Der zehnte Kreis der Hölle - G. O. Hoffmann - E-Book

Der zehnte Kreis der Hölle E-Book

G. O. Hoffmann

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Beschreibung

Eine mörderische Spezies mit riesiger Zerstörungskraft namens »Clearer« hat die Erde unterworfen. Die wenigen Menschen, die den Angriff überlebt haben, suchen Schutz in unterirdischen Einrichtungen. Hope, eine junge Frau, wird von einem Rettungstrupp in die Zuflucht 16 gebracht. Als sie in einem Heilbad erwacht, kann sie sich weder an ihren Namen noch an ihre Vergangenheit erinnern. Die Ärzte erklären diese zeitweilige Amnesie mit einer Schutzwirkung des Gehirns, das die traumatischen Erlebnisse verdrängt. Sie bleibt misstrauisch, auch weil die anderen Überlebenden, die von den Trupps gefunden werden, an diesem Gedächtnisverlust leiden. Nur allmählich kommt sie zur Ruhe, doch schon sehr bald wird sie um ihr Überleben kämpfen müssen.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
DER AUTOR

 

 

WELTENBAUM VERLAG

Vollständige Taschenbuchausgabe

04/2022 1. Auflage

 

Der zehnte Kreis der Hölle

 

© by G. O. Hoffmann

© by Weltenbaum Verlag

Rathausstr.3

79588 Efringen-Kirchen

 

Umschlaggestaltung: © 2021 by Magicalcover

Lektorat/Korrektorat: Hanna Seiler

Buchsatz: Giusy Amé

Autorenfoto: Logo / Magicalcover

 

 

ISBN 978-3-949640-19-3

 

www.weltenbaumverlag.com

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

 

 

Printed in Germany

 

 

G. O. Hoffmann

 

 

DER ZEHNTE

KREIS

DER HÖLLE

 

 

 

 

 

 

 

 

Dystopie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf halbem Weg des Menschenlebens fand

ich mich in einen finstern Wald verschlagen,

weil ich vom graden Weg mich abgewandt.

Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,

wie wild, rau, dicht er war, voll Angst und Not.

Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.

Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;

 

(aus „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri)

 

 

Kapitel 1

 

»Hi, ich bin Baxter.«

Erschrocken riss ich die Augen auf. Wo war ich? Alles um mich herum wirkte verschwommen, beinahe unwirklich. Ich spürte … Wasser. Nein, kein Wasser, ich lag in einer anderen, viel zäheren Flüssigkeit.

»Bleib ganz ruhig, du wirst dich gleich besser fühlen.«

Wem gehörte die Stimme? Ich erinnerte mich nicht daran, sie schon mal vernommen zu haben, aber sie klang irgendwie angenehm. Luft! Etwas über mir sperrte mich ein und ich presste meine Hand gegen die gläserne Platte.

»Ich werde sie gleich öffnen, doch vorher müssen wir das Heilbad absaugen«, sagte der Mann … Baxter … sein Gesicht erschien nun über mir, hinter der Glasscheibe. Ich konnte ihn nur undeutlich erkennen.

»Wo bin ich?« Meine Frage erstarb in Geröchel, denn mir drang zäher Schleim in den Mund und mein Gehirn verlangte dringend nach Sauerstoff.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Nun wird es gleich etwas kühler. Ist aber leider nicht zu vermeiden.«

Ein leises Zischen drang an mein Gehör, doch gleichzeitig wich der Druck von mir und ich konnte endlich freier atmen. Mein wild pochendes Herz beruhigte sich allmählich. Die zähe, eklige Flüssigkeit verschwand, aber nun wurde es kalt, wie Baxter es angekündigt hatte. Erneut presste ich die Hände gegen das Glas über mir, wollte nur noch dieses Gefängnis verlassen.

»Ich werde nun die Reste des Heilbades abwaschen«, sagte Baxter.

Im nächsten Augenblick spürte ich, wie mich warmes Wasser umschmeichelte. Die Kälte verschwand, die widerlich zähe Brühe wurde mir vom Körper gespült und zum ersten Mal seit meinem Erwachen fühlte ich mich gut.

»Das ist doch angenehm, oder?«, fragte er. Ich nickte und lächelte ihn dankbar an, auch wenn der Schock noch immer nachwirkte. »Jetzt werde ich die Luke zurückfahren. Ich weiß, das wird jetzt unangenehm frisch werden, aber ich habe hier eine schöne, warme Decke, in die du dich gleich einhüllen kannst.«

Er hatte nicht übertrieben. Als die Platte über mir geräuschlos aufgezogen wurde, drang mir empfindlich kalte Luft an die Haut und ich begann sofort zu zittern. Fast hätte ich ihn angefleht, mich wieder in das Heilbad zu legen, doch da breitete er auch schon die Decke vor mir aus. Er lächelte, als ich mich darin verkroch.

»Es geht gleich vorbei. Das ist nur der erste Schock, wenn man aus der Flüssigkeit heraussteigt. Hier! Zieh dir die Hausschuhe an, damit dir an den Füßen nicht kalt wird.«

Dankbar folgte ich der Aufforderung und nahm gleichzeitig die Gelegenheit wahr, einen ersten Blick über die Umgebung schweifen zu lassen. Ich erkannte nichts davon wieder. Es war ein ziemlich kleiner und kahler Raum, der außer ein paar Monitoren, einer Liege und zwei Stühlen buchstäblich nichts enthielt. Natürlich abgesehen von dem großen Becken, aus dem ich gerade gestiegen war.

»Wo bin ich hier?«

Sein Lächeln fror ein. »Du weißt es wirklich nicht mehr, oder?«

»Was denn?«

»Wer du bist, woher du kommst und wieso du im Heilbad lagst.«

Ich schüttelte den Kopf. Er hatte recht, ich erinnerte mich an gar nichts mehr. Mit zittrigen Fingern wickelte ich die Decke noch enger um meinen Körper. Plötzlich fühlte ich mich einsam und verlassen, obwohl es dafür doch keinen Grund gab.

»Hab etwas Mut«, flüsterte er und strich mir mit einer Hand tröstend über die Wange. »Das ist völlig normal, wenn man berücksichtigt, was du alles durchgemacht hast.«

Und genau das jagte mir Angst ein. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, von was er da sprach. »Sag mir bitte, was …«

»Nicht jetzt«, unterbrach er mich. »Du musst vorher zu Kräften kommen.« Er führte mich zur gegenüberliegenden Wand und erst als ich unmittelbar davor stand, bemerkte ich, dass sich da eine Tür befand. Sie hob sich kaum von der Wandverkleidung ab. Mit einem Druck auf einen ebenfalls kaum sichtbaren Taster ließ er die Tür aufgleiten. »Du findest im Zimmer etwas Kleidung und ein Bett. Ruh dich aus. Ich hole dich in einer Stunde ab und werde dir dann all deine Fragen beantworten.«

Er lächelte noch einmal, bevor er sich umdrehte und den Raum verließ. Mein Mund öffnete sich, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Ausruhen! Das sagte sich so leicht. Ich wusste nicht, wo ich mich befand und was mit mir geschehen war. Als ob ich mich so einfach auf das Bett legen und schlafen könnte. Für einen kurzen Moment stieg wieder Panik in mir auf. Meine Hände zitterten und ein stechender Druck breitete sich in meiner Brust aus, doch ich zwang mich, es zu unterdrücken. Nein, so nicht! Ich wollte Antworten und jemand würde sie mir geben!

Eilig lief ich in den Nebenraum und wie er mir gesagt hatte, fand ich in einem kleinen Schrank einige Kleidungsstücke, die mir überraschenderweise wie angegossen passten. Anscheinend hatten sie meine Größe gemessen, bevor sie mich in dieses Zeug gelegt hatten – wer auch immer 'sie' waren.

Hastig zog ich mich an und wollte Baxter folgen – doch es gelang mir nicht, die Tür zu öffnen. Wie war das möglich? Mehrmals drückte ich auf den Knopf neben der Tür, ohne irgendeinen Effekt zu erzielen. Langsam bekam ich es wieder mit der Angst zu tun, dabei hatte ich mich doch gerade erst ein wenig beruhigt. Hatte man mich entführt und etwas mit mir angestellt? Misstrauisch betrachtete ich das Becken, aus dem mich Baxter erst vor ein paar Minuten befreit hatte. War das wirklich ein Heilbad gewesen?

Ich durchsuchte den gesamten Raum, schaltete die Monitore aus und ein, kramte in sämtlichen Schubladen herum, aber fand nicht den kleinsten Hinweis. Selbst den Nebenraum stellte ich auf den Kopf, doch bis auf die wenigen Kleidungsstücke und das Bett war er ebenfalls komplett leer. Neben der Angst, die ich nun schon seit einiger Zeit empfand, stieg jetzt auch Wut in mir hoch. Niemand hatte das Recht, mich hier einzusperren, denn ich hatte ja wohl kein Verbrechen begangen. Zumindest hatte Baxter nichts davon erwähnt.

Ein kleiner Wandspiegel erregte meine Aufmerksamkeit. Ich blickte hinein und betrachtete ein mir völlig unbekanntes Gesicht. Keine atemberaubende Schönheit, aber auch nicht unbedingt hässlich, vielleicht Mitte zwanzig. Dass ich mich nicht im Spiegel erkannte, versetzte mir den bisher größten Schock.

