhl fuhr hinab.

Pembroke stand immer noch am Fahrstuhl und dachte über Casey nach. Sie war die atemberaubendste Frau, die er je gesehen hatte. Sie war recht groß, reichte ihm trotzdem aber nur bis zu seinem Kinn. Ihr langes braunes Haar und diese unglaublich blauen Augen faszinierten ihn. Unter normalen Umständen hätte er bestimmt versucht sich mit Ihr anzufreunden, aber er wusste, dass er nicht gerade der Schwarm aller  Frauen war. Er rief sich seine Reaktion auf ihre Berührung wieder ins Gedächtnis. Damals als Sie ihm eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, war ihre Hand mit seiner zusammengestoßen. Es war, als hätte ihn ein Blitz durchfahren.

Max seufzte leicht auf, er sollte sich Casey aus dem Kopf schlagen. Sie würde sich niemals mit ihm einlassen, auch wenn er sich das vielleicht noch so sehr wünschte. Verdammt noch mal, ich darf es nicht zulassen, dass sie meine Gedanken bestimmt, rief er sich ins Gedächtnis. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen und das Letzte, was er gebrauchen konnte, war eine Ablenkung. Er wand sich ab und ging zu seinem Büro. Als er es aufgeschlossen hatte, drifteten seine Gedanken noch einmal zu ihr ab.  Heute hatte sie wirklich nicht sehr gut ausgesehen und es war gut sie nachhause zu schicken. Hoffentlich war es nichts Ernstes.

Gegen Feierabend zeichnete es sich ab, dass er wieder länger arbeiten würde. Er hatte noch die Monatsabrechnung zu machen und das würde sehr wahrscheinlich noch zwei Stunden dauern.

Er holte sich einen Kaffee aus der Kaffeeküche und fing mit der Arbeit an.

Eine ganze Weile später, es war schon ruhig geworden auf der Etage, da hörte er, wie jemand nach Mrs. Flemming rief. Er ging zur Tür und sah hinaus. Auf dem Gang war Mr. Hooks, der zum Büro von Mrs. Flemming lief.

„ Hallo Mr. Hooks. Suchen Sie Mrs. Flemming. Die ist nicht da. Heute Morgen ist sie nachhause geschickt worden, weil Sie Grippe hat.“

Dieser drehte sich um und entgegnete:

„Ach Mr. Pembroke sind sie auch noch so spät am arbeiten. Ich wollte in der Tat zu  Ihr. Habe hier noch ein paar Unterlagen für Sie. Ich habe ganz vergessen, dass mir Mrs. Mittler erzählt hat, dass es ihr schlecht ging. Was mache ich nun.“

Mr. Hooks überlegte.

„Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?“, wollte Pembroke wissen.

„Tja, vielleicht. Sie kommen doch auf ihrer Fahrt nachhause an der Wohnung von Mrs. Flemming vorbei, nicht wahr?“

„Ja, ich glaube. Sie wohnt in der Magnolien Lane. Da fahre ich jeden Tag dran vorbei.“ Antwortete er.

„Könnten Sie ihr vielleicht diese Unterlagen vorbeibringen. Ich nehme an, dass sie morgen noch nicht wieder da sein wird. Sie soll diese Unterlagen durchlesen, wenn es ihr besser geht und dann zuhause bearbeiten. Ich benötige Sie dringend. Könnten Sie ihr das ausrichten?“ fragte Mr. Hooks.

„Ja. Sir. Ich erledige das nachher.“

„Vielen Dank Mr. Pembroke.“

Mr. Hooks wünschte ihm noch einen guten Abend und ging.

Verdammt dachte Pembroke. Heute Nacht würde er nicht dazu kommen noch einmal in die Lagerhalle zu schauen. Er musste sich diese Kiste noch einmal genauer anschauen.

Er überlegte krampfhaft, wie er es bewerkstelligen konnte.

