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Unser Land kann viel, aber die Politik erreicht zu wenig. Ob Verwaltung, Digitalisierung, Renten oder Wirtschaft: Mutige Reformen sind nicht zu sehen, dafür Parteiengezänk, Eitelkeiten, Ideologien und Dilettantismus. An Sprüchen mangelt es nicht, dafür an Taten und Ergebnissen. In Deutschland ist es längst später als fünf nach zwölf. Jahrzehntelang wurde unser Land vernachlässigt, Strukturen zerfallen, die Bildung bröckelt genauso, wie unsere Brücken und Straßen, die Sozialsysteme stehen vor dem Fall ins Nichts, die Migrationswende wird hart bekämpft. Gerichte schwanken zwischen Rechtsprechung und Politik, das Volk fühlt sich abgehängt. Ein Land in der Warteschleife ist auf dem Weg auf das Abstellgleis. Ob Deutschland den Weg auf die Überholspur findet, ist ungewiss. Frank Henkel und Rainer Wendt haben die Regierung unter Kanzler Friedrich Merz unter die Lupe genommen und zeigen auf, warum Deutschland sich keine Warteschleife leisten kann, wenn es nicht auf dem Abstellgleis der Geschichte landen will. Die Autoren analysieren knallhart und schonen niemanden. Nicht nur auf den Kanzler kommt es an, aber vor allem auf ihn. Deutschland darf weder ein NGOs-, Richter-, noch ein Parteienstaat werden, alle Staatsgewalt hängt vom Volke ab. Das Grundgesetz ist der Maßstab, wenn wir Freiheit und Wohlstand zurückgewinnen und sichern wollen.
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Seitenzahl: 215
Veröffentlichungsjahr: 2025
RAINER WENDT | FRANK HENKEL
DEUTSCHLANDIN DERWARTESCHLEIFE
Wie sich ein Land im politischen Leerlauf zwischenRealitätsverweigerung, Verantwortungslosigkeitund feigen Ausreden selbst lahmlegt
DEUTSCHERWIRTSCHAFTSBUCHVERLAG
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Redaktion: Silvia Kinkel Satz: Daniel Förster, BelgernCover- und Umschlaggestaltung: www.b3k-design.de, © 2025 Andrea Schneider & diceindustriesCoverfoto: ©WindmüllereBook: ePUBoo.com
ISBN Print: 978-3-69066-211-6ISBN E-Book (PDF): 978-3-69066-213-0ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-69066-212-3
Rainer Wendt und Frank Henkel haben ein Buch geschrieben. Soweit, so gut. Erwartbar war eine Abhandlung über die innere Sicherheit in Deutschland, über die Herausforderungen und Möglichkeiten, Kriminalität einzudämmen und Deutschland (wieder) zu einem Ort zu machen, an dem das Leben vergleichsweise sicher gelebt werden kann. Beide Autoren, deren Unionsnähe kein Makel sein muss, hätten sich gleichsam von Berufs wegen hierzu profund einlassen können.
Doch Überraschung – weit gefehlt. Sie beschäftigen sich mit der Endphase der Ampel, der Übergangszeit von Rot-Grün und einem neuen »Aufbruch« in der deutschen Politik unter Führung der CDU. Sie kommentieren diese Zeit teils bissig, teils zynisch, teils ironisch und teils witzig. Jedenfalls: lesenswert allemal. Dass sie dabei kein gutes Haar an den Regierungen der letzten Legislaturperiode lassen, verwundert nicht.
Einiges von dem, was sie zu Papier gebracht haben, kann ich sogar teilen. Allerdings halte ich die durchschimmernde Hoffnung bzw. Erwartung, dass unter der neuen schwarz-roten Regierung des Kanzlers Friedrich Merz alles besser werden wird, für etwas naiv. Sei’s drum: Die Charakterisierung der neuen Kabinettsmitglieder hat es in sich. Sie pendelt jeweils zwischen Psychogramm, politischen Erwartungen und Möglichkeiten.
