Deutschland wird abgehängt - Rainer Wendt - E-Book

Deutschland wird abgehängt E-Book

Rainer Wendt

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Beschreibung

Seit mehr als 70 Jahren herrscht Frieden in Deutschland. Und nach wie vor genießen viele Menschen Wohlstand in Freiheit und sozialer Sicherheit. Aber seit geraumer Zeit bröckelt der Putz von deutschen Wänden und es breitet sich eine düstere Stimmung in der Bevölkerung aus. Unser Rechtsstaat ist am Limit: Clankriminalität und Terrorakte prägen unseren Alltag. Menschen in Uniform sind Angriffsziele für Gewalttäter mit staatsverachtender Gesinnung. Die Organe der Justiz sind chronisch überlastet. Das Wahlvolk kommt zu kurz in einer Parteiendemokratie, die von Funktionärseliten bestimmt wird. Müssen wir die Zukunft unseres Landes abhaken und Wohlstand und soziale Sicherheit verloren geben? Deutschland droht der wirtschaftliche Abschwung, es vernachlässigt die öffentliche Infrastruktur und gibt seine Schulen und Altersversorgung dem Verfall preis. Sehenden Auges lassen wir zu, dass Deutschland in sicherheits-, gesellschafts- und bildungspolitischer Hinsicht abgehängt wird. Wie können wir die liberale Demokratie wieder stark machen? Wie können wir Sicherheit und Freiheit stärken? Und wie können wir die Bildungseinrichtungen unseres Landes wieder aufbauen? Rainer Wendt legt den Finger in offene Wunden und richtet zugleich den Blick in die Zukunft. Denn wir tragen nicht nur für unsere Gegenwart Verantwortung.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2019

© 2019 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Dr. Annalisa Viviani

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Harry Schnitger

Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern

ISBN Print 978-3-7423-0704-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0291-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0292-9

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1Rechtsstaat am Limit – jeder gegen jeden, vereint gegen den Staat

Krieg gegen unser Gemeinwesen: Die harte Realität

Clankriminalität auf dem Vormarsch: Der Rechtsstaat macht schlapp

Deutschland pollert sich ein – Terror ist unser Alltag

Keine Zeit für Gerechtigkeit: Der Rechtsstaat verfällt

Rechtsruck in Europa und die Überforderung unseres Systems

Kapitel 2Die Krise der Demokratie – Unser Staatswesen erodiert

Unmittelbare oder mittelbare Herrschaft des Volkes?

Die liberale Demokratie: Zurück in die Zukunft?

Organisierte Verantwortungslosigkeit: Der Migrationspakt und seine Folgen

Kapitel 3Meinungsfreiheit, Wohlstand, Bildung: So geht die Zukunft den Bach runter

Das wird man doch wohl sagen dürfen – oder?

Vom Wohlstand für alle zum Reichtum für wenige: Wie Deutschland sich selbst abhängt

Deutschland im Abwärtsschwung

Digitalisierung 4.0: Hat Deutschland den Anschluss an die Zukunft verspielt?

Kapitel 4Die Welt retten oder zu Hause für Ordnung sorgen?

Ohne Bildung ist kein Staat zu machen

Ohne Sicherheit keine Freiheit

Unsere liberale Demokratie stark machen

Vorwort

Jedes Jahrhundert hinterlässt seine Spuren. Um unsere Spuren zu verfolgen, werden unsere Nachfahren keine dicken Geschichtsbücher wälzen müssen. Sie werden vermutlich nur eine App oder ein Lernprogramm nutzen, deren Funktion wir heute noch gar nicht erahnen können. Aber sie werden genau wissen, welche Entscheidungen wir getroffen oder unterlassen haben und wie das zustande gekommen ist, was wir ihnen hinterlassen haben. Und sie werden richtig sauer auf uns sein. Und zwar mit Recht.

Deutschland ist ein großartiges Land. Seit mehr als 70 Jahren herrscht Frieden, die meisten Menschen genießen einen stabilen Wohlstand in Freiheit und sozialer Sicherheit. Grund genug also, glücklich zu sein.

