Didaktisch handeln und denken (E-Book) - Barbara Zumsteg - E-Book

Didaktisch handeln und denken (E-Book) E-Book

Barbara Zumsteg

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Was macht gute Lehrerinnen und Lehrer aus, und was ist guter Unterricht ? Das Studienbuch " Didaktisch handeln und denken " soll angehende Lehrkräfte in grundlegende Kompetenzen und Aspekte des didaktischen Handelns und Denkens sowie in die wesentlichen Fragen des Lehrberufs einführen. Die Verbindung von aktuellen Theorie- und Praxiselementen kann auch für erfahrene Lehrerinnen und Lehrer zu einer herausfordernden Lektüre werden. Während im ersten Teil des Buches das angeleitete Lernen im Fokus steht, setzt sich der zweite Teil mit dem eigenständigen Lernen auseinander. Jedes Kapitel umfasst einen Grundlagenteil und ausgewählte Quellentexte.

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Seitenzahl: 420

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Hans Berner, Urban Fraefel, Barbara Zumsteg (Hrsg.)

Didaktisch handeln und denken

mit Fokus auf angeleitetes und eigenständiges Lernen

Beiträge von Hans Berner, Thomas Birri, Regula von Felten, Urban Fraefel, Petra Hild, Rudolf Isler, Christoph Schmid, Dorothea Tuggener Lienhard, Barbara Zumsteg

ISBN Print: 978-3-0355-1258-8

ISBN E-Book: 978-3-0355-1259-5

 

Dieses Werk erschien von 2011 bis 2017 in zwei Einzelbänden («Didaktisch handeln und denken 1» und «Didaktisch handeln und denken 2») über die Publikationsstelle der Pädagogischen Hochschule Zürich (Pestalozzianum Verlag).

 

Fotos: René Rötheli, Baden

 

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

 

 

 

Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch: http://mehr.hep-verlag.com/didaktisch-handeln-und-denken

 

Inhalt

Vorwort

Teil 1 Fokus angeleitetes Lernen

Kapitel 1 Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?

Basics

HANS BERNER Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

Was müssen gute Lehrerinnen und Lehrer wissen und können?

Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an

Texte

1 Best-Practice-Lehrpersonen in der Deutschschweiz

2 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 2 Unterricht beobachten – Feedback geben – reflektieren

Basics

HANS BERNER Unterricht beobachten

Feedback geben

Reflektieren

Texte

1 «Glauben wir, was wir sehen, oder sehen wir, was wir glauben?»

2 Soziale Wahrnehmung und Wahrnehmungsfehler

3 Reflexion des Handelns – eine grundlegende Kompetenz

4 Lernen ist nicht Reflex, sondern Reflexion

5 Reflexionsfähigkeit und -praxis der Lehrperson

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 3 Kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren

Basics

REGULA VON FELTEN Was meint Kompetenz?

Der Lehrplan 21

Von Kompetenzen zu Lernzielen

Lernziele präzis formulieren

Schülerinnen und Schüler verfolgen eigene Ziele

Texte

1 «Wenn man nicht genau weiß, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht hinwollte.»

2 Merkmale zweckmäßiger Zielbeschreibungen

Kapitel 4 Lehren durch Instruieren – Lernen durch Konstruieren

Basics

URBAN FRAEFEL Basistechniken

Erlernen von Basistechniken

Was gehört zu den grundlegenden Techniken des Unterrichtens?

Texte

1 Lehren durch Instruktion

2 Darbietung im Unterricht

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 5 Spielphasen planen und begleiten

Basics

REGULA VON FELTENUND DOROTHEA TUGGENER LIENHARD Was bedeutet Spielen für Kinder?

Zeit zum Spielen

Raum zum Spielen

Möglichkeiten der Spielbegleitung

Texte

1 «Stimulieren» oder «Wachsenlassen»? – eine pädagogische Streitfrage zum heutigen Kinderspiel

2 Der Raum als «dritter Erzieher»

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 6 Lernprozesse begleiten

Basics

URBAN FRAEFEL Was ist unter «Lernprozessbegleitung» zu verstehen?

Die Rahmentheorie: Wissen wird vornehmlich sozial konstruiert

Was sind die Merkmale der Lernprozessbegleitung?

Scaffolds und Feedbacks in der Übersicht

Die Kompetenz des Begleitens von Lernprozessen

Texte

1 Adaptiver Unterricht

2 Individuelle Lernbegleitung – Qualitätsansprüche und Indikatoren

3 Fordern und Fördern in der Grundschule

Kommentierte Literaturhinweise

Teil 2 Fokus eigenständiges Lernen

Kapitel 1 Was ist guter Unterricht?

Basics

HANS BERNER Eine alte und aktuelle Frage

Ein umfassendes Verständnis von gutem Unterricht

Unterrichtsgütekriterien-Merkmallisten

Was wissen wir über guten Unterricht?

Den guten Unterricht gibt es nicht!

Guter Unterricht ist niemals starr und dogmatisch

Texte

1 Was wissen wir über guten Unterricht?

2 Merkmale guten Unterrichts nach Andreas Helmke

3 Zwei entscheidende Merkmale guten Unterrichts nach Hilbert Meyer

4 Die Bedeutung des Kontexts

5 Was ist aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern gut?

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 2 Inhalte auswählen

Basics

HANS BERNER Denken Lehrerinnen und Lehrer nur an ihren Stoff?

Zur zentralen Bedeutung der «Was-» und der «Warum-Frage»

Kritisch-konstruktive Didaktik als themenorientierter Didaktikansatz

Sinnvolle Themen finden – und begründen

Themenfrage als eine entscheidende Planungsaufgabe

Eine entscheidende Frage zur Themenbestimmung

Texte

1 Didaktische Rekonstruktion: Fachsystematik und Lernprozesse in der Balance halten

2 Themenzentrierte Interaktion (TZI) – die Inhalte bleiben wichtig

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 3 In Epochen unterrichten

Basics

RUDOLF ISLERWas verstehen wir unter «in Epochen unterrichten»?

Welche Ziele lassen sich verfolgen, wenn in Epochen unterrichtet wird?

Wie Epochen planen – Verbindung zum Planungsinstrument

Welche Rolle hat die Lehrperson im Epochenunterricht?

Chancen und Grenzen von Unterricht in Epochen

Texte

1 In Epochen unterrichten heißt die Schule von innen reformieren

2 Organisationsmodelle des Epochenunterrichts

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 4 Formen eigenständigen Lernens

Basics

THOMAS BIRRI 1 Werkstattunterricht

THOMAS BIRRI 2 Unterricht mit Lernplänen

THOMAS BIRRI 3 Atelierunterricht respektive Freiwahlunterricht

HANS BERNER 4 Dialogisches Lernen

HANS BERNER 5 Projektunterricht

PETRA HILD 6 Kooperatives Lernen

Kapitel 5 Beurteilen

Basics

CHRISTOPH SCHMID Beurteilung des Gelernten und Beurteilen für das Lernen

Beurteilungsfunktionen und Beurteilungsformen

Beurteilungsmaßstäbe

Kompetenzorientierte Beurteilung und Noten

Systematische Beobachtung und verbale Beurteilung

Selbstbestimmung und Lerndokumentationen

Sieben pädagogische Grundsätze zum Schluss

Texte

1 Prüfungssituationen

2 Kompetenzorientierung statt Mängeldiagnosen

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 6 Zusammenwirken von Fremd- und Selbststeuerung

Basics

BARBARA ZUMSTEGVerschiedene Bildungsziele erfordern unterschiedliche Unterrichtsmethoden

Der Vielfalt Struktur geben

Dimensionen offenen Unterrichts

Texte

1 Binnendifferenzierung − eine Utopie?

Kommentierte Literaturhinweise

Anhang

Planungsübersicht

Autorinnen und Autoren

Vorwort

Vorwort

In seinem 2005 veröffentlichten Bestseller «Teacher Man» schreibt Frank McCourt über seine Erfahrungen als Lehrer in der rauen schulischen Realität von New York. Er erzählt, was er von seinen insgesamt zwölftausend Schülerinnen und Schülern gelernt hat als Lehrer, als Geschichtenerzähler, als Schriftsteller. Am Anfang seiner Lehrerausbildung hatte Frank McCourt ganz klare und einfache Vorstellungen: «Unterrichten stellte ich mir ganz einfach vor: Man erzählt den Schülern, was man weiß, und irgendwann hält man Prüfungen ab und verteilt Noten.» [1] Nach ersten Erfahrungen realisiert er: «Da kommen sie. Und ich bin nicht bereit. Wie könnte ich auch? Ich muss das Lehren erst noch lernen.» [2]

 

Das Studienbuch «Didaktisch handeln und denken» soll einen Beitrag zu diesem Lernen des Lehrens leisten. Es soll Studienanfängerinnen und Studienanfänger in grundlegende Kompetenzen und Aspekte des didaktischen Handelns und Denkens sowie in Fragen des Berufs einführen. Dieses Buch ist aus der Zusammenführung der beiden Bände «Didaktisch handeln und denken 1» und «Didaktisch handeln und denken 2» entstanden, die von 2011 bis 2017 über die Publikationsstelle der Pädagogischen Hochschule Zürich herausgegeben wurden.