Und ich verrate kein Geheimnis, dass auch hier der schwarze Teil der Regierungskoalition besser wegkommt als der rote. Wir haben jetzt 100 Tage der neuen Regierung hinter uns. Und schon jetzt kann festgehalten werden, dass sich die Hoffnungen der Autoren nicht erfüllt haben.
Bis auf punktuelle Highlights – Julia Klöckner, die der Würde des Parlaments als Bundestagspräsidentin wieder Geltung verschafft und sich weigert, das Parlament zur Bühne politischer Aktivisten verkommen zu lassen, Katharina Reiche, die versucht, Wirtschaft und Vernunft wieder Geltung zu verschaffen, und Kulturstaatsminister Wolfram Weimar, der Kultur und Sprache in die Mitte der Gesellschaft zurückholen will – bleibt das Kabinett eher blass. Ach ja, außer vielleicht noch Innenminister Alexander Dobrindt, der unbeirrt seine Agenda umsetzt.
Trotzdem: Nach 100 Tagen Schwarz-Rot unter der »Führung« von Friedrich Merz dümpelt die Wirtschaft nach wie vor vor sich hin, ist die Stimmung mies, fehlen alle Ansätze für wirkliche Strukturreformen in den sozialen Sicherungssystemen, explodiert das Bürgergeld. Und trotz Rekordverschuldung machen sich allenthalben Steuererhöhungsphantasien breit.
Innere und äußere Sicherheit bleiben ein Fall für den Insolvenzverwalter, und »mehr Demokratie wagen« ist eine Erinnerung an vergangene Zeiten.
Dass ausgerechnet Friedrich Merz als Kanzler das Erbe der Union der Nachkriegszeit – das unverbrüchliche Band zwischen Deutschland und Israel – zerschneidet, ist der bisherige absolute Tiefpunkt seiner Kanzlerschaft. Er stützt damit die Hamas im Gazastreifen sowie die antisemitischen und demokratiefeindlichen Krakeler auf Deutschlands Straßen.
Die mit dem Stopp der Waffenlieferungen verbundene moralische Attitüde, Israel zu erklären, was es zu tun oder zu lassen habe, wäre etwas glaubhafter, wenn die Bundesregierung erklären würde, was sie ihrerseits unternommen hat, um von der Hamas die Freilassung der deutschen Geiseln zu erreichen, die seit fast zwei Jahren in unterirdischen Tunneln unter Gaza dahinvegetieren.
Rainer Wendt und Frank Henkel haben ein lesenswertes Buch geschrieben. Ich wage die Vorhersage: In einem weiteren Buch wird vieles von dem korrigiert werden müssen, was sie an Hoffnungen und Erwartungen in diese neue Regierung und ihre Protagonisten gesetzt haben.
»Herr Kollege Merz, ich höre gern auf zu schreien, wenn Sie aufhören, Unwahrheiten zu sagen!«
Poß (SPD), 13.11.1998
Es konnte nie zusammenwachsen, was nicht zusammengehört. Als Olaf Scholz Anfang November 2024 die Reißleine zog und seinen Finanzminister Christian Lindner rausschmiss, war die Ampel zerbrochen und Deutschland atmete auf.
Unterhaltsam war es ja, dieses seltsame Bündnis, dessen Selfie aus der Anfangszeit entrückt und wie mit moderner Software manipuliert wirkte. Wie immer, wenn Laienschauspieler plötzlich auf Staatsmann machen wollen, dabei aber ungewollt komisch und wenig authentisch erscheinen.
Es war die Zeit der Comedians, die täglich aus dem Vollen schöpfen konnten, eine Zeit, in der man nie richtig wusste, ob die Regierung das wirklich ernst meinte, was sie da fabrizierte, oder ob sie die Bevölkerung nur zur Entspannung verulken und in die Irre führen wollte.