Wer schimpfen, kritisieren oder einfach nur meckern will, tut das, so laut er will. Wer aussteigen will, darf auch das – es gibt jede Menge Freiheiten, die durch die Verfassung garantiert sind. Das Ansehen unseres Landes in der Welt ist hoch, die deutsche Einheit ist vollzogen, viele Landschaften blühen nachweislich auch im Osten unseres Landes.

Und dennoch nimmt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine »düstere Stimmung« in der Bevölkerung wahr. Und er hat recht, wenn er feststellt, dass viele Menschen Angst davor haben, dass es ihren Kindern und Enkeln schlechter gehen werde als uns. »Gerade weil wir so viel Glück hatten«, stellt er fest, »müssen wir doch alles tun, das Erreichte an unsere Nachfahren weiterzugeben.« Aber tun wir das?

Zweifel sind angebracht. Einige befreundete europäische Staaten sind auf Distanz zu uns gegangen. Sie können die Überheblichkeit deutscher Politik nicht mehr ertragen. Ständige Belehrungen, Kritik und Ermahnungen, die moralische Überhöhung getroffener Entscheidungen wider alle Vernunft, schon in der Gegenwart muten wir unseren Verbündeten eine Menge zu.

»Wer nichts im Boden hat, muss was in der Birne haben!«, plädierte der bekannte Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in unzähligen Reden nachdrücklich für eine exzellente Bildung. Nur so könne ein rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik gegen die zunehmende wirtschaftliche Konkurrenz aus aller Welt bestehen. Deshalb müssen unsere Kinder die beste Schulbildung und zukunftsweisende berufliche Ausbildung und Studienmöglichkeiten haben. Sonst werden wir einen Absturz unseres Wohlstands erleben. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus?

»Kathedralen unserer Gesellschaft« sollen unsere Schulen, Kindertagesstätten und andere Bildungseinrichtungen sein. In Wahrheit herrscht dort an vielen Orten Angst. Ein Brandbrief des Lehrerkollegiums oder der Elternschaft jagt den nächsten und bleibt in der schwerfälligen Bürokratie der Schulverwaltung ungehört, wird in Kultusministerien gar ignoriert. Baulicher Verfall und der Verlust elementarer Regeln des Zusammenlebens finden sich nahezu überall. Mobbing, Menschenverachtung, Kriminalität und Gewalt – viele Schulen sind ein unsicherer, ja gefährlicher Bereich geworden.

Die vielfach bewunderte öffentliche Verwaltung in Deutschland war immer ein wichtiger Standortfaktor für unseren Wohlstand. Aber auch dieser Pfeiler gesellschaftlicher Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und öffentlicher Ordnung im Staat droht zu kollabieren. Die jahrzehntelange Vernachlässigung der Substanz macht sich dramatisch bemerkbar, voller Hektik versucht die Politik, in kürzester Zeit zu reparieren, wovor sie jahrzehntelang fahrlässig die Augen verschlossen hat.

Die Bundesländer stehen sich in erbitterter Konkurrenz um die besten Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, Pläne werden geschmiedet, Ziele formuliert. Und wie durch Zauberhand herbeigeschafft, stehen plötzlich erhebliche finanzielle Mittel bereit, um die Folgen der Versäumnisse in der Vergangenheit einigermaßen abzumildern. Und trotz aller Bemühungen wartet ein gigantischer Berg an Vorschriften, Institutionen, Hemmnissen und juristischen Fallstricken darauf, überwunden zu werden. Während die Infrastruktur zusehends verfällt, gibt es immer wieder jemanden, der Bedenken hat und genau weiß, warum etwas nicht geht. Wir sind ein Land von Bedenkenträgern geworden.

Digitalisierung und Vernetzung von Informationen sind der Schlüssel zum künftigen Wohlstand. Aber werden unsere Nachfahren nicht in Wahrheit auf eine digitale Wüste in einem Land treffen, das längst den Anschluss verloren hat? Für einige Menschen mag das nicht weiter schlimm sein. Manche wollen wieder auf den Bäumen leben, da braucht es weder Strom noch Digitalisierung.

