Die Abenteuer des Huckleberry Finn - Mark Twain - E-Book

Die Abenteuer des Huckleberry Finn E-Book

Mark Twain

0,0
0,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Überarbeitete Fassung mit 153 Zeichnungen Das 1884 erstmals veröffentlichte Buch beschreibt die Flucht des aus "Tom Sawyers Abenteuer" bekannten jungen Außenseiters Huckleberry Finn vor seinem Vater. Gemeinsam mit dem entflohenen Sklaven Jim begibt er sich auf eine Reise entlang des Mississippis. Sie müssen sich mit Betrügern, Puritanern und Rassisten auseinandersetzen. Schließlich triff Huckleberry Finn auch seinen alten Freund Tom Sawyer wieder, der ihn zu einem weiteren aberwitzigen Abenteuer überredet. Das Buch liefert eine ergreifende Beschreibung der Menschen und Orte am Ufer des Mississippi und gibt Einblick in die Verhaltensweisen dieser Zeit. So werden insbesondere Rassismus und Sklaverei in der amerikanischen Gesellschaft vor dem amerikanischen Bürgerkrieg thematisiert. Jeder sollte diesen Klassiker der Kinderbuchliteratur einmal gelesen haben. Null Papier Verlag

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 458

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mark Twain

Die Abenteuer des Huckleberry Finn

mit 153 illustrationen

Mark Twain

Die Abenteuer des Huckleberry Finn

mit 153 illustrationen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Illustrationen: Edward Winsor KembleÜbersetzung: Henriette Koch 2. Auflage, ISBN 978-3-954181-40-7

www.null-papier.de/huckleberry

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel – Huck soll »ste­vi­li­siert« wer­den – Mo­ses in den »Schil­fern« – Mik Wat­son – Tom Sa­wyer war­tet.

Zwei­tes Ka­pi­tel – Die Jun­gen ent­wi­schen. – Jim! – Tom Sa­wyers Räu­ber­ban­de. – Fin­stre Plä­ne!

Drit­tes Ka­pi­tel – Eine or­dent­li­che Straf­pre­digt. – Die Gna­de tri­um­phiert. – Die Räu­ber. – Die Dä­mo­nen. – »Eine von Toms Lü­gen!«

Vier­tes Ka­pi­tel – »Lang­sam aber si­cher.« – Huck und der Kreis­rich­ter. – Aber­glau­be.

Fünf­tes Ka­pi­tel – Hucks Va­ter. – Der zärt­li­che Ver­wand­te. – Be­keh­rung.

Sechs­tes Ka­pi­tel – Der Alte geht zum Kreis­rich­ter. – Huck ent­schließt sich Reiß­aus zu neh­men. – Ernst­haf­tes Nach­den­ken! – Po­li­ti­sches. – Nächt­li­che Lust­bar­keit.

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Auf dem An­stand. – In die Hüt­te ein­ge­schlos­sen. – Vor­be­rei­tung zur Flucht. – Ver­sen­ken der Lei­che. – Ein neu­er Plan. – Ruhe.

Ach­tes Ka­pi­tel – Schla­fen im Wal­de. – Au­fer­we­ckung der To­ten. – Auf der Wacht! – Ex­pe­di­ti­on ins Inn­re der In­sel. – Ru­he­lo­se Nacht. – Jim er­scheint. – Jims Flucht. – Schlim­me An­zei­chen. – »Das ein­bei­ne­ri­ge Nig­ger.« – »Balam.«

Neun­tes Ka­pi­tel – Die Höh­le. – Das schwim­men­de Haus. – Rei­che Beu­te.

Zehn­tes Ka­pi­tel – Der Fund. – Va­ter Bun­ker. – Ver­klei­det.

Elf­tes Ka­pi­tel – Huck und die Frau. – Nach­for­schun­gen. – Aus­flüch­te. – »Ich will nach Goh­sen!« – »Jim, Jim, sie sind hin­ter uns her!«

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Lang­sa­me Fahrt. – Ge­lie­he­ne Din­ge. – Be­stei­gung des Wrack. – Die Ver­schwö­rer. – »Das ist un­mo­ra­lisch!« – Jagd nach dem Boot.

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Flucht aus dem Wrack. – Der Wäch­ter an der Fäh­re. – Un­ter­gang. – Ge­sun­der Schlaf.

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Ge­lehr­te Un­ter­hal­tun­gen. – Der Ha­rem. – Fran­zö­sisch.

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Huck ver­liert das Floß aus Sicht. – Im Ne­bel. – Wie­der­fin­den. – Träu­me. – Un­rat!

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Er­war­tung. – »Gute, alte Kai­ro!« – Eine Not­lü­ge. – Kai­ro ver­fehlt! – Wir schwim­men ans Ufer! –

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel – Jim fin­det sich wie­der. – Floß zu­rück­ge­won­nen. – Neue Ka­me­ra­den! – Der Her­zog von So­mer­set. – Kö­nig­li­ches Schick­sal. – Eine Ge­bets­ver­samm­lung. – Der Wolf un­ter den Scha­fen.

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel – Sha­ke­s­pea­res Wie­der­auf­le­ben. – Das kgl. Non plus ul­tra. – Aus der Sch­lin­ge ge­zo­gen.

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel – Jim als Ara­ber. – Pas­tor Alex­an­der Blod­gett zieht Er­kun­di­gun­gen ein. – Neue Plä­ne. – Fa­mi­li­en-Trau­er. – Die Erb­schaft. – Rüh­ren­de Groß­mut.

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Huck bringt das Geld bei­sei­te. – Selt­sa­mes Ver­steck. – Trau­er­fei­er­lich­kei­ten. – Zur Erde be­stat­tet.

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – To­ta­ler Aus­ver­kauf. – Ent­deck­ter Ver­lust. – Mary Jane ent­schließt sich zum Fort­ge­hen. – Huck nimmt Ab­schied von ihr. – Mumms.

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Wel­che sind die Rech­ten? – Hand­schrif­ten. – pro­be. – Tät­to­wie­ren. – Die Lei­che wird aus­ge­gra­ben. – Fort! – Be­frei­ung vom kö­nig­li­chen Jo­che. – Jim wird ver­scha­chert.

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Jim fort! – Alte Erin­ne­run­gen. – Phel­ps Sä­ge­müh­le. Eine Ver­wechs­lung. – In der Klem­me.

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ein Nig­ger-Dieb. – Süd­li­che Gast­freund­schaft. – »Er un­ver­schäm­ter jun­ger Fle­gel!« – Ein dau­er­haf­tes Ge­bet.

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Die ein­zeln ste­hen­de Hüt­te. – Schänd­lich! – Der Blitz­ab­lei­ter als Be­för­de­rungs­mit­tel. – Eine ganz ein­fa­che Sa­che. – Wie­der die He­xen und Geis­ter.

Sechs­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Gut durch­ge­schlüpft! – Schwar­ze Plä­ne. – Ge­wandt­heit im Steh­len. – Ein tie­fes Loch.

Sie­ben­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Der Blitz­ab­lei­ter. – Sein Bes­tes. – Ein Ver­mächt­nis an die Nach­welt. – Löf­fel steh­len. – Un­ter den Hun­den. – Eine hohe Sum­me!

Acht­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Das letz­te Hemd. – Jagd nach dem Ver­lo­re­nen. – Die Zau­ber­pas­te­te.

Neun­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Das Wap­pen. – Ein ge­schick­ter Auf­se­her. – Un­will­kom­me­ner Nachruhm. – Ein reui­ger Sün­der.

Drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Rat­ten. – Leb­haf­te Bett­ge­nos­sen. – Die Stroh­pup­pe.

Ein­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Das Floß. – Si­cher­heits­ko­mi­tee. – Ein Dau­er­lauf. – Jim rät zum Arzt.

Zwei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Der Dok­tor. – On­kel Si­las. – Schwes­ter Hot­ch­kiß. – Tan­te Sal­ly in Nö­ten.

Drei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Tom Sa­wyer ver­wun­det. – Die Er­zäh­lung des Dok­tors. – Jim pro­fi­tiert et­was. – Tom beich­tet. – Tan­te Pol­ly kommt. – »Brie­fe her­aus!«

Vierund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Aus der Ge­fan­gen­schaft be­freit. – Der Ge­fan­ge­ne wird be­lohnt. – Ganz er­ge­benst Huck Finn!

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

die Neu­er­schei­nun­gen aus dem Pro­gramm

Neu­ig­kei­ten über un­se­re Au­to­ren

Vi­deos, Lese- und Hör­pro­ben

at­trak­ti­ve Ge­winn­spie­le, Ak­tio­nen und vie­les mehr

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Erstes Kapitel – Huck soll »stevilisiert« werden – Moses in den »Schilfern« – Mik Watson – Tom Sawyer wartet.

Ken­nen tut ihr mich wohl noch nicht, muss mich also selbst vor­stel­len und noch ganz ge­schwind er­zäh­len, was ich bis jetzt al­les er­lebt habe. Viel ist’s frei­lich nicht, das weiß ich selbst, aber da mein gu­ter Freund Tom Sa­wyer1 viel da­bei vor­kommt und Tom ein sol­cher Held und Haupt­kerl ist, auf den ich furcht­bar stolz bin, so den­ke ich, will ich’s doch ein­mal pro­bie­ren. Also ich bin der Huck­le­ber­ry Finn, ei­gent­lich im­mer kurz­weg Huck ge­nannt. Mei­ne Mut­ter, wenn ich je eine hat­te, habe ich nie ge­kannt und mein Va­ter ist sei­nes Zei­chens der Trun­ken­bold der Stadt, der eben Gott sei Dank viel aus­wärts ist, aber im­mer ab und an ein­mal auf­taucht, wo­bei dann stets mein Rücken sein blau­es Wun­der er­lebt. Jetzt ist er schon seit ge­rau­mer Wei­le ver­schwun­den, aber das Geld, fürcht’ ich, wird ihn bald her­lo­cken, wie der Ho­nig die We­s­pen.