Ich stürmte zur Tür und trommelte mit den Fäusten gegen das Metall. »Lasst mich gefälligst hier raus! Baxter! Ich will raus!«

Auf einen Außenstehenden wirkte ich wahrscheinlich wie eine Irre, aber das war mir egal. Ich tobte, schrie und schlug auf die Tür ein, bis mir die Hände schmerzten. Endlich hörte ich ein leises Scharren und die Tür glitt zur Seite. Baxters besorgtes Gesicht tauchte vor mir auf.

»Um Himmels willen! Was ist denn, Hope?«

Hope? War das mein Name? Wieso erinnerte ich mich nicht daran? Die Erkenntnis versetzte mir einen weiteren Schock und davon hatte ich heute schon einige durchlebt.

»Ich heiße … Hope?«, fragte ich. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn er mich sofort wieder in dieses klebrige Zeug verfrachtet hätte.

»Natürlich. Weißt du das denn nicht mehr?«

Ich zermarterte mir das Gehirn, suchte in den Erinnerungen nach … irgendwas. Es traf mich wie ein heftiger Schlag, als mir klar wurde, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wer ich war. Allmählich verwandelte sich meine Angst wieder in Panik. Und wenn ich nun in die Fänge von irgendwelchen Verrückten geraten war?

»Hör mal, ich kann mir denken, wie du dich fühlst.« Baxter näherte sich mir und streckte eine Hand aus. »Lass mich dir helfen. Bitte!«

Ich wich einen Schritt zurück. »Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann? Ich wache hier in dieser klebrigen Pampe auf und habe keine Erinnerungen mehr, was meine Vergangenheit angeht. Du sagst mir nicht, was geschehen ist und an welchem Ort ich mich befinde. Ich will jetzt mit jemandem sprechen, der mir Antworten gibt!«

Er hob seine Arme in einer beschwichtigenden Geste. »Ich kann dich sehr gut verstehen und du bist nicht die Erste, der es so geht. Du hast eine sehr schwere Zeit hinter dir und dein Gehirn versucht, dich zu schützen, indem es dir gewisse Informationen vorenthält. Deine Erinnerungen werden zurückkommen, glaub mir. Vorerst musst du mir einfach vertrauen. Wenn es dir besser geht, werden wir all deine Fragen beantworten.«

Ich musterte ihn misstrauisch. Er sah nicht so aus, als würde er mich in einen dunklen Winkel zerren wollen, um mich dort umzubringen. »Woher kennst du eigentlich meinen Namen? Gesagt haben kann ich ihn dir ja wohl kaum, wenn ich ihn selbst nicht kenne.«

»Du hast ihn dem Rettungstrupp genannt, bevor du ohnmächtig wurdest.«

»Was für ein Trupp? Wann und wo …«

»Wir sollten nichts überstürzen, glaub mir. Wir haben viel Erfahrungen mit Menschen, die von der Oberwelt zu uns kommen. In den folgenden Tagen und Wochen wird sich das Puzzle zusammensetzen.« Konnte ich ihm trauen? Er wirkte ehrlich und … hatte ich überhaupt eine Wahl? Schließlich konnte ich ja nicht mein restliches Leben in diesem Raum verbringen.

»Du hast doch bestimmt Hunger, oder?«, fragte er.

Wie zur Bestätigung meldete sich mein Magen mit lautem Knurren, was ihn zu einem mitleidigen Lachen reizte.

»Dann komm, ich bring dich jetzt in die Mensa. Schraub deine Erwartungen aber nicht zu hoch. Unser Koch hat es leider nie zu einem Stern im Michelin gebracht. Vielleicht treffen wir dort auch deine Begleiter, die wir ebenfalls vor den Clearern retten konnten.«

Nach kurzem Zögern folgte ich ihm und fragte mich gleichzeitig, wieso ich wusste, was es mit Sternen in dem Gastronomieführer auf sich hatte, aber meinen Namen nicht kannte.

»Was sind denn Clearer?«

Er sah mich erstaunt an. »Das weißt du auch nicht? Ehrlich gesagt kannst du in dem Fall für deine Gedächtnislücken dankbar sein. Es sind nicht gerade die schönsten und freundlichsten Wesen.«

Da hatte er wohl recht und ich entschied mich erst einmal dafür, nicht weiter in den Erinnerungen zu bohren. So sehr war ich nicht darauf erpicht, irgendwelche Monster vor meinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Im Augenblick interessierte mich mehr, wer ich war und wo ich mich befand.

Der Weg führte uns durch einen Gang, von dem eine ganze Menge Türen in andere Räume abzweigten – jedenfalls nahm ich das an.

»Wo genau befinde ich mich eigentlich?«

»Zuflucht 16, in Wisconsin. Nach dem Zusammenbruch der letzten Verteidigungslinien haben sich die Überlebenden in insgesamt zweihundert solcher vorbereiteter unterirdischer Stützpunkte zurückgezogen.«

»Wir befinden uns unter der Erde?«

»Ungefähr eine halbe Meile.«

Mir wurde schwindelig. Warum erinnerte ich mich an nichts davon? »Und wie komme ich dann hierher? Wieso war ich nicht bei den ersten Personen, die hierher geflohen sind? Wie konnte ich überhaupt draußen überleben, wenn es doch so gefährlich ist?«

Baxter blieb stehen und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Wir sollten langsam vorgehen. Die Ärzte werden dich noch gründlich untersuchen und danach entscheiden, wie sie weiter vorgehen. Aber du kannst sicher sein, dass jeder hier dafür sorgen will, dass es dir gut geht.«

Obwohl er mich damit wohl beruhigen wollte, erreichte er nur das Gegenteil. Nun war ich erst recht nervös. Aber ich stellte keine weiteren Fragen und folgte ihm, während er mich durch zahlreiche Gänge führte. Den Weg zurück in das Zimmer würde ich bestimmt nicht mehr finden. Wir passierten dabei einige Männer und Frauen, mit denen er kurze Grüße austauschte oder auch manchmal ein paar Worte wechselte. Es ging hauptsächlich um irgendwelche technischen Apparate und Instrumente, wovon ich aber nichts verstand. Ich kam mir hoffnungslos verloren vor.

Daher atmete ich auf, als wir einen größeren Raum betraten, den ich unschwer als eine Art Kantine identifizierte. Mein Magen wusste ebenfalls, welchen Ort wir erreicht hatten. Zumindest deutete das Knurren, das von ihm ausging, darauf hin. Manche Tische waren von zwei oder drei Personen besetzt und zu einem davon führte mich Baxter hin. Der Mann und die Frau blickten erwartungsvoll in meine Richtung und schon an ihrer Kleidung erkannte ich, dass wir zur gleichen Gruppe gehörten. Wir trugen alle drei einen Freizeitanzug, dessen dunkle Farbe von zwei Streifen hellem Grün aufgelockert wurde. Sie waren in meinem Alter und sahen bedeutend gesünder aus als ich mich fühlte.

»Hope, dies sind Dalton und Evelyn«, stellte Baxter mir die beiden vor. »Einer unserer Erkundungstrupps hat sie vor rund zwei Wochen gefunden und vor den Clearern gerettet.«

»Wir können anscheinend echt von Glück reden, dass wir ihnen förmlich in die Arme gelaufen sind«, sagte Dalton zu Baxter, während er mir die Hand reichte. »Sonst hätten uns die Clearer doch noch erwischt.« Seine Miene war reichlich mürrisch und passte irgendwie nicht zu den Worten.

Evelyn presste sich theatralisch eine Hand auf das Herz. »Das wäre scheußlich gewesen. Ich kann mich nicht genug bei meinen Rettern bedanken.«

Baxter bezog wohl einen Teil des Dankes auf sich, denn er lächelte bescheiden und neigte leicht den Kopf, bevor er einen Blick auf die Uhr warf. »Es ist ja alles gut ausgegangen. Kümmern Sie sich doch bitte um Hope. Sie ist erst vor ein paar Stunden aus dem Heilbad gekommen und hat bestimmt viele Fragen. Ich seh später nach dir«, wandte er sich zum Schluss an mich. »Iss etwas, damit du wieder zu Kräften kommst.«

Er strich mir abschließend noch aufmunternd über den Rücken, bevor er die Kantine verließ. »Das muss für Sie doch eine ziemliche Erleichterung gewesen sein, hier aufzuwachen«, sagte Evelyn, während sie mich zur Essensausgabe führte. »Waren Sie allein unterwegs?«

»Ich … ich weiß nicht.«

Sie nickte mitfühlend. »Ich habe dieselben Erinnerungslücken wie Sie. Zum Glück vollbringen die Ärzte hier wahre Wunder. Wissen Sie schon, wann Sie die erste Sitzung haben?«

Ich konnte nur stumm verneinen.

»Na, darum wird sich wohl Ihr Betreuer kümmern. Mit Baxter haben Sie einen guten Fang gemacht. Ich hörte, dass er kompetent und sehr umgänglich sein soll.«

Mittlerweile hatte ich ein Tablett in die Hand genommen und ließ mir von der reichlich mundfaulen Frau hinterm Tresen das Tagesmenü – oder wie man es auch immer hier nannte – geben.