Ein Wirtschaftsminister als »lernender Praktikant«, als wäre er stets auf der Suche nach Schwiegermüttern, die sich immer schon so einen Mann für ihre Tochter gewünscht haben und denen er auf Kaffeefahrten locker alle Heizdecken dieser Welt verkaufen könnte. Der außer der Versorgung von Parteikumpels in seinem Ministerium wenig zuwege brachte, aber die Fernsehmoderatorinnen verzückte und vor einem Millionenpublikum schmachten ließ.
Fleißig war Robert Habeck vor allem dann, wenn es darum ging, Bürger an die Staatsanwaltschaft zu verpetzen. Mehr als 800 Strafanzeigen erstattete der »Polit-Jammerlappen«, weil ihn irgendwelche Zeitgenossen, vor allem in den sozialen Netzwerken, hart attackiert hatten. Immerhin mehr als drei am Tag, das war rekordverdächtig.
Annalena Baerbock gab sich richtig Mühe, kam aber nur auf etwa zwei – am Tag, versteht sich. Es ist schon erstaunlich, dass es nur wenige Politiker gibt, die mit ihrer Befindlichkeit die Justiz in unglaublicher Weise in Beschlag nehmen. Auf die Idee, dass sie mit ihrer Politik und ihrem persönlichen Auftreten zur Wut vieler menscheneinen eigenen Beitrag geleistet haben könnten, kommen sie nicht.
Noch besser Karl Lauterbach, von dem man nie wusste, ob er nicht schon lange als Versuchskaninchen für seine Cannabisfreigabe unterwegs war. Man stellte sich immer vor, wie die Ministerialbeamten in den Runden beim Minister ernst dreinschauen mussten, wo sie doch lieber losgeprustet hätten. Und wie sie die wirren Gedanken ihres Chefs irgendwie ordnen, zu einem Gesetz formen und das dann auch noch öffentlich abfeiern mussten, das verlangt auch einem deutschen Beamten schon viel ab.
Christian Lindner, die politische Ich-AG, wollte eigentlich nur einmal regieren, und das ist ihm gelungen. Ein Korrektiv ist seine Partei nie gewesen, sondern hat jeden Blödsinn der Ampel bis zum Schluss mitgemacht. Da halfen auch die klugen Analysen eines Wolfgang Kubicki nichts, die Partei folgte dem rot-grünen Kurs in die außerparlamentarische Opposition.
Es las sich von Anfang an schon wie eine Gruselliste, was die FDP sich vorgenommen hatte: Überwachungsgesamtrechnung, Schwachstellenmanagement, Freiheitskommission und ein Recht auf Verschlüsselung, nicht zu vergessen natürlich die Verhinderung elementarer Befugnisse für die Sicherheits-behörden zum Datenaustausch, zur biometrischen Gesichtserkennung sowie die elektronische Analyse oder Speicherung von IP-Adressen zur wirksamen Verbrechensbekämpfung.
Vieles davon ist glücklicherweise auf der Strecke geblieben, eigentlich werden aus der Ampelzeit nur Talkshows mit dem gefallsüchtigen FDP-Vorsitzenden in Erinnerung bleiben.
Anfangs war noch Christine Lambrecht als Verteidigungs-ministerin im Boot, die durch die Streitkräfte stöckelte, als wäre der ganze Tag ein permanenter Sektempfang. Und die ihren Sohn im Hubschrauber der Flugbereitschaft auf dem Weg nach Sylt fotografierte, als wäre das Militärgerät ihr Partyservice.
Wäre sie nicht so früh zurückgetreten, hätte man sie vielleicht noch bei der Münchner Sicherheitskonferenz erleben können, sozusagen als »Pippi Langstrumpf der Weltpolitik«.
Irgendwie schade, dass sie so früh weg war.