Aber sehr wahrscheinlich wollen die meisten Menschen im nächsten Jahrhundert doch lieber den Anschluss zum zivilisierten Teil ihrer Gattung halten. Zumal man spätestens im Alter, wenn die ersten Gebrechen auftreten, das warme Bett eines funktionierenden Krankenhauses bevorzugt, mit medizinischem Fachpersonal und bestmöglicher Betreuung. Und natürlich mit Beitragszahlern, die das alles finanzieren.

Unser Sozialstaat ist gut ausgebaut. Ein reiches Land wie Deutschland kann sich viel leisten. Das tun wir auch. Aber unendlich sind die Möglichkeiten nicht. Sehr wahrscheinlich werden unsere Enkelkinder und ihre Nachfahren einmal richtig wütend darüber sein, wie verantwortungslos und leichtfertig unser Land seinen Reichtum in guten Zeiten verprasst hat.

Unsere Demokratie findet immer weniger Anhänger. Sie wird, wenn nicht offen bekämpft, mehr oder weniger freundlich ignoriert. Ihre Repräsentanten sind entschwebt in die parlamentarische Parallelwelt der Ausschüsse, Arbeitskreise, Gipfelgespräche oder Koalitionsrunden. Politikwissenschaftler Yascha Mounk lehrt politische Theorie und vergleichende Politikwissenschaft an der Harvard University und hält den Zustand der Demokratie in den USA und Europa für sehr besorgniserregend. Besonders die Krise der liberalen Demokratie treibt ihn um. Darüber hat er auch ein Buch geschrieben, das den Titel trägt Der Zerfall der Demokratie. Der Respekt vor Minderheiten, der Schutz unserer Freiheitsrechte, das liberale Element des demokratischen Rechtsstaates gerät in Gefahr, stellt er fest. Politiker bezeichnet er als »Teil einer Elite, die vom Großteil der Menschen relativ abgeschottet lebt«. Gleichzeitig beklagt er den Ausschluss von gesellschaftlich relevanten Entscheidungen aus dem »demokratischen Politikgeschäft«.

Welche Art von Demokratie hinterlassen wir also künftigen Generationen – und hinterlassen wir ihnen überhaupt eine? Wann beginnen wir, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Feinde unserer rechtsstaatlichen und freiheitlichen Ordnung keinen Erfolg haben?

Schon jetzt beeinflussen Gewalt und Kriminalität die Freiheit vieler Menschen. Nicht die Freiheit der Reichen, die sich abgrenzen, abschotten und mit großer Leichtigkeit über Toleranz, Weltoffenheit und Vielfalt schwadronieren. Nicht diejenigen, die abgesondert in gehobenen Wohnvierteln leben, in denen sie nichts vom gefährlichen Alltag derjenigen mitbekommen, die spätabends öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen.

Aber für die, die im täglichen Leben »ihre Frau« oder »ihren Mann« stehen und nicht im Dienstwagen hinter die Mauern der eigenen Villa gefahren werden, ist Angst um die persönliche Sicherheit und die der Familie zum ständigen Begleiter geworden.

Parallelwelten sind seit Jahrzehnten etabliert, kriminelle Banden beanspruchen beispielsweise in Berlin und in Nordrhein-Westfalen ganze Stadtteile für sich und bekriegen sich gegenseitig. Der Rechtsstaat hat für sie keine Gültigkeit mehr, es gelten eigene Regeln. Frauenverachtung, Antisemitismus, Rassismus und dramatischer Autoritätsverfall des Staates gehören in manchen Gebieten längst zur deutschen Lebenswirklichkeit.

Es darf uns nicht egal sein, welches Land wir späteren Generationen überlassen. Es reicht nicht, dass wir unsere Freiheit und unseren Wohlstand in der Gegenwart genießen. Wir brauchen gute Politik, kluge Entscheidungen und zukunftsweisendes Handeln, damit Deutschland auch in Zukunft leistungsstark und lebenswert ist.

Viel Zeit ist schon vergangen, ohne dass auch nur Ansätze einer derartigen Politik sichtbar werden. Die Zeit läuft uns davon, und die Menschen haben auch in den nächsten Jahrzehnten das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Sicherheit.