»Waren Sie seit Ihrer Ankunft mal an der Oberfläche?«

Evelyn schüttelte sich. »Um Gottes willen! In diesem Leben möchte ich sicher nicht mehr hinaus. Und im nächsten auch nicht«, ergänzte sie mit einem stillen Lachen. »Ich will ganz bestimmt keinem Clearer mehr begegnen – und auch sonst nichts, was da so herumkreucht.«

Eigentlich war ich bis gerade eben nicht scharf darauf gewesen, mehr über diese Kreaturen zu erfahren, doch letztendlich siegte meine Neugier. »Wie sehen die denn aus?«

»Sei froh, dass du dich nicht daran erinnerst. Für meinen Teil hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn dieser Bereich meiner Erinnerung verschüttet geblieben wäre. Als man sie mir auf dem Monitor gezeigt hat …«

Sie schüttelte sich und mein Bedürfnis, Genaueres darüber zu erfahren, ging in dem Moment stark zurück.

Das Essen schmeckte mir nicht besonders, denn vor allem das Gemüse schien ohne Gewürze gekocht worden zu sein. Daher ließ ich die Hälfte davon auf dem Teller liegen. Während des gesamten Mittagessens redete Evelyn wie ein Wasserfall, derweil Dalton nur schweigend und in sich gekehrt auf seinem Stuhl saß. Gelegentlich warf er ihr einen finsteren Blick zu, als ob ihm ihr Geschwätz auf die Nerven gehen würde. Ansonsten schaufelte er nur das Essen in sich hinein und ließ seine Augen durch den Raum wandern, als müsste er sich vor irgendwelchen Gefahren in acht nehmen.

»Erinnern Sie sich auch an nichts aus Ihrer Vergangenheit?«, fragte ich ihn. Allmählich kam mir sein Schweigen seltsam vor und es ging mir außerdem auf die Nerven. Wir saßen letztendlich alle im selben Boot.

»Warum wollen Sie das wissen? Geht es Sie irgendwas an? Hat man Sie beauftragt, mich auszufragen?«

Ich konnte nur stumm den Kopf schütteln, so sehr überraschte mich sein Ausbruch.

»Dann lassen Sie mich in Ruhe!«

Er sprang auf und schob seinen Stuhl so heftig zurück, dass dieser lautstark an die Wand prallte. Im nächsten Moment war der Mann auch schon aus der Mensa verschwunden.

»Was hab ich denn gesagt?«, fragte ich Evelyn.

»Sie müssen es ihm nachsehen. Er ist verwirrt, weil er nicht versteht, was vor sich geht.«

»Willkommen in meiner Welt! Aber das ist doch nicht meine Schuld. Soweit ich mitbekommen habe, sollten wir dankbar sein, dass wir uns in Sicherheit befinden. Das Gedächtnis wird schon zurückkommen, auch wenn es vielleicht noch etwas dauert. Zumindest hoffe ich das.«

Evelyn betrachtete die Wand hinter der Essensausgabe und wirkte dabei so, als wollte sie durch den Stahl hindurch in die Ferne blicken. »Vielleicht wäre es besser, wenn die Erinnerung verschwunden bleibt«, murmelte sie und stocherte in ihrem Essen herum.

»Da bin ich anderer Ansicht. Ich möchte schon wissen, was genau passiert ist.«

»Wirklich? Möglicherweise wurden unsere Familien von diesen Monstern zerrissen und wir … entschuldigen Sie mich!«

Plötzlich sprang sie ebenfalls vom Stuhl auf, ließ das Tablett auf dem Tisch zurück und eilte aus dem Raum. Was auch immer ich im früheren Leben gewesen war – Diplomatie und Einfühlungsvermögen gehörten wohl nicht zu meinen Stärken.

Baxter tauchte im gleichen Moment im Eingangsbereich auf, als Evelyn die Mensa verließ. Er blickte ihr verwundert hinterher, bevor er mit einem Lächeln auf den Lippen zu mir an den Tisch trat.

»Wie ich sehe, hast du dich bereits gestärkt«, sagte er.

»Ja, und ich war auch sonst sehr erfolgreich. Dalton habe ich verärgert und Evelyn … keine Ahnung, da habe ich wohl etwas Falsches gesagt.«

»Nimm es den beiden nicht übel. Nach der Eingewöhnungsphase kommt es häufig zu einer gewissen Verwirrung, die anhalten kann, bis das Gedächtnis zurückkehrt.«

Ich hoffte insgeheim, dass sich diese Symptome bei mir nicht zeigen würden. Mein Ziel war es, völlig gesund zu werden, und herauszufinden, ob ich noch Verwandte besaß und falls ja, wie ich diese finden konnte.

»Ich würde dich jetzt gerne zu deiner ersten, eingehenden Untersuchung bringen. Nur keine Sorge!«, sagte er und lachte dabei, weil ich wohl nicht besonders begeistert wirkte. »Es wird zwar eine Weile dauern, bis alle Ärzte zufriedengestellt sind, doch es ist zu deinem Besten. Das Heilbad leistet natürlich Vortreffliches, aber erst spezielle Screenings können für komplette Sicherheit sorgen.«

Ich stand auf und er legte mir einen Arm um die Schultern. »Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Wir müssen nur sicherstellen, dass du nicht eine Krankheit ausbrütest.«

Wenn er mich mit dem Satz beruhigen wollte, so war er damit jämmerlich gescheitert. Aber immerhin war ich nun sogar begierig darauf, mich eingehend durchchecken zu lassen.

Kapitel 2

 

»Es wird wohl noch eine ganze Zeit dauern, bis ich mich hier zurechtfinde«, sagte ich.

»Das geht schneller, als du denkst.« Baxter deutete auf einen der zahlreichen Wandmonitore, die überall angebracht waren. »Später, wenn du eine Zugangsberechtigung hast, kannst du dir hier alle Informationen abrufen.«

»Und wann erhalte ich die?«

»Schon sehr bald, glaub mir.«

Wir bogen um eine Ecke und standen endlich vor den Untersuchungsräumen. Hinter den Glasscheiben sah ich zahlreiche Männer und Frauen in Laborkitteln herumwuseln. Es überraschte mich, dass die Einrichtung so viele Ärzte beschäftigte.

»Eine große Anzahl dieser Institute waren ursprünglich Forschungsstationen. Nach dem Angriff wurden sie zu … na ja, eben zu Zufluchten.«

»Wer waren eigentlich die Angreifer. Sind das diese Clearer?« Er strich mir über die Haare, als wäre ich ein unwissendes Kind – was in gewisser Weise wohl auch zutraf, obwohl er kaum älter war als ich. »Sei froh, wenn dich dein Gedächtnis auch in diesem Fall im Stich lässt. Ich hätte nichts dagegen, wenn es bei mir ebenfalls so wäre.«

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was hatte sich an der Erdoberfläche abgespielt? Jedenfalls schien es so, als könnte ich mich glücklich schätzen, hier unten in Sicherheit zu sein. Er brachte mich hinüber in den Wartebereich, der mir als sehr großzügig geplant erschien. Andererseits hatte ich ja auch keine Ahnung, wie viele Patienten hier in der Regel untersucht wurden.

»Bleibst du nicht bei mir?«, fragte ich, da sich Baxter zum Gehen wandte.

Erneut zeigte er mir sein breites Lächeln. »Ich muss mich noch um dein Quartier kümmern. Keine Angst, ich komme dich später abholen.«

Ich bedankte mich, auch wenn ich mir wie ein kleines Kind vorkam, das man an der Hand durch die Einrichtung führen musste.

Er war gerade verschwunden, als sich die Tür zu einem der Räume öffnete und eine junge Frau heraustrat. Sie war wohl ungefähr in meinem Alter, presste die rechte Hand an ihren linken Oberarm und ließ sich auf einem der Stühle nieder. Zunächst schwieg sie und eingedenk der Tatsache, dass ich mit Evelyn und Dalton bereits zwei Personen an einem Tag verärgert hatte, hielt ich lieber meinen Mund.

»Wenn der Kerl dir verspricht, dass es nicht wehtun wird, glaub ihm kein Wort!«, sagte sie schließlich.

»Ich werde dran denken.« Mit dieser Antwort ging ich wenigstens kein Risiko ein.

»Faith«, sagte sie nach einer Weile. »Das ist mein Name«, ergänzte sie.

»Hope.«

Sie lachte leise. »Faith und Hope, Vertrauen und Hoffnung! Das nenne ich mal ein Zusammentreffen.«

Ich schmunzelte ebenfalls, blieb aber reserviert. Schließlich wollte ich nicht noch einmal in irgendein Fettnäpfchen treten.

»Seit wann bist du hier?«, fragte sie. »Ich bin erst vor ein paar Stunden in so einer klebrigen Masse aufgewacht. War nicht gerade angenehm.«

»Dann sind wir hier wohl gleichzeitig eingetroffen. Kannst du dich auch an nichts erinnern?«

Sie zog die Schultern hoch. »An manche Sachen komischerweise schon, aber an mein früheres Leben da oben? Nee, kompletter Filmriss.«

»Geht mir genauso.«

»Die Spritze hier würde ich jedenfalls sehr gerne vergessen.« Wie zur Bestätigung rieb sie sich die schmerzende Stelle.