Ja so, da sprech’ ich von Geld und hab’ doch noch gar nicht ge­sagt, wie ich zu Geld kom­me. Wir ha­ben’s näm­lich den Räu­bern ab­ge­nom­men, der Tom und ich, de­ren Höh­le wir zu­fäl­lig ent­deck­ten, d.h. wir sa­hen aus si­che­rem Ver­steck zu, als sie’s ein­gru­ben und mach­ten uns her­nach, als sie weg wa­ren, da­hin­ter und nah­men die Be­sche­rung für uns. Die mö­gen schö­ne Ge­sich­ter ge­macht ha­ben, als sie das Nest leer fan­den! Aber die Ge­schich­te ist viel zu groß und zu lang um sie zu er­zäh­len und so will ich nur sa­gen, dass wir also rich­tig das Geld er­wi­sch­ten und zwar einen or­dent­li­chen Hau­fen, sechs­tau­send Dol­lars für je­den von uns und der Bür­ger­meis­ter nahm mei­nen Teil in Empfang und »leg­te ihn an«, wie er sag­te und ich habe nun je­den Tag einen Dol­lar zu ver­zeh­ren. Ich – einen Dol­lar!

Na, lan­ge wird mich der Alte nicht in un­ge­stör­tem Be­sitz der Herr­lich­keit las­sen, das spü­re ich schon in al­len Glie­dern. Tom Sa­wyer, das ist näm­lich mein bes­ter Freund, der Stolz, die Blü­te, das Haupt von al­len Jun­gens der Stadt, der ist glück­lich, der hat noch eine Tan­te Pol­ly, eine gute alte See­le und einen Bru­der Sid und eine Schwes­ter Mary und der muss in die Schu­le und kriegt sei­ne Klei­der al­le­mal schön ge­flickt, wenn er sie zer­ris­sen hat und setz­t’s da­bei auch manch­mal Hie­be, so gib­t’s doch auch gan­ze Ho­sen. Mei­ne Lum­pen flick­te kei­ner, die hiel­ten frei­lich auch kei­nen Stich mehr aus, und doch weiß ich nicht, was mir lie­ber war: die schö­ne alte Lum­pen­zeit, die Zeit, da ich mich un­ge­fragt in Wald und Feld um­trieb, sich kei­ner um mich küm­mer­te, ich mir mein Es­sen bei mit­lei­di­gen See­len zu­sam­men­bet­tel­te oder ir­gend­wie ver­schaff­te und schlief, wo mich eben ge­ra­de die Nacht über­rasch­te – oder jetzt! – Ja so, da hab’ ich ja noch nicht ge­sagt, dass ich jetzt auch eine Hei­mat habe und zwar ein ganz or­dent­li­ches, stei­ner­nes Haus mit vie­len Zim­mern, und ich hab’ auch mein ei­ge­nes und da steht ein Bett drin, ein wirk­li­ches, wahr­haf­ti­ges Bett und in dem soll ich alle Nacht schla­fen, wird mir aber zu­wei­len herz­lich sau­er und dann lege ich mich auf die Die­le da­vor und ruhe mich so ein we­nig aus.

Das Haus ge­hört ei­ner Wit­we, die Dou­glas heißt und eine freund­li­che alte Frau ist und die pro­bie­ren will, mich zu »sie­vi­li­sie­ren«, wie sie sagt. Das schmeckt mir aber schlecht, kann ich euch sa­gen, das Le­ben wird mir furcht­bar sau­er in dem Hau­se mit der ab­scheu­li­chen Re­gel­mä­ßig­keit, wo im­mer um die­sel­be Zeit ge­ges­sen und ge­schla­fen wer­den soll, einen Tag wie den an­de­ren. Ein­mal bin ich auch schon durch­ge­brannt, bin in mei­ne al­ten Lum­pen ge­kro­chen, und – hast du nicht ge­se­hen, war ich drau­ßen im Wald und in der Frei­heit. Tom Sa­wyer aber, mein al­ter Freund Tom, trieb mich wie­der auf, ver­sprach, er wol­le eine Räu­ber­ban­de grün­den und ich sol­le Mit­glied wer­den, wenn ich’s pro­bie­re und noch ein­mal zu der Wit­we zu­rück­keh­re und mich wei­ter »sie­vi­li­sie­ren« las­se. Da tat ich’s denn.

Die Wit­we ver­goss Trä­nen, als ich mich wie­der ein­stell­te, nann­te mich ein ar­mes, ver­irr­tes Schaf und sonst noch al­ler­lei, wo­mit sie aber nichts Schlim­mes mein­te. Ich muss­te auch wie­der in die neu­en gan­zen Klei­der krie­chen und wei­ter schwit­zen drin, und mich quä­len und den Krampf in al­len Glie­dern ha­ben: und nun ging’s vor­wärts im al­ten Trab. Wenn die Wit­we die Glo­cke läu­te­te, muss­te man zum Es­sen kom­men. Saß man dann glück­lich am Tisch, so konn­te man nicht flott drauf los an die Ar­beit ge­hen, Gott be­wah­re, da muss­te man ab­war­ten bis die Wit­we den Kopf zwi­schen die Schul­tern ge­zo­gen und ein bi­schen was vor sich hin ge­mur­melt hat­te. Da­mit woll­te sie aber nichts über die Spei­sen sa­gen, o nein, die wa­ren ganz gut so weit, au­ßer dass al­les be­son­ders ge­kocht war und nicht Fleisch und Ge­mü­se und Sup­pe, al­les durch­ein­an­der. Ei­gent­lich mag ich das viel lie­ber, da kriegt man so einen tüch­ti­gen Mund voll Brü­he da­bei und die hilft al­les glatt hin­un­ter spü­len. Na, das ist Ge­schmack­sa­che!

Nach dem Es­sen zog sie dann ein Buch her­aus und las mir von Mo­ses in den »Schil­fern« vor und ich brann­te drauf, al­les von dem ar­men klei­nen Kerl zu hö­ren. Da mit ei­nem­ma­le sagt sie, der sei schon eine gan­ze Wei­le tot. Na, da war ich aber böse und woll­te nichts wei­ter wis­sen, – was ge­hen mich tote und be­gra­be­ne Leu­te an? Die in­ter­es­sie­ren mich nicht mehr! –

Dann hät­t’ ich gern ein­mal wie­der ge­raucht und frag­te die Wit­we, ob ich’s dür­fe. Da kam ich aber gut an! Sie sag­te, das ge­hö­re sich nicht für mich und sei über­haupt »eine ge­mei­ne und un­sau­be­re Ge­wohn­heit«, an die ich nicht mehr den­ken dür­fe. So sind nun die Men­schen! Spre­chen über et­was, das sie gar nicht ver­ste­hen! Quält mich die Frau mit dem Mo­ses, der sie wei­ter gar nichts an­geht, der nicht ein­mal ver­wandt mit ihr war und um den sich doch ge­wiss kein Mensch mehr küm­mert da drun­ten un­ter der Erde und ver­bie­tet mir da­bei das Rau­chen, das doch ge­wiss mehr Wert für le­ben­di­ge Men­schen hat. Na und da­bei schnupft sie, aber das ist na­tür­lich ganz was andres und kein Feh­ler, weil sie’s eben selbst tut.

Ihre Schwes­ter, Miss Wat­son, eine ziem­lich dür­re, alte Jung­fer, die ge­ra­de ge­kom­men war, um bei ihr zu le­ben, mach­te nun einen An­griff auf mich, mit ei­nem Le­se­buch be­waff­net. Eine Stun­de lang muss­te ich ihr Stand hal­ten und dann lös­te sie die Wit­we mit ih­rem Mo­ses wie­der ab und ich war nun so­zu­sa­gen zwi­schen zwei Feu­ern. Lan­ge konn­te das nicht so wei­ter ge­hen und es trat denn auch glück­li­cher­wei­se bald eine Ru­he­pau­se ein, in der ich erst auf­at­me­te, bald drauf aber tot-lang­wei­lig und ziem­lich un­ru­hig wur­de. Nun be­gann Miss Wat­son: »Hal­t’ doch die Füße ru­hig, Huck­le­ber­ry«, oder »willst du kei­nen sol­chen Bu­ckel ma­chen, Huck­le­ber­ry, sitz’ doch ge­ra­de!« und dann wie­der: »so re­cke dich doch nicht so, Huck­le­ber­ry, und gäh­ne nicht, als woll­test du die Welt ver­schlin­gen, wirst du denn nie Ma­nie­ren ler­nen?« – bis ich ganz wild wur­de. Nun fing sie an, mir von dem Ort zu er­zäh­len, an den die bö­sen Men­schen kom­men und ich sag­te, ich wün­sche mich da­hin. Da wur­de sie böse und ze­ter­te ge­wal­tig, so schlimm hat­te ich’s aber gar nicht ge­meint, ich wäre nur gern fort ge­we­sen von ihr, ir­gend­wo, der Ort war mir ganz ei­ner­lei, ich bin über­haupt nie sehr wäh­le­risch. Sie aber lärm­te wei­ter und sag­te, ich sei ein bö­ser Jun­ge, wenn ich so et­was sa­gen kön­ne, sie wür­de das nicht um die Welt über die Lip­pen brin­gen und ihr Le­ben sol­le so sein, dass sie der­mal­einst mit Freu­den in den Him­mel fah­re. Der Ort, mit ihr zu­sam­men, schi­en mir nun gar nicht ver­lo­ckend und ich be­schloss bei mir, das mei­ni­ge zu tun, um nicht mit ihr zu­sam­men­zu­tref­fen. Sa­gen tat ich aber nichts, das hät­te nur al­les viel schlim­mer ge­macht und doch nichts ge­hol­fen.

Sie war aber nun ein­mal am Him­mel, dem »Ort der Glück­se­li­gen«, wie sie’s nann­te, an­ge­langt und teil­te mir al­les mit, was sie drü­ber wuss­te. Sie sag­te, al­les was man dort zu tun habe, sei, den gan­zen Tag lang mit ei­ner Har­fe her­um­zu­mar­schie­ren und dazu zu sin­gen im­mer und ewig. Das leuch­te­te mir nun gar nicht ein, ich schwieg aber und frag­te nur, ob sie mei­ne, mein Freund Tom Sa­wyer wer­de auch dort sein, was sie ent­schie­den ver­nein­te. Wie mich das freu­te! Tom muss zu mir kom­men, der soll nicht wo­hin ge­hen, wo ich nicht sein kann, wir bei­de müs­sen zu­sam­men sein!