Missstände und Fehlentwicklungen der Vergangenheit und Gegenwart sind vielfach beschrieben worden. In diesem Buch soll es auch darum gehen, den dringend notwendigen Blick in die Zukunft zu richten. Nicht nur bis zum nächsten Wahltermin oder Parteitag, sondern in die Zeit nach uns.

Denn wir tragen nicht nur für unsere Gegenwart Verantwortung.

Kapitel 1 Rechtsstaat am Limit – jeder gegen jeden, vereint gegen den Staat

Die Bevölkerung hat die Nase voll von Belehrungen und Beschwichtigungen. Schluss mit den Versprechungen, jetzt zählen nur noch Taten.

Alleingelassen, vernachlässigt und kaputtgespart sind weite Teile des Staates, es brennt an allen Ecken, Deutschland ist erschöpft und ausgezehrt.

Und jetzt wollen ihn plötzlich alle, den starken Staat.

Es dämmert in vielen Regierungszentralen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Polizei braucht mehr Personal, die Justiz, der Strafvollzug, die Ordnungsämter und viele andere Behörden auch. Und zwar alle auf einmal.

Technik und Modernisierung sollen her. Und die Härte des Rechtsstaats. Und konsequentes Handeln. Und zwar sofort.

Zumindest Teile der Politik sind aus dem Wachkoma vergangener Jahrzehnte erwacht, Innere Sicherheit hat Hochkonjunktur, der Staat entdeckt seine Beschäftigten und will stark werden.

Doch so einfach wird es nicht gehen und schnell schon mal gar nicht. Vielleicht ist es auch schon zu spät.

Krieg gegen unser Gemeinwesen: Die harte Realität

Es gibt keine Tabus mehr, Zurückhaltung war gestern. Die Einsätze von Polizeikräften, Rettungsdiensten oder Feuerwehrleuten werden gefährlicher, die Gewalt brutaler. Der Angriff ist oft unvorhersehbar, die Situation eigentlich alltäglich, wenn die Gewalt explodiert, Tritte und Kopfstöße, Faustschläge und Bisse, Messer, Knüppel oder Macheten werden gezückt.

Ich hab ihn nicht kommen sehen. Wie aus dem Nichts krachte die Faust gegen meinen Kopf, explodierte an meinem rechten Ohr, zertrümmerte meine Brille und ließ mich fast ohnmächtig werden vor Schmerz.

Und plötzlich lag ich am Boden und spürte schon eine Sekunde später den Tritt in den Bauch, der mir den Atem nahm, gegen den Kopf, den Rücken. Und wieder und wieder der stechende Schmerz von Tritten und Faustschlägen, die mich im Sekundentakt trafen und vor Schmerz zusammenzucken ließen.

Du musst den Kopf schützen, der blitzartige Gedanke ließ mich zusammenkauern, um ihn mit den Händen und Oberarmen vor den Stiefeln abzuschirmen, die mich ins Gesicht, an die Schläfe und gegen meinen Kiefer trafen. An Gegenwehr war nicht zu denken, wir hatten wohl sofort verloren, mein Kollege selbst in den Überlebenskampf mit zwei weiteren Schlägern verwickelt.

Gellende Schmerzen am ganzen Körper und Tritte, die nicht aufhören wollten. Ich spürte nicht, wie zwei Finger brachen, als die Stiefelspitze mich mitten ins Gesicht traf, das ich mit den Händen hatte schützen wollen. Auch nicht, wie mehrere Zähne abbrachen, zwei Rippen splitterten und das Blut spritzte.

Ich weiß gar nicht mehr, ob ich geschrien habe, kein klarer Gedanke, nur Überleben, nur noch Reaktion, instinktiv und wehrlos, Schmerzen, Blut und diese Tritte, die erst endeten, als von weitem das Signal von Streifenwagen zu hören war.

Der Angriff hatte nicht mehr als eine Minute gedauert, und doch hat er mein Leben verändert. Meine Zuversicht, meine Liebe zum Beruf, mein Vertrauen und meine Fröhlichkeit. Es ist nicht mehr wie früher. Wird es wohl auch nicht mehr.