Weniger harmlos waren andere Damen. Die gefährlichsten Frauen der Ampel waren zweifellos Annalena Baerbock, Lisa Paus und Nancy Faeser. Während die Familienministerin still und effektiv Hunderte von Millionen an ihre grünen Vorfeldorganisationen ausschüttete, um im Bedarfsfall aus dem Stand Demonstrationen gegen die Union auf die Straße zu bringen, reiste Annalena Baerbock um die Welt, um Deutschland zu blamieren.
Das war mitunter sogar lustig und irgendwie passt sie jetzt auch zur UN. Aber es bleibt ein mulmiges Gefühl, einer ideologiegetriebenen Dilettantin die Wahrnehmung deutscher Interessen im Ausland anzuvertrauen.
Anders die Bundesinnenministerin, die ihr Programm vom ersten bis zum letzten Tag vorangetrieben und durchgepeitscht hat. Als Beamtenhasserin und mit einem gestörten Verhältnis zu Polizei, Nachrichtendiensten und allen anderen Sicherheitsbehörden ausgestattet, inszenierte sie sich immer wieder als »Verteidigerin der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit«. Gemeint war ihre Vorstellung davon.
Das hat ihr zuletzt kein Mensch mehr abgekauft, spätestens als sie gemeinsam mit dem Verfassungsschutzpräsidenten auftrat und der Bevölkerung den Krieg gegen die Meinungsfreiheit erklärte, war sie bei den Menschen untendurch. Der schleimige Behördenleiter des höchsten deutschen Nachrichtendienstes übrigens auch und glücklicherweise hatten die Wähler der CDU in Wuppertal ein gutes Gedächtnis und ersparten dem Deutschen Bundestag und der CDU einen Abgeordneten Thomas Haldenwang.
Nancy Faeser war eine für unser demokratisches, freiheitliches Staatswesen gefährliche Ministerin, die eine FDP nie so lange hätte schalten und walten lassen dürfen. Mit der Duldung von Faeser hat die FDP die Freiheit verraten und ihre Glaubwürdigkeit gleich mit. Gut so, dass die Menschen in Deutschland die richtige Antwort darauf gefunden haben. Wer sich so verhält, ist keine Freiheitspartei, sondern Komplize der Freiheitszerstörer.
Olaf Scholz leitete das würdeloseste Ende der Regierung ein, das man sich vorstellen konnte, sich aber treffend in das politische Kabarett der vergangenen drei Jahre einreihte. Mit staatsmännischer Attitüde zwar, doch inhaltlich auf relativ schmalem Niveau kanzelte er Finanzminister Lindner als jemanden ab, dem man angeblich nicht vertrauen könne und der doch tatsächlich parteipolitisch taktiert habe, was ja in der Regierungsarbeit wirklich untypisch ist.
Kein Dank für geleistete Arbeit, keine anerkennenden Worte für gelungene Politik, ein jämmerliches Greinen über das Ende einer Zusammenarbeit, die man dem Volk jahrelang als vertrauensvoll und erfolgreich vorgespielt hatte.
Es war eine lächerliche Veranstaltung, ohne Stil und ohne einen Rest an selbstkritischer Reflexion, ein Schlussstrich auf dem Level eines Streits unter Gartennachbarn.
Wenigstens die Entlassung der FDP-Minister im Schloss Bellevue ließ dann noch erkennen, dass es sich hier um eine Situation von staatspolitischer Bedeutung und höchster öffentlicher Aufmerksamkeit und nicht um das Ende einer Wohngemeinschaft irgendwo in einem Berliner Kiez handelte.
In den letzten Wochen seiner Amtszeit meinte es Olaf Scholz dann doch noch gut mit der Bevölkerung. Er tauchte kaum noch auf. Manchmal stolzierte er auf Auslandsreisen bei EU-Konferenzen umher und gab Erklärungen ab, als ob er die nächsten hundert Jahre regieren würde. Er wirkte eher wie ein etwas verwirrter Opa auf der Terrasse, der der Pflegerin erklärt, dass ihm das Pflegeheim gehöre.
