Detektei für magisches Unwesen – Da braut sich was zusammen - Lotte Schweizer - E-Book

Detektei für magisches Unwesen – Da braut sich was zusammen E-Book

Lotte Schweizer

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Beschreibung

Großes Chaos in Kiesbach – der zweite Fall für Jannik & Co.  In Kiesbach liegen Frühlingsgefühle in der Luft! Olaf kann sich plötzlich vor Verehrerinnen nicht mehr retten. Jede, die im Kiesbacher Dorfteich schwimmen war, verliebt sich in ihn. Während der Dorfpolizist sehr geschmeichelt ist, wittert die unfreiwilligste Bande der Welt einen magischen Fall.  Außerdem werden in Herrn Piepenbrinks Juwelierladen teure Edelsteine entwendet. Hängen die beiden Fälle vielleicht zusammen? Ganz klar, die Detektei für magisches Unwesen muss ermitteln! Zu diesem Buch finden Sie Quizfragen auf antolin.de

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Ähnliche


Lotte Schweizer

Detektei für magisches Unwesen

Da braut sich was zusammen

Mit Illustrationen von Alexandra Helm

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

 

Für Felix

Prolog

Peggory Jones sah in den grauen britischen Morgenhimmel. Er hielt sich im Schatten eines Maulbeerbaums verborgen und spähte zum Rosengarten des Buckingham Palace. Wäre er nicht so ein Profi, schlüge ihm das Herz bis zum Hals. Unheil lag in der Luft.

Peggory zuckte zusammen. Plötzlich durchschnitt ein feiner Gesang die morgendliche Stille. Die Melodie kam von dem spitzen silbernen Ohr, das an einer Kette um seinen Hals hing. Der Geheimdienst hatte die Kommunikation erst kürzlich auf Feenohren umgestellt und Peggory konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, nun immer erreichbar zu sein. Ohne den Rosengarten aus den Augen zu lassen, zog er sich das Ohr über sein eigenes.

»Was sehen Sie, Jones?«, fragte Mrs Smith ohne Umschweife.

»Bisher alles ruhig«, raunte Peggory.

»Die Sache gefällt mir nicht.« Die Chefin des Dezernats für Magisches und Fabelwesen klang besorgt. Es kam nicht jeden Tag vor, dass das britische Königshaus einen magischen Notruf absetzte. Die Botschaft war verschlüsselt und selbst den Spezialisten war es nicht gelungen, sie vollständig zu entziffern. Nur, dass es dabei um ein geheimes Treffen mit einem Mitglied der königlichen Familie ging, so viel stand fest. Was für eine Ehre! Kein Wunder also, dass Mrs Smith ihn, den großartigen Peggory Jones, mit diesem Spezialauftrag betraut hatte. Immerhin war er der beste Geheimagent, den der Geheimdienst für streng geheime Angelegenheiten zu bieten hatte.

Im Augenwinkel nahm Peggory eine Bewegung wahr. Eine schwarze Kiste glitt lautlos über den taufeuchten Rasen und hielt auf den Rosengarten zu.

»Da tut sich was«, flüsterte Peggory. »Sieht aus wie ein großer Schuhkarton.«

»Was ist drin?« Mrs Smith hielt gespannt den Atem an.

»Darf ich Sie daran erinnern, dass ich keinen Röntgenblick habe, Mrs Smith?«, antwortete Peggory gereizt. Er kniff die Augen zusammen. »Auf dem Deckel ist das königliche Wappen aufgebracht.«

Die Kiste kam neben einem Rosenbusch zum Stehen.

»Ich nähere mich dem Objekt.« Peggory trat aus dem Schatten des Maulbeerbaums. Er hatte die Kiste noch nicht ganz erreicht, als plötzlich jemand dahinter hervorsprang.

»Muick?«, fragte Peggory verblüfft und nahm das Feenohr ab.