»Weißt du, ob noch weitere aus unserer Gruppe gerettet wurden?«

Erneut zuckte sie mit den Schultern. »Ich hab noch mit einem Kerl gesprochen, der sich auch an nichts erinnern kann. Stanford heißt er. Ist eine komische Type, wenn du mich fragst. Und du? Sind dir schon welche über den Weg gelaufen?«

»Evelyn und Dalton, die sind aber wohl schon länger hier. Haben aber auch noch Gedächtnislücken.«

Bevor sie etwas erwidern konnte, wurde die Tür zu einem Untersuchungsraum geöffnet. Ein älterer Mann in einem weißen Kittel blickte freundlich lächelnd in den Wartebereich. »Hope? Würden Sie bitte hereinkommen?«

Faith verzog das Gesicht und tat so, als würde sie sich selbst eine Spritze setzen. »Viel Glück, Hope. Man sieht sich.«

Ich winkte ihr zum Abschied zu und folgte dem Mann reichlich nervös in das Zimmer.

»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«

Der Doktor studierte gleichzeitig mit gewichtiger Miene eine Aktenmappe und deutete auf ein rundes, metallenes Ungetüm, was nicht besonders vertrauenerweckend auf mich wirkte. Er lächelte beruhigend, als er meinen besorgten Gesichtsausdruck bemerkte.

»Es ist ein Tiefenscan, der uns nur einen ersten Überblick über ihren Gesamtzustand geben soll. Er ist nicht invasiv.«

Ich strich mit der Hand über das Metall der großen Röhre, bevor ich mich zu ihm umdrehte. »Wieso weiß ich eigentlich, was invasiv bedeutet, kann mich aber an keine Episode aus meinem früheren Leben erinnern?«

»Das Gehirn ist eine rätselhafte Errungenschaft der Evolution. Ich denke, Sie haben derartig traumatische Erlebnisse gehabt, sodass es sich schlichtweg weigert, irgendetwas davon an die Oberfläche zu holen.«

»Aber das bleibt doch nicht so, oder? Verstehen Sie mich nicht falsch, Doktor …«

»Elder, Dr. Elder. Sie werden bestimmt Ihre Erinnerungen zurückerhalten.« Er seufzte leise, während er auf die Akte in seiner Hand blickte. »Obwohl mir schon einige Patienten gesagt haben, dass sie lieber weiterhin im Ungewissen geblieben wären. Da oben herrscht die Hölle, glauben Sie mir.«

Ich fröstelte, als ich es mir auszumalen versuchte. Wenn tatsächlich alles der Wahrheit entsprach, dann konnte ich mich glücklich schätzen, hier in Sicherheit zu sein. Die Frage war natürlich, ob dort oben wirklich die Hölle ausgebrochen war, so wie man es mir erzählte. Doch aus welchem Grund sollten sie mich anlügen?

»Jetzt wollen wir aber mit der Eingangsuntersuchung beginnen, damit Sie so schnell wie möglich etwas Angenehmeres machen können.«

»Eingangsuntersuchung? Folgen denn noch weitere?«

Dr. Elder nickte. »Es tut mir ja leid, aber dieser Prozedur muss sich jeder unterziehen, der von der Oberfläche neu zu uns stößt. Es gibt dort vielfältige Gefahren und das Heilbad kann nur die offensichtlichsten Krankheiten bekämpfen.« Er deutete auf die Liege, die direkt vor der Röhre stand. »Wenn ich bitten darf …«

Ich wollte es möglichst schnell hinter mich bringen, kletterte auf die Liegefläche und legte mich flach auf den Rücken. Dr. Elder gab mir noch ein paar Verhaltensregeln, die aber auf eine einzige Anweisung hinausliefen. »Bleiben Sie einfach ruhig.«

Die Prozedur dauerte bestimmt über eine Stunde – zumindest kam es mir so vor. Daher atmete ich erleichtert auf, als die Liege aus der Röhre gefahren wurde.

»Das haben Sie sehr gut gemacht!«

Der Arzt lobte mich, als ob ich ein Kleinkind wäre und belohnt werden müsste, nur weil ich eine Zeitlang still liegen geblieben war. Fehlte nur noch, dass er mir einen Lutscher anbot.

»Ist denn alles in Ordnung mit mir?«

Er wandte sich seinem Computer zu und tippte irgendwas ein. »Das genaue Ergebnis erhalte ich später, aber auf den ersten Blick würde ich sagen, dass Sie gesund sind. Setzen Sie sich jetzt bitte dort auf den Stuhl.«

Misstrauisch blickte ich auf seinen Tisch, wo ein kleines Tablett mit diversen Utensilien bestückt war. »Kommen jetzt die Spritzen an die Reihe?«

Er lachte leise. »Ich sehe, Sie haben sich mit Faith unterhalten. Sie war etwas empfindlich, aber ich versichere Ihnen, dass Sie kaum etwas davon spüren werden.«

Nun, ich konnte mich wohl nicht weigern – jedenfalls nahm ich es an, und vielleicht war Faith ja wirklich nur ein wenig wehleidig. Also ging ich folgsam zum Stuhl hinüber und setzte mich. Dr. Elder lächelte beruhigend, als er sich mit der Spritze in der Hand näherte.

»Jetzt wird es etwas kühl … so, und nun gibt es einen kleinen Pikser. Danach kann es an der Einstichstelle vielleicht etwas wärmer werden.«

Er hatte mit beiden Dingen recht. Den Einstich spürte ich tatsächlich kaum, aber wenige Augenblicke später brannte die Stelle wie Feuer – und die Glut breitete sich über den gesamten Arm aus.

»Sehen Sie, Hope, war doch nicht so schlimm.«

Dieser Arsch! Sah er nicht, wie mir das Wasser aus den Augen lief? »Es tut beschissen weh!« Ich rieb die schmerzende Einstichstelle, ohne dass es mir Linderung verschaffte.

»Das geht vorbei. Hier! Trinken Sie das. Es wird Ihnen guttun und die Schmerzen bekämpfen.«

Ich fragte gar nicht erst, was das für ein Zeug war, und schluckte es hinunter. Hauptsache, es half. Und wie es half! Es schlug ein wie eine Granate und betäubte nicht nur meinen Arm, sondern den halben Körper. »Sie werden sich gleich besser fühlen«, sagte er. Seine Stimme drang nur noch wie durch Watte an meine Ohren, in denen es zusätzlich fürchterlich klingelte.

Ich merkte, wie er mir vom Stuhl half und mich in den Wartebereich zurückführte. Dort ließ er mich dann wie ein Häufchen Elend sitzen.

»Hast du etwa das Zeug getrunken, das er dir angeboten hat?«, hörte ich Faiths Stimme.

Die bunten Lichter, die mir vor den Augen tanzten, machten es schwer, ihr Gesicht zu erkennen. Ich nickte und griff mir sofort an die Schläfen, weil sich brutale Kopfschmerzen einstellten.

»Du solltest vorsichtig mit dem sein, was du dir einflößt. Aber aus Schaden wird man klug.«

Immerhin fühlte ich mich so hundeelend, dass ich die Schmerzen in meinem Arm nicht mehr spürte. Zumindest in dieser Beziehung hatte Elder die Wahrheit gesprochen. Das Zeitgefühl spielte mir ebenfalls einen Streich. Als Baxter mich abholen kam, war mir so, als wären bereits Stunden vergangen.

»Das geht vorbei«, sagte er, als ich mich bei ihm beklagte und wohl auch einige Schimpfworte gegen den Arzt absonderte. »Manchmal sind die Reaktionen etwas heftig, aber das zeigt nur, dass die Mittel alle möglichen Krankheiten bekämpfen. Du musst bedenken, dass es für Menschen oben nicht sehr gesund ist, und du warst der ungefilterten Atmosphäre ja lange ausgesetzt.«

Was, um Himmels willen, war nur an der Oberfläche passiert? Anscheinend gab es nicht nur Monster, die die Welt bevölkerten, unser Planet war auch noch verseucht. Wollten diese Clearer die Erde umgestalten, um so ideale Bedingungen für sich zu schaffen? Ein heftiger Krampf in den Eingeweiden ließ diese Überlegungen einstweilen zurücktreten.

»Kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals so dreckig gegangen ist«, sagte ich, während er mich behutsam auf die Beine stellte. »Nochmal lasse ich so etwas nicht mit mir machen!«

»Kannst du gehen? Ich wollte dich jetzt in dein eigenes Quartier bringen.«

»Wird schon klappen.« Der Satz schaffte es gerade noch so aus meinem Mund, bevor besonders heftige Übelkeit einsetzte und bei mir die Lichter ausgingen.

 

 

Ich wachte auf … und drehte mich sofort auf die Seite. Hatte ich mein Kissen vollgesabbert oder warum war es so nass? Wo befand ich mich überhaupt? Zumindest war die Übelkeit verschwunden und die Schmerzen im Arm waren auf ein dumpfes Pochen reduziert.

Vorsichtig richtete ich mich auf – und sofort waren die bunten Punkte wieder da, die mir vor den Augen herumtanzten, als würden sie eine wilde Party feiern. Zum Glück war es im Zimmer nicht stockdunkel, sodass ich die kleine Lampe erkannte, die auf dem Tisch direkt neben meinem Bett stand. Ich schaltete sie ein und das schummrige Licht enthüllte mir, dass ich mich in einem Raum befand, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.