Das Ende der Ampel ließ viele Menschen in Deutschland innerlich jubeln. Selten hat eine Bundesregierung eine schlechtere Bilanz gezogen, nie waren die Ausreden für schlechtes Regierungshandeln so billig und abgedroschen. Was auch immer schief ging, stets waren andere dafür verantwortlich.
Dabei waren alle schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Eine völlig entkernte SPD ohne inneren Kompass und eine machtbesessene Partei Bündnis 90/Die Grünen wollten am liebsten gleich den ganzen Kontinent verändern und scheiterten oft genug an den eigenen handwerklichen Defiziten in der Regierungsarbeit.
Und eine FDP, die eigentlich nur gern regieren wollte, mit wem auch immer, versagte jämmerlich bei dem Versuch, elementare Freiheitsrechte der Menschen zu schützen und schlimmste Auswüchse rot-grüner Bevormundung und Drangsalierung der Bevölkerung zu verhindern.
Die Voraussetzungen für einen Neubeginn waren geschaffen, auch wenn weitere Monate ins Land gingen, in denen die jetzt reduzierte Ampel noch einige Kostproben ihrer verhängnisvollen Unfähigkeit und Penetranz und ihres gestörten Verhältnisses zu Demokratie und Rechtsstaat abgeben konnte.
Sogar als sie nur noch geschäftsführend im Amt waren, die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 also längst gelaufen und sowohl für die SPD als auch für die Grünen zu verheerenden Ergebnissen geführt hatte, regierten sie weiter, als sei nichts geschehen. Die Regelung, dass eine Regierung so lange im Amt bleibt, bis eine neue da ist, ergibt schon Sinn, denn die Welt dreht sich weiter und Deutschland muss auch international handlungsfähig bleiben.
Aber diese Phase sollte überdacht und einwandfrei definiert werden, damit diejenigen, die ihre demokratische Legitimation längst verloren haben, nicht noch mehr Schaden anrichten können.
Die Menschen mussten nämlich fassungslos mitansehen, was eine grüne Außenministerin darunter versteht. Nach dem Ende der Ampel forcierten ihre Beamten sogar die Flüge aus Afghanistan, mit denen tausendfach Menschen nach Deutschland gebracht wurden, von denen man nie richtig wusste, mit welchen Absichten sie kamen, wo sie wirklich herkamen und vor allem: Wer sie überhaupt sind.
Sicherheitsüberprüfungen unter Aufsicht des Auswärtigen Amtes, gefälschte und trotzdem anerkannte Dokumente, »alternative Glaubhaftmachung«, die »Baerbock-Airline« stand unter Volldampf, obwohl die Menschen genau dieser Politik eine klare Absage erteilt hatten. Weder Nancy Faeser noch der Bundeskanzler stoppten dieses Schauspiel.
Dass es formaljuristisch legal war, steht außer Frage: Auch eine abgewählte Regierung, die nur noch geschäftsführend im Amt ist, hat alle Handlungsbefugnisse einer normal gewählten Regierung. Aber richtig oder gar demokratisch war es nicht, sondern eine eiskalte Verhöhnung des Wählerwillens und ein Beleg für eine zutiefst undemokratische Haltung von Politikern, die sich gern als »in der demokratischen Mitte der Gesellschaft stehend« bezeichnen.
Die Ampel wird als unwürdiges Spektakel deutscher Politik in die Geschichte eingehen. Die »Fortschrittskoalition« war alles andere als das, sie war eine zänkische, zutiefst ideologische, unprofessionelle und für das Ansehen von Politik schädliche Gruppe von Menschen, die sich ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt haben und auch tatsächlich glaubten, dass sich die Welt um sie dreht.