Miss Wat­son pre­dig­te un­ter­des­sen im­mer wei­ter und mir war mi­se­ra­bel elend und ein­sam zu Mute. Dann ka­men die Nig­ger her­ein, es wur­de ge­be­tet und je­der­mann ging zu Bett. Ich auch. Ich stieg mit mei­nem Stum­mel Ker­ze in mein Zim­mer hin­auf, stell­te das Licht auf den Tisch, setz­te mich da­vor und pro­bier­te, an et­was Fröh­li­ches zu den­ken. Das nutz­te aber we­nig. Ich fühl­te mich so al­lein, dass ich wünsch­te, ich wäre tot. Die Ster­ne glit­zer­ten und blitz­ten und die Blät­ter rausch­ten im Wal­de. Ich hör­te eine Eule von der Fer­ne, da­zwi­schen heul­te ein Hund so jäm­mer­lich und der Wind ächz­te und stöhn­te und schi­en mir et­was kla­gen zu wol­len, so­dass mir bald vor lau­ter Angst der kal­te Schweiß auf der Stirn stand. Die gan­ze Nacht drau­ßen schi­en von lau­ter ar­men, un­glück­li­chen Geis­tern be­lebt, die kei­ne Ruhe in ih­ren Grä­bern fan­den und nun da draus her­um heul­ten und jam­mer­ten und zäh­ne­klap­per­ten. Mir wur­de heiß und kalt und ich hät­te al­les drum ge­ge­ben, wenn ich nicht al­lein ge­we­sen wäre. Da kroch mir auch noch eine Spin­ne über die lin­ke Schul­ter, ich schnell­te sie weg und ge­ra­de­wegs ins Licht, und ehe ich noch zu­sprin­gen konn­te, war sie ver­brannt. Dass das ein schlim­mes Zei­chen ist, weiß ja ein Kind, und mir schlot­ter­ten die Knie, als ich nun be­gann, mei­ne Klei­der ab­zu­wer­fen. Ich dreh­te mich drei­mal um mich selbst und schlug mich da­bei je­des Mal an die Brust, nahm dann einen Fa­den und band mir ein Bü­schel Haa­re zu­sam­men, um die bö­sen Geis­ter fern zu hal­ten; viel Ver­trau­en aber hat­te ich nicht zu die­sen Mit­teln, die nut­zen wohl, wenn man ein ge­fun­de­nes Huf­ei­sen wie­der ver­liert, an­statt es über der Türe an­zu­na­geln oder bei der­glei­chen klei­ne­ren Fäl­len; wenn man aber eine Spin­ne ge­tö­tet hat, da weiß ich nicht, was man tun kann, um das Un­glück fern­zu­hal­ten.

So setz­te ich mich zit­ternd auf mei­nen Bett­rand und zün­de­te mir zur Be­ru­hi­gung mein Pfeif­chen an. Das Haus war so still und die Wit­we weit. So saß ich lan­ge, lan­ge. Da schlug die Uhr von der Fer­ne bum – bum – bum – bum, zwölf­mal und wie­der war al­les still, stil­ler als vor­her. Plötz­lich höre ich et­was un­ten im Gar­ten un­ter den Bäu­men, ein Ra­scheln und Knacken, ich sit­ze still, hal­te den Atem an und lau­sche. Wie­der hör’ ich’s und da­bei lei­se wie ein Hauch, das schwächs­te »Miau« ei­ner Kat­ze. »Miau, miau« tönt’s kläg­lich und lang­ge­zo­gen. Und »miau, miau« ant­wor­te ich eben­so kläg­lich, eben­so lei­se, schlüp­fe rasch in mei­ne Klei­der, lö­sche das Licht und stei­ge aus dem Fens­ter auf das Schup­pen­dach da­vor. Dann las­se ich mich zu Bo­den glei­ten, krie­che auf al­len Vie­ren nach dem Schat­ten der Bäu­me und da war rich­tig und leib­haf­tig Tom Sa­wyer, mein al­ter Tom und war­te­te auf mich.

Die Aben­teu­er und Strei­che Tom Sa­wyers sind im I. Ban­de der Mark Twain­schen Schrif­ten er­schie­nen.  <<<

Zweites Kapitel – Die Jungen entwischen. – Jim! – Tom Sawyers Räuberbande. – Finstre Pläne!

Wir also vor­wärts und auf den Fuß­spit­zen wei­ter ge­schli­chen, den klei­nen Weg hin­un­ter, der un­ter den Bäu­men hin nach der Rück­sei­te des Gar­tens führt, muss­ten aber den Kopf ge­wal­tig bücken, dass uns die Zwei­ge nicht kit­zel­ten. Gera­de als wir an der Kü­chen­tü­re vor­über wol­len, muss ich na­tür­lich über eine Wur­zel stol­pern und hin­fal­len, wo­durch ein klei­nes Geräusch ent­steht. Jetzt heißt’s still lie­gen und den Atem an­hal­ten! Miss Wat­sons Nig­ger Jim saß an der Türe, wir konn­ten ihn ganz gut se­hen, weil das Licht ge­ra­de hin­ter ihm stand. Er steht auf, streckt den Kopf her­aus, horcht eine Mi­nu­te lang und sagt dann:

»Wer’s da?«

Dann horcht er wie­der und da, – jetzt schleicht er sich auf den Ze­hen­spit­zen her­aus und steht ge­ra­de zwi­schen uns, ich hät­te ihn zwi­cken kön­nen, wenn ich ge­wollt hät­te. Er steht und wir lie­gen still wie die Mäu­se und so ver­ge­hen Mi­nu­ten und Mi­nu­ten. An mei­nem Fuß fäng­t’s mich zu ju­cken an, krat­zen kann ich nicht. Jetzt juck­t’s am Ohr, dann am Rücken, ge­ra­de zwi­schen den Schul­tern, es ist zum toll wer­den! Wa­rum’s ei­nem nur im­mer juckt, wenn man nicht krat­zen kann oder darf! Dar­über hab’ ich oft nach­ge­dacht seit­dem. Ent­we­der wenn man bei fei­nen Leu­ten ist, oder bei ei­nem Be­gräb­nis, oder wenn einen der Leh­rer was fragt, oder in der Kir­che, oder wenn man im Bett liegt und will schla­fen und kann nicht, kurz, wo man nicht krat­zen kann und darf, da juck­t’s ei­nem ge­ra­de erst recht an hun­dert ver­schie­de­nen Plät­zen. End­lich sagt Jim:

»He da, wer’s da? Ich mich las­sen tot hau­en, ich ha­ben was ge­hört! Aber Jim sein nicht so dumm! Jim sit­zen hier hin und war­ten!«

Und da­mit pflanzt er sich ge­ra­de zwi­schen mich und Tom auf den Bo­den, lehnt den Rücken an einen Baum und streckt die Bei­ne aus, dass das eine mich bei­na­he be­rührt. Jetzt be­ginnt mein Juck-Elend von neu­em. Erst die Nase, bis mir die Trä­nen in den Au­gen ste­hen, ich wage nicht zu krat­zen, dann all­mäh­lich je­der Kör­per­teil, bis ich nicht weiß, wie ich still hal­ten soll. Fünf, sechs Mi­nu­ten geht das Elend so wei­ter, mir schei­nen’s Stun­den. Ich zäh­le schon elf ver­schie­de­ne Orte, an de­nen mich’s juckt. Gera­de, als ich den­ke, nun kannst du’s aber nicht mehr aus­hal­ten, höre ich Jim tief auf­at­men, dann schnar­chen und – ich bin ge­ret­tet.

Tom gab mir jetzt ein Zei­chen, er schnalz­te lei­se mit den Lip­pen, und wir kro­chen auf al­len Vie­ren da­von. Vi­el­leicht zehn Fuß weit ent­fernt hielt Tom an und flüs­ter­te mir zu, er wol­le Jim zum Spaß am Baum fest­bin­den. Ich sag­te nein, ich woll­te nicht, dass er auf­wach­te, Lärm schlü­ge und man dann ent­de­cken wür­de, dass ich nicht im Bett sei. Dann sag­te Tom, er habe nicht Lich­ter ge­nug und er wol­le sich in der Kü­che ein paar mit­neh­men. Das woll­te ich auch nicht er­lau­ben aus Angst vor Jim, aber Tom ließ sich nicht hal­ten, und so schli­chen wir uns in die Kü­che, fan­den die Lich­ter und Tom leg­te fünf Cents zur Be­zah­lung auf den Tisch. Ich schwitz­te nun förm­lich vor Angst, fort­zu­kom­men, Tom aber ließ sich nicht hal­ten, er kroch zu Jim zu­rück, um ihm einen Streich zu spie­len. Ich war­te­te bis er wie­der­kam, ziem­lich lan­ge, und al­les war so still und dun­kel und ein­sam um mich her­um.

End­lich kam Tom und nun rann­ten wir ei­lig den Pfad hin­un­ter und klet­ter­ten den stei­len Hü­gel hin­ter dem Hau­se hin­auf. Tom er­zähl­te, dass er Jim mit ei­nem Strick an den Baum ge­bun­den habe und sei­nen Hut an einen Ast oben ge­hängt, und dass der Kerl im­mer wei­ter ge­schla­fen und sich nicht ge­rührt. Spä­ter­hin be­haup­te­te Jim steif und fest, er sei be­hext ge­we­sen in die­ser Nacht und war sehr stolz auf sein Aben­teu­er und wenn die an­de­ren Nig­ger von ih­rer Be­kannt­schaft mit He­xen er­zähl­ten, zuck­te Jim ver­ächt­lich mit den Schul­tern und trumpf­te alle mit sei­nem Er­leb­nis ab. Ja, Jim war stolz auf sei­ne »He­xen«, und wur­de or­dent­lich be­rühmt des­halb. –

Tom und ich stan­den end­lich ganz oben auf dem Hü­gel und konn­ten ge­ra­de ins Dorf hin­un­ter se­hen und da blink­ten noch drei oder vier Lich­ter, wahr­schein­lich bei Kran­ken oder der­glei­chen. Und die Ster­ne über uns blitz­ten nur so und drun­ten zog der Strom da­hin, so breit, so breit und ohne Laut und furcht­bar groß­ar­tig. Wir rann­ten dann auf der an­de­ren Sei­te den Hü­gel hin­un­ter und fan­den Joe Har­per und Ben Ro­gers und noch ein paar Jun­gens, die auf uns war­te­ten. Ein Boot wur­de los­ge­macht und wir ru­der­ten den Fluss hin­un­ter, bis da­hin, wo der große Ein­schnitt im Ufer ist. Dort leg­ten wir an.