Ich wartete, bis sich die farbigen Schlieren vor den Augen verzogen hatten, und setzte mich auf die Bettkante. Wo hatte mich Baxter hingebracht? Stimmt ja, er hatte von einem Quartier gesprochen. Mein Blick glitt an mir herunter und ich bemerkte, dass ich nun einen Pyjama trug. Fast gleichzeitig mit der Erkenntnis schoss mir das Blut in den Kopf. Hatte er mich ausgezogen? Baxter schien zwar ein netter Kerl zu sein, aber so weit ging unsere Bekanntschaft nun doch noch nicht.

Egal, darum würde ich mich später kümmern. Jetzt fiel mir auch das seltsame Armband auf, das ich am rechten Handgelenk trug. So ein merkwürdiges Teil hatte ich nie zuvor gesehen. Wenn ich es im trüben Licht richtig einschätzte, dann war eine weiße, quadratische Platte daran angebracht. Jetzt erinnerte ich mich auch, dass Baxter – und dieser Pferdearzt - ebenfalls solche Bänder trugen. Was war mit Faith, Evelyn und diesem Miesepeter Dalton? Ich meinte mich zu erinnern, dass sie damit ausgerüstet gewesen waren, aber sicher war ich mir nicht. Ich führte das Armband zum Mund.

»Hallo? Kann mich jemand hören?«

Keine Antwort. Ein Kommunikationsgerät war es also nicht. Aber zu irgendeinem Zweck musste es ja dienen. Für ein Schmuckstück war es jedenfalls zu hässlich. Unschlüssig blieb ich ein paar Augenblicke auf der Bettkante sitzen, bevor ich aufstand. Nur darauf zu warten, was als Nächstes passierte, hatte kaum einen Sinn. Ich konnte mich zwar immer noch nicht an mein altes Leben erinnern, aber Passivität war wohl kein Charakterzug von mir.

Gewissenhaft untersuchte ich mein Quartier, doch bis auf ein Bett, den Nachttisch und einen Kleiderschrank war es fast leer. Wenigstens gab es an der Wand gegenüber einen Monitor, wie ich sie schon in großer Zahl auf den Gängen gesehen hatte. Ich klopfte an die Scheibe, aber es war keine Überraschung, dass nichts geschah. Ich wollte mich bereits abwenden, als ich auf die Idee kam, mein Armband samt Platte vor den Bildschirm zu halten. Und tatsächlich erwachte er zum Leben. Irrationalerweise erfüllte es mich mit Stolz. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wie ich dem Ding Informationen entlocken konnte. Eine Tastatur war im Lieferumfang anscheinend nicht enthalten.

»Hallo!«, sagte ich auf gut Glück.

»Identifiziert. Benutzer: Hope. Wie kann ich behilflich sein?«

»Ja!« Ich klatschte zufrieden in die Hände, bevor ich diesem Ding einige Auskünfte zu entlocken versuchte. »Wo befinde ich mich?«

»Ebene A, Sektor 1, Raum 14. Ihr Quartier.«

Gut, mit den meisten Informationen konnte ich jetzt nicht viel anfangen.

»Zeig mir den Grundriss meines Quartiers.«

Wenige Sekundenbruchteile später sah ich ihn auf dem Monitor und stellte fest, dass es tatsächlich noch eine weitere, gut verborgene Tür im Zimmer gab, hinter der eine Nasszelle lag. Das war sehr nützlich zu wissen, denn ich sehnte mich nach einer Dusche.

»Wie viele Ebenen gibt es eigentlich?«

»Bedaure, Informationszugang verweigert.«

»Wo befindet sich Baxter in diesem Moment?«

»Bedaure, Informationszugang verweigert.«

Allzu viel konnte mir das Ding wohl auch nicht helfen.

»Kann ich mit ihm sprechen?«

»Bedaure, Kommunikation derzeit nicht möglich.«

»Und warum nicht?«

»Frage bitte genauer spezifizieren.«

»Leck mich!«

»Frage bitte genauer spezifizieren.«

»Das war keine … ach, vergiss es.«

Mir stand nicht der Sinn danach, einseitige Unterhaltungen mit dämlichen Bildschirmen zu führen. Ich sollte planvoll vorgehen, erst einmal die Dusche ausprobieren und dann nachsehen, was man mir für Kleidung besorgt hatte.

 

 

Das herrlich warme Wasser hatte mich erfrischt und mir die letzten Spuren des Mittels aus dem Körper gespült. Jedenfalls war die Übelkeit verschwunden und es tanzten auch keine Lichter mehr vor meinen Augen herum. Anschließend begutachtete ich die Anziehsachen im Kleiderschrank, die weniger auf Schick, sondern eher auf Zweckmäßigkeit ausgelegt waren.

Nun stand ich also in einer Art Freizeitanzug im Raum und warf dem Monitor noch einen vernichtenden Blick zu. Wenn mir das Ding schon keine Informationen lieferte, dann würde ich mir eben selbst ein Bild machen müssen.

An der Tür zu meinem Quartier stieß ich auf das nächste Problem: Wo befand sich die Klinke? Wie schon zuvor in dem Raum mit dem Heilbad drückte und trommelte ich an das Metall, aber dieses Mal kam kein Baxter vorbei, um mich aus der Gefangenschaft zu befreien.

»Computer, öffne mir die Tür«, sagte ich in der Hoffnung, dass der Bildschirm wenigstens diesen Befehl verstand.

»Benutzen Sie bitte den Zugangschip.« Chip? Wovon sprach das Ding? Erst als ich genauer darüber nachgedacht hatte, fiel mir das Armband ein. Nach einigem Suchen fand ich eine kleine Fläche direkt neben der Tür, die wohl als Scanner fungierte. Ich presste die Platte meines Armbandes dagegen. Wie durch Zauberhand glitt die Tür in die Wand hinein und gab den Weg frei. Ich fühlte mich wie die frühen Entdecker, an die ich mich aus irgendeinem Grund erinnerte, und betrat den Gang vor meinem Quartier.

»Ein kleiner Schritt für mich, ein großer für die Menschheit.«

Das hatte Neil Armstrong gesagt, falls ich mich nicht sehr täuschte. Wieso um alles in der Welt kannte ich diese Redensarten, hatte aber keinen blassen Schimmer, woher ich kam und was ich vor dem Aufwachen getrieben hatte? Einerlei, die Fragen würden sich hoffentlich später in Luft auflösen. Das Gedächtnis funktionierte jedenfalls und somit standen die Chancen gut, dass ich mich bald an mein früheres Leben würde erinnern können.

 

Kapitel 3

 

Ich trat aus dem Gang und warf noch einen Blick auf die Tür hinter mir, die sich gerade geräuschlos schloss. Ich war stolz auf mich, denn zum ersten Mal verließ ich mein Quartier ohne Begleitung. Es war albern und auch ein bisschen armselig, aber dennoch hatte ich etwas Angst, schließlich wusste ich immer noch nicht, was mit mir passiert war.

Anfangs erschrak ich, wenn mir andere Personen begegneten, doch die meisten hasteten an mir vorbei, ohne mich zu beachten. Manche grüßten, indem sie mir flüchtig zunickten, aber da mir niemand Schaden zufügen wollte, wurde ich allmählich ruhiger.

Die Monitore an den Wänden reagierten auf mein Armband genauso wie der Bildschirm in meinem Quartier. Leider waren sie nicht auskunftsfreudiger. Gelegentlich beobachtete ich jemanden, wie er einen der Monitore benutzte, aber viele der Abfragen ergaben für mich keinen Sinn. Auch warf mir derjenige einen misstrauischen Blick zu, der mir sagte, dass ich nicht alles mitbekommen sollte.

Ich fand außerdem heraus, dass es mir unmöglich war, einen anderen Bereich zu betreten. Die einzelnen Sektoren waren durch stabile Stahltüren voneinander getrennt und die Türen öffneten sich nur, wenn man sein Armband benutzte. Ich befand mich auf Ebene A im Sektor 1, kurz A1 genannt – wie ich ja bereits wusste – und als ich nach A2 wechseln wollte, wurde mir der Zutritt verwehrt. Ein Versuch bei den Fahrstühlen, um auf eine andere Ebene zu gelangen, war ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Daher kam ich mir immer mehr wie eine Gefangene vor. Geschah das wirklich nur zu meinem Schutz?

Während der Besichtigungstour gelangte ich schließlich zur Mensa, einer Einrichtung, die ich ja schon kannte. Allzu groß war der Sektor anscheinend nicht, aber es war natürlich nicht zu erwarten gewesen, dass man hier unten eine ganze Stadt errichtet hatte. Unschlüssig stand ich im Eingangsbereich, als ich Faith am anderen Ende des Raumes winken sah. Von allen Personen, denen ich bisher begegnet war, war sie mir die sympathischste. Baxter … nun, das war ein verzwicktes Thema. Er gab sich zweifelsfrei viel Mühe mit mir, aber er war kein Schicksalsgenosse und hatte offensichtlich nicht dasselbe durchgemacht wie ich und Faith.

Ich winkte zurück, besorgte mir einen Becher Kaffee und ging zu ihrem Tisch.