»Wenn Sie darüber reden, daß es notwendig sei, vor den Wahlen die Wahrheit zu sagen, dann sind Sie bei mit an der falschen Adresse.«
Lafontaine (SPD), 3.12.93)
Das Wahlergebnis vom 23. Februar 2025 zeigte einen Regierungsauftrag für die Union, mehr aber auch nicht. Ganze 28,52 Prozent sind kein strahlender Wahlsieg: es war ein Abend der langen Gesichter, zumindest bei denjenigen, die, als künftige Partner, für sich eine Mehrheit ausgerechnet hatten. Für die Fernsehkameras strahlten natürlich fast alle.
Für die ehemaligen Ampelparteien wurde der Abend erwartungsgemäß zum Desaster: 16,41 Prozent für die SPD, 11,61 Prozent für die Grünen. Die FDP flog hochkantig aus dem Parlament; ganze 4,33 Prozent der Menschen hatten ihr verziehen, drei Jahre lang jeden rot-grünen Blödsinn mitgemacht zu haben – das war erheblich zu wenig.
Man kann die Wählerinnen und Wähler nicht immer verstehen, aber an dieser Stelle zeigten sie eindeutig einen Sinn für Gerechtigkeit.
Triumphal war der Abend ausschließlich für die AfD (20,80 Prozent) und Die Linke (8,77 Prozent), die seit der letzten Bundestagswahl massiv zugelegt hatten. Dass »die Ränder in dieser Republik nichts zu sagen« hätten, wie es Guido Westerwelle bei einem Parteitag einmal formuliert hatte, gehört seit diesem Wahlabend endgültig der Vergangenheit an.1 Die Folgen sind noch längst nicht absehbar.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, mussten rasch entsprechende Gespräche geführt, Zeitpläne festgelegt, eben erst einmal »sondiert« werden.
Sondierungen zwischen politischen Parteien sind in etwa so wie eine Paartherapie zwischen verkrachten Eheleuten, die schon länger zusammen sind. Eigentlich kennen sie sich ganz gut, zwischendurch waren sie sich auch mal wieder nähergekommen, aber in der letzten Zeit lief es gar nicht. Man hat sich gegenseitig bis aufs Blut gereizt, einander verleumdet, beschimpft und nichts zur Schadensbegrenzung getan, im Gegenteil.
An das Kribbeln im Bauch kann sich schon keiner mehr erinnern, schon gar nicht an heiße Nächte oder gemeinsame Urlaube: alles erkaltet, erloschen, vergangen.
Aber jetzt sucht man Gemeinsamkeiten, sucht nach Übereinstimmungen, Projekten und Sympathien, wohl wissend, dass eine neue gemeinsame Zukunft verheißungsvolle Zeiten verspricht.
Ein Grund für die neu entflammte Liebe ist schnell gefunden: Hohe Staatsämter locken, dicke Dienstwagen, in die man nur hinten einsteigt, sowie Insignien der Macht, wie Personenschützer und Referenten, die die Inhaber von Ministerposten wie Satelliten umkreisen und ihnen Bedeutung und Ansehen verschaffen.
Vor allen Dingen natürlich ein Kanzleramt, das wie ein riesiger Tempel im Regierungsviertel der Hauptstadt signalisiert, wer im Land das Sagen hat. Der muss im Übrigen dringend ausgebaut und mit Tausenden weiteren Beamten gefüllt werden, schon um die Bedeutung des Hausherrn zu unterstreichen. Früher einmal hat man diese Pläne massiv kritisiert, aber das war früher. Das alles ist der Gipfel des Erreichbaren und der Lohn für die Kraftanstrengung einer erfolgreichen Paartherapie.
Bei Sondierungen geht es darum, den Menschen im Land klarzumachen, dass diejenigen, die eben noch erbitterte Gegner waren, sich doch eigentlich gar nicht so schlimm finden.