 

Es wurde für angehende Lehrkräfte aller Schulstufen der obligatorischen Schulzeit in der Schweiz konzipiert und enthält vor allem Beispiele aus diesen Bereichen. Viele der zugrundeliegenden Inhalte lassen sich aber auch auf Schulsysteme anderer Stufen und Länder anwenden.

 

Jedes Kapitel folgt dem gleichen Aufbau: zu Beginn ein Grundlagenteil, in dem der aktuelle Stand des Wissens kompakt zusammengefasst ist (Basics), gefolgt von einem Teil mit ausgewählten Quellentexten und weiterführenden kommentierten Literaturhinweisen (Texte).

Basics

Eine kompakte Übersicht führt in das Thema ein und resümiert die zentralen Begriffe, Konzepte und Zusammenhänge.

Texte

Dieser Teil umfasst ausgewählte Quellentexte verschiedener Autoren und Autorinnen zu diesem Thema. Zudem enthält er kommentierte Literaturhinweise.

 

Zu jedem Kapitel stehen unter http://mehr.hep-verlag.com/didaktisch-handeln-und-denken weiterführende Materialien zur Verfügung, wie sie in den beiden ehemaligen Bänden abgedruckt waren. Sie ergänzen das Thema des Kapitels mit Beispielen, weiteren Texten und Konkretisierungen, teilweise spezifisch für einzelne Stufen und Fächer. Eine ausgewogene, vollständige Dokumentation zu den Themen der einzelnen Kapitel ist weder gewollt noch möglich. Die Konzepte und Materialien zeigen vielmehr die Aspekte des Themas und stellen es aus verschiedenen Blickwinkeln dar – zum Teil bewusst widersprüchlich. Diese Breite soll dazu beitragen, sich vielfältig mit dem Thema auseinanderzusetzen, um anschließend mit anderen darüber diskutieren zu können.

 

Für die vorliegende Neuausgabe wurden alle Kapitel begrifflich angepasst, sodass sie mit der aktuellen Terminologie der Kompetenzorientierung des Schweizer Lehrplans 21 korrespondieren. Ein neues Kapitel «Kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren» ersetzt das ehemalige Kapitel 3 des ersten Bands «Ziele setzen». Abgesehen von diesen Anpassungen und einigen wenigen sprachlichen und formalen Korrekturen wurden keine Änderungen vorgenommen, die Grundlagenteile sowie die abgedruckten Quellentexte entsprechen inhaltlich denjenigen in den beiden ehemaligen Bänden.

Teil 1 des Studienbuchs widmet sich, ausgehend von der Grundfrage «Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?», den Themen «Unterricht beobachten – Feedback geben – reflektieren», «kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren», «Lehren durch Instruieren – Lernen durch Konstruieren», «Spielphasen planen und begleiten» sowie «Lernprozesse begleiten». Teil 2 fokussiert, ausgehend von der Grundfrage «Was ist guter Unterricht?», auf die Themenbereiche «Inhalte auswählen», «in Epochen unterrichten», «selbstständig lernen» durch Unterrichtskonzeptionen wie Werkstattunterricht, Unterricht mit Lernplänen, Atelierarbeit, dialogisches Lernen, Projektunterricht, kooperatives Lernen und schließlich auf die Beurteilung von Lernfortschritten.

Im abschließenden, zusammenfassenden Kapitel 6 von Teil 2 wird die anspruchsvolle Balanceleistung zwischen Instruktion und Konstruktion diskutiert.

Wir bedanken uns bei allen Verantwortlichen und Beteiligten der berufspraktischen Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich, die mit ihren kritisch-konstruktiven Rückmeldungen und Optimierungsvorschlägen einen Beitrag geleistet haben, diese Grundlagen für die berufspraktische Ausbildung in einer Balance zwischen Theoretisch-Anspruchsvollem und Praktisch-Anwendbarem zu halten. Ein besonderer Dank geht an die Autorinnen und Autoren der einzelnen Kapitel und an Andreas Hug und Mathis Kramer-Länger, die für diese Neuausgabe die oben erwähnten begrifflichen Anpassungen vorgenommen haben. Speziell hervorheben möchten wir die Leistung des Fotografen René Rötheli: Aus seiner großen Sammlung konnten wir faszinierende Bilder auswählen, die den anspruchsvollen Prozess des didaktischen Handelns und Denkens von Lehrpersonen symbolisieren.

 

Im August 2018

Hans Berner und Barbara Zumsteg

Teil 1 Fokus angeleitetes Lernen

Kapitel 1 Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?

Die einfachen Antworten auf die Frage «Was ist eine gute Lehrerin, was ein guter Lehrer?» erfolgen häufig in Form von eher naiven additiven Wunschkatalogen über ideale Lehrpersonen. Aus der Perspektive der Bildungsforschung wird dieses Alltagswissen mit konkreten kritischen Fragen konfrontiert, die mit der umfassenden Frage «Was müssen gute Lehrpersonen wissen und können?» zusammengefasst werden können.

Es ist völlig unbestritten: Effiziente Lehrerinnen und Lehrer, die in der Lage sind, gute Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen, haben einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben der Lernenden. Empirische Studien beweisen: Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an! Lehrerinnen und Lehrer haben mit ihren Kompetenzen und ihrem unterrichtlichen Handeln erheblichen Einfluss auf die Lernentwicklung von Schülerinnen und Schülern.

 

Basics

Texte

 

Basics

HANS BERNER Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

HANS BERNER

Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

«Wo ein guter Lehrer am Werk ist, wird die Welt ein bisschen besser»

Diese für Pädagoginnen und Pädagogen ermunternd-hoffnungsvolle Aussage des Kognitionspsychologen und Lehrerbildners Hans Aebli in einem vor mehr als dreißig Jahren durchgeführten Interview hat bis heute ihre Richtigkeit (vgl. Aebli 1983). In einem Artikel mit dem Titel «‹Der gute Lehrer›, ‹die gute Lehrerin› im Spiegel der Wissenschaft» hat sich Franz Weinert, einer der renommiertesten Unterrichtsforscher, auf dieses optimistische Credo bezogen und es als gleichermaßen wahr und weise bezeichnet: Wahr, weil alle unvoreingenommenen Beobachter des Wirkens und der Wirksamkeit von Lehrpersonen Beispiele vor Augen haben, die mit dem pädagogischen Optimismus von Aebli in selbstevidenter Weise übereinstimmen; weise, weil viele Erfahrungen dafür sprechen, dass große Reformen oder neue Technologien die Welt zwar dramatisch verändern, aber ob dadurch auch die Welt für die einzelnen Menschen ein bisschen besser wird, hängt in der Welt der Schule in besonderem Maße vom Wirken einzelner Menschen – guter Lehrerinnen und Lehrer – ab (vgl. Weinert 1996, S. 141).

In der Literatur kommen Lehrerfiguren häufig vor – und es lässt sich nicht verschweigen, dass negative oder bemitleidenswerte Figuren zahlreicher sind. Abschreckende Beispiele finden sich in Friedrich Torbergs «Der Schüler Gerber», in Hermann Hesses «Unterm Rad», in Hermann Burgers «Schilten». Aber es gibt selbstverständlich auch außerordentlich positive Beispiele wie die Ehrerbietung von Albert Camus an seinen Lehrer nach Erhalt des Nobelpreises oder der als «Hommage» an seinen Primarlehrer betitelte Text von Alfred Häsler. Auch in Filmen wird Lehrerfiguren durch bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler ein Denkmal gesetzt: Etwa Robin Williams in der Rolle von John Keating im Film «Dead Poets Society» als begeisterter und begeisternder Literaturlehrer in der Welton Academy in Vermont oder Michelle Pfeiffer in der Rolle von LouAnne Johnson im Film «Dangerous Minds» als idealistische Lehrerin in der «Realität» einer Schule in East Palo Alto, Kalifornien.

Im Schweizer Dokumentarfilm «Zum Abschied Mozart» von Christian Labhart wird ein Musiklehrer porträtiert, der sich auf besondere Weise für die Wichtigkeit und den Ernst einer gewählten Sache engagiert. Der hohe Anspruch, mit den Schülerinnen und Schülern einer Neunten bis Zwölften Klasse Mozarts Requiem aufzuführen, erfordert von allen außerordentliche Anstrengungen beim Proben und Höchstleistungen im Konzert. Der Weg zum hohen Ziel einer gelungenen Aufführung ist für die in völlig anderen Freizeitwelten lebenden Schülerinnen und Schüler immer wieder unbequem und hart. Das Engagement und die Begeisterung des Lehrers für die Sache, seine Unnachgiebigkeit und Kompromisslosigkeit faszinieren und irritieren die Schülerinnen und Schüler gleichermaßen. Die Aufführung mit zwei Konzerten in vollen Sälen ist der Lohn für eine beeindruckende Lehrer- und Schülerleistung.