Wir klet­ter­ten auf ein dich­tes Busch­werk zu und nun ließ Tom uns alle schwö­ren, das Ge­heim­nis nicht zu ver­ra­ten und zeig­te uns ein Loch im Hü­gel, mit­ten in den Bü­schen drin. Wir steck­ten die Lich­ter an und kro­chen auf Hän­den und Fü­ßen hin­ein. Es ging un­ge­fähr 200 Me­ter in dem en­gen Gan­ge fort, bis sich eine Höh­le auf­tat. Tom tas­te­te an den Wän­den um­her und ver­schwand auf ein­mal un­ter ei­nem Fel­sen, wo nie­mand eine Öff­nung ver­mu­tet hat­te. Wir folg­ten ihm durch einen schma­len Gang, bis wir in einen Raum ge­lang­ten, un­ge­fähr wie ein Zim­mer, nur et­was kalt feucht und dump­fig, und da blie­ben wir dann. Tom hielt nun eine fei­er­li­che An­spra­che und sag­te:

»Hier wol­len wir also eine Räu­ber­ban­de grün­den und sie ›Tom Sa­wyers Ban­de‹ nen­nen. Je­der­mann, der bei­tre­ten will, muss einen Eid schwö­ren und sei­nen Na­men mit Blut un­ter­zeich­nen!«

Je­der­mann woll­te denn auch und so zog Tom einen Bo­gen Pa­pier aus der Ta­sche, auf den er einen furcht­ba­ren Eid ge­schrie­ben hat­te, den er uns jetzt vor­las. Da­rin stand, dass je­der Jun­ge treu zur Ban­de hal­ten müs­se und nie­mals de­ren Ge­heim­nis­se ver­ra­ten dür­fe bei To­dess­tra­fe. Wenn ir­gend­je­mand ir­gend­ei­nem von uns ir­gend et­was zu Leid täte, müs­se ei­ner das Ra­che­amt über­neh­men, den man dazu er­wäh­le, und er dür­fe nicht es­sen und nicht schla­fen, ehe er den Be­lei­di­ger und sei­ne gan­ze Fa­mi­lie ge­tö­tet und ein blu­ti­ges Kreuz je­dem in die Brust ge­ritzt habe, was das Zei­chen der Ban­de sein sol­le. Und nie­mand au­ßer uns dür­fe dies Zei­chen be­nut­zen und wenn er es doch täte, sol­le er ge­richt­lich be­langt und wenn dies nichts hel­fe, ein­fach ge­tö­tet wer­den. Wenn aber ei­ner aus der Ban­de die Ge­heim­nis­se ver­ra­te, wer­de ihm der Hals ab­ge­schnit­ten, der Kör­per ver­brannt und die Asche in alle vier Win­de zer­streut, sein Name dann dick mit Blut von der Lis­te ge­stri­chen, ihn aus­zu­spre­chen bei Stra­fe ver­bo­ten und er selbst sol­le ver­ges­sen sein für im­mer und ewig.

Wir alle fan­den den Eid­schwur präch­tig und frag­ten Tom, ob er ihn ganz al­lein aus sei­nem eig­nen Kopf ge­macht habe. Er sag­te ja, zum größ­ten Teil, aber ei­ni­ges habe er auch in al­ten Pi­ra­ten- und Räu­ber­bü­chern ge­fun­den und jede or­dent­li­che Ban­de, die An­spruch dar­auf ma­chen wol­le, an­stän­dig zu sein, schwö­re einen sol­chen Eid.

Jetzt mein­te ei­ner, man sol­le doch auch die Fa­mi­lie tö­ten von den Jun­gens, die das Ge­heim­nis ver­rie­ten. Tom sag­te, das sei eine gute Idee, nahm ein Blei­stift und kor­ri­gier­te es noch hin­ein in den Eid­schwur­bo­gen. Da mein­te Ben Ro­gers:

»Ja, aber, hört ein­mal, wie ist denn das? Dort, Huck Finn«, da­bei zeig­te er auf mich, »hat doch gar kei­ne Fa­mi­lie nicht – wen sol­len wir denn da tö­ten?«

»Er hat doch auch einen Va­ter«, sag­te Tom Sa­wyer.

»Den hat er wohl, aber wo ihn fin­den? Frü­her lag er doch manch­mal be­trun­ken in der Stra­ße, aber seit ei­nem Jahr hat ihn nie­mand ge­se­hen hier her­um!«

Nun be­rie­ten sie hin und her und hät­ten mich bei­na­he aus­ge­sto­ßen, denn je­der, so sag­ten sie, müs­se je­man­den zum tö­ten ha­ben, was dem einen recht, sei dem an­de­ren bil­lig, und so sa­ßen sie und über­leg­ten und ich heul­te bei­na­he, so schäm­te ich mich. Da fiel mir plötz­lich Miss Wat­son ein, und ich bot ih­nen die zum tö­ten an, das leuch­te­te ih­nen ein und alle rie­fen:

»Das geht, die ist recht dazu, Huck kann ein­tre­ten!«

Dann nah­men wir alle Steck­na­deln, sta­chen uns in die Fin­ger und un­ter­zeich­ne­ten un­sern Na­men mit uns­rem ›Herz­blut‹, wie Tom sag­te.

»Nun«, mein­te jetzt Ben Ro­gers, »auf was soll un­se­re Ban­de sich haupt­säch­lich ver­le­gen?«

»Auf wei­ter nichts«, ver­setz­te Tom, »als Raub und Mord und Tot­schlag!«

»Wen sol­len wir denn be­rau­ben? Häu­ser – oder Vieh – oder –«

»Un­sinn!« schrie Tom, »das nennt man dieb­sen und steh­len, nicht rau­ben und plün­dern! Wir wol­len kei­ne Die­be sein son­dern Räu­ber! Das ist viel vor­neh­mer! Räu­ber und We­ge­la­ge­rer! Wir über­fal­len die Post­kut­schen und Wa­gen auf der Land­stra­ße, mit Mas­ken vor dem Ge­sicht und schla­gen die Leu­te tot und neh­men ih­nen Uhren und Geld ab!« –

»Müs­sen wir im­mer alle tot hau­en?«

»Ge­wiss, das ist am ein­fachs­ten. Ich hab’s auch schon an­ders ge­le­sen, aber ge­wöhn­lich ma­chen sie’s so. Nur ei­ni­ge schleppt man hie und da in die Höh­le und war­tet, bis sie ran­zio­niert1 wer­den!«

»Ran­zio­niert? Was ist denn das?«

»Das weiß ich sel­ber nicht, aber so hab’ ich’s ge­le­sen und so müs­sen wir’s ma­chen!«

»Ho, ho, das kön­nen wir ja nicht, wenn wir nicht wis­sen, was es ist!«

»Ei zum Hen­ker, wir müs­sen’s eben! Hab’ ich dir nicht ge­sagt, dass ich’s ge­le­sen habe? Willst du’s an­ders ma­chen, als es in den Bü­chern steht, und al­les un­ter­ein­an­der brin­gen?«

»Oh, du hast gut re­den, Tom Sa­wyer, aber wie in der Welt sol­len wir die Bur­schen ›ran­zio­nie­ren‹, wenn wir nicht wis­sen, wie man’s macht? Das ist’s, was ich wis­sen will! Wie, zum Bei­spiel, denkst du dir’s ei­gent­lich?«

»Ich, – ich weiß nicht, aber ich den­ke, wenn wir sie be­hal­ten, bis sie ran­zio­niert sind, so wird das hei­ßen, bis sie tot sind!«

»Das lässt sich hö­ren, das be­grei­fe ich, aber warum hast du das nicht gleich ge­sagt? Na­tür­lich be­hal­ten wir sie, bis sie zu Tode ran­zio­niert sind. Aber Last wer­den sie uns ma­chen ge­nug und ge­nug, uns al­les weg­fres­sen und da­bei im­mer aus­knei­fen wol­len!« –

»Wie du schwat­zest, Ben! Wie kön­nen sie aus­knei­fen, wenn ei­ner im­mer Wa­che steht, der be­reit ist, sie nie­der­zu­schie­ßen, wenn ei­ner nur den Fin­ger krumm macht?«

»Ei­ner, der Wa­che steht? Das ist gut! Das freut mich! Also soll ei­ner die gan­ze Nacht da­ste­hen, ohne zu schla­fen und sie be­wa­chen? Das ist eine gräss­li­che Dumm­heit. Wa­rum nimmt man da nicht so­fort einen Knüt­tel und ran­zio­niert sie, wenn sie hier­her kom­men?«

»Weil’s so nicht in den Bü­chern steht, dar­um! Ich frag’ dich, Ben Ro­gers, willst du al­les den Re­geln nach tun oder nicht? Da­rauf komm­t’s an! Ich glau­be, die Leu­te, wel­che die Bü­cher schrei­ben, wis­sen bes­ser, wie man’s macht, als du! Denkst du, sie könn­ten von dir et­was ler­nen? Noch lan­ge nicht? Und drum wol­len wir die Bur­sche ge­nau so ran­zio­nie­ren, wie’s da an­ge­ge­ben ist und nicht ein biss­chen an­ders!« –

»Schon recht, mir liegt nichts dran, ich sage aber, es ist gräss­lich dumm so. Sol­len wir die Wei­ber auch tö­ten?«

»Ben Ro­gers, wenn ich so dumm wäre wie du, hielt ich lie­ber den Mund! Die Wei­ber tö­ten! Wer hat je so et­was ge­hört oder ge­le­sen! Nein, die wer­den in die Höh­le ge­schleppt und man ist so höf­lich und rück­sichts­voll ge­gen sie, als man kann. Nach ei­ner Wei­le ver­lie­ben sie sich dann in einen und wol­len gar nicht mehr wie­der fort.«

»Gut, da­mit bin ich ein­ver­stan­den! Ich für mein Teil aber dan­ke. Bald wer­den wir die gan­ze Höh­le voll Wei­ber ha­ben und voll Ker­le, die auf­’s ran­zo­nie­ren war­ten, so­dass am Ende kein Platz mehr für die Räu­ber da sein wird. Ich seh’s schon kom­men! Aber mach’ nur wei­ter, Tom, ich bin schon still!«

Der klei­ne Tom­my Bar­nes war in­zwi­schen ein­ge­schla­fen und als sie ihn weck­ten, fürch­te­te er sich und wein­te und woll­te zu sei­ner Mama und gar kein Räu­ber mehr sein.