»Wahlergebnisse suchen sich ihre Koalitionen«, meinte der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer, aber so einfach ist es dann doch nicht.2 Vor allem dem Wahlvolk muss eine Menge erklärt werden, aber auch den Mitgliedern der eigenen Partei, die ja bis eben noch eine intakte Freund-Feind-Kennung hatten, die jetzt umgestellt werden muss.
Wann immer von »gemeinsamer Verantwortung« und den »demokratischen Parteien der Mitte« die Rede ist, spielen Besetzungen von Funktionen und Ämtern, würdevolle Ernennungen und politische Macht eine entscheidende Rolle. Was in der (in Wahrheit zerrütteten) Ehe die »gemeinsame Sorge um die Kinder« ist, wird in der Politik zur Notwendigkeit einer stabilen Regierung und »Zukunftsgestaltung für die Menschen draußen im Land«.
Früher war es einfach: Man hatte im Wesentlichen die Union und die SPD, man konnte sich entscheiden, welche Politik man wählen wollte. Das ist schon seit längerer Zeit schwieriger, heute bekommt man beides, egal, wen man wählt. Angefangen hat dies mit der »asymmetrischen Demobilisierung« einer Angela Merkel, übriggeblieben sind kaum noch unterscheidbare Parteien.
Einige neue Parteien sind hinzugekommen, manche haben sich neu gegründet, eine andere wurde –verkürzt ausgedrückt – von der DDR übernommen. Alle sind sie zwar demokratisch gewählt, aber angeblich sind nicht alle demokratisch, sagen die anderen. Schwer zu verstehen? Stimmt.
Deshalb gibt es »Unvereinbarkeitsbeschlüsse«, die eindeutig besagen: »Mit denen nicht!« Das gilt aber meistens nur für die Union, die SPD darf mit allen. Schwer zu verstehen? Stimmt auch.
So werden einige Parteien gleich aussortiert: die AfD, Die Linke, die Grünen – aber die nur ein bisschen. Vielleicht gehören die Grünen doch dazu, vielleicht braucht man sie noch, aber vielleicht auch erst später und nur halb. Wenn es um Dienstwagen und Ministerposten geht, werden sie auf jeden Fall bereit sein, »Verantwortung zu übernehmen«, also hohe Staatsämter mit grünen Funktionären zu besetzen. Die Wählerinnen und Wähler haben es nicht leicht in Deutschland.
Bei den Sondierungen wird vereinbart, was man später vereinbaren will. Würde man sich wirklich vertrauen, bräuchte es keinen zusätzlichen Koalitionsvertrag, aber das ist wie beim Ehevertrag: sicher ist sicher. So erweitern sich die elf Seiten der Sondierung auf stolze 144 Seiten beziehungsweise 4.588 Zeilen Koalitionsvertrag.
Die Länge eines Koalitionsvertrages ist Ausdruck des Vertrauens, das man zueinander hat, nach dem Motto: »Drum prüfe, wer sich zeitlich bindet, ob sich nicht noch was im Kleingedruckten findet.« Sogar der nächste Ehekrach ist geregelt, der findet im Kanzleramt statt und nennt sich Koalitionsausschuss. Die Zukunft wird zeigen, wer zuerst öffentlich den Krach sucht.
Die politischen Parteien haben umfangreiche Rituale entwickelt, um Koalitionsgespräche für das Volk spannend und möglichst undurchschaubar zu gestalten. Alles muss wenigstens die Aura des Scheiterns in sich tragen, nichts darf einfach sein. Parteivorstände, Verhandlungsgruppe, Steuerungsgruppe, Arbeitsgruppen, alle sprechen nach einem festen Zeitplan miteinander, an dessen Ende die Kanzlerwahl als Höhepunkt steht.
Das Ergebnis der Gespräche wird zur Abstimmung gestellt. In der SPD dürfen die Mitglieder abstimmen, das kommt für die Union nicht in Betracht, so viel Demokratie will man den einfachen Mitgliedern dann doch nicht zumuten.
