Deutliche Zeichen - Patricia Vandenberg - E-Book

Deutliche Zeichen E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Kaffee, aufgebackene Croissants von gestern, auf denen goldgelbe Butter schmilzt. Sonst noch einen Wunsch?«, fragte Danny Norden und stellte das Tablett auf seine Bettseite. Er beugte sich über seine Freundin und küsste sie sanft auf den Mund. Verschlafen blinzelte Tatjana ins Licht der Nachttischlampe. Es dauerte einen Moment, bis sie wusste, wo sie war. Sie rappelte sich hoch, klopfte das Kissen im Rücken zurecht und nahm die Tasse in Empfang. Danny strahlte sie an. Doch ihre Miene blieb ernst. »Ich hatte noch nie so viel Angst vor einem Frühstück.« Sie musterte ihn aus schmalen Augen. Wegen einer Sehbehinderung spürte sie sein Lächeln mehr, als dass sie es sah. »Was ist los? Hast du schon wieder was ausgefressen? Dich heimlich mit Charlotte getroffen?« Diese Anspielung galt der Frau, die für ihre Beziehungspause verantwortlich gewesen war. Rasch hatte Danny seinen Irrtum bemerkt und bereut. Nach mehrwöchiger Trennung hatte sich Tatjana erst vor Kurzem von seinem Flehen erweichen lassen und war zu ihm zurückgekehrt. Danny erschrak. »Um Himmels willen, nein!

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Dr. Norden – 3 –

Deutliche Zeichen

Jenny muss über ihr Leben und ihre Zukunft nachdenken

Patricia Vandenberg

»Kaffee, aufgebackene Croissants von gestern, auf denen goldgelbe Butter schmilzt. Sonst noch einen Wunsch?«, fragte Danny Norden und stellte das Tablett auf seine Bettseite. Er beugte sich über seine Freundin und küsste sie sanft auf den Mund.

Verschlafen blinzelte Tatjana ins Licht der Nachttischlampe. Es dauerte einen Moment, bis sie wusste, wo sie war. Sie rappelte sich hoch, klopfte das Kissen im Rücken zurecht und nahm die Tasse in Empfang. Danny strahlte sie an. Doch ihre Miene blieb ernst.

»Ich hatte noch nie so viel Angst vor einem Frühstück.« Sie musterte ihn aus schmalen Augen. Wegen einer Sehbehinderung spürte sie sein Lächeln mehr, als dass sie es sah. »Was ist los? Hast du schon wieder was ausgefressen? Dich heimlich mit Charlotte getroffen?« Diese Anspielung galt der Frau, die für ihre Beziehungspause verantwortlich gewesen war. Rasch hatte Danny seinen Irrtum bemerkt und bereut. Nach mehrwöchiger Trennung hatte sich Tatjana erst vor Kurzem von seinem Flehen erweichen lassen und war zu ihm zurückgekehrt.

Danny erschrak.

»Um Himmels willen, nein! Wie kommst du denn auf so eine Idee?«

»Weil es nicht normal ist, dass du mir morgens um vier Uhr Frühstück servierst.«

»Ich will eben beweisen, dass es mir ernst ist mit meinem Versprechen, dich auf Händen zu tragen.«

»Nicht nötig. Ich bin ganz gut zu Fuß.« Erbarmungslos erstickte Tatjana seine Avancen im Keim. Allzu leicht wollte sie es ihm nicht machen. »Aber wenn du etwas für mich tun willst, kannst du heute Nachmittag ein paar Bestellungen ausliefern. Marla ist krank, und Titus muss mir im Café helfen.«

Danny warf einen Blick nach draußen. Schneeflocken wirbelten im Licht der Straßenlaterne. Ein Schneeräumer fuhr vorbei. Seit Tagen schneite es fast ununterbrochen.

Die Welt versank unter einer makellos weißen Decke, die ihn an Tatjanas köstliches Baiser erinnerte. Leider war die Realität eine andere und hatte nichts gemein mit der leckeren Süßigkeit.

»Weißt du, was du da von mir verlangst?«

Tatjana winkte lässig ab und griff nach dem Croissant.