»Klar«, knurrte Muick. »Wen hast du denn erwartet, den König?«

»Also ehrlich gesagt …« Und da fiel es Peggory wie Schuppen von den Augen. Es war bei der verschlüsselten Botschaft nicht etwa um ein geheimes Treffen mit der Königsfamilie gegangen, sondern um ein geheimes Treffen mit dem Corgi der Königsfamilie. Na, das waren ja rosige Aussichten.

»Ihr feinen Pinkel beim Geheimdienst denkt wohl, ihr könnt den alten Muick für dumm verkaufen, wie?« Der Hund schnalzte mit der Zunge. »Das war ’ne ganz linke Nummer mit der Katze!«

Eine spitze rosa Nase schob sich aus Peggorys Manteltasche. »Hat hier jemand Katze gesagt?«, piepste Marianne entsetzt. Die Leseratte sah sich nach allen Seiten um. Muick deutete mit der Schnauze auf die Kiste. »Sie ist da drin. Aber nicht mehr lange. Denn ihr nehmt sie mit, jawollo.«

»Auf keinen Fall!«, quietschte Marianne.

»Königlicher Befehl«, sagte Muick.

»Königlicher Befehl«, schnaubte Marianne. »Das kommt doch von dir!«

Muick lächelte selbstgefällig. »Ist das Gleiche. Die königliche Familie ist mir treu ergeben.«

Peggory betrachtete das kniehohe Tier, das da breitbeinig vor ihm auf dem englischen Rasen stand. Es war ihm ein Rätsel, dass bisher kein Mensch bemerkt hatte, dass es sich bei Corgis selbstverständlich nicht um Hunde handelte, sondern um Fabelwesen. Auffälliger hätte Muick kaum aussehen können: ein seltsam großer Körper auf vier seltsam kurzen Beinen und auf dem Kopf zwei noch seltsamere riesige Ohren.

»Was ist denn überhaupt das Problem mit dieser Katze?«, fragte Peggory.

»Juckpulver! Das ist das Problem. Sie hat mir Juckpulver auf das Fell gestreut. Ich musste fünf Tage in Quarantäne, weil der Butler dachte, ich hätte Flöhe.« Muick warf einen erbosten Blick zu dem königlichen Schuhkarton. Vor lauter Ärger rutschte dem Corgi ein lauter Beller heraus. »Betrug! Als der Geheimdienst fragte, ob ich die Katze bei mir aufnehme, hieß es, sie sei eine Glückskatze. Mir bringt sie aber kein Glück. Überhaupt nicht.«

»Natürlich nicht«, sagte Marianne. »Für jede Glückskatze ist auf der Welt nur ein einziges Schicksalsherrchen vorherbestimmt, das weiß doch jeder. Das muss sie finden, denn nur dem bringt sie Glück. Allen anderen spielt sie Streiche.« Die Leseratte hatte schon mindestens jedes zweite Buch der Welt gelesen und verfügte deshalb über ein unglaubliches Wissen. Besonders gut kannte sie sich in der Fabelkunde aus und Peggory hätte sich keine bessere Assistentin wünschen können.

Muick reckte die Schnauze in die Luft. »Dann macht euch eben auf die Suche nach diesem Schicksalsherrchen. Ihr habt doch dieses Fabeldingsda. Da kann sie solange wohnen.«

»Kommt überhaupt nicht in die Tüte! Ich hole mir doch keine Katze ins Haus. Eine Glückskatze schon dreimal nicht«, rief Marianne.

»Ihr nehmt die Katze mit oder ich schmeiß hin«, verkündete Muick. Peggory seufzte, denn das war natürlich keine Option. Seit über achtzig Jahren arbeiteten Corgis als Undercoveragenten im britischen Königshaus und versorgten das Dezernat für Magisches und Fabelwesen, für das auch Peggory arbeitete, mit Informationen aus der Menschenwelt. Der Deckel der Kiste hob sich ein Stück an. Eine schwarze Tatze schob sich daraus hervor und schlug nach Muicks Schwanz. Im nächsten Moment schwebten violette Seifenblasen aus der Box. Der Corgi bellte entsetzt und rannte Haken schlagend davon. Die Blasen nahmen sofort die Verfolgung auf. Aber das bemerkte Peggory kaum, denn etwas anderes hatte soeben seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