Agnes Z., Polizeiobermeisterin

Im Jahr 2017 wurden bundesweit 74 403 Einsatzkräfte der Polizei als Opfer von Gewalttaten erfasst, bei insgesamt 36 441 versuchten oder vollendeten Delikten. In keinem deutschen Bundesland wurden weniger als 1000 Einsatzkräfte der Polizei als Opfer erfasst. Rund ein Drittel der Delikte (28,2 Prozent) sind Körperverletzungsdelikte, 86-mal registrierten die Behörden versuchte Tötungsdelikte. Dabei wurden fünf Beamte getötet.

Opfer der Gewaltorgie gegen den Staat sind über die Polizei hinaus nahezu alle Menschen, die in irgendeiner Weise für unser Gemeinwesen arbeiten und für andere da sind: Lehrerinnen und Lehrer, Pflegepersonal in Krankenhäusern, Beschäftigte in Jobcentern und Finanzbehörden, Zugbegleitpersonal in den Bahnen oder Kommunalbeschäftigte in Rathäusern und Bürgerzentren. Was wir erleben, ist ein nie gekanntes Ausmaß an Staatsverachtung und Gewaltbereitschaft.

Manchmal sucht man den typischen Staatsverächter und Gewalttäter, der die Beschäftigten attackiert, in Milieus von Extremisten, in sozial schwachen Gesellschaftsschichten oder in kriminellen Clans, die naturgemäß nichts mit der Polizei oder der Justiz zu tun haben wollen. Das ist nicht falsch, aber leider völlig unzureichend.

Täter von allen Seiten

Eine Ruhestörung, ein Verkehrsunfall, eine Personenkontrolle oder ein Hilfeersuchen – urplötzlich eskaliert die Lage, häufig mit brutalen Faustschlägen, Tritten oder gar Waffenanwendung. Nicht bei Fußballspielen oder Demonstrationen erfolgen die meisten Angriffe, wie manche Fernsehbilder suggerieren. Mehr als 80 Prozent aller Attacken sind im täglichen Einsatz, etwa im Streifendienst zu verzeichnen.

Die Täter kommen von überallher, aus der Mitte der Gesellschaft. Der Respekt vor den Personen, die den Staat repräsentieren und für ihn arbeiten, geht gegen null, die aufgestaute Wut ist spürbar. Manche Täter entstammen dem bürgerlichen Milieu, sie sind nicht ungebildet, durchaus wohlhabend und gesellschaftlich anerkannt. Sie treten den Einsatzkräften sofort rechthaberisch, bedrohlich und lautstark entgegen und sind nicht gewillt, staatliches Handeln zu akzeptieren. Sie scheuen auch nicht davor zurück, mit Drohungen und Beleidigungen, aber auch mit Tätlichkeiten gegen die Ordnungskräfte vorzugehen.

Für andere ist die Auseinandersetzung mit dem Staat und der Polizei der »bewaffnete Kampf gegen das System«, das sie zwar ernährt, von ihnen aber gleichzeitig massiv bekämpft wird. Extremisten von links und rechts haben Hochkonjunktur. Die Spaltung der Gesellschaft und die Polarisierung der mittlerweile aggressiven politischen Auseinandersetzung lassen die verschiedenen Gruppen hart aufeinanderprallen. Die Gewaltbereitschaft ist überall hoch, und sie richtet sich auch gegen die Polizei. Die Angriffe werden durch abstruse Theorien legitimiert, das Internet ist voll linker und rechter Spinnereien und Gewaltfantasien.

Großfamilien aus dem arabischen Raum, die seit Jahrzehnten in Parallelgesellschaften leben, fordern mit Drohungen und Gewalt den öffentlichen Raum für sich und »ihre Regeln« ein. Der deutsche Staat wird als Autorität nicht respektiert, mehr noch, er wird aktiv bekämpft. Seit einiger Zeit sind auch Clans aus dem Balkan hinzugekommen, ebenfalls Großfamilien, deren Oberhäupter das Kriegshandwerk gelernt haben.