Zuerst musste er zu Casey fahren und die Sachen abgeben und dann würde er noch einmal zurückfahren. Er sollte sich beeilen. Um zehn Uhr abends würde Mr. Long wieder seine Wachrunde machen, heute durfte er nicht gestört werden.

So schnell er konnte erledigte er seine Arbeit, leider war es schon halb acht, als er die Firma endlich verlassen konnte.

Verdammt, die Zeit war knapp.

Schnell fuhr er zu Casey und hielt vor ihrer Adresse an.

Ein schönes kleines Haus dachte er, wo sie drin wohnt. Es ist alles dunkel. Vielleicht schläft sie schon. Er wollte sie eigentlich nicht stören, dachte aber wieder an Mr. Hooks, der ihn eindringlich darum gebeten hatte.

Er ging zur Tür und klingelte. Es tat sich aber nichts. Nach einer Weile klingelte er noch einmal. Es wurde Licht gemacht im oberen Flur.

Es kam ihm vor, als würde es eine Ewigkeit dauern. Endlich wurde die Tür geöffnet.

Die Gestalt die ihm öffnete hatte nichts mit der hübschen Frau gemeinsam die jeden Morgen freudestrahlend zur Arbeit kam. Casey schnürte ihren Morgenmantel noch enger zusammen. Es fröstelte ihr.

„Hallo, Mr. Pembroke. Was machen Sie den hier?“ fragte sie erstaunt.

„Es tut mir leid, Mrs. Flemming, dass ich sie stören muss. Mr. Hooks hat mir aufgetragen, Ihnen Unterlagen zu bringen, die Sie übers Wochenende bearbeiten sollen. Er benötigt sie dringend.“

Er machte eine Pause und wartete darauf, dass Sie etwas sagte. Casey nahm aber nur schweigend die Unterlagen in die Hand. Daraufhin entgegnete er.           

„Sie sehen wirklich nicht gut aus. Haben Sie etwas gegen Grippe eingenommen. Oder waren Sie beim Arzt? Soll ich irgendetwas für sie tun?“ wollte er wissen.

„Ich war beim Arzt heute Morgen und er hat mir etwas verschrieben. Vielen Dank ich habe alles, was ich brauche. Ich möchte jetzt wieder ins Bett gehen.“

Sie schloss die Tür vor seiner Nase, legte die Unterlagen auf einen Tisch im Flur und schleppte sich ins Bett. Dann löschte Sie das Licht. Unten hörte Sie wie ein Auto wegfuhr. Das war bestimmt Mr. Pembroke.

Sie dachte darüber nach, dass sie nicht gerade nett zu ihm gewesen war, allerdings war ihr auch nicht danach zu Mute gewesen. Zuerst hatte sie sich fast erschrocken. In der Dunkelheit sah er noch grässlicher aus als am Tage. Er war wirklich ein gebeutelter Mensch. Irgendwie tat er ihr leid.

Seine Figur schien recht passabel zu sein. Es sah so aus, das unter diesen komischen Anzügen ein großer, schlanker und sportlicher Körper steckte. Seine Hände waren wohl geformt. Sie musste über sich lachen. Sie dachte doch tatsächlich darüber nach, dass sein Körper wahrscheinlich eine Sünde wert war, wenn da nicht dieser Kopf wäre. Sein pomadiges Haar und diese schreckliche Brille sahen unmöglich aus. Über diese vielen Krater im Gesicht, die von den Pocken herrührten, konnte man ja vielleicht noch hinwegsehen, aber sein Blick. Er hatte immer irgendetwas von behämmert. Ja, das war das richtige Wort. Er wirkte behämmert.

Wahrscheinlich war er ganz allein. Welche Frau würde schon so einen Mann nehmen überlegte sie ernsthaft. Nun ja,  Sie würde es jedenfalls nicht tun.

Casey wartete noch auf ihren Traummann: Groß, schlank, durchtrainiert, dunkle Haare, gutes Aussehen, Witz, Charme. Mit diesen Gaben sollte ihr Traummann ausgestattet sein. Doch sie machte sich auch keine Illusionen darüber, dass solch eine Sorte wahrscheinlich eher im Fantasieland zu suchen wäre und im wahren Leben wohl eher nicht.

Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf und versuchte einzuschlafen.

Pembroke war froh, dass Casey nicht die Lust hatte, sich mit ihm zu unterhalten. Er hatte Wichtigeres zu tun. Trotz das er nur an seinen Plan denken sollte, beschlichen ihn wieder Gedanken über sie. Sie war wirklich eine sehr hübsche Frau. Scheinbar lebte Sie alleine. Was jedoch nicht heißen wollte, dass sie keinen Freund hatte. Er dachte darüber nach, wie es wäre solch eine Frau in den Armen zu halten. Seine Hände in ihren dunklen Locken zu vergraben. Seine Lippen auf Ihre zu pressen, um zu kosten, ob sie so weich und zart sich anfühlten, wie sie aussahen. Doch schnell verwarf er diesen Gedanken wieder. Casey würde niemals solch einen Menschen wie ihn mögen können. Hatte er doch die Abneigung ihm gegenüber gespürt, als sie die Tür öffnete. Er wusste, dass er nicht gerade ein schönes Bild bot. Aber es half ihm, seinen Plan durchzuziehen. Nun dachte er wieder über seine Pläne  und über den bevorstehenden Einbruch nach.

Pembroke parkte seinen Wagen diesmal an einer anderen Stelle im Gebüsch. Es sollte nicht irgendjemanden auffallen, dass dort schon wieder nachts ein Auto stand.

Er zog sich das Jackett aus und stülpte sich einen schwarzen Pullover über. Durch sein schwarzes Haar und den schwarzen Sachen konnte man ihn kaum erkennen. Es war jetzt kurz vor neun Uhr. Er musste sich beeilen. In einer guten Stunde würde Mr. Long wieder auf  seinem Rundgang sein.

Er schlich sich durch ein Loch im Zaun, durch das er gestern schon gekommen war.

Er hatte es vor einigen Tagen entdeckt und festgestellt, dass an dieser Stelle keine Kamera war.

Lautlos rannte er schnell hinüber zu den Lagerhallen. Wieder suchte er Schutz in der Dunkelheit und beobachtet die Umgebung nach etwas Auffälligem. Er konnte nichts sehen. Schnell erklomm er die Feuerleiter und verschwand durch das kleine Fenster in der Halle.

Dieses Mal hatte er sich sein Nachtsichtgerät mitgenommen. Er stülpte sich dieses über seine Augen und sofort konnte er den ganzen Raum überblicken. Zügig durchquerte er den Raum und ging hinüber zu der Ecke, wo gestern Nacht die großen Kisten auf dem Fußboden gestanden hatten. Aber sie waren nicht mehr da.

„Verdammt, das konnte doch nicht sein. Man hatte sie heute verschwinden lassen. Oh so ein Mist.“ fluchte er.

Wenn er doch bloß gestern noch weiter in die Kiste hätte schauen können.

Er war sich fast sicher gewesen, dass es sich bei diesem Gegenstand nicht um die üblichen Waren gehandelt hatte. Was sollte er nun machen. Er überlegte eine Weile und beschloss dann alles abzubrechen und wieder nachhause zufahren. Er war zu spät gekommen. Nun würde er wieder von vorne anfangen müssen. Es war zum verrückt werden. Immer, wenn er dachte, jetzt könnte es klappen, da waren sie ihm wieder einen Schritt voraus.

Als Pembroke wieder in seinem Auto saß und auf dem Weg nachhause war, meinte er zu sich selbst.

„Morgen gehe ich der Sache auf den Grund.“

„Was machen Sie da?“

Casey konnte ihren Augen nicht glauben. Sie hatte die Tür von ihren Büro geöffnet und sah, wie Mr. Pembroke Ihren Aktenschrank durchwühlte.