»Beim grünbeinigen Samtfloh, auch das noch«, brummte er und starrte auf den goldenen Fabelkompass, der in seiner Hand so sehr vibrierte, dass Peggory fürchtete, er würde gleich in tausend Teile zerspringen. »Marianne«, sagte der Geheimagent mit ernster Miene. »Wir müssen sofort nach Hause! In Kiesbach braut sich was zusammen.«

1. Kapitel

In dem Frühlingsgefühle in der Luft liegen

Dieser Sonntag war so schön, wie ein Sonntag nur sein kann. Nach einem dunklen Winter strahlte die Sonne plötzlich wieder hell und warm vom Himmel, als hätte vorher bloß jemand vergessen, sie anzuknipsen.

Jannik saß auf dem Steinmäuerchen, das den Gemüsegarten im Fabelhabitat einfasste, und ließ die Beine baumeln. Er starrte auf das kleine Visitenkärtchen in seiner Hand.

Jannik Hummel – Ehrenermittler für Fabelfälle von herausragender Kniffligkeit, stand darauf.

Pola hockte vor ihm im magischen Kräuterbeet und zupfte Löwenzahn. Die dicken gelben Blüten fauchten und schnappten nach ihrem Arm.

»Autsch!« Sie steckte sich den Zeigefinger in den Mund. »Er hat mich voll erwischt. Na warte!« Beherzt packte sie zu und riss den Löwenzahn aus dem Beet. Kaum war seine Wurzel aus der Erde, hing er schlaff herunter wie ganz gewöhnliches Unkraut.

»Brauchst du das noch?«, fragte Henri und pflückte Pola das Büschel aus der Hand. Der Wiesenschrat mit dem grünen Fell und den großen Fledermausohren lebte in einer gemütlichen Höhle unter einem Grashügel. Gerade stellte er einen prächtigen Strauß aus Unkraut zusammen. Vor einigen Wochen war das Wiesenschratmädchen Henrietta im Fabelhabitat eingezogen und seitdem machte Henri ihr schöne Augen. Er hatte ihr schon seinen ganzen Champignon-Vorrat geschenkt und ein Bild nur mit grüner Farbe für sie gemalt. Nun hielt er ihr den Strauß unter die Nase. »Für dich«, sagte er. »Weil dein Fell genauso wunderherrlich grün leuchtet wie taufrischer Rasen.«

Man konnte es nicht leugnen: In Kiesbach lagen Frühlingsgefühle in der Luft!

Mehr aber auch nicht. Und dabei sehnte Jannik sich so nach dem Duft von Abenteuern. Er schob die Visitenkarte zurück in seine Hosentasche.

»Kannst du mal aufhören, alle zwei Sekunden auf die Karte zu schielen?«, fragte Pola. »Das macht einen ja ganz nervös.«

»Genau, hilf mir lieber mit der Schubkarre«, sagte Lulu, die mitten im Gemüsebeet stecken geblieben war.

Jannik sprang von der Mauer. »Wozu haben wir unsere Detektei für magisches Unwesen gegründet, wenn es überhaupt kein magisches Unwesen gibt?«

»Mit dem Habitat haben wir auch so genug zu tun«, sagte Pola. Das Fabelhabitat lag mitten im Kiesbacher Wald, trotzdem war es für Menschen unsichtbar. Der unendliche Fluss schloss es ein wie ein Ring und man konnte es nur mit einer Gondel durch das Fenster in Peggorys Geheimagenten-Quartier erreichen. Lulu pflückte ein paar Zauberschoten von einem Strauch und warf sie in ihre Schubkarre. Jannik seufzte. Eigentlich hatte Pola ja recht. Eigentlich. Aber wenn er ganz ehrlich war, wünschte er sich nichts sehnlicher als einen neuen Fall. Es musste ja nicht gleich Mord sein. Eine klitzekleine Entführung würde ihm schon reichen.