»Früher musste ein Mann meilenweit durch den Schnee stapfen, mit dem Speer ein Wildschwein erlegen und es nach Hause schleifen, damit seine Frau ein paar Steinzeitburger und warme Pelzstiefel bekommen hat. Dagegen sind die heutigen Herausforderungen ein Kinderspiel. Worüber regst du dich also auf?«

»Was hast du eigentlich da, wo andere ein Herz haben?«, fragte Danny und küsste ihr einen Blätterteigkrümel aus dem Mundwinkel.

»Lass mich nachdenken.« Spielerisch legte Tatjana den Zeigefinger an die Wange. »Ein Lebkuchenherz mit Pflaumen-Zimt-Füllung.«

»Hmmm, verlockende Vorstellung.« Danny grinste. »Unter diesen Umständen werde ich natürlich weiterhin alles versuchen, um dorthin vorzudringen.«

»Vorher darfst du mich aber in die Bäckerei begleiten.« Tatjana hatte ihr Frühstück beendet. Sie gab Danny die Tasse zurück und schwang die Beine aus dem Bett. »Ich habe mich gestern an einer neuen Kreation versucht, die du unbedingt probieren musst.«

»Jetzt schon?« Es war Danny anzusehen, was er von dieser Idee hielt. Er hatte vorgehabt, nach Tatjanas Aufbruch noch einmal ins Bett zu gehen und zwei Stunden zu schlafen. Händeringend suchte er nach einer Ausrede. »Dann bin ich ja viel zu früh in der Praxis.«

»Was macht dich so sicher?« Im kurzen Hemdchen stand sie an der Tür und zwinkerte ihm zu. »Du weißt doch gar nicht, was ich sonst noch so mit dir vorhabe.«

Diese Anspielung vertrieb auch noch den letzten Rest Müdigkeit aus Danny. Er griff nach dem Tablett und sprintete zur Tür.

»Ich bin in zwei Minuten fertig«, versprach er und verschwand.

Tatjana sah ihm kurz nach, ein vielsagendes Lächeln auf den Lippen. Wenig später rauschte die Dusche, ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Tag begonnen hatte.

*

Trotz der frühen Stunde war auch die Klinikchefin Dr. Jenny Behnisch schon wach. Der Wecker hatte noch nicht geklingelt. Trotzdem lag sie hellwach und mit großen Augen im Bett und ging die Aufgaben des vor ihr liegenden Tages durch.

Neben einigen Operationen warteten diverse andere Aufgaben auf sie. Kurz vor Feierabend hatte sie am vergangenen Abend erfahren, dass der Haushalt des neuen Geschäftsjahres wider Erwarten noch nicht genehmigt worden war. Obwohl es ihre eigene Klinik war, warteten anstrengende Diskussionen mit der Verwaltung, allen voran mit dem kompromisslosen Verwaltungschef Dieter Fuchs, auf sie. Außerdem hatte sie zugesagt, einen Vortrag in der Klinik eines Kollegen zu halten. Und das waren nur ein paar der Aufgaben, die die Position als Klinikchefin mit sich brachten. Aus Erfahrung wusste Jenny, dass es niemals bei den Terminen blieb, die im Kalender standen.

Ihr Lebensgefährte Roman Kürschner lag neben ihr. Obwohl es noch dunkel war im Zimmer, spürte er, dass Jenny wach war.

»Denkst du auch schon an unseren Urlaub?« Er drehte sich auf den Rücken und schob den Arm zu ihr hinüber.

Jenny verstand die stumme Aufforderung und schmiegte sich an ihn. Ehe sie antworten konnte, fuhr Roman fort.

»Ich finde es wunderbar von dir, dass du mir diese Reise zum Geburtstag geschenkt hast. Eine Architekturreise nach Indien ist schon so lange mein Traum.« Er drückte Jennys warmen Körper an sich. »Wusstest du, dass gerade die indische Architektur in besonderer Weise die in Indien beheimateten Kulturen, aber auch die europäischen Architekten wieder spiegelt, die ihre Spuren in diesem gegensätzlichen Land hinterlassen haben?« Wie immer, wenn er auf sein Lieblingsthema zu sprechen kam, geriet er ins Schwärmen.

Ganz im Gegensatz zu Jenny. Bei seinen Worten bekam sie wieder diese Magenschmerzen, mit denen sie schon eine Weile zu kämpfen hatte.

»Aber … «, setzte sie zu einem Widerspruch an.