Da neck­ten sie ihn alle und hie­ßen ihn Ma­ma­kind und er wur­de wild und schrie, nun wol­le er auch al­les sa­gen und alle Ge­heim­nis­se ver­ra­ten. Da gab ihm Tom fünf Cents um ihn stil­le zu ma­chen und sag­te, nun gin­gen wir alle nach Hau­se und kämen nächs­te Wo­che wie­der zu­sam­men und dann woll­ten wir ein paar Leu­te be­rau­ben und tö­ten.

Ben Ro­gers sag­te, er kön­ne nicht viel los­kom­men, nur an Sonn­ta­gen und woll­te des­halb gleich nächs­ten Sonn­tag an­fan­gen. Aber die Jun­gens mein­ten alle am Sonn­tag schi­cke sich so et­was gar nicht und so lie­ßen wir’s sein. Sie mach­ten aus, so bald als mög­lich wie­der zu­sam­men zu kom­men und dann einen Tag zu be­stim­men. Hier­auf wähl­ten wir noch Tom Sa­wyer zum Haupt­mann und Joe Har­per zum Un­ter­haupt­mann der Ban­de und bra­chen dann nach Hau­se auf.

Ich klet­ter­te wie­der auf­’s Schup­pen­dach und von da in mein Fens­ter, ge­ra­de als es an­fing Tag zu wer­den. Mei­ne neu­en Klei­der wa­ren furcht­bar schmut­zig und vol­ler Lehm und ich war hun­de­mü­de.

Durch Lö­se­geld be­freit, los­ge­kauft.  <<<

Drittes Kapitel – Eine ordentliche Strafpredigt. – Die Gnade triumphiert. – Die Räuber. – Die Dämonen. – »Eine von Toms Lügen!«

Das setz­te eine or­dent­li­che Straf­pre­digt für mich von Miss Wat­son am an­de­ren Mor­gen über mei­ne schmut­zi­gen Klei­der! Die Wit­we aber, die zank­te gar nicht, son­dern putz­te nur den Schmutz und Lehm weg und sah so trau­rig da­bei aus, dass ich dach­te, ich wol­le eine Wei­le brav sein, wenn ich’s fer­tig bräch­te. Dann nahm mich Miss Wat­son mit in ihr Zim­mer und be­te­te für mich, aber ich spür­te nichts da­von. Sie sag­te mir, ich sol­le je­den Tag or­dent­lich be­ten, und um was ich bete, das be­käme ich. Das glaub’ ein an­de­rer! Ich nicht. Ich hab’s pro­biert, aber was kam da­bei her­aus? Ein­mal krieg­te ich wohl eine An­gel­ru­te, aber kei­ne Ha­ken dazu und ich be­te­te und be­te­te drei- oder vier­mal, aber die Ha­ken ka­men nicht. Da bat ich Miss Wat­son es für mich zu tun, die wur­de aber böse und schimpf­te mich einen Nar­ren. Wa­rum, weiß ich nicht, sie sag­te es mir nicht und ich selbst konnt’s nicht her­aus­fin­den.

Ich hab’ dann lan­ge im Wald ge­ses­sen und dar­über nach­ge­dacht. Sag’ ich zu mir sel­ber: wenn ei­ner al­les be­kom­men kann, worum er be­tet, warum be­kommt dann der Nach­bar Winn sein Geld nicht zu­rück, das er an sei­nen Schwei­nen ver­lo­ren hat? Und die Wit­we ihre sil­ber­ne Schnupf­ta­baks­do­se, die ihr ge­stoh­len wor­den? Und warum wird Miss Wat­son nicht fet­ter? Nein, sag’ ich zu mir, da ist nichts dran, das ist Dunst. Und ich ging zur Wit­we und sag­te ih­r’s und die be­lehr­te mich, man kön­ne nur um ›geist­li­che Ga­ben‹ be­ten! Da dies viel zu hoch für mich war, so such­te sie mir’s deut­lich zu ma­chen: – ich müs­se brav und gut sein und den an­de­ren hel­fen, wo ich kön­ne und nicht an mich, son­dern im­mer nur an die an­de­ren den­ken. Da­mit war auch Miss Wat­son ge­meint, dach­te ich und ging hin­aus in den Wald und über­leg­te mir’s wie­der. Aber, mei­ner Seel’, da­bei kommt nur was für die an­de­ren her­aus und gar nichts für mich und so ließ ich denn das Den­ken sein und quäl­te mich nicht län­ger da­mit. Den einen Tag nahm mich die Wit­we vor und er­zähl­te mir von der gü­ti­gen, mil­den Vor­se­hung, die’s so gut mit dem Men­schen mei­ne und wie sie sich mei­ner in Gna­den er­bar­men wol­le, bis mir der Mund wäs­ser­te und die Au­gen nass wur­den. Dann, viel­leicht schon an­de­ren tags, kam Miss Wat­son und ließ ihre Vor­se­hung don­nern und blit­zen, dass ich mich or­dent­lich duck­te und den Kopf ein­zog. Es muss zwei Vor­se­hun­gen ge­ben, dach­te ich mir, und ein ar­mer Kerl wie ich, hat’s si­cher bei der Wit­we ih­rer bes­ser, denn bei Miss Wat­son’s ih­rer ist er ver­lo­ren. So dach­te und dach­te ich und nahm mir vor, zu der Wit­we ih­rer Vor­se­hung zu be­ten, wenn die sich über­haupt aus so ei­nem ar­men, un­wis­sen­den, elen­den, trau­ri­gen Kerl, wie ich ei­ner bin, et­was macht und sich nicht viel woh­ler be­fin­det ohne mich. –

Mein »Al­ter« war nun schon seit ei­nem Jah­re nicht mehr ge­se­hen wor­den, was für mich nur eine Wohl­tat war; ich hat­te also kein Heim­weh nach ihm. So lan­ge er da war, ver­kroch ich mich meist im Wald, um mich vor sei­nen Schlä­gen zu ret­ten; denn so­bald er mich er­wi­sch­te, – auch wenn er ganz nüch­tern war – setz­te es Prü­gel. Ei­nes Ta­ges sag­ten die Leu­te, man habe mei­nen Va­ter im Flus­se, et­was ober­halb der Stadt, er­trun­ken ge­fun­den. Sie mein­ten we­nigs­tens, er müs­se es sein. Sie sag­ten, der Er­trun­ke­ne sei ge­ra­de so groß, so zer­lumpt ge­we­sen und habe so un­ge­wöhn­lich lan­ges Haar ge­habt, was al­les mit mei­nem Al­ten stimm­te, das Ge­sicht aber war nicht zu er­ken­nen ge­we­sen, es hat­te zu lan­ge im Was­ser ge­le­gen. Sie ver­scharr­ten ihn am Ufer, aber ich war nicht ru­hig, glaub­te nicht an den Tod des al­ten Man­nes und dach­te, der wür­de schon mal wie­der ir­gend­wo auf­tau­chen, um mich zu quä­len und zu hau­en.

Wir spiel­ten hie und da ein­mal Räu­ber, viel­leicht einen Mo­nat lang und dann ver­zich­te­te ich auf das Ver­gnü­gen, – die an­de­ren auch. Wir hat­ten kei­nen ein­zi­gen Men­schen be­raubt, kei­nen ge­tö­tet, im­mer nur so ge­tan. Wir spran­gen aus dem Wald und jag­ten Sau­trei­bern nach oder hin­ter Frau­en her, die Ge­mü­se in Kar­ren zum Mark­te führ­ten, nah­men aber nie ir­gend et­was, oder ir­gend wen in uns­re Höh­le mit. Tom Sa­wyer nann­te das Zeug das auf den Kar­ren lag ›Gold­bar­ren‹ und ›E­del­ge­stein‹ und ’s wa­ren doch nur Rü­ben und Kar­tof­feln und wir gin­gen dann zur Höh­le zu­rück und nah­men den Mund voll und prahl­ten, was wir al­les ge­tan hät­ten, wie viel Kost­bar­kei­ten ge­raubt und Leu­te ge­tö­tet und Kreu­ze in die Brust ge­ritzt. Aber all­mäh­lich fing die Sa­che an mich zu lang­wei­len.

Ei­nes Ta­ges sand­te Tom einen Jun­gen mit ei­nem bren­nen­den Kien­span, ei­nem ›Feu­er­bran­d‹ wie er es nann­te, durch die Stra­ßen der Stadt, das war das Zei­chen für die Ban­de sich zu ver­sam­meln. Als wir alle bei ein­an­der wa­ren, teil­te er uns mit, wie er ge­hört, dass an­de­ren tags ein gan­zer Hau­fen spa­ni­scher Kauf­leu­te und rei­cher ›Ah-ra­ber‹ wie er sag­te, samt zwei­hun­dert Ele­fan­ten und sechs­hun­dert Ka­me­len und über tau­send ›Saum­tie­ren‹ – was das für Tie­re wa­ren, wuss­te er sel­ber nicht – alle schwer mit Dia­man­ten be­la­den in der Nähe im ›Höh­len-Grun­de‹ la­gern woll­ten. Da nur eine klei­ne Be­wa­chung von viel­leicht vier­hun­dert Sol­da­ten da­bei sei, soll­ten wir uns in ›Hin­ter­hal­t‹ le­gen, wie er’s nann­te, die Mann­schaft tö­ten und die Dia­man­ten rau­ben. Er ge­bot uns un­se­re Schwer­ter zu wet­zen, die Flin­ten zu la­den und uns be­reit zu hal­ten. Er konn­te nie­mals auch nur hin­ter ei­nem al­ten Rü­ben­kar­ren her­set­zen, ohne dass die Schwer­ter und Flin­ten, die ei­gent­lich Holz­lat­ten und Be­senstie­le wa­ren, mit von der Par­tie sein muss­ten. Ich für mei­nen Teil glaub­te nun nicht, dass wir es mit ei­nem sol­chen Hau­fen Spa­nier und Ah-ra­ber auf­neh­men könn­ten, hat­te aber große Lust die Ka­me­le und Ele­fan­ten zu se­hen und stell­te mich am Sonn­abend zur be­stimm­ten Stun­de ein und leg­te mich mit in ›Hin­ter­hal­t‹.