Sie grinste und deutete auf den Mann, der direkt neben ihr saß. »Nun sind ja fast alle verlorenen Schäfchen beisammen. Hope, dies ist Stanford.«

Ich tauschte mit ihm einen kurzen Händedruck aus, bevor ich mich auf einen Stuhl niederließ.

»Erzähl Hope doch von deinen Theorien«, sagte Faith. »Sie kann bestimmt etwas Aufheiterung gebrauchen.«

Er blickte fast ebenso finster drein wie Dalton, den ich das letzte Mal in der Mensa gesehen hatte. Außerdem schien er mächtig paranoid zu sein, denn er schaute sich erst einmal gründlich um, bevor er seinen Oberkörper halb über den Tisch schob. Es sollte wohl niemand mitbekommen, welche Geheimnisse er zu erzählen hatte.

»Was glauben Sie, wie viele Ebenen es hier gibt?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Der Bildschirm in meinem Quartier schweigt sich darüber aus. Ich wollte Baxter nachher fragen.«

»Das ist Ihr Betreuer, richtig?«

Ich bestätigte es und er lächelte mitleidig.

»Sie glauben doch nicht etwa, dass er Ihnen die Wahrheit sagen würde. Er gehört doch zu denen.«

»Sie meinen, zu den Leitern der Einrichtung?«

»Natürlich. Ich habe herausbekommen, dass es hier sechs Ebenen gibt, eine abgeschotteter als die andere. Und wissen Sie, was im sechsten Untergeschoss getrieben wird?«

Er legte eine Kunstpause ein und wartete darauf, dass ich den Kopf schüttelte. Ich tat ihm schließlich den Gefallen.

»Dort experimentieren sie an den Clearern!«

Ich ließ das erst einmal sacken, während ich mit Faith einen Blick tauschte. Sie schien sich zu amüsieren, also hatte er ihr seine Vermutung bereits mitgeteilt.

»Wenn die so gefährlich sind, wieso bringen sie die dann hier in die Einrichtung?«, fragte ich. »Das ergibt doch keinen Sinn.«

Erneut blickte er sich um und wirkte dabei fast wie ein gehetztes Tier. Oh ja, der Mann pflegte wirklich eine gewaltige Paranoia.

»Deswegen werden wir ja auch untersucht und mit irgendwelchem Zeug vollgepumpt!«, flüsterte er mir zu. »Sie wollen uns als Waffe gegen diese Viecher einsetzen.«

Ich kratzte mich am Kopf und war bemüht, meine stoische Miene beizubehalten. »Und woher wissen Sie das? Ich meine, Sie sind doch auch nicht länger hier als ich, oder? Wenn alles so streng geheim ist, dann wird man Ihnen das doch kaum auf die Nase binden.«

Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und trug eine gewichtige Miene zur Schau. »Ich habe meine Quellen! Außerdem bin ich nicht dumm und kann mir zusammenreimen, was hier vor sich geht. Warum sollte man sich denn so viel Mühe geben und uns aufsammeln? Wofür benötigen sie uns denn sonst?«

»Vielleicht behandeln sie uns ja auch nur, um uns für die Clearer schmackhaft genug zu machen«, sagte Faith und grinste dabei. »Das wäre doch auch eine Möglichkeit. Oder sie wollen, dass sich die Viecher an uns überfressen.«

Sie hatte wohl versucht, witzig zu sein, aber damit kam sie bei Stanford nicht gut an. Er sprang auf und wurde krebsrot im Gesicht, so wütend war er.

»Dann spiel doch weiter brav mit und tu alles, was sie von dir verlangen, ohne Fragen zu stellen! Ich werde jedenfalls nicht ruhig abwarten, bis sie mich für irgendwelche Scheiße missbrauchen!«

Er wandte sich ab, rauschte aus dem Raum und stieß dabei die Stühle aus dem Weg, die ihn bei seinem Aufbruch in die Quere kamen.

»Ich sagte ja, dass er eine komische Type ist«, meinte Faith.

Ich stimmte ihr zu und nahm endlich einen Schluck vom Kaffee, der sich nicht nur als halb abgekühlt, sondern auch als beklagenswert dünn herausstellte. Angewidert stellte ich ihn auf den Tisch. »Das ist ja eine widerliche Plörre!«

»Ja, mit Rauschmitteln haben sie es nicht so. Anscheinend wollen sie, dass wir vor Gesundheit nur so strotzen. Vielleicht liegt Stanford ja doch richtig.« Erneut grinste sie breit, als ob sie mir zeigen wollte, wie wenig sie dessen Geschwätz für bare Münze nahm.

»Hast du eigentlich noch weitere Gerettete gesehen?«, fragte ich. »Ich meine, außer Evelyn und Dalton.«

Sie schüttelte den Kopf. »Falls es noch welche gibt, dann sind die sicher in anderen Sektoren untergebracht. Aber ich glaube nicht, dass es viele sind. Schließlich ist es an der Oberfläche nicht gerade gesund für Menschen.«

»Weißt du eigentlich, wie es oben aussieht?«

Erneut verneinte sie. »Aber es soll nicht gerade das Paradies sein, wie mir mein Betreuer sagte.«

»Ich würde mir gerne ein eigenes Bild machen. Vielleicht hilft es mir ja dabei, mein Gedächtnis wiederzuerlangen.«

»Du kannst ja diesen Baxter fragen, ob er dich auf einen Spaziergang mitnimmt.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung zum Eingang. »Er scheint dich wirklich zu vermissen, so oft wie er deine Nähe sucht.«

Baxter kam zu unserem Tisch und betrachtete uns wohlwollend. »Da sind ja die beiden Schönheiten, die ich gesucht habe.«

Faith rollte ihre Augen, während ich tatsächlich Wärme in meinen Kopf steigen fühlte. Es war zu albern, schließlich kannte ich ihn überhaupt nicht. Aber im Gegensatz zu diesem Arzt war er immer freundlich und steckte mir keine Nadeln in den Körper. Und was Dalton und Stanford anging …

»Ich habe mich gefragt, ob ihr beiden gerne dabei wärt, wenn jetzt ein Rettungstrupp an die Oberfläche geht. Wir haben das Signal einer kleinen Menschengruppe aufgeschnappt.«

»Du meinst … wir sollen tatsächlich wieder nach oben gehen?« Ich war mehr als nur erstaunt, eigentlich fürchtete ich mich sogar davor, jetzt, wo sich mir die Möglichkeit eröffnete.

Er tätschelte mir beruhigend den Rücken. »Nein, natürlich nicht. Aber wir sind per Voicecam mit der Gruppe verbunden und verfolgen ihre Schritte im Kontrollraum. Ich dachte mir, es könnte euch vielleicht interessieren.«

»Ich bin dabei«, sagte Faith. Ich wollte daher auch nicht zurückstehen.

»Dann folgt mir. Ich bringe euch in die obere Einsatzzentrale.«

 

 

Ich konnte meine Nervosität kaum unterdrücken, als Baxter mit Faith und mir im Schlepptau zu einem der Aufzüge ging. Ich schwitzte und mir war gleichzeitig eiskalt, denn nun würde ich endlich den Teil der Einrichtung zu Gesicht bekommen, wo Entscheidungen getroffen wurden. Ich spürte den Geschmack von Galle im Mund, als sich mein Magen vor Aufregung zusammenballte. Im Gegensatz zu meinem Armband funktionierte seines hervorragend, denn die Aufzugtür öffnete sich bereitwillig. Misstrauisch betrachtete ich das nutzlose Plastikband am Handgelenk.

»Wieso klappt es bei mir nicht?«, fragte ich Baxter.

»Ja, das würde ich auch gerne wissen«, sagte Faith.

»Wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind, werden eure Zugangsberechtigungen angepasst. Wir sind hier unten eine autarke Gemeinschaft. Falls ein Unglück passieren sollte – eine Verseuchung oder so etwas in der Art – wären wir verloren. Darum müssen wir die strengsten Vorsichtsmaßregeln treffen und die unteren Ebenen sind daher für euch noch tabu.«

»Und warum sagt mir der Computer nicht einmal, wie viele Ebenen es überhaupt gibt?«

»Das hängt mit eurer Zugangsberechtigung zusammen. Aber um deine Neugier zu befriedigen: Es gibt sechs davon. Euer Quartier befindet sich auf der Ebene A.«

Die Information war mir nicht neu, schließlich war es die einzige, die mir der Bildschirm gegeben hatte. Die restlichen Erklärungen waren allesamt einleuchtend, stimmten mich dennoch nicht glücklich. Ich kam mir fast wie eine Gefangene vor, die bestenfalls zum Hofgang durfte, aber der die interessanten Bereiche versperrt blieben.

Mittlerweile hatten wir das Stockwerk erreicht, wo laut Baxter die obere Einsatzzentrale untergebracht war. Die ganze Einrichtung auf dieser Ebene wirkte auf mich viel militärischer. Es waren keine Teppichböden ausgelegt, sondern wir gingen über nackten PVC-Belag. Die Wände waren kahl, es gab nicht einmal die sonst allgegenwärtigen Monitore. Stattdessen sah ich zum ersten Mal bewaffnete Soldaten, die uns nicht aus den Augen ließen. Der Anblick machte Faith offensichtlich nervös, weil sie sich möglichst nah bei Baxter und mir aufhielt. Besonders vor einem Bereich fielen mir massive Stahltüren und Waffen auf, die anscheinend automatisch funktionierten und eine ganz bestimmte Tür als Ziel hatten.