Doch Roman war so begeistert, dass er sie nicht zu Wort kommen ließ.

»Habe ich dir schon erzählt, dass zwei britische Architekten für die Planung des Regierungsviertels in Delhi verantwortlich zeichneten? Und das ist noch längst nicht alles. In der Stadt Indore hat ein deutscher Architekt den Stil des Bauhauses und der Innenaustattung bestimmt. Dafür hat er extra Möbel aus Berlin zerlegen, verpacken und nach Indien verschiffen lassen. Ich kenne zwar Fotos von diesen Kunstwerken. Aber sie mit eigenen Augen zu sehen, wird ein besonderes Erlebnis sein.« Roman beugte sich zu Jenny hinüber und küsste sie auf die Stirn. »Ich kann es kaum erwarten, dir meine Welt zu zeigen und zu erklären.«

Mit jedem Satz wurden Jennys Magenschmerzen schlimmer. Endlich machte er eine Pause. Das war ihre Chance, die Karten endlich auf den Tisch zu legen.

»Roman, ich muss mit dir reden.« Ihre Stimme war heiser.

»Was ist los?«, fragte er misstrauisch.

Sie antwortete nicht sofort. Draußen fuhr dumpf ratternd ein Schneeräumer vorbei. Schnell wurde das Geräusch vom Schnee verschluckt. Dann war alles wieder still.

»Dieter Fuchs hat mich gestern Abend noch angerufen. Er weigert sich, den Haushalt abzuseg …« Weiter kam sie nicht.

Roman fuhr hoch, dass ihr Kopf aus seinem Arm fiel.

»Nein. Nicht schon wieder!«, fuhr er auf. »Sag, dass das nicht wahr ist!«

Mit dieser Reaktion hatte Jenny gerechnet. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihren Lebensgefährten versetzte. Immer wieder hatte ihre Beziehung wegen ihrer Arbeit am seidenen Faden gehangen. Immer wieder hatte Jenny versprochen, sich zu bessern, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Und immer wieder hatte sich dieses Versprechen im Sande verlaufen, bis alles so war wie immer.

»Bitte, Roman, du musst das verstehen! Die nächsten Wochen sind entscheidend«, flehte sie ihn an.

»Das hast du doch schon vorher gewusst!« Mit verschränkten Armen saß er im Bett und starrte in die Dunkelheit. »Warum tust du mir das an? Warum buchst du einen Urlaub, wohlwissend, dass wir ihn doch nicht antreten können?«

»Aber das stimmt nicht!«, beteuerte Jenny. Sie beugte sich hinüber und knipste die Nachttischlampe an. »Ich war mir sicher, dass die Sache erledigt ist. Aber so, wie die Dinge jetzt liegen, kann ich unmöglich weg. Ich bin die Chefin der Klinik.«

»Und meine Lebensgefährtin!«, erklärte er bitter.

»Es geht einfach nicht.« Jenny war den Tränen nahe. Ihre Stimme bebte.

Doch Roman hatte kein Mitleid. Diesmal nicht.

»Ich kann dir gar nicht sagen, wie satt ich das habe! Immer ist die Klinik wichtiger.«

»Bitte, Roman, das stimmt doch nicht.« Händeringend suchte Jenny nach einem Ausweg. »Es ist einfach unglücklich gelaufen. In zwei, drei Wochen sind die Unstimmigkeiten mit Sicherheit vom Tisch. Weißt du was? Ich telefoniere noch heute mit dem Reisebüro und versuche, die Reise umzubuchen. Es gibt noch zwei spätere Termine.«

»Das geht nicht.« Roman zeigte sich von seiner unerbittlichen Seite. Er schüttelte den Kopf. »Ich habe auch eine Arbeit und bin nicht grenzenlos flexibel, schon vergessen?«

Er sah sie durchdringend an und machte gar nicht erst den Versuch, seine Enttäuschung vor ihr zu verbergen.

»Weißt du, wann ich dich zum letzten Mal ein paar Tage am Stück gesehen habe?«

Jenny ertrug seinen Anblick nicht und wich seinem Blick aus.

Roman schnaubte.

»Ich mache das nicht länger mit! Meine Geduld ist am Ende.« Er schlug die Bettdecke zurück und stand auf.