Abbildung 1: Aus dem Kinodokumentarfilm «Zum Abschied Mozart» (© Christian Labhart)

Eigentlich sind gute Lehrpersonen ja ganz einfach zu beschreiben …

Gute Lehrpersonen sind pünktlich und zuverlässig, sie sind freundlich gegenüber Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Vorgesetzten, sie sind fleißig, engagiert und belastbar, und sie haben die Belange ihrer Schule, ihrer Klassen und einzelner Schülerinnen und Schüler im Auge. Ihre Fachkompetenz in ihren Unterrichtsfächern ist genauso hoch entwickelt wie ihre didaktisch-methodischen und pädagogisch-erzieherischen Fähigkeiten. Ihr Unterricht ist angemessen anspruchsvoll; die Lernfortschritte ihrer Schülerinnen und Schüler sind beachtlich. Sie bemühen sich darum, eine positive Lernhaltung und ein lernförderliches Klima in den von ihnen unterrichteten Klassen zu schaffen. Kolleginnen und Kollegen übernehmen gerne ihre Klassen. Als Personen erfreuen sie sich einer natürlichen Autorität gegenüber den Schülerinnen und Schülern, sie werden von ihnen geachtet und geschätzt. Sie bilden sich in ihren Fächern und hinsichtlich ihrer pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten fort, arbeiten in der Lehrerbildung als Praxislehrpersonen, gehen konstruktiv mit beruflichen Beanspruchungen um und können zu hohe Belastungen erfolgreich abwehren. In Arbeitsgruppen zeigen sie ihre Teamfähigkeit. Sie verstehen es, gegenüber Eltern ein klares, differenziertes Bild ihrer Kinder zu vermitteln und – wo nötig – konstruktive Hinweise zu geben. Sie identifizieren sich mit ihrem Beruf – und können doch gut vom Beruf abschalten (vgl. Terhart 2006, S. 42).

… und wie sieht es in der Wirklichkeit aus?

Aus der Perspektive der Bildungsforschung wird dieses naiv-triviale additive Verfassen von Wunschkatalogen über die ideale Lehrperson mit konkreten kritischen Fragen konfrontiert: Wie sieht es in der Wirklichkeit in den Klassenzimmern aus – und wie in den Lehrerzimmern? Wie weit entspricht der real existierende Lehrkörper auf den verschiedenen Stufen diesem Bild von Lehreridealattributen? Was kennzeichnet erfolgreiche Lehrpersonen in ihrem Denken, Urteilen und Handeln? Wie sieht eigentlich das Aufgabenspektrum aus, das in diesem Beruf möglichst gut bewältigt werden muss? Unter welchen Arbeitsbedingungen kann man überhaupt eine gute Lehrperson sein (vgl. ebd.)? Und weiter: Wie können Lehrpersonen die Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler wirksam unterstützen? Welche motivationsfördernden Strategien sind nachhaltig? Wie gelingt es Lehrpersonen, die negativen Folgen von Lehrererwartungen zu vermeiden?

Oder ganz umfassend gefragt: Was müssen gute Lehrpersonen eigentlich wissen und können? Um aufgrund dieser ausgewählten Fragenpalette keine falschen Illusionen zu wecken, muss betont werden, «dass viele solcher Fragen gegenwärtig von der empirischen Bildungsforschung kaum und selten eindeutig beantwortet werden können» (Terhart 2006, S. 42).

Die Suche nach den guten Lehrpersonen – aus der Sicht der empirischen Unterrichtsforschung

In einer frühen Phase der Unterrichtsforschung wurde die Hoffnung gehegt, man könne Eigenschaften erfolgreicher Lehrpersonen wie Charaktermerkmale (beispielsweise Geduld) oder einen ganz bestimmten Führungs- oder Unterrichtsstil identifizieren. Diese Versuche gelten heute als klar gescheitert. Die Aufgaben von Lehrpersonen sind zu heterogen, der kausale Wirkungspfad von einem allgemeinen Persönlichkeitsmerkmal eines Lehrers oder einer Lehrerin bis hin zu den Lernprozessen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ist zu weit und zu undurchsichtig. Es ließen sich nur wenige, schwache und zudem triviale Zusammenhänge zwischen Lehrerpersön lichkeit und Schulleistungsunterschieden finden (vgl. Helmke 2004, S. 29 f.).

Was müssen gute Lehrerinnen und Lehrer wissen und können?

Was müssen gute Lehrerinnen und Lehrer wissen und können?

Antworten auf die nicht ganz einfache Frage «Was müssen Lehrerinnen und Lehrer heute – und morgen – unbedingt wissen und können?»

In den letzten Jahren wird im deutschsprachigen Raum sowohl auf der bildungspolitischen als auch auf der erziehungswissenschaftlichen Ebene eine intensive Debatte über die Kompetenzen von Lehrpersonen in einem veränderten gesellschaftlichen und schulischen Umfeld geführt. Von verschiedenen Seiten werden Antworten auf die Frage «Was müssen Lehrerinnen und Lehrer heute – und morgen – unbedingt wissen und können?» präsentiert.

In ihren Ende 2004 veröffentlichten diskussionsleitenden Standards für die Lehrerbildung hat die deutsche Kultusministerkonferenz diese Frage pointiert beantwortet: Die Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern lassen sich mit den vier Haupttätigkeitsfeldern Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren umschreiben. Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen, die ihre Erziehungs- und ihre Beurteilungsaufgabe gerecht und verantwortlich ausüben und ihre Kompetenzen ständig weiterentwickeln. Zur Unterrichtskompetenz gehört, dass sie ihren Unterricht fach- und sachgerecht planen und sachlich und fachlich korrekt ausführen; dass sie durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern unterstützen und die Lernenden motivieren und befähigen, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen; dass sie die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten fördern. Zur Erziehungskompetenz gehört, dass sie die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen von Schülerinnen und Schülern kennen und im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung nehmen; dass sie Werte und Normen vermitteln und selbstbestimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern unterstützen sowie Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht finden. Zur Beurteilungskompetenz gehört, dass die Lehrerinnen und Lehrer Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern diagnostizieren; Schülerinnen und Schüler gezielt fördern; Lernende und deren Eltern beraten; Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe erfassen. Zur Innovationskompetenz gehört, dass sich die Lehrpersonen der besonderen Anforderungen des Lehrberufs bewusst sind und dass sie ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung und als ständige Lernaufgabe verstehen sowie dass sie sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben beteiligen (vgl. KMK 2004, S. 7–13).

Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an

Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an

Keine einfache Aufgabe – kein einfacher Beruf …

Dieses beispielhaft gezeigte Kompetenzenprofil stellt die Lehrpersonen und die Schulleitungen einerseits und die Lehrer- und Lehrerinnenbildung andererseits vor große Herausforderungen. Zusätzlich erschwert wird die aktuelle Situation durch verschiedene berufsspezifische Brennpunkte wie beispielsweise Praxis versus Theorie, Realität versus Idealität, Belastung versus Entlastung. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es nicht weiter erstaunlich, wenn in verschiedenen Forschungsüberblicken diagnostiziert wird, dass wir es bei der pädagogischen Arbeit mit «Unsteuerbarkeit, Undurchschaubarkeit und Ungewissheit des beruflichen Handelns» (Combe & Kolbe 2004) zu tun haben, hervorgerufen durch die Aufgabe selbst, die sich als Gefüge unaufhebbarer Antinomien darstelle, für die Krisenhaftigkeit als Normalfall unterstellt werden müsse, und dass die Tätigkeit der Lehrpersonen als «ein unmöglicher Beruf» bezeichnet wird (vgl. den Sammelband «Der Lehrer – ein (un)möglicher Beruf» von von Carlsburg & Heitger 2005).

… aber man kann ihn bewältigen

Dieser von verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gerne gepflegten und publizierten Metaphorik der «Unmöglichkeit» und des «Technologiedefizits» widerspricht Heinz-Elmar Tenorth dezidiert: «Der Beruf der Lehrerin oder des Lehrers bleibt schwierig – aber er ist mit einem professionstheoretisch klar zu bezeichnenden Handlungsrepertoire zu bewältigen, und man kann lernen, die Arbeit besser oder schlechter zu machen, und im Lichte von Kompetenzerwartungen und Standards über ihn sprechen, wie das ja auch geschieht …» (Tenorth 2006, S. 584).

Entscheidend ist die Lehrperson

Die Frage «Kommt es überhaupt auf den Lehrer, die Lehrerin an?» ist nicht nur in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung ein Dauerbrenner; auch die Forschung beschäftigt sich seit Langem mit dieser Frage. Forschungsbefunde, aus denen zu entnehmen ist, dass Reichtum und Sozialstatus und nicht der Unterricht die Leistungen der Schülerinnen und Schüler bestimmten (vgl. Woolfolk 2008, S. 3), haben für viele eine in hohem Maße irritierende Wirkung und sorgen für viel Aufsehen. Studien, die überprüften, ob ein Zusammenhang zwischen Lehrerqualifikation und Schülerleistungen besteht, ergaben: «Effiziente Lehrer, die gute Beziehungen zu ihren Schülern aufbauen, haben einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben der Schüler. Problemschüler profitierten am meisten von gutem Unterricht» (ebd., S. 5).

