Der Zweig - Burgitta Egg - E-Book

Der Zweig E-Book

Burgitta Egg

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Beschreibung

Wehe, wenn diese Geschichte wahr wird. Ein Geschwisterpaar ist auf der Flucht. Doch warum flüchten sie? Sie wissen es selbst nicht, bis ihnen die Wahrheit vor die Füße fällt. Und diese Wahrheit ist so erschreckend, dass ihr gesamtes Weltbild einstürzt. Eine unglaublich spannende Dystopie, die hoffentlich niemals wahr wird. Die Spannung steigt von Seite zu Seite, bis die Wahrheit mit einem Paukenschlag ans Licht kommt.

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Schön, dass Du da bist!

Ich wünsche dir gute Unterhaltung!

Von Burgitta Egg sind folgende Bücher erschienen:

Die spannende Dystopie:

– Die seltsame Stadt und andere merkwürdige Geschichten

und die Krimis:

– Tod im Altwasser – Erster Krimi der Reihe: Hüschow ermittelt

– Tod am Katzensteig - Zweiter Krimi der Reihe: Hüschow ermittelt

Alle Bücher sind in jeder Buchhandlung und in den Onlineshops bestellbar.

Besuchen Sie Burgitta Egg auf ihrer Instagram-Seite: @burgitta.egg

Für meinen Opa,

der die beste Blutwurst der Welt machte.

Der Zweig

Burgitta Egg

Eins

E

s ist stockfinster. Der Wind heult und es schüttet, als stünde ich unter der Dusche.

Das Gewitter treibt den letzten Rest Stolz aus mir heraus. Ich krieche auf allen vieren dahin, vorwärts oder im Kreis, ich weiß es nicht mehr. Die Orientierung habe ich bereits vor Stunden verloren.

Meine Angst vor Wildschweinen, Bären, Wölfen oder tollwütigen Füchsen nimmt groteske Ausmaße an. Obwohl es bei uns keine Bären gibt, treibt sich einer in meinem Hinterkopf herum. Jeden Moment kann ich angefallen und gefressen werden. Mit dieser irrigen Angst im Bauch, krabble ich nur langsam vorwärts, weil ich mir einbilde, hinter jeden Baum lauert eine unbekannte Gefahr.

Ich reiße mich zusammen und richte mich zu meiner vollen Größe auf, was nicht besonders viel ist.

In meinen durchweichten Klamotten zittere ich wie ein Hund. Das Wasser in meinen Schuhen schmatzt bei jedem Schritt. Sogar meine zwei Reserveunterhosen, die ich in meine Gesäßtaschen gesteckt hatte, sind hinüber. Das Handy, vorsorglich in einer Plastikhülle verpackt, steckt in meiner rechten Hosentasche. Es ist ausgeschaltet. Eine Vorsichtsmaßnahme. Das Ladekabel und so ein Kurbeldings zum Aufladen, liegen in meiner kleinen Handtasche. Meinen Rucksack konnte ich nicht mitnehmen, das wäre zu auffällig gewesen. Meine Mutter hätte den Braten sofort gerochen. Manchmal hat sie den siebten Sinn, wie Mütter halt so sind.

Vorsichtig bewege ich mich in eine Richtung, die mir die richtige erscheint. Bei jedem Schritt gibt der besoffene Untergrund schmatzend nach.

Dann peitscht mich ein belaubter Zweig, was mich zu Tode erschreckt. Ich wische mir das Wasser aus dem Gesicht und gehe mit ausgestreckten Armen langsam weiter.

Bellt da ein Hund? Ich verschwinde im Unterholz und lausche. Während ich hier liege, denke ich an Schlangen. Sind sie nachtaktiv und schlängelt sich gleich eine mein Hosenbein herauf? Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

Nach gefühlten fünf Minuten höre ich nichts Bedrohliches mehr, stehe auf und wieder wische ich mir den Regen aus dem Gesicht. Ich taumle weiter.

Plötzlich trete ich ins Leere. Ich lande auf was Kaltem das weich und feucht ist, rolle mich auf den Rücken und starre in den Himmel. Schwarze Wolken und noch schwärzere Bäume. Ich warte auf den Schmerz, der nicht kommt und befühle meine Liegestatt. Es ist Moos. Nur schwer komme ich auf die Beine. Ich stehe in einem Krater, auf einem riesigen Mooskissen, das mich langsam schluckt. Es gelingt mir nicht, aus dem Loch herauszukommen. Immer wieder rutsche ich zurück auf die alles verschlingende grüne Landpflanze. Erst als ich mich flach mache und alle meine Gliedmaßen einsetze, schaffe ich es heraus.

Ich muss vollkommen verdreckt sein, schießt es mir durch den Kopf. Plötzlich fahre ich zusammen. Etwas Großes lief an mir vorbei, ich spüre noch den Lufthauch. Ein eigenartiger Geruch folgt. Was war das?

Ich verstecke mich hinter einem dicken Baum. Die Angst schlägt mir auf den Darm. Warum gerade ich mit dieser prähistorischen Fluchtreaktion gestraft wurde, frage ich mich nicht zum ersten Mal. Nach einigen Minuten luge ich hinter dem Baumstamm hervor. Da ist nichts, nur dunkler Wald. Mein Darm und ich entspannen uns.

Regen und Wind lassen nach. Es raschelt und ächzt. Dann hört der Regen ganz auf. Die Reste tröpfeln von den Fichten. Wenn ich nicht kurz vor dem Erfrierungstod stünde, wären die Geräusche es wert, innezuhalten und zu lauschen.

Die Wolken reißen auf. Das Mondlicht fällt wie ein milchiger Spot auf eine Lichtung, auf der Rehe äsen. Das nasse Gras glitzert wunderschön. Was für eine Idylle. Ich schaue den Rehen eine Weile zu, wie sie nach jedem Bissen den Kopf heben und sich kauend umsehen, auf jede Gefahr vorbereitet. Dann entdecke ich einen Hochsitz. Ich kann mein Glück kaum fassen, überlege nicht lange und schleiche hin. Die Rehe flüchten.

Ich klettere die Leiter hinauf, kauere in Embryostellung auf dem Boden und zittere so sehr vor Kälte, dass meine Zähne hart aufeinanderschlagen. Plötzlich muss ich lachen. Meine Angst kommt mir lächerlich vor. Was soll schon passieren?

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich hier schon liege und friere, mir kommt es wie eine halbe Ewigkeit vor. Endlich wird es hell. Durch die Bretter vom Hochsitz beobachte ich die Regentropfen, die funkelnd an den Fichtennadeln hängen.

Ich habe Hunger. Mein Magen knurrt so laut, dass ich Angst habe, irgendwelches Getier anzulocken. Ich versuche mich aufzurichten, aber meine Beine, weich wie ein nasser Butterkeks, gehorchen mir nicht mehr. Ich schlage auf meine Schenkel, kurble die Durchblutung an.

Ich verlasse den Hochsitz und sehe an mir hinab. Meine Kleidung starrt vor Dreck. Okay, das muss warten. Ich entdecke einen Pfad, dem ich folge. Diesen oder einen anderen ist ganz egal, Hauptsache es geht bergab.

Unten angekommen, trete ich aus dem Wald und erste Sonnenstrahlen treffen mich. Ich checke die Umgebung, dann ziehe ich meine dreckigen Sachen bis auf BH und Unterhose aus, wringe sie ordentlich und hänge sie an den nächstbesten Strauch. Schlotternd breite ich meine Arme aus und drehe mich langsam, um jeden Zentimeter meines Körpers von der Sonne wärmen zu lassen.

Ich bin einigermaßen aufgewärmt und glaube es wieder riskieren zu können, in meine feuchten Klamotten zu steigen und meinen Weg fortzusetzen. Weit gefehlt. An den klammen Sachen kleben immer noch feuchte Erde, Blätter und Fichtennadeln. Ich schüttle sie ordentlich aus und ziehe sie trotzdem an. Ein sehr unangenehmes Gefühl in kalte, nasse Sachen zu schlüpfen. Eklig.

Zwei

I

ch stehe am Waldrand und schaue über das Tal, das von Feldern, Äckern und Wiesen gefüllt ist.

Dann rückt ein Baum voller Marillen in mein Blickfeld, was ich sehr merkwürdig finde. Keine zehn Meter von mir entfernt, steht er neben einer großen Hecke. Er ist schwer beladen, als ob er seine Früchte aufgespart hätte, als ob er gewusst hätte, dass ich, halb verhungert, vorbeikäme. Keine einzige Marille ist faulig, wurmig oder angepickt. Ich zupfe eine und probiere. Fruchtig und süß schmeckt sie und erinnert mich an den Geschmack von Aprikosen. Völlig überrascht plündere ich hemmungslos und vergesse für einen Moment, dass ich friere wie eine Nacktkatze.

Die Straße, die vorbeiführt, wird wenig befahren. Trotzdem bin ich vorsichtig. Nähert sich ein Auto, verstecke ich mich hinter einem Baum, komme erst wieder hervor, wenn es verschwunden ist. Dann esse ich weiter, bis mir schlecht wird.

Nach einer viertel Stunde meldet sich mein Darm. Habe ja schon sehnsüchtig darauf gewartet. Ich suche weiche Blätter und verschwinde im Dickicht.

Über Nacht sammelte sich der Regen in tiefen Traktorspuren und Löchern. Ich bin versucht, das Wasser im Liegen aufzuschlabbern, entscheide mich dagegen. Vorsichtig schöpfe ich mit den Händen, um den Schlamm nicht aufzuwühlen.

Eine Kröte krabbelt aus der Pfütze und fährt sich mit dem vorderen linken Füßchen übers Gesicht. Nach der Morgentoilette krabbelt sie gemächlich unter das feuchte Laub. Ich sehe ihr dabei zu. Dann schaue ich wieder auf das breite Tal und trete hinaus in die Sonne. Strohgelbe Gerste wiegt sanft im Wind. Dazwischen grüne Wiesen. Stille.