Auch manche der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten beteiligen sich an gewalttätigen Angriffen. Rechtsstaatliches Verhalten der Polizei wird als Schwäche und Rückzug wahrgenommen. Ein völlig überzogenes Anspruchsdenken, das nicht sofort erfüllt wird, führt unmittelbar zu Gewalt und Aggression. Und während die Sanktionen des Strafrechts bereits von vielen Bundesbürgern für wenig beeindruckend gehalten werden, wirken sie auf Menschen aus anderen Rechtskulturen oft läppisch.

In der gesellschaftlichen Diskussion werden als »No-go-Areas« vermeintlich »rechtsfreie« Stadtgebiete mit erhöhter Kriminalität bezeichnet, in denen die Polizei sich angeblich zurückhält oder gar Angst hat einzuschreiten. Das ist falsch. Selbstverständlich gehen die Einsatzkräfte überallhin, wo sie gebraucht werden und wo andere sich längst aus dem Staub gemacht haben. Aber der Aufwand an Eigen­sicherungsmaßnahmen hat sich in den vergangenen Jahren beträchtlich erhöht.

Auch Frauen in Uniform sind Angriffsziele; Rücksichtnahme nicht erkennbar. Faustschläge, Waffengewalt, Tritte gegen den Kopf und den Körper, die weiblichen Beschäftigten von Polizei und Rettungskräften sind wie ihre männlichen Kollegen auch in alltäglich erscheinenden Situationen plötzlich in Lebensgefahr und müssen sich ihrer Haut wehren.

Die Pflicht zur Stärke

Alle Schritte zur Abwehr von Gewalt gegen die Polizei und Rettungsdienste oder zur Minderung ihrer Folgen müssen unzureichend bleiben, wenn ihre Ursachen nicht aufgespürt und beseitigt werden. Sosehr die Symptome behandelt werden können, wird unsere Gesellschaft nicht umhinkönnen, einen neuen Konsens unseres Zusammenlebens zu finden.

Erziehung zu Respekt, Toleranz, aber auch Rechtstreue, Vertrauen und Anerkennung für den Staat und die Menschen, die für ihn tätig sind, sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass sich etwas ändert.

Wenn schon Kinder und Jugendliche dazu erzogen werden, jegliche staatliche Autorität und alle ordnungsstiftenden Regeln möglichst zu ignorieren oder gar aktiv zu bekämpfen, müssen wir uns über ein Mehr an Gewalt nicht wundern. Vielleicht sollten sich darüber auch Eltern klarwerden, die ihren Kindern vom ersten Schultag an beibringen, dass das Lehrpersonal ihnen nichts zu sagen hat und sie ihre Regeln selbst aufstellen dürfen. Sie machen es weder ihren Kindern noch denjenigen, die ihnen Bildung und Erziehung vermitteln sollen, einfach.

Und es ist sicher auch nicht unangemessen, einige Eltern wieder an ihre Verpflichtungen zu erinnern, nämlich ihrem Nachwuchs die Grundregeln von Anstand, Respekt und gutem Benehmen beizubringen. Wenn Eltern nicht die Grundlagen guter Erziehung vermitteln, können die Lehrkräfte es niemals schaffen.

Unser Staat muss in seinen eigenen Strukturen so stark und belastbar werden, dass seine Menschen ihn wieder als präsent und durchsetzungsstark erleben. Wenn nur noch Agenturen, gewinnorientierte Unternehmen, nichtstaatliche Organisationen, Trägervereine oder private Gruppierungen auftreten, um unser Gemeinwesen zu gestalten, ist dies das Gegenteil vom »starken Staat«.

Das fängt bei einer ausreichenden Anzahl staatlich Beschäftigter in unseren Rathäusern, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder dem öffentlichen Nahverkehr an. Es setzt sich fort über angemessene Verwaltungspräsenz auch in ländlichen Regionen und führt zu gut ausgestatteten Kitas, Schulen, Justizgebäuden und solchen der Sicherheitsinfrastruktur.

Kiffen, Klauen, Schuleschwänzen – das sind die Klassiker am Beginn krimineller Karrieren. Wenn der Staat nicht frühzeitig und konsequent eingreift, werden Polizei und Justiz solche Verhaltensweisen kaum verhindern können.