Empirische Belege zur Wichtigkeit guter Lehrpersonen

Diese Aussagen werden auch von der umfangreichen OECD-Studie «Teachers matter» aus dem Jahr 2005 bekräftigt: «Eine gut abgestützte Schlussfolgerung ist, dass von allem, was durch die Bildungspolitik beeinflusst werden kann, die Faktoren betreffend Lehrpersonen und Unterrichten die bedeutendsten Einflüsse auf das Lernen der Schüler und Schülerinnen haben. Insbesondere besteht ein breiter Konsens, dass ‹Qualität des Lehrens› die bedeutendste einzelne Einflussvariable bezüglich Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern ist. Die Effekte unterschiedlicher Lehrqualität sind substanziell. […] Nach Einschätzung von Sanders und Rivers (1996) sind die Lehrpersoneneffekte groß, und nicht nur das – Schüler und Schülerinnen der effektivsten Lehrpersonen haben viermal höhere Lernerfolge als jene der am wenigsten effektiven Lehrpersonen –, sondern diese Effekte kumulieren sich auch über eine längere Zeit. […] Gemäß Rockoff (2004), der sich auf sehr reichhaltige Daten von Lehrpersonen über eine Zeit von 10 Jahren bezieht, erklären die Unterschiede zwischen Lehrpersonen bis zu 23 % der Unterschiede von Schüler- und Schülerinnentests» (OECD 2005, S. 26).

Welche empirischen Evidenzen zur Stützung der These «Es kommt auf den Lehrer an!» angeführt werden können und welche Lehrermerkmale sich in bisherigen Studien als Prädiktoren für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern identifizieren ließen, fasst Frank Lipowsky wie folgt zusammen: «Lehrer haben mit ihren Kompetenzen und ihrem unterrichtlichen Handeln erheblichen Einfluss auf die Lernentwicklung von Schülern. Insbesondere für das Fach Mathematik konnte gezeigt werden, dass das Wissen und die Überzeugungen von Lehrern direkte und auch indirekte Effekte auf Schülerleistungen haben können. Was die Bedeutung des Unterrichts anbelangt, lassen sich die dargestellten Ergebnisse dahingehend deuten, dass nicht nur allgemeine, fachunabhängige Merkmale, wie eine effiziente Klassenführung, für die Lernentwicklung wichtig sind, sondern auch Merkmale, die auf eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand hindeuten. Hierzu gehören eine interessante, klare, verständliche und vernetzte Präsentation neuer Inhalte und Konzepte, die Aktivierung des vorhandenen Vorwissens der Schüler, das Evozieren kognitiv anspruchsvoller Tätigkeiten, die Kultivierung eines diskursiven Unterrichtsstils, der Einsatz geeigneter Repräsentationsformen, die Förderung der Bewusstheit für das eigene Lernen sowie die Vermittlung von Strategien zur Strukturierung und Elaboration des Unterrichtsgegenstandes» (Lipowsky 2006, S. 64).

Dilemmata und Komplexität im Lehrberuf

Bei der generellen Frage «Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?» sind viele auf den ersten (Laien-)Blick als einleuchtend erscheinende Pauschalantworten umstritten und werden infrage gestellt. Etwas aber gilt: Gute Lehrerinnen und Lehrer zeichnen sich durch ihre Bereitschaft und Fähigkeit aus, Komplexität zu erkennen – und auszuhalten. Fakt ist: Der Lehrberuf ist durch eine ganze Reihe von Dilemmata geprägt: didaktische, konzeptuelle, pädagogische, kulturelle, politische. Ein klassisches didaktisches Dilemma zeigt sich darin, dass es gilt, die Versuche zum selbstständigen Denken der Schülerinnen und Schüler anzuerkennen, aber trotzdem nicht von der Vermittlung des notwendigen Fachwissens abzuweichen. Eine typische Frage zu einem kulturellen Dilemma lautet, ob sich Lehrpersonen darauf verlassen können, dass die Schülerinnen und Schüler für ihr eigenes Lernen Verantwortung übernehmen (vgl. Woolfolk 2008, S. 440).

Um Komplexität im Lehrberuf, der durch Antinomien geprägt ist, zu erkennen und auszuhalten, müssen Lehrpersonen in der Lage sein – ja sogar Freude daran haben –, sich komplexe Mittel des Verstehens und Handelns anzueignen und ein ausgeprägtes Komplexitätsbewusstsein und Komplexitätsbedürfnis zu entwickeln und zu erhalten. Dazu gehört zwingend auch ein Widerstand gegen Simplifizierungen, gegen vereinfachende Slogans und Rezepte, gegen das Verlangen nach Klarheit und Leichtigkeit, gegen den Wunsch nach Wiederherstellung der «sicheren» Werte, gegen den reaktionären sich barbarisch gebärdenden «Simplismus» unterschiedlichster Provenienz (vgl. Berner 2006, S. 288 f.). Eine Schlüsselkompetenz von Lehrpersonen auf dem Weg zur Professionalität ist Reflexionskompetenz. Diese zeigt sich in einem episodischen selbstbezüglich-biografischen Wissen: Angesichts der Tatsache, dass Lehrerhandeln stark in biografisch aufgeschichteten Deutungsbeständen wurzelt, bildet eine fundierte biografische Reflexion einen wichtigen Beitrag gegen ein Ausgeliefertsein in einer als diffus erlebten Praxis (vgl. Combe & Kolbe 2004, S. 835).

Professionelles Handeln statt «Anything goes»

Komplexität darf aber keine Ausrede für ein «Anything goes» sein, mit dem das gesicherte professionelle Wissen immer wieder relativiert wird. Dass der Lehrberuf von Komplexität und Dilemmata geprägt ist, heißt nicht, dass es kein klares Professionswissen gibt. Wie in den meisten Berufen kann eindeutig benannt werden, was falsch bzw. nicht professionell ist und wie es besser zu machen ist. Wie in allen Berufen gibt es im Lehrberuf da und dort unterschiedliche Auffassungen, doch sie sollen professionell diskutiert werden.

Eine Frage noch: Was ist eine schlechte Lehrerin, ein schlechter Lehrer?

Eng verbunden mit der Frage nach den guten Lehrpersonen ist die – in der Literatur dominierende – Frage nach den schlechten. Und erstaunlicherweise können sich sehr viele Menschen bemerkenswert schnell verständigen – denn alle wissen, dass es sie gibt: die wirklich schlechten Lehrerinnen und Lehrer! Und (praktisch) alle kennen eine(n). Wenn man beispielsweise an einem Fest darauf zu sprechen kommt, können alle mit mehr oder weniger drastischen und mehr oder weniger unterhaltsamen Schilderungen etwas zu diesem Thema beitragen: fehlendes oder veraltetes Fachwissen, didaktisch-methodische Unfähigkeit, unfaire Notengebung, autistische Züge im Umgang mit Menschen, Sarkasmus und Zynismus, gegen null tendierendes Engagement für Schülerinnen, Schüler und Schule …

Es ist schon so: Das eigentliche Problem des Schulalltags ist nicht, dass es zu wenige gute Lehrerinnen und Lehrer gibt, sondern zu viele schlechte. Deshalb wäre es für die Qualität der Schule entscheidender, die schlechten Lehrpersonen zu entfernen (Terhart 2006, S. 46).

Eine pointierte Aussage zu diesem Thema stammt von Ottmar Hitzfeld, der vor seiner großen Karriere als Fußballspieler und Fußballtrainer von Beruf Lehrer war: «In meinem Leben hatte ich mehrheitlich gute Lehrer und Trainer – aber natürlich gab es auch schlechte. Von beiden konnte ich profitieren, doch habe ich von den schlechten fast mehr gelernt, da es für mich eindrückliche und abschreckende Erfahrungen waren. Ich wurde dadurch gewarnt und wollte ihre Fehler auf keinen Fall nachahmen» (Hitzfeld zit. in Berner & Isler 2009, S. 25).

Abbildung 2: Ottmar Hitzfeld (© Donat Bräm)

Ein guter Trainer ist ein Fußball-Lehrer

Für Ottmar Hitzfeld ist übrigens absolut klar, dass ein guter Trainer letztlich ein guter Lehrer ist – ein Fußball-Lehrer.

Literatur

Aebli, H. (1983). «Wo ein guter Lehrer am Werk ist, wird die Welt ein bisschen besser» – Hans Aebli zum 60. Geburtstag. Beiträge zur Lehrerbildung, 1 (2), S. 3–13.

Berner, H. (2006). Über-Blicke – Ein-Blicke. Pädagogische Strömungen durch vier Jahrzehnte. Bern: Haupt.

Berner, H. & Isler, R. (2009). Immer noch Lehrer! Portraits und Essays. Bern: Haupt.

Carlsburg, G.-B. von & Heitger, M. (Hrsg.) (2005). Der Lehrer – ein (un)möglicher Beruf. Frankfurt a. M.: Peter Lang.

Combe, A. & Kolbe, F.-U. (2004). Lehrerprofessionalität: Wissen, Können, Handeln. In W. Helsper & J. Böhme (Hrsg.), Handbuch der Schulforschung (S. 833–851). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Helmke, A. (2004). Unterrichtsqualität – erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.

Lipowsky, F. (2006). Auf den Lehrer kommt es an. Empirische Evidenzen für Zusammenhänge zwischen Lehrerkompetenzen, Lehrerhandeln und dem Lernen der Schüler. Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 51, S. 47–70.

OECD (2005). Teachers matter: Attracting, developing and retaining effective teachers. Paris: OECD Publications.

Rockoff, J. (2004). The Impact of Individual Teachers on Student Achievement: Evidence from Panel Data. American Economic Review, 94 (2), S. 247–252.

Sanders, W. & Rivers, J. (1996). Cumulative and Residual Effects of Teachers on Future Student Academic Achievement. Research Progress Report, University of Tennessee Value-Added Research and Assessment Center, Knoxville, Tennessee.

Kultusministerkonferenz KMK (2004). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der KMK vom 16.12.2004. Bonn: Sekretariat KMK.

Tenorth, H.-E. (2006). Professionalität im Lehrerberuf: Ratlosigkeit der Theorie, gelingende Praxis. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), S. 580–597.

Terhart, E. (2006). Was wissen wir über gute Lehrer? Pädagogik, 58 (5), S. 42–47.

Weinert, F. E. (1996). «Der gute Lehrer», «die gute Lehrerin» im Spiegel der Wissenschaft. Beiträge zur Lehrerbildung, 14 (2), S. 141–151.

Woolfolk, A. (2008). Pädagogische Psychologie. München: Pearson Studium.

Texte

1 Best-Practice-Lehrpersonen in der Deutschschweiz

1 Best-Practice-Lehrpersonen in der Deutschschweiz

Diese Studie, finanziert von Avenir Suisse, setzte sich zum Ziel, erfolgreiche Lehrpersonen zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurden die Leistungen von dritten Klassen verglichen, wobei Faktoren wie vorteilhafte sozioökonomische Zusammensetzung der Klasse oder großzügige Ressourcen mit statistischen Methoden korrigiert wurden. Die verbleibenden Unterschiede zwischen den Klassen konnten auf den Einfluss der Lehrperson zurückgeführt werden. In der Folge wurden fünfzehn der erfolgreichsten Lehrpersonen befragt, um zu verstehen, was sie anders oder besser machen. Mit dem hier wiedergegebenen Auszug beginnt das abschließende Kapitel «Die gute Lehrerin, der gute Lehrer».

< Die gute Lehrerin, der gute Lehrer

Die Analyse von Best Practice führte unweigerlich zu einem Bild der guten Lehrerin, des guten Lehrers. Ein erster Eindruck entstand, indem die Erklärungen für die Klassenergebnisse von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Lehrpersonen verglichen wurden. Verblüffend oft begründeten die erfolgreichen Lehrpersonen die guten Leistungen in Mathematik und Deutsch mit Unterrichtskonzepten, die im Zuge neuer Lernkulturen kaum an erster Stelle stehen. Die guten Leistungen wurden mit der vorhandenen Disziplin im Klassenzimmer erklärt. Üben wurde so häufig erwähnt, dass eine Renaissance der längst überholt geglaubten Paukerschule befürchtet werden musste.

Je länger die Diskussion über erfolgreichen Unterricht anhielt, desto mehr wurde dieser Eindruck korrigiert. Hier handelte es sich um Lehrpersonen, die sehr differenziert und mit meist klaren Vorstellungen über guten Unterricht diskutierten. In der Tat war es für die erfolgreichen Lehrpersonen keine Frage, dass die Lerninhalte eingehend gefestigt werden, dass kleinste Lernschritte immer wieder überprüft werden, dass der Unterricht in hochdeutscher Sprache erfolgt, dass klare Instruktionen und ein klarer Aufbau das A und O im Unterricht sind, dass Fertigkeiten und Automatismen eine Voraussetzung für höhere Verständnisleistungen sind, dass der Unterricht in ruhiger und respektvoller Atmosphäre stattfinden muss, dass Regeln das Zusammenleben erleichtern. Wahrlich keine Schlagwörter, die einem Werbeprospekt einer modernen Privatschule entstammen.

Erfolgreicher Unterricht ist mehr als die viel zitierte Variation der Unterrichtsmethoden. Die Lehrpersonen zeichnen sich eben gerade dadurch aus, dass sie gewisse Erkenntnisse der Lernpsychologie nicht an Unterrichtsmethoden oder Lernformen festbinden. Lernziele werden wenn immer möglich individuell ausgerichtet und vor allem regelmäßig überprüft, auch wenn der Unterricht durch lehrerzentrierte Instruktion erfolgt. Offene Unterrichtsmethoden schließen Strukturen nicht aus, sondern setzen sie voraus. Selbstständiges Lernen entbindet die Lehrpersonen nicht von der Instruktion, sondern verlangt klare Aufträge, Unterstützung und Kontrolle. Kooperatives Lernen findet nicht einfach dann statt, wenn Probleme zu zweit oder in Gruppen gelöst werden, sondern wenn die Kinder mit geschickten AufgabensteIlungen oder Anleitungen zur Kooperation hingeführt werden und eine gewinnbringende Interaktion ausgelöst wird. Die erfolgreichen Lehrpersonen zeigen ein differenziertes Verständnis moderner Unterrichtskonzepte – sind gewissermaßen Realisten, die nicht geneigt sind, pädagogischen Illusionen zu erliegen.

Realitätssinn ist das eine, Optimismus das andere. Erfolgreiche Lehrpersonen wissen, dass sie etwas bewirken können. In der Diskussion verschiedener Erklärungsansätze und Unterrichtskonzepte wird immer wieder das eigene Handeln thematisiert. Unterrichtsmethoden werden mit einer gewissen Distanz diskutiert, ebenso die Rahmenbedingungen. Gleich wie die Anwendung einer Methode nicht automatisch zum Lernerfolg führt, sind schwierige Rahmenbedingungen nicht a priori ein Hindernis für erfolgreichen Unterricht und dementsprechend gute Leistungen. Wichtig ist, wie Lehrpersonen damit umgehen, was sich kaum direkt erfragen oder beobachten lässt. Mithilfe der Delphi-Methode (ein zyklisches Verfahren der Befragung von Experten und Expertinnen) war es aber zumindest möglich, einer Eigenschaft erfolgreicher Lehrpersonen auf die Spur zu kommen:

Sie verfügen über eine aktive, optimistische, zuversichtliche und von Selbstwirksamkeit getragene Berufsauffassung, die ihnen hilft, auch in schwierigen Lagen dezidiert positive Seiten zu sehen. ›

Auszug aus: Moser, U. & Tresch, S. (2003). Best Practice in der Schule: von erfolgreichen Lehrerinnen und Lehrern lernen. Buchs: Lehrmittelvertrag des Kantons Aargau, S. 137–139 © 2003 Schulverlag plus AG.

2 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

2 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

In ihrem Artikel zum Thema professionelle Kompetenz von Lehrpersonen stellen Jürgen Baumert und Mareike Kunter ein Modell professioneller Handlungskompetenz vor, beschreiben Wissen und Können von Lehrpersonen als Kern der Professionalität, resümieren die wichtigsten Befunde der Expertiseforschung und weisen auf den hohen Stellenwert der eigenen schulischen Erfahrungen hin.

< Wissen und Können: Kern der Professionalität

Es besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass Wissen und Können – also deklaratives, prozedurales und strategisches Wissen – zentrale Kompetenzen der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften darstellen.

Hinsichtlich der Topologie von Wissensdomänen hat sich ein Vorschlag von Shulman (1986) weitgehend durchgesetzt: Shulman unterschied zunächst allgemeines pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge), Fachwissen (subject matter content knowledge), fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) und Wissen über das Fachcurriculum (knowledge of educational context) sowie erziehungsphilosophisches, bildungstheoretisches und bildungshistorisches Wissen.

Facetten generischen pädagogischen Wissens und Könnens:

1.Konzeptuelles bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen

•Erziehungsphilosophische, bildungstheoretische und historische Grundlagen von Schule und Unterricht

•Theorie der Institution

•Psychologie der menschlichen Entwicklung, des Lernens und der Motivation

2.Allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen

•Metatheoretische Modelle der Unterrichtsplanung

•Fachübergreifende Prinzipien der Unterrichtsplanung

•Unterrichtsmethoden im weiten Sinne

3.Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten

•Inszenierungsmuster von Unterricht

•Effektive Klassenführung (classroom management)

•Sicherung einer konstruktiv-unterstützenden Lernumgebung

4.Fachübergreifende Prinzipien des Diagnostizierens, Prüfens und Bewertens ›

Literatur

Shulman, L. S. (1986). Those who understand: knowledge growth in teaching. Educational Researcher, 15 (2), S. 4–14.

Auszug aus: Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), S. 469–520, hier: S. 484 f. © Springer Verlag.

< Wichtigste Befunde der Expertiseforschung

Die wichtigsten Befunde der Expertiseforschung lassen sich folgendermaßen resümieren:

•Expertise in Professionen ruht auf dem Fundament theoretisch-formalen Wissens, das in der Regel in akademischen Kontexten erworben wird. Im Lehrerberuf ist das konzeptuelle Verständnis des Vermittlungsgegenstandes ein zentrales Moment pädagogischer Könnerschaft. Von praktischer Expertise als wirklichem Können spricht man aber erst dann, wenn das erfahrungsbasierte Wissen und das Fachwissen in neuer Form integriert sind.

•Die Entwicklung von Expertise ist von systematischer und reflektierter Praxis über einen langen Zeitraum hinweg abhängig.

•Während ihrer Entwicklung ist sie auf Vorbilder, Coaching und diskursive Rückmeldung angewiesen.

•Mit wachsender Kompetenz gewinnen Selbstregulationsprozesse an Bedeutung.

•Expertise hängt schließlich von einem Streben nach Selbstvervollkommnung ab, das für die motivationale Dynamik über lange Zeiträume hinweg sorgen kann.

Der hohe Stellenwert der eigenen schulischen Erfahrungen

Angesichts der Stabilität von epistemologischen Überzeugungen und subjektiven Theorien, die sich oftmals gegenüber Interventionen veränderungsresistent erweisen, wurde thematisiert, inwieweit wissens- und lernbezogene Überzeugungen von Lehrkräften bereits im Rahmen der eigenen Schulerfahrungen ausgebildet werden. Allein aufgrund der Länge der eigenen Schulerfahrungen – so eine Vermutung – könnten sich diese Überzeugungssysteme derartig verfestigen, dass die theoretische Beschäftigung und einführende Praxis während der Lehrerausbildung wirkungslos bleiben müssten. ›

Auszug aus: Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), S. 469–520, hier: S. 506 © Springer Verlag.

Kommentierte Literaturhinweise

Kommentierte Literaturhinweise

Baumert, Jürgen & Kunter, Mareike (2006)

Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), S. 469–520.

In diesem Artikel werden unterschiedliche Positionen dargestellt und danach befragt, welchen Beitrag sie zu einem besseren theoretischen Verständnis der Kernaufgabe von Lehrpersonen leisten, nämlich Unterricht zu erteilen und verständnisvolles Lernen von Schülerinnen und Schülern systematisch anzubahnen und zu unterstützen. Anschließend wird ein allgemeines Modell der Handlungskompetenz von Lehrpersonen vorgestellt, das es erlaubt, empirische Befunde zur Qualifikation, professionellen Kompetenz und Persönlichkeit von Lehrpersonen in ihrer Bedeutung für Unterricht und Lernen zu ordnen und theoriebezogen zu diskutieren.

Berner, Hans & Isler, Rudolf (2009)

Immer noch Lehrer! Portraits und Essays. Bern: Haupt.

In diesem Buch werden zwanzig engagierte Persönlichkeiten, die auf verschiedene Weise einen engen Bezug zu Lehrberufen haben, porträtiert. Es handelt sich um öffentlich bekannte Personen wie Ottmar Hitzfeld oder Ernst Mühlemann und unbekannte Lehrpersonen mit ganz unterschiedlichen Biografien. Sie erzählen von ihrer Faszination für den Lehrberuf, aber auch von Sinnkrisen und Zweifeln, von guten und weniger guten Jahren im Beruf. Das Buch zeigt, dass gute Lehrpersonen mit einer kreativen und authentischen Erfahrung für Kinder und Jugendliche und für die Schule lebenswichtig sind.

Kultusministerkonferenz KMK (2004)

Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der KMK vom 16.12.2004. Bonn: Sekretariat KMK.

Mit den Standards für die Lehrerbildung hat die Kultusministerkonferenz die Anforderungen definiert, die die Lehrerinnen und Lehrer erfüllen sollen. Die Standards beschreiben Anforderungen an das Handeln von Lehrpersonen. Sie beziehen sich auf Kompetenzen und somit auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrperson zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügt. Die Aufteilung erfolgt in die vier Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren. Diese umfassen insgesamt elf Kompetenzen.

Lipowsky, Frank (2006)

Auf den Lehrer kommt es an: Empirische Evidenzen für Zusammenhänge zwischen Lehrerkompetenzen, Lehrerhandeln und dem Lernen der Schüler. Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 51, S. 47–70.

In diesem Übersichtsbeitrag stellt Frank Lipowsky dar, welche empirischen Evidenzen sich zur Stützung der These «Es kommt auf den Lehrer an!» finden lassen und welche Lehrermerkmale sich in bisherigen Studien als Prädiktoren für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern identifizieren ließen.

Tenorth, Heinz-Elmar (2006)

Professionalität im Lehrerberuf: Ratlosigkeit der Theorie, gelingende Praxis. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), S. 580–597.

In diesem Artikel setzt sich der Autor mit der Diagnose auseinander, dass die aktuell in der deutschen Diskussion dominierenden Theorien des Lehrerberufs, der pädagogischen Profession und ihrer Professionalität ihre eigenen gravierenden Schwächen haben. Er tut das in vier Schritten: erstens im Blick auf die Urheber der Behauptung, dass der Lehrerberuf ein «unmöglicher» Beruf sei, zweitens im Blick auf die Annahmen und Unterstellungen über die Kernaufgabe des Bildungssystems und der Lehrer in Professionstheorien und drittens im Blick auf die Annahme, es gebe weder Wissen noch eine Technologie für diese Aufgabe. Im vierten Schritt zieht Tenorth die Schlussfolgerung, dass es keinen Grund gebe, der Metaphorik der «Unmöglichkeit» und des «Technologiedefizits» weiterhin zu frönen: Der Lehrerberuf bleibt schwierig, aber er ist mit einem professionstheoretisch klar zu bezeichnenden Handlungsrepertoire zu bewältigen, und man kann lernen, die Arbeit besser oder schlechter zu machen.

Terhart, Ewald (2006)

Was wissen wir über gute Lehrer? Pädagogik, 58 (5), S. 42–47.

In seinem Beitrag zur «Pädagogik»-Serie «Bildungsforschung und Schule» gibt Ewald Terhart Antworten auf brisante Fragen wie «Was kennzeichnet erfolgreiche Lehrerinnen und Lehrer?», «Welche Bedingungen braucht eine Lehrperson, um gut sein zu können?», «Was leistet die Lehreraus- und -fortbildung?», «Was soll mit schlechten Lehrpersonen geschehen?».

Weinert, Franz E. (1996)

«Der gute Lehrer», «die gute Lehrerin» im Spiegel der Wissenschaft: Was macht Lehrende wirksam, und was führt zu ihrer Wirksamkeit? Beiträge zur Lehrerbildung, 14 (2), S. 141–151. Online unter www.bzl-online.ch.

In diesem Artikel beantwortet Franz E. Weinert aus der Sicht der pädagogisch-psychologischen Forschung Fragen wie «Was macht Lehrende wirksam, und was führt zu ihrer Wirksamkeit?», «Gibt es ‹den guten Lehrer›, ‹die gute Lehrerin› überhaupt, und, wenn ja, wodurch lassen sie sich charakterisieren?», «Sind bestimmte Persönlichkeitsmerkmale entscheidend, spielen wirksame Lehrtechniken die dominierende Rolle, oder geht es bevorzugt um die professionalisierte Unterrichtsexpertise?»

Kapitel 2 Unterricht beobachten – Feedback geben – reflektieren

Unterrichtsbeobachtung hat in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern einen besonderen Stellenwert – sie bildet einen Königsweg zur Beschreibung und Bewertung des Unterrichts.

Beobachten ermöglicht, die Selbstverständlichkeiten und Besonderheiten des Handelns von Lehrpersonen bewusst zu machen. Über die Bereitschaft des aktiven Beobachtens hinaus braucht es den «fremden», infrage stellenden Blick für das Besondere des Unterrichtsgeschehens und professionelles Wissen über Unterricht.

Beim Feedback sind drei voneinander zu unterscheidende Empfangsvorgänge wichtig: wahrnehmen – interpretieren – fühlen. Wahrnehmen heißt etwas sehen oder hören, interpretieren das Wahrgenommene mit einer Bedeutung versehen, fühlen auf das Wahrgenommene und Interpretierte mit einem eigenen Gefühl antworten.

Reflektieren können ist für Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung. Es ermöglicht, sich selbst kritisch zu beobachten, eigene Kräfte und Kompetenzen realistisch einzuschätzen und konstruktive Formen der Bewältigung von Belastungen zu finden. Reflexionskompetenz ermöglicht Verbindungsleistungen zwischen theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung: Durch Reflexion kann Theoriewissen eine handlungsbestimmende Kraft entfalten.

 

Basics

Texte

 

Basics

HANS BERNER Unterricht beobachten

HANS BERNER

Differenziertes Nachdenken über Unterricht

In diesem Kapitel geht es um differenziertes Nachdenken über Unterricht – und über sich selbst als Unterrichtende. Es geht also nicht primär um die Schülerinnen und Schüler, sondern um die (angehenden) Lehrpersonen in ihrer Professionalisierung auf ihren Beruf.

 

Dazu eignen sich drei Formen:

•Beobachten meint Mitstudierende und sich selbst beobachten und beobachten lassen.

•Feedback wird in diesem Kapitel primär verstanden als Feedback von Studierenden untereinander oder von Lehrpersonen respektive Mentorinnen und Mentoren an Studierende. Feedback von Schülerinnen und Schülern gehört dazu. Nicht thematisiert wird in diesem Kapitel individuelles Feedback an Schülerinnen und Schüler, das in Kapitel 6 «Lernprozesse begleiten» wichtig ist.

•Reflektieren bedeutet in diesem Kontext: das eigene und gemeinsame professionelle Nachdenken über Lehren und Unterricht im weitesten Sinne sowie das Ziehen von Konsequenzen aus diesem professionellen Nachdenken.

Unterricht beobachten

Unterrichtsbeobachtung hat in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen zweifellos einen besonderen Stellenwert. Für Andreas Helmke ist die Beobachtung der Königsweg zur Beschreibung und Bewertung des Unterrichts. Denn: Keine andere Methode hat ein solches Potenzial für eine differenzierte Unterrichtsbeurteilung, und kein anderes Verfahren kann die Abfolge zeitlicher Sequenzen und Muster so gut berücksichtigen (vgl. Helmke 2009, S. 288).

Freie Unterrichtsbeobachtungen …

Im Schulfeld hat die Methode einer völlig freien Beobachtung des Unterrichts Tradition. Das Ergebnis dieser Beobachtungen wird in einer narrativen Beschreibung des Unterrichtsverlaufs und einer persönlichen Einschätzung der Qualität vermittelt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Die Beobachtenden werden nicht eingeengt. Der Nachteil ist ebenso klar: Der Fokus der Beobachtung ist weitgehend subjektiv – ebenso wie die Form der Ergebnisformulierungen (vgl. ebd.).

… und Rating-Verfahren

Am entgegengesetzten Ende des Spektrums bezüglich Strukturiertheit der Unterrichtsbeobachtung finden sich sogenannte Rating-Verfahren, bei denen inhaltliche Kategorien und quantitative Antwortschemata vorgegeben sind. Dieses Werkzeug der Unterrichtsbeobachtung wird für externe Evaluationen von Schulen angewendet und umfasst sowohl einen kategorienbasierten Rating-Bogen mit einzelnen Aussagen als auch einen Anhang, in dem die Bedeutung der Items durch typische Beispiele veranschaulicht wird.

Selbstverständlich gibt es zwischen diesen beiden Polen in Bezug auf Strukturierung verschiedene Zwischenformen: Beobachtungsvorgabe durch Leitbegriffe oder Basisdimensionen, durch die Unterrichtenden im Voraus bestimmte persönlich bedeutsame Beobachtungsschwerpunkte oder zu Ausbildungszwecken festgelegte, besonders zu übende Aspekte. Verbreitet sind auch Checklisten, mit denen ein kleiner ausgewählter Ausschnitt beobachtet wird (z. B. die Häufigkeit der Lehrerfragen oder das Verhältnis von Sprechanteil der Lehrperson und der Schülerinnen und Schüler).

Auftragsbezogenes Beobachten und datengestütztes Reflektieren

Eine besonders geeignete Form der Unterrichtsbeobachtung ist die Methode des auftragsbezogenen Beobachtens und datengestützten Reflektierens, die in vier Schritten die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Praxislehrpersonen strukturiert und eine «reflection-on-action» ermöglicht.

 

1.Beobachtungsauftrag erteilen

Die Studierenden formulieren für die Praxislehrperson vor dem Unterricht einen Beobachtungsauftrag. Dieser gewährleistet, dass die Praxislehrperson Aspekte im Unterricht fokussiert, die die Studierenden zurzeit beschäftigen. Sind Studierende unsicher, was sie beobachten lassen sollen, unterstützt die Praxislehrperson mit geeigneten Vorschlägen.

 

2.Auftragsbezogen beobachten und protokollieren

Die Praxislehrperson entscheidet vor der Unterrichtsbeobachtung, wie sich die vereinbarten Aspekte am besten beobachten und festhalten lassen. Während des Unterrichts protokolliert sie, ohne zu werten.

 

3.Datengestützt reflektieren

Als Grundlage für die Nachbesprechung dient das Beobachtungsprotokoll. Die Studierenden äußern sich zu den erhobenen Daten sowie zu ihren Erlebnissen. Es entwickelt sich ein Gespräch, in dem die Praxislehrperson die Studierenden beim Reflektieren unterstützt. Ziel des Gesprächs ist, dass die Studierenden die Wirkung ihres Handelns wahrnehmen, ihr Vorgehen begründen, Probleme erkennen und Handlungsalternativen in Betracht ziehen.

 

4.Reflexion schriftlich festhalten

Unmittelbar nach der Nachbesprechung halten die Studierenden die wichtigsten Ergebnisse schriftlich fest. Insbesondere formulieren sie Handlungsvorsätze für den kommenden Unterricht.Vgl. von Felten (2011)

 

Stellenwert des Modelllernens

Seit über dreißig Jahren geht man in der Lernpsychologie davon aus, dass es ein «Modelllernen» gibt, und in vielen Studien ist das Lernen am Modell erforscht worden (vgl. z.B. Bandura 1976). Übertragen auf die Lehrer- und Lehrerinnenbildung, haben Studierende Tausende von Stunden Gelegenheit gehabt, an Modellen (ihren bisherigen Lehrerinnen und Lehrern) zu lernen. Alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer haben einen langen Lernprozess hinter sich, bevor sie zum ersten Mal als Lehrperson vor einer Klasse stehen. Das Handeln von angehenden und erfahrenen Lehrpersonen ist (wie in Kapitel 1 dargelegt) in starkem Maße in biografisch aufgeschichteten Deutungsbeständen verwurzelt. Durch aktives Beobachten können den Studierenden Selbstverständlichkeiten und Besonderheiten des schulischen Alltags bewusst werden. Wenn sie erkennen, was sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern gelernt haben (und zwar bewusst und unbewusst), können sie ihr eigenes Handeln besser verstehen und weiterentwickeln.

 

Werkzeuge des Sehens

Wer interessiert und aktiv Unterricht beobachtet, sieht meistens nichts Besonderes, und es kann sein, dass man sich gelegentlich in wenig inspirierende Lektionen aus der eigenen Schulzeit zurückversetzt fühlt. Über die Bereitschaft des aktiven Beobachtens hinaus braucht es den Blick für das Besondere des Unterrichtsgeschehens und professionelles Wissen über Unterricht.

•«Fremder Blick» für das Besondere des UnterrichtsgeschehensBeobachtende müssen die Bereitschaft und das Interesse haben, alles infrage zu stellen: Muss das so sein? Ist es normal, dass jetzt dies oder jenes getan wird? Wie ginge es mir an der Stelle der Schülerinnen und Schüler?

•Professionelles Wissen über UnterrichtGefordert ist vielfältiges professionelles Wissen: lernpsychologisches Wissen, Wissen über Aufnehmen, Verarbeiten und Gedächtnis, didaktisches Wissen, Fachwissen zum Inhalt der Lektion, Wissen über Motivation und soziale Prozesse usw. Dieses Wissen vermittelt den Beobachtenden «Werkzeuge des Sehens».

Feedback geben

Feedback geben

Nach der Phase des Beobachtens ist es sinnvoll, dass die Hospitierenden ein nützliches und qualitativ hochstehendes Feedback geben. Damit dies weder zu einem kollegialen Schulterklopfen mit undifferenziert lobenden Worten noch zu gegenseitigen Missverständnissen und Verletzungen führt, ist eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen eines unterstützenden Feedbacks gefordert.

 

Die Aussage des Kybernetikers Norbert Wiener: «Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, solange ich nicht die Antwort darauf gehört habe» (Wiener, zit. nach Langmaack & Braune-Krickau 2010, S. 148), weist auf die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikation hin – und auf die Bedeutung der Rückkoppelung für unser Lernen und unsere Entwicklung. Ein angemessenes Verhalten gegenüber anderen können wir lernen, wenn wir die Auswirkungen unseres eigenen Verhaltens auf andere beachten und bereit sind, die entsprechenden Signale zu nutzen (vgl. ebd.).

Wichtig ist, unsere inneren Reaktionen auf empfangene Nachrichten zu beachten. Das, was die Nachricht «anrichtet», richtet die Empfängerin oder der Empfänger teilweise selbst an. Die innere Reaktion auf eine Nachricht erweist sich als Produkt der Wechselwirkung zwischen der gesendeten Nachricht und dem momentanen, psychischen Zustand der Empfängerin oder des Empfängers.

Etwas wahrnehmen – etwas interpretieren – etwas fühlen

Nach Friedemann Schulz von Thun (2001) können drei Empfangsvorgänge unterschieden werden:

•Wahrnehmen heißt: etwas sehen oder hören (z. B. einen Blick, eine Frage).

•Interpretieren heißt: das Wahrgenommene mit einer Bedeutung versehen (z. B. den Blick als abfällig deuten oder die Frage als Kritik auffassen). Diese Interpretation kann richtig oder falsch sein.

•Fühlen heißt, auf das Wahrgenommene und Interpretierte mit einem eigenen Gefühl antworten, wobei der eigene seelische Grundzustand mit darüber entscheidet, was für ein Gefühl ausgelöst wird (z. B. Wut angesichts des abfälligen Blicks). Dieses Gefühl unterliegt nicht der Beurteilung «richtig» oder «falsch», sondern ist eine Tatsache.

 

 

Ein Beispiel

Eine Frau erzählt ihrem Mann über eigene Pläne. Als er ein wenig die Stirne runzelt, entgegnet sie: «Nun mach doch nicht gleich wieder ein so angewidertes Gesicht.»

Ihre Rückmeldung ist ein Verschmelzungsprodukt aus Wahrnehmung (Stirnrunzeln), Interpretation («Er missbilligt meinen Plan») und eigenem Gefühl (Wut, Enttäuschung).

Innerer Dreischritt: Der Empfänger soll sich im Klaren darüber werden, dass seine Reaktion immer seine Reaktion ist – mit starken eigenen Anteilen.

«Ich sehe, wie du die Stirn runzelst.»

«Ich vermute, mein Vorhaben passt dir nicht.»

«Ich bin enttäuscht und verärgert, weil ich mir Unterstützung erhofft hätte.»

 

Und er (der Empfänger) sieht Ansatzpunkte, diese eigenen Anteile gegebenenfalls zu überprüfen: «Du runzelst die Stirn – passt dir das nicht, was ich vorhabe?»

Jetzt kann er bestätigen («Ja, mir kommen gewisse Bedenken, …») oder korrigieren («Doch – mir fiel nur gerade ein, dass wir dazu das Auto brauchen und ich noch keinen Inspektionstermin habe») oder auch sich selbst infrage stellen («Das Stirnrunzeln war mir gar nicht bewusst – ja, vielleicht bin ich etwas enttäuscht, dass du nicht vorher …»)

Vgl. Schulz von Thun (2001), S. 69–75

 

 

Johari-Fenster – ein hilfreiches Instrument

Dieses Instrument verdeutlicht, dass sich Fremd- und Selbstwahrnehmung in weiten Bereichen nicht entsprechen. Das, was eine Person von ihrem Verhalten jeweils wahrnimmt, ist nur ein Bruchteil dessen, was für sie in einer sozialen Situation Bedeutung hat. Andererseits vermögen Drittpersonen nicht zu erkennen, was wir selbst nicht preisgeben wollen.

Mithilfe der Feedbackmethode versuchen wir, das Bild, das wir von uns selbst machen, dank der Wahrnehmung durch Dritte in Bereiche zu erweitern, die uns sonst verborgen blieben.

•Ein Feedback ermöglicht den Vergleich von Selbstbild mit Fremdbild.

•Reflexion dank Feedback ermöglicht Arbeit am «blinden Fleck» und die Vergrößerung des «öffentlichen Bereichs».

 

Nehmen wir Feedbacks ernst, können wir unser Selbstbild mit fremden Rückmeldungen vergleichen und dadurch erweitern, den «öffentlichen Bereich» auf Kosten des «blinden Flecks» ausdehnen.

Feedback schafft ein vertrauensvolles Klima, was uns erlaubt, mehr von uns preiszugeben und den privaten, anderen nicht bekannten Teil zu verkleinern.

Abbildung 3: Johari-Fenster (nach Luft 1989, S. 25)

Der öffentliche Bereich umfasst die Aspekte unseres Verhaltens, die uns selbst und den anderen bekannt sind. Hier handeln wir frei und unbeeinträchtigt von Ängsten und Vorbehalten.

Der blinde Fleck umfasst den Anteil unseres Verhaltens, den wir selbst wenig, die anderen Mitglieder der Gruppe dagegen recht deutlich wahrnehmen. Es sind die unbedachten und unbewussten Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die Vorurteile, Zu- und Abneigungen. Hier können uns die anderen Hinweise geben.

Der private Bereich umfasst jene Aspekte unseres Denkens und Handelns, die wir vor anderen bewusst verbergen. Durch Sicherheit und Vertrauen zu anderen kann dieser Bereich verkleinert werden. Vgl. Luft (1989), S. 24–28

Der unbewusste Bereich ist weder uns noch anderen unmittelbar zugänglich. Verborgene Talente und ungenützte Begabungen sind Beispiele hierfür.

Feedback von Schülerinnen und Schülern

Es gibt einen breiten Konsens, dass Unterrichtsfeedback von Schülerinnen und Schülern nützlich und wichtig ist und dass die «Kundinnen und Kunden» der Lehrenden ernst genommen werden und als wichtige Informanten eingeschätzt und geschätzt werden: «Für eine Befragung von Schülern spricht u. a. ihre Langzeiterfahrung mit Schule, Unterricht und Lehrkräften. Schüler kennen Lehrkräfte sowohl im Vergleich mehrerer Fächer als auch im Vergleich über die Schulzeit hinweg. Ihre Aussagen können sich auf Wahrnehmungen über einen längeren Zeitraum und auf die Erfahrungen in unterschiedlichen Situationen stützen» (Ditton 2002, S. 263). Bessoth und Weibel sprechen in ihrem Buch «Unterrichtsqualität an Schweizer Schulen» Klartext: «Die Reputation von Befragungen von Schülerinnen und Schülern ist nach allen vorliegenden Forschungen höher als die Zensurengebung durch die Lehrenden. Das heißt, den Einschätzungen der ‹Klienten› kann mehr Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) zugebilligt werden als der Notengebung, die ja individuell erfolgt. […] Obwohl viele Lehrende glauben machen wollen, dass ihre Schülerinnen und Schüler, und insbesondere die ganz jungen, keine konsistenten Urteile über Lehrpersonen und deren Unterricht aufgrund ihrer fehlenden Reife, ihrer mangelnden Erfahrung und Sprunghaftigkeit fällen können, zeigen die bis in die 1920er-Jahre zurückreichenden Forschungen genau das Gegenteil: Die Urteile der Lernenden waren von Jahr zu Jahr stabiler» (Bessoth & WeibeI 2000, S. 74).

Selbstverständlich hat Schülerfeedback auch seine Grenzen: Schülerinnen und Schüler können die fachliche und didaktische Kompetenz kaum beurteilen. Es ist zudem oft unklar, welchen Maßstab die Schülerinnen und Schüler anwenden (z. B. den Vergleich mit dem Unterricht anderer Lehrpersonen). Möglich ist auch, dass die Rückmeldungen durch negative oder positive Aufwertungen der Lehrperson verzerrt sind (vgl. Helmke 2009, S. 282 f.).

Reflektieren

Reflektieren

Für Weiterentwicklungen im Sinne einer Professionalisierung im Lehrberuf ist es unabdingbar, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihr eigenes Handeln immer wieder kritisch hinterfragen und in Verbindung mit neuen Erkenntnissen differenziert reflektieren.

Wir sehen nicht, was wir nicht sehen, und was wir nicht sehen, existiert nicht

Diese Erkenntnis in der Randspalte, die Humberto Maturana und Francisco Varela gegen Ende ihres Buches «Der Baum der Erkenntnis» formuliert haben, hat für den Lehrberuf eine besondere Bedeutung. Auch die weiterführende Erkenntnis von Maturana und Varela, «Tradition ist nicht nur eine Weise zu sehen und zu handeln, sondern auch eine Weise zu verbergen», ist für eine Auseinandersetzung mit pädagogischem Handeln höchst bedeutsam: Tradition steht für die gewohnten subjektiven Alltagstheorien, die einerseits pädagogisches Sehen ermöglichen und andererseits verunmöglichen. «Eine Tradition basiert auf all jenen Verhaltensweisen, die in der Geschichte eines sozialen Systems selbstverständlich, regelmäßig und annehmbar geworden sind. Und da die Erzeugung dieser Verhaltensweisen keiner Reflexion bedarf, fallen sie uns erst auf, wenn sie versagen. An diesem Punkt setzt dann die Reflexion ein» (Maturana & Varela 1987, S. 260 f.).

«reflection-in-action» und «reflection-on-action»