Pembroke schnellte herum, krampfhaft überlegte er, welche Ausrede er jetzt gebrauchen könnte. Er musste versuchen, die Situation zu entschärfen. Sie war einfach zu eindeutig.

„Ähm, Mrs. Flemming. Ich dachte, sie wären noch krank und heute noch nicht wieder im Büro.“

Das war wirklich eine dumme Ausrede, dachte er. Aber er musste jetzt den Dummen spielen.

„Nun, ich bin auch nur kurz hereingekommen, um die Unterlagen beim Chef abzugeben. Und nun frage ich sie, was machen Sie hier. Warum durchwühlen sie meine Akten?“

Erbost schaute sie ihn an.

„Ich  durchwühle gar nichts, ich benötige lediglich noch einige Angaben zu den Lieferformalitäten der letzten drei Warensendungen, um sie richtig in Rechnung zu stellen. Ich hatte gehofft, sie bei Ihren Akten zu finden. Sie waren ja nicht da, und Sie wissen ja, der Chef duldet keinen Aufschub. Ich musste mich also alleine betätigen. Es tut mir leid, wenn es nach etwas anderem ausgesehen hatte. Das war nicht meine Absicht.“

Pembroke schwitzte Wasser und Blut. Gott sei Dank war ihm eine plausible Erklärung noch so schnell eingefallen. Nun beobachtete er sie, wie sie überlegte, ob das stimmen konnte. Sie kam zu dem Ergebnis, das seine Geschichte wohl stimmte, denn sie wurde wieder freundlicher.

„Es tut mir leid, dass ich sie so ungehalten angefahren habe. Aber ich dachte sie würden.....

„Würde was Mrs. Flemming?“, fragte er nach.

„Ach nichts. Ist schon gut. Ich gehe jetzt wieder.“

Mit diesen Worten verließ sie Ihr  Büro.

Max  Pembroke atmete tief durch. Das war knapp gewesen. Er musste in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Heute hatte er noch Casey davon überzeugen können, dass es ganz normal  war, die Akten zu durchsuchen aber das nächste Mal würde sie ihm das wahrscheinlich nicht mehr abnehmen. Er suchte weiter, aber er konnte keine Hinweise finden, die darauf schließen ließen, dass gestern die verdächtigen Kisten transportiert worden waren. Nach Caseys Akten zufolge gab es diese Kisten gar nicht. Max wollte gar nicht  darüber nachdenken, wie viele Kisten dort unten in den Lagerhallen existierten, die vielleicht nicht auf den Listen standen. Es konnten hunderte sein. Das war genial. Kein Mensch würde es merken. Sie veränderten einfach die Listen und so eine Kiste verschwand, ohne bemerkt zu werden. Er hatte ja nur den Auftrag, Kisten mit mexikanischen Kunstgegenständen zu finden. Vielleicht  gab es aber auch noch Gegenstände anderer Herkunft zu finden. Er suchte weiter. Plötzlich wurde er auf eine Adresse aufmerksam, die er bisher noch nicht kannte.Es war die Adresse eines kleinen Flughafens in der Nähe von Paradise. Da sich diese Adresse hier bei den Akten von Casey befand, mussten also auch Waren von diesem Flugplatz aus versandt worden seien. Seine Auftraggeber hatten ihm nie etwas von diesem Flugplatz erzählt, was nur bedeuten konnte, dass sie ihn nicht kannten. Er hatte also doch etwas gefunden. Er schrieb sich schnell die Adresse auf und schloss dann den Aktenschrank. Zufrieden mit sich löschte er das Licht und ging in sein Büro.