Das Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) hat in einem Arbeitspapier die Sache auf den Punkt gebracht: »Keinesfalls darf es dazu kommen, dass die Polizei NRW in der Öffentlichkeit in eine ›Opferrolle‹ gedrängt wird oder als ›Opfer‹ wahrgenommen wird. Damit wäre das fatale Signal verbunden, dass die Polizei nicht mehr in der Lage ist, ihren Schutzauftrag umfassend zu erfüllen.« Und das LAFP NRW folgerte richtig: »Die Polizei NRW muss an Konsequenz, Stabilität, Führungsstärke und Robustheit deutlich zulegen!«

Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen die Analyse ernst nehmen und Ausbildung wie Trainings auf die längt nicht mehr neue Lage ausgerichtet werden. Es ist ernster denn je, die Gefahren wachsen.

Der Staat hat kein Recht auf Schwäche, er hat die Pflicht zur Stärke. Aber davon ist er derzeit weit entfernt.

Clankriminalität auf dem Vormarsch: Der Rechtsstaat macht schlapp

»Machen wir doch einmal einen ›Clan-Gipfel‹« – darauf hat Deutschland gewartet. Nachdem in unserer Hauptstadt der Intensivtäter Nidal R. auf offener Straße hingerichtet wurde, kam dem Innensenator der Stadt, Andreas Geisel, diese zündende Idee.

Die verband er dann auch gleich mit dem Vorschlag, dass in den Bezirken und Bezirksämtern Strukturen aufgebaut werden sollen, um die Zusammenarbeit der Behörden untereinander zu stärken. Und natürlich wird es wohl auch bald ein »Clan-Abwehrzentrum« geben, das sich um ganz konkrete Fälle aus dem Milieu kümmern soll. Künftig sollen Mitglieder arabischer Familienclans also nicht mehr mit schnellen Autos unbeanstandet durch Berlin fahren, sondern sofort nach jedem Regelverstoß die harte Hand des Staates spüren.

Gipfelpolitik ist in Deutschland sattsam bekannt. Islam-Gipfel, Diesel-Gipfel, Wohnungs-Gipfel, Pflege-Gipfel, Migrations-Gipfel – ganz zu schweigen von den 4er-, 7er- oder 20er-Gipfeln, sie laufen immer nach dem gleichen Muster ab.

Schon die Ankündigung suggeriert politisches Interesse und konkrete Handlungsfähigkeit. Meistens kommen Papiere dabei heraus, die irgendwelche Ziele beschreiben. Dabei wird regelmäßig penibel darauf geachtet, dass die Zeit der Zielerreichung außerhalb der Amtszeit derjenigen liegt, die sie vereinbart haben. Allerdings müssen sie noch irgendwie wahlkampftauglich sein, damit sie überhaupt irgendeinen Zweck erfüllen.

»Gibt es ein Lagebild im Sinne der Polizeidienstvorschrift 100 zur Lage der Bandenkriminalität in Berlin?«, so die Frage eines Abgeordneten an denselben Senator im vergangenen Jahr. Seine Antwort: »Nein. Es gab seit dem Jahr 2000 kein Lagebild zu Bandenkriminalität.« Mit anderen Worten: Der Senator weiß es einfach nicht. Schlimmer noch: Er will es offenkundig auch gar nicht wissen; denn sonst hätte er ein Lagebild in Auftrag gegeben, wie es sein nordrhein-westfälischer Amtskollege längst getan hat.

Seit den 1980er-Jahren treiben sogenannte arabische Familienclans in Berlin, Bremen, dem Ruhrgebiet und anderen Metropolen ziemlich ungehindert ihr Unwesen. Sie haben ihre Einflussbereiche aufgeteilt. Wo dies nicht freiwillig geschah, gab es auch schon mal Gewalt, denn das gehört dazu. Rauschgift, Menschen- und Waffenhandel, Raubdelikte, Schutzgeld – die Liste der Straftaten ist lang und längst nicht abschließend.

Sie kaufen Immobilien und Bars, Restaurants oder Bordelle und schützen sich durch absolut verschlossene Strukturen, eigene Regeln und eine Kultur des Schweigens gegenüber allen deutschen Behörden.