Jenny lag im Bett und starrte ihm nach. Sie hörte seine nackten Füße auf dem Holzboden und wollte ihm schon folgen, als sich nicht nur ihr Magen, sondern auch ihr Unterbrauch krampfartig zusammenzog. Die Schmerzen raubten ihr den Atem. Keuchend krümmte sie sich zusammen und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit. Roman bemerkte von alledem nichts.

»Noch kannst du es dir anders überlegen«, erklärte er eine Spur milder, als er ins Schlafzimmer zurückkehrte. Er öffnete den Schrank und überlegte, welchen Anzug er an diesem Tag tragen sollte. »Aber verschieben können wir die Reise nicht …«

Statt einer Antwort stöhnte Jenny auf.

Roman fuhr herum. Ihr Anblick war alarmierend. Mit wenigen Schritten war er neben ihr.

»Um Gottes willen, Jenny, was ist passiert?«

Sie konnte nicht antworten. Ein weiteres Stöhnen war alles, was ihr über die Lippen kam. In diesem Moment wusste Roman mit erschreckender Klarheit, dass er handeln musste.

»Ein Arzt. Wir brauchen einen Arzt!«, rief er. Er setzte sich auf die Bettkante und nahm das Mobiltelefon vom Nachtkästchen.

»Ruf Daniel an!«, keuchte Jenny unter Aufbietung aller Kräfte.

Irritiert hielt Roman inne.

»Aber die Klinik …«

»Dann weiß gleich jeder Bescheid.« Selten zuvor war Jenny Behnisch das Sprechen so schwer gefallen. Es kostete sie alle Beherrschung, um fortfahren zu können. »Bevor ich mich lächerlich mache, soll Daniel sich das erst einmal ansehen.«

Roman zögerte kurz.

»Also gut«, erklärte er sich dann einverstanden. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr wählte er die Nummer der Praxis Dr. Norden.

*

»Vielleicht war es doch keine so gute Idee, dich wieder mit Tatjana zu versöhnen.« Versonnen musterte Dr. Daniel Norden den Teller mit den Leckereien, den seine langjährige Assistentin Wendy auf den Tresen gestellt hatte. Es war noch früh am Tag. Zeit genug für das allseits beliebte Praxis-Frühstück. »Seit ihr wieder zusammen seid, übertrifft sie sich selbst. Ich habe keine Ahnung, wofür ich mich entscheiden soll.«

»Nimm goch einfach ein Chtück vong jegm«, empfahl Danny mit vollem Mund. Es war sein drittes Frühstück an diesem Morgen.

Sein Vater lächelte herablassend.

»Typischer Fall von jugendlichem Übermut.« Er schnalzte mit der Zunge. »Ich kann nur sagen: Wehret den Anfängen.« Er griff nach dem Messer und schnitt sich von jeder Sorte Gebäck eine Scheibe ab. »Wenn du so weitermachst, wirst du das früher am eigenen Leib erfahren, als dir lieb ist.«

Er warf einen vielsagenden Blick auf Dannys Leibesmitte.

Doch der lachte nur frech und zwinkerte seinem Vater zu.

»Solange Tatjana sich um mein morgendliches Sportprogramm kümmert, mache ich mir da keine Sorgen.«

Tadelnd schnalzte Wendy mit der Zunge.

»Ich muss schon sehr bitten!« Ihre Stimme war streng. »Das hier ist eine anständige Praxis.«

Mit Unschuldsmiene schüttelte Danny den Kopf.

»Was kann ich für Ihre schmutzige Fantasie? Wir sind schon morgens um vier zusammen in die Bäckerei gestapft, und ich durfte erstmal im Hinterhof eine geschlagene Stunde Schnee räumen.« Wieder einmal war er einem ihrer Tricks auf den Leim gegangen. Doch er konnte Tatjana nicht böse sein. Ganz im Gegenteil wunderte er sich mit jeder Stunde mehr darüber, dass er sich überhaupt in Charlotte Wohlrab verliebt hatte. Diese Schlange musste ihm einen Zaubertrank in den Kaffee gemischt haben, auf den er sie nach einem kleinen Unfall eingeladen hatte.

In sein Schweigen hinein grinste Wendys Kollegin Janine von einem Ohr bis zum anderen. Sie wollte eben einen Beitrag zur morgendlichen Diskussion leisten, als das Telefon klingelte.