»Was liegt denn hinter der Tür«, fragte ich Baxter und flüsterte dabei unwillkürlich, weil mir diese Atmosphäre Angst einjagte. Mein Herz pochte heftig, als ich mir alle möglichen Schreckensszenarien vorstellte, die sich hinter der Tür abspielten.

»Dahinter liegt der einzige Ausstieg zur Oberfläche. Wir wollen natürlich dafür sorgen, dass nichts und niemand ungebeten hier unten eindringen kann.«

»Das heißt, die Clearer können nicht in die Einrichtung vordringen?«

»Darauf sollten wir es lieber nicht ankommen lassen.«

Die Antwort war nicht geeignet, mich zu beruhigen.

»Scheiße, ich wäre heute besser im Bett geblieben!«, wisperte Faith. Ich konnte es ihr nachempfinden.

Wir mussten nur in einen anderen Gang einbiegen und standen direkt vor dem Zugang zur Einsatzzentrale. Natürlich hielten auch vor der Tür schwer bewaffnete Männer Wache, aber Baxter war anscheinend angemeldet – jedenfalls öffnete uns einer von ihnen bereitwillig die Tür.

Mir stockte für einen Moment der Atem, als ich den riesigen Bildschirm an der Wand sah. Er zeigte das körnige Bild einer Handkamera oder etwas in der Art. Wahrscheinlich trug einer der Soldaten, die wohl gerade in einem Aufzug standen, die Kamera am Helm.

Erst danach richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Personen, die sich sonst noch im Raum befanden. Besonders der einzige Mann, der nicht vor einer der zahlreichen Konsolen saß, interessierte mich. Er war wohl derjenige, der hier das Sagen hatte. Baxter bestätigte es, als ich ihn leise darauf ansprach.

»Das ist Colonel Brian Karlson, der militärische Leiter von Zuflucht 16«, flüsterte er mir ins Ohr.

»Und was hat …«

»Shht!«, unterbrach mich Baxter, zumal uns der Colonel bereits einen verärgerten Blick zuwarf. Vermutlich waren wir ihm zu laut. »Ich erklär es dir später.«

»Geben Sie mir den Statusbericht, Leutnant Grady!«, befahl Karlson in diesem Augenblick und warf dabei einen flüchtigen Blick zu einem der Männer.

»Alle Parameter im normalen Bereich!«

Gerne hätte ich mir die ganzen Anzeigen und Instrumente genauer angesehen, aber ich ging wohl zurecht davon aus, dass meine Neugier auf nicht viel Gegenliebe stoßen würde.

»Noch einhundert Yards bis zu Point Zero!«, sagte ein zweiter Soldat. »Keine verdächtigen Aktivitäten am Ausstiegspunkt.«

»Weiter beobachten, Sergeant McCrosky.«

»Dort verlässt nachher der Erkundungstrupp den Aufzug«, flüsterte mir Baxter zu.

Für einen Moment schenkte uns der Colonel seine Aufmerksamkeit. »Ich hoffe, Ihre Begleiter haben bereits die notwendigen Behandlungen erhalten«, fuhr er meinen Betreuer an. »Wir haben schon genug Probleme, auch ohne dass wir eine Entseuchung durchführen müssen.«

»Die Eingangsuntersuchung hat keinerlei Krankheitskeime festgestellt, Sir«, erwiderte Baxter.

»Fünfzig Yards bis Point Zero«, meldete sich erneut McCrosky. »Noch immer keine Aktivitäten.«

»Weitermachen.«

»Bereite Ausstiegsluke vor«, sagte Grady. »Alle Signale weiterhin auf Grün.«

»Etwas gefällt mir nicht«, murmelte der Colonel.

»Ich habe noch keine Anzeige«, meldete der Sergeant.

»Einer von den Scheißern ist da, das spüre ich!« Karlson näherte sich McCroskys Platz und warf über dessen Schultern hinweg einen Blick auf die Bildschirme.

»Ausstiegsluke vorbereitet.« Leutnant Gradys Stimme klang nüchtern und beherrscht. »Verriegelung …«

»… bleibt noch aktiviert«, unterbrach ihn der Colonel. »Geben Sie dem Erkundungstrupp den Befehl, noch abzuwarten.«

»Wird übermittelt.«

»Was ist denn los?«, flüsterte ich Baxter zu. »Ich dachte, es wäre alles in Ordnung.«

»Wollen Sie vielleicht einen Clearer in unserer Zuflucht begrüßen?« Der Colonel sah mich verärgert an. Anscheinend hatte ich nicht leise genug gesprochen. »Schalten Sie die verbliebenen Außenkameras auf den Hauptbildschirm, Grady.«

Der Leutnant kam dem Befehl sofort nach … und mir stockte erneut der Atem. Was ich dort auftauchen sah, waren nicht etwa die saftigen Wälder und hübschen Häuser, die ich zu sehen erhofft hatte. Stattdessen erblickte ich totes, in den Himmel aufragendes Holz und diesige Schwaden. Bei Letzterem wusste ich nicht, ob es an der Außenluft oder aber an den Kameras lag. Und dann sah ich es! Mein Puls raste. Ich war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Faith war es auch nicht entgangen, denn sie stieß sogar einen kurzen Schrei aus.

»Hat mich meine Nase also doch nicht getäuscht«, rief der Colonel. »Da bist du kleiner Scheißer ja. Du kannst dich tarnen, so viel du willst, aber ich finde dich trotzdem.« Er schlug seine Faust auf McCroskys Pult. »Holt die Männer wieder nach unten.«

Ich stand immer noch wie erstarrt da und blickte einem Monster direkt ins Gesicht – falls es so etwas wie ein Gesicht überhaupt besaß. Es war eine mehrere Meter große, achtbeinige Lebensform, aus deren Körper gewaltige Stacheln ragten und an deren beiden Enden sich Fresswerkzeuge befanden. Schwarz und drohend füllte es den halben Bildschirm aus, als es sich aufrichtete und tückisch in die Kamera zu blicken schien. Mir lief es heiß und kalt den Rücken runter.

»Ist es intelligent?«, flüsterte ich.

»Darauf können Sie wetten«, antwortete Colonel Karlson. »Diese Viecher sind viele Lichtjahre durch das Weltall gereist, nur um uns hier heimzusuchen. Also ja, diese miesen Scheißer wissen garantiert, was sie tun.«

Er wandte sich nun direkt an Baxter. »Die Vorführung ist vorbei. Bringen Sie Ihre Schützlinge nach unten, damit sie uns nicht im Weg stehen.«

 

Kapitel 4

 

»Ich frage mich, ob es wirklich keine anderen Bücher mehr gibt als diesen Schund!«

Faith stellte den Schmachtfetzen zurück in das Regal. Ich konnte ihr nur zustimmen. Die Bibliothek, die es in unserem Sektor gab, war nicht nur sehr klein, sie enthielt auch kaum andere Romane als seichte Liebesgeschichten. Andererseits wollte ich ganz bestimmt keine Storys über Weltraummonster lesen. Der Anblick, den mir der Clearer vor drei Tagen in der Einsatzzentrale geboten hatte, reichte mir erst einmal aus.

Ich griff mir irgendein Buch und folgte Faith zu einem der kleinen Tische, das sich zwischen den Regalen befand. Sie zog eine winzige Dose aus ihrer Hosentasche, entnahm ihr eine Tablette und schluckte sie hinunter.

»Und runter mit dir, mein Glückspillchen.« Lächelnd setzte sie sich neben mich.

Auch ich musste schmunzeln. »Wie nennst du die Dinger? Glückspille?«

»Weil es zutrifft. Die Dinger haben eine unheimlich beruhigende Wirkung und das kann ich wahrlich gebrauchen. Hier! Nimm auch eine. Geht aufs Haus.«

Unschlüssig blickte ich auf ihre offene Hand. Sollte ich wirklich? Schaden konnte es sicher nicht. Beherzt nahm ich eine von den runden, grünlich schimmernden Tabletten, bevor ich es mir noch anders überlegte, steckte sie in den Mund und schluckte sie runter. Vielleicht war es nur Einbildung, doch nach wenigen Sekunden breiteten sich Ruhe und Frieden in mir aus. Als würde mein Körper schwerelos durch Zeit und Raum schweben. Ich verstand, warum Faith die Dinger so gerne einnahm. Wenn jetzt ein Clearer hier im Raum erschienen wäre, hätte ich ihn wohl am Kinn gekrault. Falls die Monster so etwas wie ein Kinn besaßen.

Glücklich rekelte ich mich auf dem Stuhl und streckte die Beine aus.