»Was habt ihr denn heute Nachmittag noch so vor?«, fragte Lulu ganz nebenbei und riss ihn aus seinen Gedanken. »Habt ihr Lust, zu einem Kaffeekränzchen zu mir nach Hause zu kommen?« Sie bugsierte die Schubkarre zu den Apfelbäumen. Kniehohe Fliegenpilze schmiegten sich an die krummen Baumstämme. In die Stiele der Pilze waren kleine Türen und Fenster mit Gardinen eingelassen.

»Gern«, sagte Pola und Jannik nickte.

»Super, da wird sich Tante Liesbeth freuen!« Lulu legte vor jedes Türchen eine Zauberschote.

»Wie jetzt?« Jannik hob eine Augenbraue. »Schnecken-Liesbeth kommt auch?«

Lulu rieb sich die Nase. »Oh, hatte ich das gar nicht erwähnt?«

»Musst du wohl rein zufällig vergessen haben!« Pola verschränkte die Arme vor der Brust.

Die Gardine in einem der Pilzhäuschen wackelte. Im nächsten Augenblick ging die Tür auf. Eine zottelige Pfote schnappte sich die Zauberschote und zog sie in den Pilz. Dann fiel die Tür wieder zu.

»Ihr kommt doch trotzdem, oder?«, fragte Lulu. »Liesbeth stand gestern plötzlich bei uns auf der Matte. Überraschungsbesuch. Ist das nicht cool?« Lulus Augen strahlten vor Freude so hell, dass Jannik sich fast mitfreute. Aber nur fast. Denn der letzte Besuch von Lulus Tante war ihm noch deutlich in Erinnerung. Er kniff die Augen zusammen. »Sei ehrlich, hat Liesbeth gebacken?«

Lulu schüttelte den Kopf. »Ich kaufe den Kuchen später bei Majas Backstube.«

»Schwör!«, sagte Pola. Lulu hob feierlich die Finger.

»Also gut. Wir kommen mit«, murrte Pola.

Lulu klatschte in die Hände. »Wenn ihr sie erst etwas besser kennt, schließt ihr Liesbeth genauso ins Herz wie ich.«

Jannik setzte sich wieder auf das Steinmäuerchen.

»Kaffeekränzchen statt Verbrecherjagd«, brummte er. »Kiesbach ist so spannend wie eine Sockenschublade.«

Wenn er bloß gewusst hätte, wie falsch er damit lag. Denn auf dem Kiesbacher Marktplatz sollte sich nur wenig später etwas Ungeheuerliches ereignen.

2. Kapitel

In dem eben doch etwas los ist in Kiesbach

Ein markerschütternder Schrei brachte das Schaufenster des Juweliergeschäfts Funkelstein zum Zittern.

Als Herr Piepenbrink sich kurz zuvor bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher auf den Weg in seinen Laden gemacht hatte, hätte er es nie für möglich gehalten, Opfer eines abscheulichen Verbrechens zu werden. Gerade erst hatte er einen ganz besonderen Auftrag fertiggestellt: Frau Geldmann vom Luxushotel Burgfrieden oben über der Stadt hatte ihn damit betraut, eine Rosenquarzstatue für den Ballsaal zu fertigen. Selbstverständlich hatte sich Herr Piepenbrink sehr geschmeichelt gefühlt. Jeder wusste, dass Frau Geldmann nur das Beste vom Besten einkaufte.

Wochenlang hatte er an der Statue gearbeitet und sich die Nächte und Wochenenden um die Ohren geschlagen (sehr zum Ärger von Frau Piepenbrink). Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die Statue war zwar nur kniehoch, aber wunderschön. Eigentlich wäre sie in einem Museum besser aufgehoben gewesen als in einem Ballsaal. Fand jedenfalls Herr Piepenbrink.

Heute wollte er seinem Meisterwerk den letzten Schliff verpassen und den Rosenquarz polieren, bis er nur so funkelte. Voller Vorfreude schloss er die Tür zu seinem Geschäft auf. Doch als er das Licht anknipste, glaubte er, vom Schlag getroffen zu werden.

Das konnte doch nicht …!

Das durfte doch nicht …!

Um Himmels willen, wo war denn bloß …?