Max Pembroke nahm sich eine Landkarte zur Hand und versuchte den kleinen Flughafen darauf zu finden. Er brauchte nicht lange, da fuhr er mit dem Finger an die Stelle auf der Landkarte. Es schien ein idealer Ort zu sein, dachte er. Der Flugplatz lag nur etwa eine halbe Stunde von Paradise entfernt. Darüber hinaus war es zum Pacific auch nicht weit. Wenn also diese Kunstgegenstände außer Landes gebracht würden, und da war sich Max sicher, dann war so ein kleiner Flugplatz natürlich sehr gut dafür. Man konnte mit kleinen Privatmaschinen dort landen. Großartige Zoll- und Abflugformalitäten fielen auf solchen Flugplätzen flach, weil ja die meisten Flieger nur privater Natur waren. Man konnte jedenfalls eine solche Maschine gut für Schmugglereien benutzen. Man raubte die Kunstgegenstände aus dem nahen Mexiko, brachte sie irgendwie hier nach Paradise in dieses verschlafene Nest. Dort unter dem Decknamen einer Spedition würde man nicht darauf kommen, dass dort Kunstdiebe am Werk waren. Dann brachte man die in Kisten verpackten Gegenstände zum Flughafen und flog sie außer Landes. Mit einer größeren Maschine könnte man bis nach Kolumbien fliegen, mit einer Zwischenlandung könnte man sogar noch weiter fliegen. Er musste rausbekommen, wie sie es genau anstellten. Wie die Waren hier nach Paradise kamen und wohin sie gebracht wurden. Außerdem musste er herausfinden, wer die Leute waren, die diese Kisten wegschafften. Sie würden auf alle Fälle zur Bande gehören. Irgendwo musste es eine Schwachstelle geben. Diese musste er finden. Er fragte sich nur wie.

Casey schleppte sich wieder ins Bett. Die heiße Tasse Tee, die sie sich gerade gemacht hatte, stellte sie auf ihren Nachtisch. Es ging ihr gar nicht gut. Sie hatte hohes Fieber und war schwach. Sie hätte vorhin nicht in die Firma fahren sollen. Vielleicht wäre Mr. Pembroke auch nochmal gekommen, um die fertigen Papiere abzuholen. Jetzt hatte sie es jedenfalls zu bereuen, dass sie unterwegs gewesen war. Sie zog ihre dicke Decke noch weiter zu sich hoch. Ein Halstuch war um ihren Hals gebunden. Ihr Hals schmerzte und ihr ganzer Körper war schlapp. Diese Grippe war wirklich kräftezehrend. Sie richtete sich auf  und wollte einen Schluck von ihrem Tee trinken aber er war noch zu heiß. Ihre Gedanken kreisten wieder um den heutigen Morgen, wie sie Max Pembroke in ihrem Büro gesehen hatte. Wie er in ihrem Aktenschrank gewühlt hatte. Sofort war ihr der Gedanke gekommen, dass er etwas Verbotenes tat. Merkwürdig dachte sie. Warum traute sie ihm so eine Schlechtigkeit zu? Er war immer freundlich zu ihr. Bisher hatte er auch nie durch sein Verhalten ihr gegenüber sie dazu veranlassen können. Vielleicht hing es mit der nächtlichen Beobachtung zusammen, die sie vor einiger Zeit gemacht hatte. Sie wollte jetzt jedenfalls nicht an all diese Sachen denken und versuchte nun noch einmal von ihrem Tee zu trinken. Diesmal konnte sie schon ein paar kleine Schlucke daraus trinken. Erschöpft legte sie sich wieder ins Bett. Sie nahm ein Fieberthermometer und maß ihre Temperatur. Nach einer kleinen Weile zeigte das Thermometer immer noch 39.8 Grad Celsius an. Das Fieber wollte und wollte nicht runter gehen. Sie zog ihre Bettdecke noch einmal bis zu ihrem Hals hoch und drehte sich auf die Seite. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.

Es war Samstagnacht und der Himmel war sternenklar. Max konnte von seiner Position aus die Teenager in ihren Autos sehen, die an der Spedition Hooks vorbei rauschten. Sie waren übermütig, das konnte er sich denken. Sie kamen von der einzigen Disco hier in der Nähe. Ein paar Meter weiter würden sie in die Arme von Sheriff Tupper fahren. Er hatte am Ortsrand eine Funkstreife postiert, um die Kids auf Alkohol und Drogen zu überprüfen.