Indessen zeigen sie sich offen, demonstrieren ihre Macht und ihr Geld, ihren Einfluss – die Mitglieder arabischer Clans fürchten den deutschen Rechtsstaat nicht. Wenn überhaupt, kämpfen sie gegen andere Banden, die auf den lukrativen deutschen Markt drängen und sie an Brutalität und Bereitschaft zur Waffengewalt gelegentlich noch übertreffen.

Im Schatten des deutschen Rechtsstaats ist eine perfide Parallelwelt entstanden, die sich dem deutschen Recht, der deutschen Gerichtsbarkeit und den Regeln unseres Zusammenlebens weitgehend entzieht. Der deutsche Rechtsstaat wurde hier schon vor Jahren abgehängt, und an dessen Stelle hat sich ein System eigener Sanktionsmechanismen etabliert. Damit wird die staatliche Rechtsprechung ins Private verlagert, deutsche Gerichte sind schnell aus dem Verkehr gezogen.

Schon 2013 hat das Landeskriminalamt Berlin in einem »Merkblatt« Hinweise zum polizeilichen Umgang mit sogenannten Streitschlichtern im Umfeld arabischstämmiger Großfamilien herausgegeben.

Als solche »Streitschlichter« fungieren selbst ernannte »Friedensrichter« oder Familienoberhäupter und islamische Geistliche. Dabei hat dies alles nicht unbedingt immer etwas mit religiösen Streitfragen zu tun, es geht um eine umfassende Gerichtsbarkeit.

Und es geht auch nicht allein um arabische Großfamilien. Sowohl inländische als auch unterschiedliche ausländische Gruppierungen pflegen interne Konflikte nach ihren eigenen, meist kriminellen Methoden auszutragen.

Im radikalen islamischen Umfeld gilt in familiären Angelegenheiten die Scharia als einziges Recht, Frauen haben da regelmäßig das Nachsehen. Das ist in Neukölln, Bremen oder Duisburg genauso wie in Afghanistan. Zwangsheirat nach Vergewaltigungen, Kinder- und Mehrfachehen, Ehrenmorde oder drakonische Bestrafungen »ungehorsamer« Frauen, Blutgeld nach Tötungsdelikten oder andere archaische Bräuche sind Lebensrealität in Deutschland.

Was tun gegen Paralleljustiz?

Immer wieder diskutieren Justizpolitiker über die Möglichkeiten, die Handlungsfelder der Paralleljustiz einzugrenzen, und stoßen dabei schnell an ihre Grenzen – und gelegentlich finden sie sich damit ab.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1: Rechtsstaat am Limit – jeder gegen jeden, vereint gegen den Staat

Krieg gegen unser Gemeinwesen: Die harte Realität

Clankriminalität auf dem Vormarsch: Der Rechtsstaat macht schlapp

Deutschland pollert sich ein – Terror ist unser Alltag

Keine Zeit für Gerechtigkeit: Der Rechtsstaat verfällt

Rechtsruck in Europa und die Überforderung unseres Systems

Kapitel 2: Die Krise der Demokratie – Unser Staatswesen erodiert

Unmittelbare oder mittelbare Herrschaft des Volkes?

Die liberale Demokratie: Zurück in die Zukunft?

Organisierte Verantwortungslosigkeit: Der Migrationspakt und seine Folgen

Kapitel 3: Meinungsfreiheit, Wohlstand, Bildung: So geht die Zukunft den Bach runter

Das wird man doch wohl sagen dürfen – oder?

Vom Wohlstand für alle zum Reichtum für wenige: Wie Deutschland sich selbst abhängt

Deutschland im Abwärtsschwung

Digitalisierung 4.0: Hat Deutschland den Anschluss an die Zukunft verspielt?

Kapitel 4: Die Welt retten oder zu Hause für Ordnung sorgen?

Ohne Bildung ist kein Staat zu machen

Ohne Sicherheit keine Freiheit

Unsere liberale Demokratie stark machen

Orientierungsmarken

Cover

Inhaltsverzeichnis