Hier stand Herr Piepenbrink nun und schrie. Er kniff sich selbst in den Oberarm, weil er hoffte, dass er bloß einen bösen Albtraum hatte. Er schloss die Augen und zählte langsam bis sieben. Aber es half alles nichts.

Es war, wie es war: Die Rosenquarzstatue blieb verschwunden. Auf dem Arbeitstisch, auf dem er sie am Vorabend zurückgelassen hatte, lagen nur noch zwei Bogen Schleifpapier und ein paar Rosenquarzbrösel.

3. Kapitel

In dem eine Legende geboren wird

In Kiesbach gehörte das Kuchenessen zum Sonntag wie das Ei zum Frühstück. Dementsprechend hatte sich bereits eine Schlange vor Majas Backstube gebildet, als Jannik, Pola und Lulu am frühen Nachmittag auf dem Marktplatz eintrafen. Noch hatte niemand etwas von dem Drama bemerkt, das sich nur wenige Meter weiter im Juweliergeschäft abspielte.

»Hoffentlich bekommen wir noch etwas ab«, sagte Lulu. »Sonst muss Liesbeth später doch noch backen.« Sie lachte zwar, aber Pola und Jannik hatten es plötzlich sehr eilig, zur Backstube zu kommen. Wenig später traten sie – sehr erleichtert und bepackt mit den sieben letzten Sahnetörtchen – wieder auf den Marktplatz. Die laue Frühlingsluft hatte die Kiesbacher auf die Straßen gelockt. Sie tummelten sich in den Restaurants und Cafés, schleckten Eis und bummelten an den Schaufenstern entlang.

Am Springbrunnen lehnte die verlassene Gitarre eines Straßenmusikers. Wenige Schritte weiter blieb Pola vor einer Litfaßsäule stehen. »Guckt mal!« Sie strich die Ecken von einem Plakat glatt, bei dem sich der Leim gelöst hatte. »Am Mittwoch ist Frühlingsfest. Wir gehen doch hin, oder?«

»Mit großer Talentshow«, las Jannik vor. »Na, wer da gewinnt, dürfte keine große Überraschung sein.«

»Kiesbachs kecke Keglerinnen!«, riefen Pola und Lulu im Chor. Die kecken Keglerinnen waren Kiesbachs Damenkegelklub. Seit die Kegelbahn vor einigen Jahren schließen musste, taten die Frauen alles außer Kegeln. Sie veranstalteten Tombolas, Museumsausfahrten und nahmen mit wechselnden Programmen an sämtlichen Talentshows in der Region teil. Und sie gewannen immer!

»Dieses Jahr wird alles anders«, tönte plötzlich die Gitarre neben ihnen. Sie geriet in Bewegung, schaukelte hin und her und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Da realisierte Jannik, dass die Gitarre gar nicht am Springbrunnen lehnte, sondern mit einem Gurt auf jemandes Rücken befestigt war. Und dieser Jemand war Olaf. Er hatte sich hingekniet, um seinen Schnürsenkel zu binden, und erhob sich nun ächzend.

»Dieses Jahr gewinne nämlich ich«, verkündete der Dorfpolizist und reckte stolz das Kinn. »Der Talentwettbewerb wird in die Geschichtsbücher des Rock ’n’ Roll eingehen. Und zwar als der Tag, an dem eine Legende geboren wurde.«

»Und diese Legende bist dann wohl … du?« Pola hob die Augenbrauen. Olaf nickte.