Tom kom­man­dier­te und wir bra­chen los, stürm­ten aus dem Wal­de und rann­ten den Hü­gel hin­un­ter. Mit den Spa­ni­ern, den Ah-ra­bern, Ka­me­len, Ele­fan­ten aber war’s Es­sig. Nur eine Sonn­tags-Schul­klas­se hat­te einen Aus­flug ge­macht und sich im Gras ge­la­gert und noch dazu nichts als die aller­kleins­ten Mäd­chen. Wir jag­ten sie auf und rann­ten hin­ter den Kin­dern her, er­ober­ten aber nur et­was Ein­ge­mach­tes und ein paar Stück­chen Ku­chen, Ben griff nach ei­ner Pup­pe und Joe nach ei­nem Ge­sang­buch, aber als die Leh­re­rin kam, war­fen wir die Sa­chen weg und rann­ten da­von.

Dia­man­ten hat­te ich eben­so­we­nig ge­se­hen und sag­te das Tom auch. Es sei­en doch mas­sen­haft da­ge­we­sen, er­wi­der­te er, des­glei­chen Ah-ra­ber und Ka­me­le und al­les. Wa­rum ha­ben wir’s dann aber nicht ge­se­hen? frag­te ich. Er sag­te, wenn ich kein so Dumm­kopf wäre und ein Buch ge­le­sen hät­te, das ›Dom­kui­scho­te‹ oder wie er’s nann­te, hieß, so wüss­te ich warum, ohne ihn zu fra­gen. Er sag­te, es sei al­les nur Zau­be­rei ge­we­sen. Es wä­ren hun­der­te von Sol­da­ten und Ele­fan­ten und Schät­ze dort ge­we­sen, aber wir hät­ten mäch­ti­ge Fein­de, Zau­be­rer, die uns zum Trotz al­les in eine Klein­kin­der-Sonn­tags­schu­le ver­wan­delt hät­ten. Da­rauf mein­te ich, das sei al­les ganz schön, dann woll­ten wir ein­mal or­dent­lich ge­gen die Zau­be­rer los­ge­hen. Tom Sa­wyer sag­te, ich sei ein Esel.

»So ein Zau­be­rer«, sag­te er, »wür­de ein gan­zes Heer von Dä­mo­nen zu Hil­fe ru­fen und die wür­den dich in Stücke hau­en, ehe du Amen sa­gen könn­test. Die sind so groß wie Bäu­me und so dick wie Kirchtür­me.«

»Gut«, sag­te ich, »lass uns doch ein paar Dä­mo­nen neh­men, die uns hel­fen, dann wol­len wir die an­de­ren schon zwin­gen.«

»Wie willst du sie denn be­kom­men?«

»Das weiß ich nicht. Wie krie­gen die sie denn?«

»Die? O, ganz ein­fach. Die rei­ben eine alte Blech­lam­pe oder einen ei­ser­nen Ring und dann kom­men die Dä­mo­nen an­ges­aust mit Don­ner und Blitz und Dampf und Rauch und was man ih­nen be­fiehlt, das tun sie. Es ist ih­nen eine Klei­nig­keit, einen Kirch­turm aus der Erde zu rei­ßen und ihn dem nächs­ten bes­ten um den Kopf zu hau­en.«

»Wer be­fiehlt ih­nen denn?«

»Nun, der Zau­be­rer, der die Lam­pe oder den Ring reibt und sie müs­sen tun, was er sagt. Wenn er ih­nen sagt, sie sol­len einen Palast bau­en, vier­zig Mei­len lang und ganz aus Dia­man­ten und ihn mit Brust­zu­cker oder Hus­ten­le­der, oder ir­gend et­was fül­len und dann die Toch­ter vom Kai­ser von Chi­na ho­len zum hei­ra­ten und – Gott weiß was noch – sie müs­sen’s al­les tun. Und wenn man den Palast wo an­ders hin­ge­stellt ha­ben will, müs­sen sie ihn rings im Lan­de her­um schlep­pen, bis er an der rech­ten Stel­le ist, und« –

»Aber«, sag’ ich, »warum sind sie denn sol­che Esel und be­hal­ten den Palast nicht für sich sel­ber, an­statt da­mit her­um­zu­kut­schie­ren für and­re. We­gen mei­ner könn­te, wer woll­te, eine alte Blech­lam­pe oder einen ei­ser­nen Ring rei­ben bis er schwarz wür­de, mir fiel’s drum doch nicht ein, zu ihm zu lau­fen und mir be­feh­len zu las­sen.«

»Wie du jetzt wie­der re­dest, Huck Finn, du müss­test eben kom­men, wenn du ein Dä­mon wärst und ei­ner rie­be den Ring, ob du woll­test oder nicht.«

»Was? Und da­bei wär’ ich so groß wie ein Baum und so dick wie ein Turm? Gut, ich woll­te kom­men, ich käme, aber der rie­fe mich nicht zum zwei­ten Mal, das kannst du mir glau­ben!«

»Pah, mit dir ist nicht zu re­den, Huck Finn, du weißt und ver­stehst auch rein gar nichts – der voll­kom­mens­te Hohl­kopf!« –

Zwei oder drei Tage lang über­leg­te ich mir nun die Sa­che, und dann be­schloss ich zu pro­bie­ren, ob wirk­lich et­was dran sei. Ich ver­schaff­te mir eine alte Blech­lam­pe und einen ei­ser­nen Ring, ging hin­aus in den Wald und rieb und rieb, bis ich schwitz­te wie ein Dampf­kes­sel, – ich hät­te so ger­ne einen Palast zum ver­kau­fen ge­habt. Aber es war al­les um­sonst, es kam kein Don­ner und kein Blitz und kein Dampf und kein Rauch und am al­ler­we­nigs­ten ein Dä­mon. Da be­griff ich denn, dass all’ der Un­sinn wie­der ein­mal eine von Tom’s Lü­gen ge­we­sen war. Er glaubt viel­leicht an die Ah-ra­ber und die Ele­fan­ten, ich aber den­ke an­ders – es schmeck­te al­les zu sehr nach der Sonn­tags­schu­le.

Viertes Kapitel – »Langsam aber sicher.« – Huck und der Kreisrichter. – Aberglaube.

So ver­gin­gen drei oder vier Mo­na­te und wir wa­ren nun mit­ten im Win­ter drin. Ich ging flei­ßig zur Schu­le, konn­te buch­sta­bie­ren, le­sen, schrei­ben, das Ein­mal­eins her sa­gen bis zu sechs mal sie­ben ist fünf­und­drei­ßig,1 wei­ter kam ich nicht und wäre auch wohl nie wei­ter ge­kom­men und wenn ich hun­dert Jah­re dran ge­lernt hät­te – ich habe ein­mal kein Ta­lent zur Ma­the­ma­tik.

Erst ver­ab­scheu­te ich die Schu­le, dann ge­wöhn­te ich mich all­mä­lich dar­an. Streng­te sie mich ein­mal über­mä­ßig an, so schwänz­te ich einen Tag und die Tracht, die ich da­für an­de­ren tags be­kam, tat mir gut und frisch­te mich auf.

Je län­ger ich hin­ging, de­sto leich­ter wur­de mir’s. Auch an der Wit­we ihre Art ge­wöhn­te ich mich nach und nach und är­ger­te mich nicht mehr über al­les. Nur das im Hau­se woh­nen und im Bet­te schla­fen woll­te mir noch im­mer nicht hin­un­ter und eh’ das kal­te Wet­ter kam, rann­te ich manch­mal des Nachts in den Wald und ruh­te dort ein­mal gründ­lich aus. Ich lieb­te mein al­tes, frei­es Le­ben viel – viel mehr als das neue, aber ich fing doch an, auch das ein klein we­nig gern zu ha­ben. Die Wit­we und ich, wir ka­men uns »lang­sam aber si­cher« nä­her und wa­ren ganz zu­frie­den mit­ein­an­der. Sie sag­te auch, sie schä­me sich mei­ner gar nicht mehr.

Ei­nes Mor­gens stieß ich beim Früh­stück das Salz­fass um und woll­te eben ein paar Körn­chen von dem ver­schüt­te­ten Salz neh­men, um es über die lin­ke Schul­ter zu wer­fen, da­mit es mir kein Un­glück brin­ge, da kam mir Miss Wat­son zu­vor: »Die Hand weg, Huck­le­ber­ry«, ze­tert sie, »du musst auch im­mer Dumm­hei­ten ma­chen!« Die Wit­we woll­te ein gu­tes Wort für mich ein­le­gen, aber das konn­te das Un­glück nicht ab­hal­ten, das wuss­te ich nur zu ge­wiss. Ich war ganz zit­te­rig und zer­schla­gen, als ich vom Tisch auf­stand und schlich mich hin­aus, mir den Kopf zer­bre­chend, wo mir wohl et­was Schlim­mes zu­sto­ßen und was in al­ler Welt es sein wer­de. Ich weiß auch noch and­re Mit­tel, um Un­glück fern zu hal­ten, aber die lie­ßen sich hier nicht an­wen­den und so hielt ich still und tat gar nichts, schlän­gel­te mich nur nie­der­ge­schla­gen mei­nes We­ges wei­ter, im­mer auf der Hut vor ir­gend et­was Un­be­kann­tem. Ich ging den Gar­ten hin­un­ter und klet­ter­te über den ho­hen Bret­ter­zaun. Es war in der Nacht fri­scher Schnee ge­fal­len und ich sah Fuß­spu­ren in dem­sel­ben. Sie führ­ten di­rekt vom Stein­bruch hier­her und rings um den Gar­ten­zaun. Im Gar­ten selbst sah ich nichts und das mach­te mich stut­zig, was hat­te ei­ner da drau­ßen her­um zu lun­gern? Ich woll­te den Spu­ren nach­ge­hen, bück­te mich aber erst noch ein­mal, um sie zu un­ter­su­chen. Zu­erst fiel mir nichts dran auf, dann aber, Herr du mein Gott, da sah ich et­was, das mir be­kannt war und ich wuss­te so­fort, was die Uhr ge­schla­gen hat­te. Am lin­ken Ab­satz der Fuß­spur be­fand sich ein mir nur all­zu be­kann­tes Kreuz aus di­cken Nä­geln, um den Bö­sen fern zu hal­ten.