»So kann es bleiben, oder?«, fragte Faith und ich nickte versonnen. »Ich frage mich, ob sie den Einsatztrupps vorher diese Pillen geben. Ohne die würde ich mich bestimmt keinen Schritt aus der Zuflucht wagen.«

»Wir haben wirklich Glück, dass wir hier sein dürfen.«

Vor ein paar Tagen wäre ich mir noch nicht so sicher gewesen. Doch dann ... war dieses Vieh auf dem Bildschirm in der Einsatzzentrale erschienen. Ich verdrängte das Bild aus meinen Gedanken und gab mich der friedlichen Stille hin. Die nächsten Minuten lagen wir halb auf den Stühlen und starrten versonnen an die Decke. Keine Ahnung, ob ich in meinem früheren Leben je Drogen genommen hatte, aber falls ja, dann war die Wirkung bestimmt ähnlich gewesen. In Anbetracht der Umstände juckte es wohl niemanden mehr, was man sich so reinzog, am wenigsten mich. Wie durch eine Nebelwand sah ich einen der Betreuer, der in unsere Richtung blickte und nachsichtig lächelte. Ich hätte ihn gerne gegrüßt, konnte mich aber nicht dazu aufraffen. Es war ja auch egal, da ich mit dem Mann bisher kaum mehr als drei Worte gewechselt hatte.

»Hast du eigentlich schon die Neuankömmlinge gesehen?«, fragte mich Faith.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihre Frage den Weg in mein Gehirn fand. »Ja … sahen ziemlich verschreckt aus …«

»Kein Wunder. Wir waren wohl auch nicht anders. Stanford ist sofort mit seinen Verschwörungstheorien hausieren gegangen, aber ich glaube kaum, dass sie ihn sonderlich ernst genommen haben.«

»Damit sind sie in guter Gesellschaft. Der Kerl spinnt doch … irgendwann wird der Colonel ihn ruhigstellen lassen. Der alte Knabe versteht nicht viel Spaß, glaub ich.«

Den Satz über die Lippen zu bringen, hatte ziemlich viel Zeit und Kraft gekostet. Außerdem wollte ich an etwas Schönes denken und dieser knurrige Soldat gehörte nicht dazu. Baxters Gesicht tauchte vor meinen Augen auf. Ja, der Gedanke an ihn war schon besser. Er hatte so etwas Spezielles an sich, was mir gefiel.

»Hope!«

Oh, jetzt redete er sogar mit mir. Die Glückspillen waren wirklich ausgezeichnet.

»Hope!« Nun griff er mir an die Schultern und rüttelte mich sachte.

Erst da merkte ich, dass er kein Traumbild war, sondern leibhaftig vor mir stand.

»Hast du es vergessen? Vor fünf Minuten war dein Untersuchungstermin!«

Himmel, war es denn schon so spät? Die Pillen sorgten wohl auch dafür, dass man sein Zeitgefühl verlor.

»Komm, ich bring dich zu Dr. Zoller.«

Ich winkte Faith zum Abschied noch zu, aber die bekam auch nicht mehr allzu viel mit.

Wir verließen die Bibliothek und ich konnte, trotz meiner Verfassung, Baxters Blick auf mir spüren. »Was ist denn mit dir?«

»Faith hat mir eine ihrer wundervollen Pillen gegeben …«

»Ach du heilige … die darfst du nicht nehmen, die sind auf die jeweilige Person abgestimmt!«

War er ärgerlich auf mich? Ich wollte nicht, dass er mich so ansah. »Tut mir leid!«, jammerte ich und legte ihm meinen Kopf an die Brust.

»Oh weia, dich hat es ja schlimm erwischt!«

Er schleppte mich mehr durch die Gänge, als dass ich ging, und schob mich schließlich in einen Raum, der keinesfalls einer dieser Untersuchungsräume war.

»Halt still!«, befahl er mir und ehe ich etwas sagen konnte, schwappte mir schon kaltes Wasser ins Gesicht.

»Iiihhh!«

»Stell dich nicht so an! Das kommt davon, wenn man etwas schluckt, was nicht für einen bestimmt ist! Komm zur Toilette!«

Was hatte er denn nun vor? Ich konnte aus irgendeinem Grund kaum noch was sehen. Im nächsten Moment kniete ich bereits vor der Schüssel und er schob mir etwas in den Mund, was widerlich holzig schmeckte. Ich wollte protestieren, aber da war es schon zu spät. Mein Magen revoltierte und mit einem gewaltigen Schwung fand das Frühstück den Weg nach draußen – wenn auch durch die falsche Öffnung.

Mir war totschlecht und der saure Geschmack im Mund verstärkte die Übelkeit. »Was hast du getan?« Mein Jammern ließ ihn offensichtlich kalt, denn er antwortete nicht, sondern zerrte mich zurück in den Waschraum. »Halt still!«, befahl er erneut. Mit einem reichlich groben, nassen Lappen fuhr er mir über das Gesicht. »Jetzt spül dir den Mund aus!«

Mechanisch griff ich mir den Becher, den er mir hinhielt, und befolgte seinen Befehl. Ich konnte kaum etwas sehen, weil mir das Wasser in die Augen geschossen war. Ganz allmählich verschwand die Übelkeit und machte einer gewaltigen Schwäche Platz. Meine Beine drohten nachzugeben, aber Baxter stützte mich und langsam kam ich wieder zu Kräften.

»Geht es?«, fragte er.

Ich nickte nur und stellte den Becher auf die Ablage.

»Dann komm, es wird höchste Zeit für deine Untersuchung. Dr. Zoller sollte dir auch besser etwas gegen das Zeug geben, was du geschluckt hast.«

»Wieso ist es so schlecht für mich?«, fragte ich, während er mich aus dem Waschraum und durch den Gang führte. »Faith verträgt es doch wunderbar.«

»Das hat seine Gründe, aber ich bin kein Arzt! Jedenfalls solltest du nichts einnehmen, was nicht ausdrücklich für dich bestimmt ist. Versprichst du mir das?«

»Hoch und heilig!«

»Das will ich auch hoffen. Jetzt komm, du bist schon spät dran.«

 

Wir erreichten das Behandlungszimmer und Baxter dirigierte mich sofort zu einer Untersuchungsliege, während er dem Arzt mitteilte, was ich eingenommen hatte.

Zoller schüttelte den Kopf und fragte mich bestimmt dreimal, wie ich nur auf diese Idee gekommen war. Vielleicht war es auch noch öfter, aber ich bekam aus irgendeinem Grund nicht allzu viel mit. Jedenfalls untersuchte er mich äußerst gründlich und bereitete alles zur Entgiftung vor, wie er sich ausdrückte.

Während nun aus einem Tropf sehr langsam eine Flüssigkeit in meinen Arm lief, unterhielten sich Baxter und der Arzt am anderen Ende des Raumes. Vermutlich war es gut, dass ich nichts davon mitbekam, denn Zoller hielt mich bestimmt für verrückt, weil ich diese Pille eingeworfen hatte. Wahrscheinlich konnte ich von Glück reden, dass er mir nicht auch noch den Magen auspumpte.

Jetzt war Baxters Gespräch offensichtlich beendet, denn er kam auf mich zu. Wenn ich sein Lächeln richtig deutete, dann war er ziemlich erleichtert.

»Es ist noch einmal gutgegangen«, sagte er. »Versprich mir, dass du nicht nochmal so einen Unsinn machst!«

Ich liebte es, wie fürsorglich er war, auch wenn ich es mir rational nicht erklären konnte.

»Das habe ich dir doch schon zugesichert.«

»Ich kann es nicht oft genug hören. Du bist viel zu wichtig, als dass wir dich durch so eine dumme Handlung verlieren dürfen.«

»Seit wann das denn? Bisher habe ich doch nur …«

Er griff meine Hand und drückte sie sanft. »Es gibt nicht mehr viele Menschen, so habe ich das gemeint. Wenn die Menschheit überleben will, dann brauchen wir jeden Einzelnen von uns! Auch so eine unvorsichtige Person wie dich.«

Nun trat auch Dr. Zoller an meine Liege. »Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich werde mit Faith ein ernstes Wort reden müssen. Sie darf ihre Medikamente doch nicht einfach wie Bonbons verteilen.«

»Es ist nicht ihre Schuld.« Die Worte kamen aus meinem Mund, ohne dass ich lange darüber nachdachte. Es lag mir fern, Faith in die Scheiße zu reiten, zumal sie bis jetzt meine einzige Freundin hier war.

Er lächelte und tätschelte mir den Unterarm. »Ich werde Ihre Kameradin schon nicht auffressen. Ihre eigentlich vorgesehene Untersuchung verschieben wir auf den morgigen Tag. Wenn die Infusion durchgelaufen ist, bringt Sie Ihr Betreuer in Ihr Quartier. Sie sollten sich ausruhen und wenn noch etwas sein sollte, informieren Sie mich. Versprochen?«

Heute wollte aber auch jeder, dass ich ihm etwas versprach. »Natürlich, Doktor!«

 

 

Ich lag bestimmt schon eine Stunde im Bett, als mich Faith besuchen kam. Sie sah reichlich zerknirscht aus und ich traute mich kaum, ihr die eine spezielle Frage zu stellen.

»Hat Doktor Zoller schon mit dir gesprochen?«

»Er hat mir ziemlich den Kopf gewaschen, aber ich hatte es wohl verdient. Wie geht es dir?«

Ich deutete auf den Eimer, den mir Baxter vor das Bett gestellt hatte, bevor er gegangen war. »Bisher musste ich ihn nicht benutzen. Das Schlimmste habe ich wohl überstanden und mir ist auch nicht mehr schlecht.«

»Ich verstehe gar nicht, warum diese harmlosen Dinger so eine Wirkung auf dich gehabt haben.«

»Frag doch Stanford danach. Der hat bestimmt eine seiner Theorien in petto.«