»Ich und Jimi, um genau zu sein«, sagte er und klopfte auf seine Gitarre. »Wisst ihr, ich habe doch zu Weihnachten diesen Kalender mit den Lebensweisheiten bekommen. Da stand vor Kurzem: Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter«, zitierte Olaf. »Das hat mich vielleicht wachgerüttelt! Olaf, hab ich mir gedacht, da wartet mehr im Leben auf dich als der Polizeidienst. Ich meine – rein ins Büro, Frühstückspause, Mittagspause, Nachmittagskäffchen, raus aus dem Büro – das kann doch nicht alles gewesen sein?« Er sah die drei Detektive an. »Ich habe schon immer diesen Traum. Ich auf der Bühne, vor mir das tosende Publikum. Frauen, die mir zujubeln …« Sein Blick wanderte in die Ferne. Er räusperte sich. »Jedenfalls habe ich beschlossen, dieses Jahr beim Talentwettbewerb entdeckt zu werden und ganz groß rauszukommen. Wollt ihr ’ne Kostprobe?« Bevor Jannik, Pola und Lulu antworten konnten, schrabbelte Olaf auch schon wie verrückt auf seiner Gitarre herum. Dazu grölte er aus voller Kehle: »We will, we will rock you!« Jannik sah verstohlen zu seinen Freundinnen. Polas Auge zuckte und Lulu rieb sich die Ohren. Jannik konnte es ihnen nicht verübeln. Zwei Katzen, die sich nachts an den Mülltonnen um ein altes Stück Fisch stritten, klangen harmonischer als Olafs Gesang. Ratsch. Plötzlich durchbrach ein lautes Schnappen das Konzert.

»Nicht schon wieder, Jimi!«, rief Olaf. »Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt. Eine Saite ist gerissen. Das passiert andauernd.« Der Dorfpolizist wollte sich gerade daranmachen, sein Instrument zu untersuchen, als die Tür vom Juwelier Funkelstein aufflog.

»Überfall!«, keuchte Herr Piepenbrink, der um die Nasenspitze genauso weiß war wie die Sahnetörtchen in Lulus Kuchenpaket. Wie immer trug er einen feinen Nadelstreifenanzug mit Einstecktuch in der Brusttasche. »Dem Himmel sei Dank«, hauchte er, als er Olaf erblickte. »Herr Kommissar, Sie sind schon hier!« Mit zittrigen Schritten taumelte er auf den Polizisten zu. »Sie müssen auf der Stelle in meinen Laden kommen. Bei mir wurde eingebrochen. Man hat mir meinen kostbarsten Schatz gestohlen!«

Jannik grinste seine Freundinnen verstohlen an. Wenn das nicht nach einem neuen Fall klang!

»Heute ist Sonntag«, sagte Olaf knapp, ohne von seiner Gitarre aufzusehen. »Und sonntags bin ich nicht im Dienst.«

»Was ist denn passiert?«, fragte Jannik neugierig.

»Sie ist weg! Wie in Luft aufgelöst«, sagte der Juwe- lier atemlos. »Meine Rosenquarzstatue wurde gestohlen!« Herr Piepenbrink war ein großer Mann, der stets darauf bedacht war, nicht zu viel Platz einzunehmen. Meist trug er den Kopf direkt zwischen den Schultern. Vor lauter Kummer stand er heute noch krummer da als sonst.

»Nicht im Ernst jetzt, oder?«, fragte Pola. Jeder in Kiesbach wusste, wie hart er an der Statue gearbeitet hatte.

»Es muss irgendwann zwischen gestern Nacht und heute Mittag passiert sein. Das weiß ich genau, weil ich meinen Laden nämlich erst um Punkt halb eins zugesperrt habe. Bis spät in die Nacht habe ich an der Statue gearbeitet.« Herr Piepenbrink strich sich ungehalten über das kleine Ziegenbärtchen an seinem Kinn. Olaf beachtete ihn nicht weiter. Er fummelte geschäftig an Jimi herum.

»Wollen Sie denn gar nicht mitschreiben?«, fragte Herr Piepenbrink. Olaf grunzte bloß, aber Lulu zog das Bandenbuch aus ihrem Rucksack. Das Festhalten der Ermittlungsergebnisse fiel nämlich in ihren Zuständigkeitsbereich.

»Ist denn sonst nichts weggekommen?«, fragte Jannik.

»Sonst nichts?«, schnaubte Herr Piepenbrink. »Das reicht ja wohl.«

»Es ist doch ungewöhnlich, dass der Dieb nur die Statue mitgenommen hat«, gab Jannik zu bedenken. »Sie haben doch noch so viele andere Schätze in Ihrem Geschäft.«