In ei­ner Se­kun­de war ich auf und setz­te den Hü­gel hin­un­ter. Von Zeit zu Zeit sah ich ah­nungs­voll über die Schul­ter zu­rück, konn­te aber nie­mand ent­de­cken. Wie der Blitz rann­te ich zum Kreis­rich­ter, der ruft mir ent­ge­gen:

»Jun­ge, du bist ja ganz au­ßer Atem. Kommst du we­gen dei­ner Zin­sen?«

»Nein«, sag ich, »hab’ ich denn wie­der was zu be­kom­men?«

»O ja, ges­tern Abend sind die vom letz­ten hal­b­en Jahr ein­ge­lau­fen. Über hun­dert­und­fünf­zig Dol­lars. Ein gan­zes Ver­mö­gen für dich, mein Jun­ge. Ich lege dir die Zin­sen aber wohl bes­ser mit dem Ka­pi­tal an, denn wenn du sie hast, gibst du sie auch aus.«

»O, nein«, sag’ ich, »ich will sie gar nicht ha­ben, die Zin­sen nicht und auch die sechs­tau­send nicht, Sie sol­len’s neh­men, Herr, ich will’s Ih­nen ge­ben, al­les, al­les!«

Er sah mich er­staunt an, schi­en mich nicht zu ver­ste­hen. Dann sag­te er:

»Wie, – wie meinst du das, Jun­ge?«

Sag’ ich: »Fra­gen Sie mich, bit­te, nichts wei­ter, Herr, aber neh­men Sie’s, bit­te, neh­men Sie’s!«

Sag­t’ er:

»Jun­ge, ich ver­steh’ dich nicht, was ist denn mit dir?«

»Bit­te, bit­te neh­men Sie’s und fra­gen Sie mich nicht wei­ter – dann muss ich Ih­nen auch nichts vor­schwin­deln!«

Er dacht’ eine Wei­le nach, dann sag­t’ er:

»Hol­la, ich glaub’ ich hab’s. Du willst mir dei­ne An­sprü­che ab­tre­ten, ver­kau­fen, nicht schen­ken. Das liegt dir im Sinn, nicht wahr?«

Und ohne wei­te­res schreibt er ein paar Zei­len auf ein Stück Pa­pier, liest’s noch ein­mal durch und sag­te dann:

»Da – sieh her. Es ist ein Ver­trag und es steht drin, dass ich dir dei­ne An­sprü­che ab­ge­kauft habe. Hier ist ein Dol­lar und nun un­ter­schrei­be!«

Ich un­ter­schrieb und troll­te mich.

Miss Wat­sons Nig­ger Jim hat­te eine haa­ri­ge Ku­gel, so groß wie eine Faust, die ein­mal aus dem vier­ten Ma­gen ei­nes Och­sen her­aus­ge­nom­men wor­den war. Mit der konn­te er wahr­sa­gen, da sich ein Geist drin be­fand, der al­les wuss­te. Ich ging also zu Jim am Abend und sag­te ihm, mein Al­ter sei rich­tig wie­der im Land, ich habe sei­ne Fuß­tap­pen im Schnee ge­fun­den. Was ich wis­sen woll­te war, was der Alte im Schil­de führ­te und wie lang er blei­ben wer­de. Jim nahm sei­ne haa­ri­ge Ku­gel, brumm­te et­was drü­ber hin, hob sie in die Höhe und warf sie dann zu Bo­den. Sie fiel derb auf und roll­te kaum einen Zoll weit von der Stel­le. Noch ein­mal pro­bier­te es Jim und noch ein­mal und im­mer blieb es gleich. Jetzt knie­te Jim nie­der und leg­te sein Ohr an die Ku­gel und horch­te, aber ’s woll­te nichts sa­gen.

Da sag­t’ er, manch­mal re­det es nicht ohne Geld. Ich bot ihm nun eine alte, nach­ge­mach­te Mün­ze an, die ich hat­te, bei der über­all das Mes­sing durch­sah, und die so fett und schlüpf­rig sich an­fühl­te, dass sie mir nie­mand für echt ab­ge­nom­men hät­te. Von mei­nem Dol­lar schwieg ich na­tür­lich, denn für die alte Ku­gel war wahr­haf­tig die schlech­te Mün­ze gut ge­nug. Jim nahm die Mün­ze, roch dar­an, rieb sie, biss hin­ein und ver­sprach, es ein­zu­rich­ten, dass die Haar­ku­gel die Unecht­heit nicht mer­ke. Er sag­te, er wol­le eine rohe Kar­tof­fel neh­men und die Mün­ze hin­ein­ste­cken und die Nacht über drinn las­sen, am an­de­ren Mor­gen sehe man dann kein Mes­sing und füh­le kei­ne Fet­tig­keit und kein Mensch wer­de den Be­trug mer­ken, noch we­ni­ger eine Haar­ku­gel. Das Ding mit der Kar­tof­fel wusst’ ich, hat­t’s nur ver­ges­sen im Mo­ment.

Jim steck­te also nun die Mün­ze un­ter die Ku­gel und leg­te wie­der das Ohr dran. Jetzt sei al­les in Ord­nung, sag­t’ er und die Ku­gel wer­de mir wahr­sa­gen, so­viel ich wol­le. »Nur zu!« sag’ ich. Und die Ku­gel sprach nun zu Jim, und Jim sag­t’s mir wie­der:

»Dei­ne alte Vat­ter noch nix wis­sen, was wol­len tun. Ein­mal wol­len ge­hen, ein­mal wol­len blei­ben. Du sein ganz ru­hig, Huck, las­sen tun die alte Mann, wie er wol­len. Sein da zwei En­gels, flie­gen um ihn rum. Sein der eine weiß, der an­de­re schwarz. Wol­len der weiß ihn füh­ren gute Weg, kom­men der schwarz un rei­ßen ihn fort. Arme Jim nich nix kön­nen sa­gen von Ende, ob schwarz, ob weiß! Bei dir aber al­lens sein gut. Du ha­ben noch viel Angst im Le­ben, aber auch viel Freud! Wer­den kom­men Krank­heit und Un­glück, un dann Ge­sund­heit un Glück! Sein dei­ne En­gel zwei Mä­dels, eine blond un eine braun, eine reich un eine arm. Wer­den du hei­ra­ten erst die arm un dann die reich! Du nix ge­hen zu nah an Was­ser, sonst du müs­sen fal­len rein un ganz er­sau­fen! Du hö­ren arme, alte Jim, Huck, du nix ver­ges­sen, was er sa­gen!«

Das ver­sprach ich denn auch hoch und hei­lig und als ich dann mein Licht an­zün­de­te und in mein Zim­mer kam, – saß da mein Al­ter in Le­bens­grö­ße!

Ja, Huck Finn hat’s eben nach die­sem Exem­pel nicht sehr weit in der Re­chen­kunst ge­bracht!  <<<

Fünftes Kapitel – Hucks Vater. – Der zärtliche Verwandte. – Bekehrung.

Ich hat­te ge­ra­de die Türe zu­ge­macht und wie ich mich um­dreh­te, saß er vor mir. Ich hab’ mich stets vor ihm ge­fürch­tet, er hat mich im­mer so tap­fer ge­gerbt, aber dies­mal merk­t’ ich gleich, dass es an­ders war. – Das heißt, zu­erst schnapp­te ich nach Luft, – es nahm mir den Atem, ihn so plötz­lich zu se­hen; aber dann rap­pel­te ich mich schnell zu­sam­men und trat nä­her.

Er war bei­na­he fünf­zig und sah auch so aus. Sein Haar war lang und ver­wirrt und fet­tig und hing ihm übers Ge­sicht, dass sei­ne Au­gen drun­ter vor­sta­chen wie hin­ter Weinre­ben. Es war noch ganz schwarz, nichts von grau und so war auch sein lan­ger Schnauz­bart. In sei­nem Ge­sicht, so­weit man’s se­hen konn­te, war kei­ne Far­be, es war ganz weiß, aber nicht von ei­nem ge­wöhn­li­chen Weiß, son­dern so, dass es ei­nem übel mach­te, wenn man’s sah; dass es ei­nem eine Gän­se­haut über den Rücken jag­te, so to­ten­ähn­lich, so fisch­bauch­ar­tig war es. Sei­ne Klei­der – wa­ren Lum­pen, wei­ter nichts. Er hat­te den rech­ten Fuß aufs lin­ke Knie ge­legt und der Stie­fel sperr­te das Maul so weit auf, dass zwei oder drei Ze­hen her­aus sa­hen, an de­nen er her­um fin­ger­te. Sein Hut, ein al­ter zer­ris­se­ner Filz­de­ckel, lag auf dem Bo­den.

Ich starr­te ihn an. Er hat­te den Stuhl et­was über­ge­kippt und starr­te mich wie­der an. End­lich stell­te ich das Licht hin, und sah, dass das Fens­ter of­fen war, der Alte war also übers Schup­pen­dach ein­ge­stie­gen. Der ver­flix­te Schup­pen! Er folg­te mir mit den Au­gen, ich spür­t’ es, end­lich sag­t’ er:

»Don­ner­wet­ter, fei­ne Klei­der – sehr fein! Du bildst dir wohl was d’rauf ein, he? Denkst, du bist ein Herr ge­wor­den, he?«

»Vi­el­leicht, – viel­leicht auch nicht«, sag’ ich.