Die sollen Plakate kleben und am Infostand Zettel verteilen. Die Mühen des Studiums des Koalitionsvertrages nehmen ihnen die Parteifunktionäre ab. Die haben schon in den Merkel-Jahren und bei der Auswahl des letzten Kanzlerkandidaten ihr Fingerspitzengefühl für die Stimmung im Volk bewiesen.
Der Inhalt des Koalitionsvertrages ist in seinem Entstehungsprozess streng geheim, die Rituale sind wohlgeordnet. Nichts dringt nach draußen, außer gelegentlich an Medienvertreter, Interessengruppen und Funktionäre. Wer verhandelt, gehört irgendwie dazu, gehört also definitiv nach »innen«, nicht zu den »Menschen da draußen« und kann sich Hoffnung auf hohe Posten machen.
Insgesamt 256 Frauen und Männer schreiben auf, was das künftige Regieren möglich machen soll. Dass die Einigung gelingt, steht vorher fest, andere Optionen gibt es nicht. Neuwahlen würden in die kollektive Katastrophe führen.
Immerhin hatte die Union mit ihrem 5-Punkte-Papier zur Migrationspolitik, der Abstimmung unter Inkaufnahme der AfD-Stimmen und dem Fragenkatalog zur Finanzierung von NGOs vorher noch für ordentlich Krach gesorgt; die Stimmung war auf dem Tiefpunkt, als die Verhandlungen starteten.
Aber auch das gehört zur Paartherapie: Man will ja irgendwie zusammenkommen, die schöne Zeit und die Aussichten auf noch schönere dominieren die Stimmung, düstere Erinnerungen verblassen. Und einem klugen Zeitplan folgend, war die Einigung pünktlich da. Schließlich will man regieren, und zwar schnell.
Der Tag der Kanzlerwahl war vor allem ein Tag der Medien. Hunderte Male angekündigt und ins Live-Programm aufgenommen, wurden sämtliche Szenarien immer und immer wieder durchgespielt; wer aufmerksam war, konnte die nicht unkomplizierten Rituale und Wahlordnungen durchaus nachvollziehen. Und alles schien vorhersehbar, schließlich war der Vertrag der früher verkrachten Eheleute unterschrieben – strahlende Mienen und betonte Gelassenheit bei den Führungskräften und gespannte Erwartung auf den Rängen des Bundestages.
Der erste Wahlgang war eine Pleite, der Kandidat Friedrich Merz erhielt nur 310 Stimmen, 316 wären notwendig gewesen. Drei Enthaltungen hatte es gegeben, ein Abgeordneter hatte es fertiggebracht, eine ungültige Stimme abzugeben, 307 hatten gegen Friedrich Merz gestimmt.
Versteinerte Mienen, große Aufregung, viel Hilflosigkeit und blankes Entsetzen in vielen Gesichtern, so lassen sich die ersten Minuten nach dem Debakel zusammenfassen. Was in den Köpfen derjenigen vor sich gegangen war, die das verursacht hatten, wissen sie wohl nur selbst, viel war es definitiv nicht.
Würden sie bei ihrem Verhalten bleiben, stünden am Ende möglicherweise Neuwahlen an, deren Ergebnis sicher nicht zur Stärkung der Demokratie beigetragen hätte. In 20 Wahlen zum Bundeskanzler hatte es ein solches Ereignis nicht gegeben.
Es waren bange Stunden und viel Verwirrung, an deren Ende der zweite Wahlgang stand, der erst durch eine Abweichung von der Geschäftsordnung möglich gemacht worden war. Dazu war der Kniefall auch vor Linken und Grünen nötig, damit die notwendige Zweidrittelmehrheit für dieses Manöver zustande kam. Natürlich kann man dahinter die staatspolitische Verantwortung dieser Fraktionen vermuten, denkbar wäre aber auch die blanke Angst vor Neuwahlen und einem weiteren Erstarken der AfD, die sich schon jetzt verdoppelt hatte.