»Wirst du mir wohl or­dent­lich ant­wor­ten, he?« brüllt er, »du scheinst dir tüch­tig Mücken in den Kopf ge­setzt zu ha­ben, seit wir uns nicht ge­se­hen. Die treib’ ich dir aus, das lass’ dir ge­sagt sein! Du gehst auch in die Schu­le, hab’ ich mir sa­gen las­sen und kannst le­sen und schrei­ben. Glaubst du nun, dass du bes­ser bist, wie dein Va­ter, he, du Ra­cker? War­t’ ich will dir kom­men! Wer hat dir er­laubt da hin zu ge­hen, wer frag’ ich, wer hat dir’s er­laubt?«

»Die Wit­we! Sie hat’s er­laubt!«

»Die Wit­we, he? Und wer hat’s der Wit­we er­laubt, dass die ihre Nase in Din­ge steckt, die sie ab­so­lut nichts an­ge­hen, wer, he?«

»Nie­mand!«

»Gut, der will ich’s zei­gen! Und du, Ben­gel, in­fa­mer, du lässt das Schul­ge­hen blei­ben, ver­stan­den? Ich werd’s den Leu­ten schon zei­gen, was es heißt, ei­nem sol­chen Fle­gel, wie dir, in den Kopf set­zen, er sei bes­ser, als sein Va­ter. Lass du dich wie­der in der Schu­le er­wi­schen! Dei­ne Mut­ter hat nicht le­sen und schrei­ben kön­nen eh’ sie starb und kei­ner von der Fa­mi­lie konnt’s, ich kann’s auch nicht und da kommt so ein Ra­cker und will bes­ser sein als wir alle und bil­det sich was drauf ein und tut sich dick mit. Das lass ich mir aber nicht ge­fal­len, ver­stan­den? Da – zeig’ ein­mal was du le­sen kannst.«

Ich nahm ein Buch und stot­ter­te et­was vom Ge­ne­ral Wa­shing­ton und dem Krie­ge. Eine Mi­nu­te lang hör­te er zu, dann ver­setz­te er dem Buch einen Stoß, dass es an die and­re Zim­mer­wand klatsch­te. Sagt er:

»Kann’s der Ben­gel ja wahr­haf­tig! Ich hät­t’s nicht ge­glaubt, dacht’, es sei Ge­f­lun­ker. Aber du, war­t’, ich werd’ dir die Mücken aus­trei­ben, ich lei­d’s nicht, ver­stan­den? Ich wer­de auf­pas­sen und er­wisch ich dich an der Schu­le, mein fei­ner Herr, so ger­b’ ich dir das Le­der durch, dass du die En­gel im Him­mel pfei­fen hörst! Nächs­tens wirst du noch fromm wer­den! Don­ner­wet­ter, so ein Sohn!«

Er griff nach ei­nem klei­nen blau und gel­ben Bild­chen, auf dem ein Jun­ge und ein paar Kühe ab­ge­malt wa­ren und fragt:

»Was ist das?«

»Das hab’ ich ge­kriegt, weil ich mei­ne Auf­ga­be gut ge­lernt habe!«

Rasch war’s zer­ris­sen und er brüllt:

»Ich will dir was Bess­res ge­ben, war­t’, ich werd’ dir ein Bild auf den Bu­ckel ma­len!«

Nun saß er still und mur­mel­te und brumm­te vor sich hin. Dann fängt er wie­der an:

»Hat man je schon so et­was er­lebt! Das nenn’ ich einen fei­nen Herrn! Ein Bett, wahr­haf­tig und Bet­tü­cher! Und ein Stück­chen Tep­pich am Bo­den! Und der eig­ne Va­ter schläft bei den Schwei­nen oder wo er ge­ra­de hin­kommt! Und das will ein Sohn sein! War­t’, Kerl, die Mücken flie­gen dir aus dem Kopf, das sag’ ich dir, eh’ du Amen sa­gen kannst. Mit dir werd’ ich noch fer­tig wer­den, Ra­cker! Die Leu­te sa­gen auch, du hät­test Geld! Wie ist das?«

»Die Leu­te lü­gen, – so ist das!«

»Ich sag’ dir, Bur­sche, denk’ dran, dass du mit dei­nem Va­ter sprichst, bald bin ich fer­tig mit mei­ner Ge­duld, also sieh’ dich vor! Jetzt bin ich zwei Tage in der Stadt und über­all hab’ ich von dei­nem Geld ge­hört, schon wei­ter un­ten im Tal er­zähl­ten sie da­von, und so muss doch was dran sein! Des­halb bin ich ge­kom­men. Also mor­gen schaffst du mir das Geld, ver­stan­den? – Ich brauch’s!«

»Ich hab’ kein Geld!«

»Du lügst! Der Kreis­reich­ter hat’s für dich und du schaffst’s mir her – ich brauch’s, sag’ ich dir!«

»Ich hab’ kein Geld! Frag’ den Kreis­rich­ter selbst, der wird dir’s auch sa­gen!«

»Gut, ich werd’ ihn fra­gen und er muss ble­chen, oder ich will wis­sen, wie­so. Was hast du in der Ta­sche, he? Ich will’s ha­ben!«

»Ich hab’ nur einen ein­zi­gen Dol­lar und den brauch’ ich um –«

»Das ist ganz Wurst wozu du ihn brauchst, her da­mit! Raus!«

Er nahm ihn und biss hin­ein, um zu se­hen, ob er echt sei und sag­te dann, er gehe in die Stadt, um sich Whis­key zu ho­len, er habe den gan­zen Tag noch kei­nen Trop­fen über die Lip­pen ge­bracht, da­bei roch er wie ein Schnaps­la­den. Dann klet­ter­te er zum Fens­ter hin­aus auf den Schup­pen, steck­te den Kopf wie­der her­ein, fluch­te noch ein­mal auf mei­ne Mücken und dar­über, dass ich bes­ser sein wol­le als er, und als ich dach­te, nun sei er si­cher fort, er­schi­en er noch ein­mal und er­in­ner­te mich an die Schu­le und die ver­spro­che­nen Prü­gel, wenn ich mich dort bli­cken las­se.

Am an­de­ren Tag war er be­trun­ken, ging zum Kreis­rich­ter und droh­te ihm we­gen des Gel­des, das der nicht her­aus­ge­ben woll­te; sag­te, er wol­le vor Ge­richt ge­hen, und ihn dazu zwin­gen.

Der aber und die Wit­we ka­men selbst drum ein, dass man mich mei­nem Al­ten weg­neh­me und ei­nes von ih­nen zu mei­nem Vor­mund ma­che. Und das wäre mei­ner Seel’ das Bes­te ge­we­sen. Aber da war ein neu­er Orts­rich­ter ge­kom­men, der kann­te den al­ten Mann nicht und mein­te es sei un­recht, Fa­mi­li­en zu tren­nen, er kön­ne nichts tun, er wol­le dem Va­ter das Kind nicht rau­ben. So muss­ten der Kreis­rich­ter und die Wit­we die Sa­che eben ge­hen las­sen, wie’s ging.

Das war Was­ser auf die Müh­le mei­nes Al­ten und stieg ihm rie­sig zu Kop­fe. Er droh­te, er wol­le mich schwarz und blau dre­schen, wenn ich ihm nicht so­fort Geld ver­schaf­fe. Ich lief also zum Kreis­rich­ter und lieh mir drei Dol­lars von mei­nem Geld, der Alte nahm’s, be­trank sich, lärm­te, schimpf­te, fluch­te und spek­ta­ku­lier­te durch die Stra­ßen der Stadt, bis sie ihn fest­nah­men und für eine Wo­che ein­sperr­ten. Das war ihm nun nichts neu­es und ge­nier­te ihn wei­ter nicht. Wenn sie jetzt auch Meis­ter über ihn sei­en, so blei­be er doch im­mer­hin Herr und Meis­ter sei­nes Soh­nes, mein­te er, und wer­de das der gan­zen Stadt und sei­nem Herrn Soh­ne selbst noch klar be­wei­sen. Dem wol­le er schon noch ein­hei­zen in sei­nem Le­ben!

Nach Ver­lauf der Straf­zeit lie­ßen sie ihn dann lau­fen. Der Orts­rich­ter aber sag­te, er wol­le einen ›neu­en Men­schen‹ aus ihm ma­chen, nahm ihn mit nach Hau­se, gab ihm sau­be­re, or­dent­li­che Klei­der statt der Lum­pen, be­hielt ihn zum Früh­stück, Mit­ta­ges­sen und Abend­brot und schloss so zu sa­gen di­cke Freund­schaft mit ihm. Nach dem Abendes­sen re­de­te er dann auf ihn ein von Gott und dem letz­ten Ge­richt, der Bi­bel und dem ›Tem­pe­ra­ments­ver­ein‹, bis der alte Mann zu schluch­zen und zu wei­nen be­gann und sag­te, er sei ein Narr ge­we­sen all’ sein Le­ben lang, ein elen­der, er­bärm­li­cher, lum­pi­ger Narr! Jetzt aber gehe er in sich und wol­le von neu­em be­gin­nen und ein Mann wer­den, des­sen sich kein Mensch in der Welt zu schä­men brau­che, wenn ihm der Herr Rich­ter nur hel­fen und ihn nicht ver­ach­ten wol­le. Der sag­te, er möch­te ihm um den Hals fal­len für die­se Wor­te und wein­te vor Rüh­rung und sei­ne Frau wein­te mit. Mein Al­ter ver­si­cher­te nun, er sei im­mer ver­kannt wor­den in sei­nem Le­ben; al­les, was ein ver­lo­re­ner Mensch brau­che, um ge­ret­tet zu wer­den, sei Sym­pa­thie; der Rich­ter stimm­te ihm zu und dann wein­ten sie wie­der. Als es Zeit war zum schla­fen ge­hen, er­hob sich mein be­kehr­ter Va­ter, hielt sei­ne Hand hin und sag­te: