Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle - E-Book

Die Abenteuer des Sherlock Holmes E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Vollständig überarbeitete, korrigierte und illustrierte Fassung Mit 52 Illustrationen Wie kann man Sherlock Holmes nicht kennen? Den berühmtesten Detektiv der Geschichte, der mit seinem messerscharfen Verstand und seiner Ermittlungsart als Vorlage für fast alle kriminalistischen Nachfolger diente. Hier lernen Sie das lesenswerte Original kennen. Dieser Band beinhaltet folgende Kurzgeschichten: "Das gesprenkelte Band" ("The Speckled Band"), 1892 "Der Daumen des Ingenieurs" ("The Engineer's Thumb"), 1892 "Der adlige Junggeselle" ("The Noble Batchelor"), 1892 "Die Beryll-Krone" ("The Beryl Coronet"), 1892 "Silberstrahl" ("Silver Blaze"), 1892 "Die Blutbuchen" ("The Copper Beeches"), 1892 Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 276

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Arthur Conan Doyle

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Vollständige & Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Illustrationen: Sidney PagetÜbersetzung: Margarete Jacobi EV: Verlag R. Lutz, Stuttgart, 1903 5. Auflage, ISBN 978-3-954180-75-2

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Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Die ein­zel­nen Ge­schich­ten

Ar­thur Co­nan Doy­le & Sher­lock Hol­mes

Ein­füh­rung

Das ge­spren­kel­te Band

Der Dau­men des In­ge­nieurs

Der ad­li­ge Jung­ge­sel­le

Die Be­ryll-Kro­ne

Sil­ber­strahl

Die Blut­bu­chen

Dan­ke

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

Al­le Ro­ma­ne, alle Kurz­ge­schich­ten

Ü­ber 400 Zeich­nun­gen

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Die einzelnen Geschichten

»Das ge­spren­kel­te Band« (»The Speck­led Band«), 1892

Ei­ne auf­ge­reg­te Frau bit­tet Hol­mes um Hil­fe. He­len Sto­ner be­rich­tet vom mys­te­ri­ösen Tod ih­rer Zwil­lings­schwes­ter Ju­lia. Nun fürch­tet sie um ihr ei­ge­nes Le­ben. Wie wird sich Hol­mes die­ses Ge­heim­nis­ses an­neh­men?

»Der Dau­men des In­ge­nieurs« (»The En­gi­neer’s Thumb«), 1892

Der jun­ge In­ge­nieur Vic­tor Ha­ther­ley sucht Wat­sons Pra­xis auf, weil er wäh­rend ei­nes nächt­li­chen Vor­falls sei­nen Dau­men ver­lo­ren hat. Na­tür­lich er­regt er da­mit Hol­mes’ Auf­merk­sam­keit, der sich nur zu ger­ne der Sa­che an­nimmt.

»Der ad­li­ge Jung­ge­sel­le« (»The No­ble Bat­che­lor«), 1892

Eine kurz nach der Trau­ung ver­schwun­de­ne Braut, ein Mil­lio­nen­ver­mö­gen und ein ad­li­ger Jung­ge­sel­le sind die Zuta­ten in die­sem Ge­heim­nis, das dar­auf war­tet, von Hol­mes und Wat­son ge­löst zu wer­den. Si­cher­lich wer­den sie ge­mein­sam die Ant­wor­ten fin­den, oder nicht?

»Die Be­ryll-Kro­ne« (»The Be­ryl Co­ro­net«), 1892

An ei­nem Win­ter­mor­gen er­hal­ten Hol­mes und Wat­son Be­such von Alex­an­der Hol­der, den Teil­ha­ber ei­ner großen Pri­vat­bank; die­ser ist ver­zwei­felt, weil ihm eine wert­vol­le Kro­ne als Kre­dit­pfand kurz­fris­tig über­las­sen wor­den war. Sein stets in Geld­nö­ten be­find­li­cher Sohn wird nun ver­däch­tigt, Ju­we­len aus die­ser Kro­ne her­aus­ge­bro­chen und ge­stoh­len zu ha­ben.

»Sil­ber­strahl« (»Sil­ver Bla­ze«), 1892

Der be­rühm­te Stall­meis­ter und Trai­ner John Stra­ker wird er­mor­det auf­ge­fun­den, gleich­zei­tig ist das in sei­ner Ob­hut be­find­li­che, schnells­te Renn­pferd Eng­lands mit Na­men Sil­ber­strahl ver­schwun­den. Be­steht ein Zu­sam­men­hang? Schnell fällt der Ver­dacht auf einen Wi­der­sa­cher – zu schnell wo­mög­lich?

»Die Blut­bu­chen« (»The Cop­per Bee­ches«), 1892

Die jun­ge Er­zie­he­rin Vio­let Hun­ter er­hält ein ver­lo­cken­des Stel­len­an­ge­bot. Die­ses An­ge­bot ist aber so gut, dass ihr Miss­trau­en ge­weckt wird, nicht zu­letzt, weil man von ihr ver­langt, sich die Haa­re kurz zu schnei­den und wäh­rend der Ar­beit ein spe­zi­el­les Kleid zu tra­gen. Kei­ne Fra­ge, dass Hol­mes die­ser Ge­schich­te auf den Grund ge­hen muss.

Arthur Conan Doyle & Sherlock Holmes

Wo­mög­lich wäre die Li­te­ra­tur heu­te um eine ih­rer schil­lernds­ten De­tek­tiv­ge­stal­ten är­mer, wür­de der am 22. Mai 1859 in Edin­bur­gh ge­bo­re­ne Ar­thur Igna­ti­us Co­nan Doy­le nicht aus­ge­rech­net an der me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät sei­ner Hei­mat­stadt stu­die­ren. Hier näm­lich lehrt der spä­ter als Vor­rei­ter der Fo­ren­sik gel­ten­de Chir­urg Jo­seph Bell. Die Metho­dik des Do­zen­ten, sei­ne Züge und sei­ne ha­ge­re Ge­stalt wird der an­ge­hen­de Au­tor für den der­einst be­rühm­tes­ten De­tek­tiv der Kri­mi­nal­li­te­ra­tur über­neh­men.

Ge­burt und Tod des Hol­mes

Der ers­te Ro­man des seit 1883 in South­sea prak­ti­zie­ren­den Arz­tes teilt das Schick­sal zahl­lo­ser Erst­lin­ge – er bleibt un­voll­en­det in der Schub­la­de. Erst 1887 be­tritt Sher­lock Hol­mes die Büh­ne, als »Eine Stu­die in Schar­lach­rot« er­scheint. Nach­dem Co­nan Doy­le im Ma­ga­zin The Strand sei­ne Hol­mes-Epi­so­den ver­öf­fent­li­chen darf, ist er als er­folg­rei­cher Au­tor zu be­zeich­nen. The Strand er­öff­net die Rei­he mit »Ein Skan­dal in Böh­men«. Im Jahr 1890 zieht der Schrift­stel­ler nach Lon­don, wo er ein Jahr dar­auf, dank sei­nes li­te­ra­ri­schen Schaf­fens, be­reits sei­ne Fa­mi­lie er­näh­ren kann; seit 1885 ist er mit Loui­se Hawkins ver­hei­ra­tet, die ihm einen Sohn und eine Toch­ter schenkt.

Gin­ge es aus­schließ­lich nach den Le­sern, wäre dem küh­len De­tek­tiv und sei­nem schnauz­bär­ti­gen Mit­be­woh­ner ewi­ges Le­ben be­schie­den. Die Aben­teu­er der bei­den Freun­de neh­men frei­lich, wie ihr Schöp­fer meint, zu viel Zeit in An­spruch; der Au­tor möch­te his­to­ri­sche Ro­ma­ne ver­fas­sen. Des­halb stürzt er 1893 in »Das letz­te Pro­blem« so­wohl den De­tek­tiv als auch des­sen Wi­der­sa­cher Mo­ri­ar­ty in die Rei­chen­bach­fäl­le. Die Pro­tes­te der ent­täusch­ten Le­ser­schaft fruch­ten nicht – Hol­mes ist tot.

Die Wie­der­au­fer­ste­hung des Hol­mes

Ob­wohl sich der Schrift­stel­ler mitt­ler­wei­le der Ver­gan­gen­heit und dem Mys­ti­zis­mus wid­met, bleibt sein In­ter­es­se an Po­li­tik und rea­len Her­aus­for­de­run­gen doch un­ge­bro­chen. Den Zwei­ten Bu­ren­krieg er­lebt Co­nan Doy­le seit 1896 an der Front in Süd­afri­ka. Aus sei­nen Ein­drücken und po­li­ti­schen An­sich­ten re­sul­tie­ren zwei nach 1900 pu­bli­zier­te pro­pa­gan­dis­ti­sche Wer­ke, wo­für ihn Queen Vic­to­ria zum Rit­ter schlägt.

Eben zu je­ner Zeit weilt Sir Ar­thur zur Er­ho­lung in Nor­folk, was Hol­mes zu neu­en Ehren ver­hel­fen wird. Der Li­te­rat hört dort von ei­nem Geis­ter­hund, der in Dart­moor1 eine Fa­mi­lie ver­fol­gen soll. Um das Mys­te­ri­um auf­zu­klä­ren, re­ani­miert Co­nan Doy­le sei­nen ex­zen­tri­schen Ana­ly­ti­ker: 1903 er­scheint »Der Hund der Bas­ker­vil­les«. Zeit­lich noch vor dem Tod des De­tek­tivs in der Schweiz an­ge­sie­delt, er­fährt das Buch enor­men Zu­spruch, wes­halb der Au­tor das Ge­nie 1905 in »Das lee­re Haus« end­gül­tig wie­der­be­lebt.

Das un­wi­der­ruf­li­che Ende des Hol­mes

Nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau im Jahr 1906 und der Hei­rat mit der, wie Co­nan Doy­le glaubt, me­di­al be­gab­ten Jean Le­ckie be­fasst sich der Pri­vat­mann mit Spi­ri­tis­mus. Sein li­te­ra­ri­sches Schaf­fen kon­zen­triert sich zu­neh­mend auf Zu­kunfts­ro­ma­ne, de­ren be­kann­tes­ter Pro­tago­nist der Ex­zen­tri­ker Pro­fes­sor Chal­len­ger ist. Als po­pu­lärs­ter Chal­len­ger-Ro­man gilt die 1912 ver­öf­fent­lich­te und be­reits 1925 ver­film­te Ge­schich­te »Die ver­ges­se­ne Welt«, die Co­nan Doy­le zu ei­nem Witz ver­hilft: Der durch­aus schlitz­oh­ri­ge Schrift­stel­ler zeigt im klei­nen Kreis ei­ner Spi­ri­tis­ten­sit­zung Film­auf­nah­men ver­meint­lich le­ben­der Sau­ri­er, ohne zu er­wäh­nen, dass es sich um Ma­te­ri­al der ers­ten Ro­man­ver­fil­mung han­delt.

Die spä­te Freund­schaft des Li­te­ra­ten mit Hou­di­ni zer­bricht am Spi­ri­tis­mus-Streit, denn der un­char­man­te Zau­ber­künst­ler ent­larvt zahl­rei­che Be­trü­ger, wäh­rend der Schrift­stel­ler von der Exis­tenz des Über­na­tür­li­chen über­zeugt ist. Co­nan Doy­les Geis­ter­glau­be er­hält Auf­trieb, als sein äl­tes­ter Sohn Kings­ley wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs an der Front fällt.

Noch bis 1927 be­dient der Au­tor das Pub­li­kum mit Kurz­ge­schich­ten um Hol­mes und Wat­son; zu­letzt er­scheint »Das Buch der Fäl­le«. Als Sir Ar­thur Co­nan Doy­le am 7. Juli 1930 stirbt, trau­ern Fa­mi­lie und Le­ser­schaft glei­cher­ma­ßen, denn dies­mal ist Hol­mes wirk­lich tot.

Von der Be­deu­tung ei­nes Ge­schöp­fes

Oder viel­mehr ist Hol­mes ein ewi­ger Wie­der­gän­ger, der im Ge­dächt­nis des Pub­li­kums fort­lebt. Nicht we­ni­ge Le­ser hiel­ten und hal­ten den De­tek­tiv für eine exis­ten­te Per­son, was nicht zu­letzt Co­nan Doy­les er­zäh­le­ri­schem Ge­schick und dem Rea­li­täts­be­zug der Ge­schich­ten zu ver­dan­ken sein dürf­te. Tat­säch­lich kam man im 20. Jahr­hun­dert dem Be­dürf­nis nach et­was Hand­fes­tem nach, in­dem ein Haus in der Lon­do­ner Ba­ker Street die Num­mer 221 b er­hielt. Dort be­fin­det sich das Sher­lock-Hol­mes-Mu­se­um.

Co­nan Doy­les zeit­ge­nös­si­scher Schrift­stel­ler­kol­le­ge Gil­bert Keith Che­s­ter­ton, geis­ti­ger Va­ter des kri­mi­na­lis­ti­schen Pa­ter Brown, brach­te das li­te­ra­ri­sche Ver­dienst sei­nes Lands­manns auf den Punkt: Sinn­ge­mäß sag­te er, dass es nie bes­se­re De­tek­tiv­ge­schich­ten ge­ge­ben habe und dass Hol­mes mög­li­cher­wei­se die ein­zi­ge volks­tüm­li­che Le­gen­de der Mo­der­ne sei, de­ren Ur­he­ber man gleich­wohl nie ge­nug ge­dankt habe.

Dass der De­tek­tiv sein sons­ti­ges Schaf­fen der­ma­ßen über­la­gern konn­te, war Co­nan Doy­le selbst nie­mals recht. Er hielt sei­ne his­to­ri­schen, po­li­ti­schen und spä­ter sei­ne mys­ti­zis­tisch-spi­ri­tis­ti­schen Ar­bei­ten für wert­vol­ler, wäh­rend die Kurz­ge­schich­ten dem blo­ßen Brot­er­werb dienten. Ver­mut­lich über­sah er bei der Selb­st­ein­schät­zung sei­ner ver­meint­li­chen Tri­vi­al­li­te­ra­tur de­ren enor­me Wir­kung, die weit über ih­ren ho­hen Un­ter­hal­tungs­wert hin­aus­ging.

So wie Jo­seph Bell, Co­nan Doy­les Do­zent an der Uni­ver­si­tät, durch prä­zi­se Beo­b­ach­tung auf die Er­kran­kun­gen sei­ner Pa­ti­en­ten schlie­ßen konn­te, soll­te Sher­lock Hol­mes an Kri­mi­nal­fäl­le her­an­ge­hen, die so­wohl sei­nen Kli­en­ten als auch der Po­li­zei un­er­klär­lich schie­nen. Bells streng wis­sen­schaft­li­ches Vor­ge­hen stand Pate für De­duk­ti­on und fo­ren­si­sche Metho­dik in den vier Ro­ma­nen und 56 Kurz­ge­schich­ten um den ha­ge­ren Gent­le­man-De­tek­tiv. Pro­fes­sor Bell be­riet die Po­li­zei bei der Ver­bre­chensauf­klä­rung, ohne in den of­fi­zi­el­len Be­rich­ten oder in den Zei­tun­gen er­wähnt wer­den zu wol­len. Die Ähn­lich­keit zu Hol­mes ist au­gen­fäl­lig. Wirk­lich war in den Ge­schich­ten die Fik­ti­on der Rea­li­tät vor­aus, denn wis­sen­schaft­li­che Ar­beits­wei­se, ge­naue Ta­tort­un­ter­su­chung und ana­ly­tisch-ra­tio­na­les Vor­ge­hen wa­ren der Kri­mi­na­lis­tik je­ner Tage neu. Man ur­teil­te nach Au­gen­schein und ent­warf Theo­ri­en, wo­bei die Be­weis­füh­rung nicht er­geb­ni­sof­fen ge­führt wur­de, son­dern le­dig­lich jene Theo­ri­en be­le­gen soll­te. Zwei­fel­los hat die Po­pu­la­ri­tät der Er­leb­nis­se von Hol­mes und Wat­son den Auf­stieg der rea­len Fo­ren­sik in der Ver­bre­chensauf­klä­rung un­ter­stützt.

Ein wei­te­rer in­ter­essan­ter Aspekt der Er­zäh­lun­gen be­trifft Co­nan Doy­les Nei­gung, sei­ne ei­ge­nen An­sich­ten ein­zu­ar­bei­ten. Zwar be­vor­zug­te er zu die­sem Zweck an­de­re Schaf­fens­zwei­ge, aber es fin­den sich ge­sell­schaft­li­che und mo­ra­li­sche Mei­nun­gen, wenn Hol­mes etwa Ver­bre­cher ent­kom­men lässt, weil er meint, dass eine Tat ge­recht ge­we­sen oder je­mand be­reits durch sein Schick­sal ge­nug ge­straft sei. Ge­le­gent­lich ist da­bei fest­zu­stel­len, dass er An­ge­hö­ri­ge nied­ri­ger Stän­de gleich­gül­ti­ger be­han­delt als die Ver­tre­ter der »gu­ten Ge­sell­schaft«.

Fik­ti­ve Bio­gra­fi­en des De­tek­tivs, Büh­nen­stücke, Ver­fil­mun­gen und zahl­lo­se Nach­ah­mun­gen, dar­un­ter nicht sel­ten Sa­ti­ren, von de­nen Co­nan Doy­le mit »Wie Wat­son den Trick lern­te« 1923 selbst eine ver­fass­te, kün­den von der un­ge­bro­che­nen Be­liebt­heit des kri­mi­na­lis­ti­schen Duos, ohne das die Welt­li­te­ra­tur we­ni­ger span­nend wäre.

be­rüch­tig­tes, bri­ti­sches Ge­fäng­nis in ei­ner Moor­ge­gend ge­le­gen  <<<

Einführung

Die Haus­häl­te­rin hat­te eben den Nach­mit­tags­tee her­ein­ge­bracht. Nun zog sie die Vor­hän­ge vor den Fens­tern zu und zün­de­te die Steh­lam­pe an, die ein war­mes Licht über den ge­deck­ten Tisch warf. Das Feu­er im Ka­min ver­brei­te­te eine an­ge­neh­me Wär­me. Dok­tor Wat­son saß in ei­nem be­que­men Ses­sel und las, als sich die Türe öff­ne­te und Sher­lock Hol­mes ein­trat. »Das ist heu­te mal wie­der ein Ne­bel!« sag­te er und rieb sich die Hän­de vor dem Feu­er warm. »Ein scheuß­li­ches Wet­ter drau­ßen! Kei­nen Hund möch­te man da hin­aus­ja­gen!« Dann wand­te er sich dem Haus­ge­nos­sen zu: »Was liest du denn da so in­ter­es­siert, Dok­tor?«

Wat­son leg­te rasch, fast in leich­ter Ver­le­gen­heit, die Blät­ter bei­sei­te. Es wa­ren eine An­zahl fort­lau­fen­der Num­mern des ›Te­le­gra­ph‹.

»Ach, nichts wei­ter«, sag­te er in of­fen­sicht­li­chem Be­mü­hen, der Sa­che kei­ne wei­te­re Be­deu­tung zu­zu­schrei­ben. »Komm, setz dich lie­ber her und trin­ke gleich einen hei­ßen Tee, wenn du so aus­ge­fro­ren bist.«

Da­mit füll­te er ihm eine Tas­se, rück­te einen Ses­sel zu­recht und bot ihm einen Tel­ler mit be­leg­ten Bro­ten an. Kaum hat­te Hol­mes sich ge­setzt, so klin­gel­te es. Sie stell­ten bei­de zu­gleich, wie auf Verab­re­dung, ihre Tas­sen nie­der und lausch­ten.

War es ein Be­such oder ein Ruf? Und wem von ih­nen bei­den moch­te er gel­ten?

Dr. Wat­son hat­te zwar seit sei­ner Rück­kehr aus dem af­gha­ni­schen Feld­zug, an dem er als Mi­li­tär­arzt teil­nahm, of­fi­zi­ell noch kei­ne Pra­xis auf­ge­nom­men. Aber es kam doch vor, dass er ge­le­gent­lich, etwa bei Un­glücks­fäl­len, zur drin­gen­den Hil­fe­leis­tung ge­holt wur­de und sie dann selbst­ver­ständ­lich nicht ver­wei­ger­te.

Die Haus­häl­te­rin kam her­ein. »Ein Kind ist über­fah­ren wor­den, Herr Dok­tor –«

»Ich kom­me«, un­ter­brach Wat­son ih­ren Be­richt und stand so­fort auf. Ein Mensch in Ge­fahr – da wur­de jede Fra­ge nach Zeit und Wet­ter gleich­gül­tig für ihn. Er eil­te hin­aus, und Hol­mes hör­te noch, wie er drau­ßen mit ei­nem Mäd­chen ver­han­del­te, sich Name und Woh­nung sa­gen ließ, wäh­rend er al­les Nö­ti­ge zur Hil­fe­leis­tung ein­pack­te. Gleich dar­auf fiel die Hau­stü­re ins Schloss. Frau Hud­son kam mit ih­rem schwe­ren Schritt die Trep­pe her­auf und ver­schwand in der Kü­che.

Es war wie­der still ge­wor­den im Hau­se. Nichts war mehr zu hö­ren, als das Auf­fla­ckern des Feu­ers im Ka­min. Der Lärm der Stra­ße und der vor­bei­fah­ren­den Wa­gen drang nur ge­dämpft her­auf, wie et­was Fer­nes, das die Ab­ge­schlos­sen­heit die­ses Rau­mes nicht stö­ren konn­te.

Sher­lock Hol­mes hat­te sei­nen Tee ge­trun­ken. Nun saß er in be­hag­li­cher Ent­span­nung zu­rück­ge­lehnt in sei­nem Ses­sel und blick­te ge­dan­ken­ver­lo­ren den blau­en Wol­ken sei­ner Pfei­fe nach. Da fiel sein Blick auf die Zei­tun­gen, die Wat­son acht­los lie­gen­ge­las­sen hat­te und er griff da­nach. Zu­erst blieb sein Blick auf ei­nem Ar­ti­kel haf­ten, in dem je­mand sich weit und breit über die Not­wen­dig­keit früh­zei­ti­ger Zahn­pfle­ge beim Klein­kind aus­ließ, dann folg­te ein Be­richt über den Stand der über­trag­ba­ren Krank­hei­ten. Fach­sim­pe­lei, die nur Wat­son an­geht, dach­te Hol­mes und war schon im Be­griff, den ›Te­le­gra­ph‹ wie­der weg­zu­le­gen, als er plötz­lich sei­nen ei­ge­nen Na­men dar­in ent­deck­te. »Aha, Wat­son scheint mal wie­der un­ter die Schrift­stel­ler ge­gan­gen zu sein!« mur­mel­te Hol­mes vor sich hin. Er über­flog ei­ni­ge Spal­ten, lä­chel­te, leg­te die Pfei­fe aus der Hand, setz­te sich be­quem zu­recht, such­te den An­fang und las:

Das gesprenkelte Band1

Wenn ich mei­ne Auf­zeich­nun­gen von den vie­len ab­son­der­li­chen Fäl­len über­bli­cke, an de­nen ich wäh­rend der letz­ten Jah­re das Ver­fah­ren mei­nes Freun­des Sher­lock Hol­mes stu­diert habe, so fin­de ich dar­un­ter man­che von tra­gi­scher, ei­ni­ge auch von ko­mi­scher Art; vie­le las­sen sich ein­fach nur als merk­wür­dig be­zeich­nen, aber kei­ner als all­täg­lich; denn da Hol­mes sich bei sei­ner Tä­tig­keit weit mehr von der Lie­be zu sei­nem Be­ruf als von ma­te­ri­el­lem Ge­winn be­stim­men ließ, so lehn­te er sei­ne Mit­wir­kung stets ab, wenn die Nach­for­schun­gen sich nicht auf einen un­ge­wöhn­li­chen oder ge­ra­de­zu rät­sel­haf­ten Vor­gang rich­te­ten. Un­ter all die­sen ver­schie­den­ar­ti­gen Fäl­len weiß ich mich je­doch kei­nes zu ent­sin­nen, der eine glei­che Fül­le merk­wür­di­ger Züge dar­ge­bo­ten hät­te, wie der, wel­cher in der be­kann­ten Fa­mi­lie der Roy­lotts von Sto­ke Moran in Sur­rey spiel­te. Die­ses Er­eig­nis fiel in die ers­te Zeit un­se­res ge­mein­sa­men Jung­ge­sel­len­le­bens in der Ba­ker Street. Ich wür­de es viel­leicht frü­her schon ver­öf­fent­licht ha­ben, wäre mir nicht Still­schwei­gen dar­über auf­er­legt ge­we­sen – eine Pf­licht, von der mich erst jetzt der Tod der Dame ent­bun­den hat, in de­ren In­ter­es­se je­nes Ver­spre­chen ge­ge­ben wor­den war. Vi­el­leicht ist es ganz gut, dass der wah­re Sach­ver­halt jetzt ans Licht kommt, denn wie ich hör­te, ha­ben sich über den Tod des Dr. Gri­mes­by Roy­lott in wei­ten Krei­sen Gerüch­te ver­brei­tet, die jene Er­eig­nis­se noch gräss­li­cher aus­mal­ten, als sie in Wirk­lich­keit wa­ren.

An ei­nem April­mor­gen er­blick­te ich beim Er­wa­chen Hol­mes voll­stän­dig an­ge­klei­det an mei­nem Bett. Er stand sonst ge­wöhn­lich spät auf, und da die Uhr auf dem Ka­min­sims erst ein Vier­tel nach sie­ben zeig­te, so blin­zel­te ich ihn ei­ni­ger­ma­ßen über­rascht, viel­leicht so­gar et­was är­ger­lich an, denn ich ließ mich selbst nicht ger­ne in mei­nen Ge­wohn­hei­ten stö­ren.

»Es tut mir sehr leid, dass ich dich we­cken muss, Wat­son«, sag­te er, »aber es geht heu­te Mor­gen kei­nem im Hau­se bes­ser. Frau Hud­son ist zu­erst her­aus­ge­klopft wor­den, sie hat mich auf­ge­weckt, und jetzt kommt die Rei­he an dich.«

»Was gibt es denn? Brennt es?«

»Nein, eine Kli­en­tin ist da. Eine jun­ge Dame von aus­wärts, die mich durch­aus spre­chen will. Sie soll in großer Auf­re­gung sein. Sie war­tet un­ten im Empfangs­zim­mer. Wenn sich aber eine jun­ge Dame in sol­cher Mor­gen­frü­he nach Lon­don auf­macht und die Leu­te aus den Fe­dern treibt, so wird sie wohl einen trif­ti­gen Grund da­für ha­ben. Ei­nen wirk­lich in­ter­essan­ten Fall wür­dest du doch ge­wiss gern von An­fang an ver­fol­gen. Ich woll­te dich des­halb un­ter al­len Um­stän­den we­cken, um dich die­ser Ge­le­gen­heit nicht zu be­rau­ben.«

»Das war sehr nett von dir, mein lie­ber Jun­ge, na­tür­lich möch­te ich sie um kei­nen Preis ver­pas­sen.«

Ich kann­te kei­nen grö­ße­ren Ge­nuss, als Hol­mes bei den Un­ter­su­chun­gen, die sein Be­ruf mit sich brach­te, Schritt für Schritt zu be­glei­ten und sei­ne küh­nen Schluss­fol­ge­run­gen zu be­wun­dern, die blitz­schnell, als ent­stamm­ten sie hö­he­rer Ein­ge­bung, und doch stets auf streng lo­gi­scher Grund­la­ge auf­ge­baut, Licht in das Dun­kel der ihm vor­ge­leg­ten rät­sel­haf­ten Fäl­le brach­ten. Ich warf mich also rasch in die Klei­der und war nach we­ni­gen Mi­nu­ten so weit, um mei­nem Freund nach dem Empfangs­zim­mer fol­gen zu kön­nen.

Eine schwarz­ge­klei­de­te, ver­schlei­er­te Dame saß am Fens­ter und er­hob sich bei un­se­rem Ein­tritt.

Hol­mes stell­te sich vor, be­grüß­te sie freund­lich und er­klär­te ihr, in­dem er auf mich deu­te­te: »Hier ist mein ver­trau­ter Freund und Kol­le­ge Dr. Wat­son, vor dem Sie Ihre Sa­che ohne Scheu vor­brin­gen kön­nen. – Frau Hud­son hat ja Feu­er an­ge­macht, wie ich sehe, das war ver­nünf­tig von ihr. Bit­te, set­zen Sie sich nur an den Ka­min; ich las­se Ih­nen gleich eine Tas­se hei­ßen Kaf­fee brin­gen, Sie zit­tern ja or­dent­lich.«

»Aber nicht vor Käl­te«, ant­wor­te­te die Dame mit lei­ser Stim­me, in­dem sie der Auf­for­de­rung Fol­ge leis­te­te.

»Wes­halb denn sonst?«

»Vor Angst, Herr Hol­mes, vor Schre­cken.« Bei die­sen Wor­ten schlug sie den Schlei­er zu­rück, und wir sa­hen nun, dass sie sich tat­säch­lich in ei­nem Zu­stand star­ker Er­re­gung be­fand; ihr Ge­sicht war ganz ver­zerrt und asch­fahl, und sie blick­te angst­voll um sich wie ein ge­hetz­tes Wild. Ihren Zü­gen und ih­rer Fi­gur nach muss­te man sie für drei­ßig­jäh­rig hal­ten, al­lein ihr Haar zeig­te be­reits Spu­ren von Grau, und es lag et­was Mü­des und Ab­ge­zehr­tes in ih­rer gan­zen Er­schei­nung.

Hol­mes mus­ter­te sie mit sei­nem al­les durch­drin­gen­den Blick. »Sie müs­sen kei­ne Angst ha­ben«, sag­te er in be­ru­hi­gen­dem Tone, in­dem er sich über sie beug­te. »Wir wer­den ge­wiss bald al­les in Ord­nung brin­gen. Sie sind heu­te früh mit der Bahn an­ge­kom­men, wie ich sehe.«

»Ken­nen Sie mich denn?«

»Nein, ich be­mer­ke nur die eine Hälf­te der Rück­fahr­kar­te, die Sie in Ihrem lin­ken Hand­schuh ste­cken ha­ben. Sie müs­sen früh auf­ge­bro­chen sein und hat­ten dann bis zur Bahn eine tüch­ti­ge Fahrt in ei­nem Jagd­wa­gen auf schlech­ten We­gen zu ma­chen.«

Mit dem Aus­druck höchs­ten Er­stau­nens starr­te die Frem­de mei­nen Freund an.

»Sie brau­chen sich nicht zu ver­wun­dern«, fuhr Hol­mes lä­chelnd fort. »Ich trei­be kei­ne Hell­se­he­rei. Aber der lin­ke Är­mel Ih­rer Ja­cke ist an nicht we­ni­ger als sie­ben Stel­len mit noch ganz nas­sem Schmutz be­spritzt. Kein an­de­res Fuhr­werk wirft aber so viel Schmutz auf wie ein Jagd­wa­gen, und am al­ler­schlimms­ten ist es vollends, wenn man vor­ne links ne­ben dem Kut­scher sitzt.«

»Das mag sein, wie es will, je­den­falls tref­fen Sie mit Ihren Schlüs­sen das Rich­ti­ge«, ver­setz­te sie. »Ich fuhr vor 6 Uhr da­heim fort, brauch­te 20 Mi­nu­ten bis nach Lea­ther­head und traf mit dem ers­ten Zuge hier an der Wa­ter­loo-Sta­ti­on ein. – Es kann nicht län­ger so fort­ge­hen, ich hal­te es nicht mehr aus, ich wer­de wahn­sin­nig! Ich habe gar nie­mand, an den ich mich wen­den könn­te – nie­mand; nur ein ein­zi­ger Mensch nimmt An­teil an mir, aber hel­fen kann er mir auch nicht. Man hat mir von Ih­nen er­zählt, Herr Hol­mes. Eine mei­ner Be­kann­ten, Frau Fa­rin­to­sh, der Sie ein­mal in ih­rer schreck­li­chen Be­dräng­nis Bei­stand leis­te­ten, hat mir Ihre Adres­se ge­ge­ben. Ach, mei­nen Sie nicht, Sie könn­ten mir viel­leicht eben­falls hel­fen und die furcht­ba­re Fins­ter­nis, die mich um­gibt, we­nigs­tens durch einen schwa­chen Schim­mer er­hel­len? Ich habe frei­lich jetzt kein Geld, aber in sechs Wo­chen oder ei­nem Mo­nat, wenn ich ver­hei­ra­tet und im Be­sitz mei­nes Ver­mö­gens bin, sol­len Sie mich nicht un­dank­bar fin­den.«

Hol­mes ent­nahm sei­nem Schreib­tisch ein klei­nes Buch mit Auf­zeich­nun­gen über frü­he­re Fäl­le und schlug dar­in nach.

»Fa­rin­to­sh«, mur­mel­te er, »ach ja, jetzt er­in­ne­re ich mich des Fal­les. Es han­del­te sich um einen Opal­kopf­schmuck. – Das war noch vor dei­ner Zeit, Wat­son. – Ich kann Ih­nen die Ver­si­che­rung ge­ben, dass ich mich Ihres Fal­les mit dem­sel­ben In­ter­es­se an­neh­men wer­de, wie da­mals der An­ge­le­gen­heit von Frau Fa­rin­to­sh. Über die Geld­fra­ge möch­te ich Sie be­ru­hi­gen, mei­ne Be­loh­nung fin­de ich ein­zig in mei­ner Tä­tig­keit selbst; doch steht es Ih­nen frei, mir mei­ne et­wai­gen Aus­la­gen bei ge­le­ge­ner Zeit zu er­set­zen. Und nun bit­te ich Sie, uns al­les mit­zu­tei­len, was für die Be­ur­tei­lung des Fal­les ir­gend von Wert sein kann.«

»Ach«, be­gann die Frem­de, »das Schreck­li­che an mei­ner Lage ist ge­ra­de, dass mei­ne Be­fürch­tun­gen so un­be­stimm­ter Na­tur sind und mein Ver­dacht sich nur auf ge­ring­fü­gi­ge Um­stän­de stützt, die je­dem an­de­ren be­deu­tungs­los er­schei­nen. Selbst mein Ver­lob­ter be­trach­tet alle mei­ne Ver­mu­tun­gen nur als Ein­ge­bun­gen mei­ner über­reiz­ten Ner­ven. Er sagt es nicht ge­ra­de her­aus, al­lein ich mer­ke es an sei­nen be­schwich­ti­gen­den Ant­wor­ten und aus­wei­chen­den Bli­cken. Aber Sie, Herr Hol­mes, sol­len ja im­stan­de sein wie nur we­ni­ge, das mensch­li­che Herz zu durch­schau­en. Ihr Rat wird mir ge­wiss einen Weg durch all die Ge­fah­ren zei­gen, von de­nen ich jetzt um­ge­ben bin.« Fra­gend hob sie den Blick zu Hol­mes.

»Bit­te, fah­ren Sie ru­hig fort«, er­mun­ter­te er sie.

»Ich hei­ße He­len Sto­ner und woh­ne zu­sam­men mit mei­nem Stief­va­ter an der West­gren­ze von Sur­rey. Er ist der letz­te der Roy­lotts von Sto­ke Moran, die eine der äl­tes­ten Fa­mi­li­en Eng­lands wa­ren.«

Sher­lock Hol­mes nick­te. »Der Name ist mir be­kannt«, sag­te er.

»Die Fa­mi­lie ge­hör­te einst zu den reichs­ten in ganz Eng­land und ihre Be­sit­zun­gen er­streck­ten sich bis über die Gren­zen der be­nach­bar­ten Graf­schaf­ten hin­aus. Im vo­ri­gen Jahr­hun­dert je­doch kam der Be­sitz vier­mal hin­ter­ein­an­der in leicht­sin­ni­ge Hän­de, und als dann noch ei­ner der Er­ben sich dem Spiel er­gab, war der Ruin der Fa­mi­lie be­sie­gelt. Ein paar Hu­fen2 Lan­des und der zwei­hun­dert Jah­re alte Fa­mi­li­en­sitz, auf dem aber hohe Hy­po­the­ken las­te­ten, war al­les, was üb­rig blieb. Der vo­ri­ge Guts­herr harr­te noch bis zu sei­nem Tode dort aus, in­dem er das schwe­re Los ei­nes ver­arm­ten Edel­man­nes trug; sein ein­zi­ger Sohn da­ge­gen, mein jet­zi­ger Stief­va­ter, sah ein, dass er sich den neu­en Ver­hält­nis­sen an­pas­sen muss­te; er ver­schaff­te sich ein Dar­le­hen von ei­nem Ver­wand­ten, das ihm das Stu­di­um der Me­di­zin er­mög­lich­te. Dann ließ er sich in Kal­kut­ta nie­der, wo er sich mit großer Wil­lens­kraft und durch sei­ne tüch­ti­gen Kennt­nis­se eine aus­ge­brei­te­te Pra­xis er­warb.

Im Jäh­zorn über einen Dieb­stahl in sei­nem Hau­se er­schlug er je­doch einen ein­ge­bo­re­nen Die­ner und ent­ging nur mit Mühe ei­nem To­des­ur­teil. Er er­hielt eine lan­ge Frei­heits­s­tra­fe, nach de­ren Ver­bü­ßung er ver­bit­tert und ent­täuscht nach Eng­land zu­rück­kehr­te. Wäh­rend sei­nes Auf­ent­halts in In­di­en hei­ra­te­te Dr. Roy­lott mei­ne Mut­ter, die jun­ge Wit­we des Ge­ne­ral­ma­jors Sto­ner von der ben­ga­li­schen Ar­til­le­rie. Mei­ne Zwil­lings­schwes­ter Ju­lia und ich wa­ren da­mals erst zwei Jah­re alt. Die Mut­ter be­saß ein Ver­mö­gen, das etwa tau­send Pfund im Jahr ein­brach­te und das sie un­se­rem Stief­va­ter voll­stän­dig über­ließ mit der Be­din­gung, im Fal­le un­se­rer Ver­hei­ra­tung je­der von uns bei­den eine ge­wis­se Sum­me jähr­lich aus­zu­zah­len. Bald nach un­se­rer Rück­kehr nach Eng­land kam mei­ne Mut­ter bei ei­nem Ei­sen­bah­n­un­fall ums Le­ben – es sind jetzt acht Jah­re her. Nun gab Dr. Roy­lott sei­ne Ver­su­che auf, sich in Lon­don eine ärzt­li­che Pra­xis zu grün­den, und zog mit uns in das alte Stamm­schloss in Sto­ke Moran. Da die Hin­ter­las­sen­schaft mei­ner Mut­ter un­se­re Be­dürf­nis­se reich­lich deck­te, so hät­ten wir ein zu­frie­de­nes und glück­li­ches Le­ben füh­ren kön­nen.

Al­lein mit un­se­rem Stief­va­ter ging plötz­lich eine schreck­li­che Ver­än­de­rung vor. An­statt freund­schaft­li­chen Ver­kehr mit un­se­ren Nach­barn an­zu­knüp­fen, die an­fangs hoch er­freut dar­über wa­ren, wie­der einen Sto­ke Moran auf dem al­ten Fa­mi­li­en­sitz ein­zie­hen zu se­hen, schloss er sich in sein Haus ein, und wenn er es je­mals ver­ließ, be­kam er mit je­dem, der ihm in den Weg lief, den hef­tigs­ten Streit. Ein förm­lich krank­haf­ter Jäh­zorn war über­haupt ein Erb­stück der Män­ner in der Fa­mi­lie, und bei mei­nem Stief­va­ter moch­te durch sei­nen lan­gen Auf­ent­halt in den Tro­pen die­se Ei­gen­schaft wohl noch ver­stärkt wor­den sein. Die Fol­ge war, dass er in eine Rei­he häss­li­cher Strei­tig­kei­ten ver­wi­ckelt wur­de, die ihn zwei­mal vor Ge­richt brach­ten, bis er zu­letzt der Schre­cken des gan­zen Dor­fes war und al­les bei sei­nem blo­ßen An­blick die Flucht er­griff, denn er be­sitzt eine rie­si­ge Stär­ke und kennt in sei­ner Wut kei­ne Gren­zen.

Vo­ri­ge Wo­che erst warf er den Dorf­schmied über das Brücken­ge­län­der ins Was­ser, und ich muss­te al­les, was ich an Geld hat­te, op­fern, da­mit die An­ge­le­gen­heit nicht vor Ge­richt ge­bracht wur­de. Mit kei­nem Men­schen hielt er Freund­schaft, au­ßer mit den her­um­zie­hen­den Zi­geu­nern; sie durf­ten auf den paar Mor­gen Brach­land, die von dem gan­zen Be­sitz­tum noch ge­blie­ben sind, ihr La­ger auf­schla­gen. Oft kehr­te er in ih­ren Zel­ten ein, ja er be­glei­te­te sie so­gar wo­chen­lang auf ih­ren Wan­der­zü­gen. Eine lei­den­schaft­li­che Vor­lie­be hat er für in­di­sche Tie­re, die er sich aus Kal­kut­ta kom­men lässt; ge­gen­wär­tig be­sitzt er einen Leo­par­den und einen Pa­vi­an, die er in sei­nem An­we­sen frei um­her­lau­fen lässt und die den Dorf­be­woh­nern den­sel­ben Schre­cken ein­ja­gen wie ihr Herr selbst.

Nach die­ser Schil­de­rung wer­den Sie mir si­cher glau­ben, dass mei­ne Schwes­ter und ich kein leich­tes Le­ben ge­führt ha­ben. Nie­mand woll­te bei uns blei­ben, und lan­ge Zeit muss­ten wir die gan­ze Haus­ar­beit al­lein ver­rich­ten. Ob­gleich Ju­lia erst drei­ßig Jah­re alt war, als sie starb, hat­te sie doch be­reits graue Haa­re wie ich auch.«

»Ihre Schwes­ter ist also ge­stor­ben?«

»Ja; es ist ge­ra­de zwei Jah­re her; und von ih­rem Tode möch­te ich Ih­nen eben Ge­nau­e­res mit­tei­len. Sie wer­den es ver­ste­hen, dass wir un­ter die­sen Um­stän­den we­nig Ge­le­gen­heit zum Ver­kehr mit un­se­res­glei­chen hat­ten. Nur bei un­se­rer Tan­te Ho­no­ria West­phail durf­ten wir von Zeit zu Zeit einen kur­z­en Be­such ma­chen. Sie ist eine un­ver­hei­ra­te­te Schwes­ter mei­ner Mut­ter und wohnt in der Nähe von Har­row. Vor zwei Jah­ren lern­te Ju­lia bei ei­nem sol­chen Be­such über Weih­nach­ten einen auf Halb­sold3 ge­setz­ten Ma­jor der Ma­ri­ne ken­nen, mit dem sie sich ver­lob­te. Un­ser Stief­va­ter er­hob ge­gen die Ver­bin­dung kei­ne Ein­wen­dung; al­lein vier­zehn Tage vor der Hoch­zeit trat das schreck­li­che Er­eig­nis ein, das mich mei­ner ein­zi­gen Ge­fähr­tin be­raub­te.«

Hol­mes, der mit ge­schlos­se­nen Au­gen in sei­nen Arm­stuhl zu­rück­ge­lehnt, den Kopf im Kis­sen ver­gra­ben, zu­ge­hört hat­te, schlug nun die Li­der ein we­nig auf und warf einen Blick auf die Er­zäh­le­rin.

»Bit­te, ver­ges­sen Sie auch nicht den kleins­ten Um­stand«, sag­te er.

»Das wird mir nicht schwer fal­len, denn alle Vor­gän­ge die­ser ent­setz­li­chen Zeit ste­hen mir un­aus­lösch­lich im Ge­dächt­nis. – Das Wohn­haus ist, wie ge­sagt, sehr alt, auch wird zur Zeit nur der eine Flü­gel be­wohnt. Die Schlaf­zim­mer be­fin­den sich im Erd­ge­schoss, wäh­rend die Wohn­zim­mer im mitt­le­ren Stock­werk lie­gen. Von den Schlaf­zim­mern hat­te das ers­te un­ser Stief­va­ter, das zwei­te mei­ne Schwes­ter und das drit­te ich selbst. Eine Ver­bin­dung zwi­schen ih­nen be­steht nicht, da­ge­gen füh­ren alle drei Tü­ren auf den­sel­ben Gang. – Ich spre­che doch ver­ständ­lich?«

»Voll­kom­men.«

»Die Fens­ter der drei Zim­mer ge­hen auf den Ra­sen­platz vor dem Hau­se. An je­nem schreck­li­chen Abend also zog sich un­ser Stief­va­ter zei­tig in sein Schlaf­zim­mer zu­rück; trotz­dem wuss­ten wir wohl, dass er sich noch nicht zur Ruhe be­ge­ben hat­te, denn mei­ne Schwes­ter wur­de durch den Ge­ruch der star­ken in­di­schen Zi­gar­re be­läs­tigt, die er zu rau­chen pfleg­te. Sie kam des­halb in mein Zim­mer her­über, um noch eine Zeit lang mit mir über ihre be­vor­ste­hen­de Hoch­zeit zu plau­dern. Es war elf Uhr, als sie mich wie­der ver­ließ; an der Tür blieb sie je­doch ste­hen und schau­te noch ein­mal zu­rück.

›Sag’ mir, He­len‹, frag­te sie, ›hast du je­mals ein Pfei­fen ver­nom­men, wenn nachts al­les to­ten­still ist?‹

›Nein, nie­mals.‹

›Ich habe auch schon ge­dacht, viel­leicht seist du es, die nachts im Schla­fe pfeift. Aber du glaubst doch auch nicht, dass das sein kann?‹

›Ge­wiss nicht, warum denn?‹

›In den letz­ten Näch­ten er­tön­te etwa um drei Uhr mor­gens ein lei­ser hel­ler Pfiff. Ich habe einen leich­ten Schlaf und bin dar­an auf­ge­wacht. Wo­her der Laut kam, kann ich nicht sa­gen, – viel­leicht aus dem Ne­ben­zim­mer, viel­leicht auch vom Vor­platz her­auf. Ich dach­te, ich woll­te dich doch fra­gen, ob du es auch ge­hört hast.‹

›Nein, ich habe nichts ge­hört. Das muss von dem Zi­geu­ner­ge­sin­del un­ten im Park her­kom­men.‹

›Höchst wahr­schein­lich; aber es wun­dert mich doch, dass du es nicht auch ge­hört hast, wenn es wirk­lich von un­ten kam.‹

›Ich schla­fe eben fes­ter als du.‹

›Nun, es ist ja je­den­falls nichts von Be­deu­tung‹, ver­setz­te sie lä­chelnd; da­mit schloss sie die Tür, und we­ni­ge Au­gen­bli­cke dar­auf hör­te ich, wie sie ihre Türe ab­schloss.«

»Schlos­sen Sie sich denn nachts re­gel­mä­ßig ein?« frag­te Hol­mes.

»Stets.«

»Und warum ta­ten Sie das?«

»Ich glau­be, ich habe be­reits er­wähnt, dass un­ser Stief­va­ter eine Ti­ger­kat­ze und einen Pa­vi­an hielt; wir fühl­ten uns des­halb nicht si­cher, wenn un­se­re Tü­ren nicht ver­schlos­sen wa­ren.«

»Ja frei­lich. Bit­te, fah­ren Sie nur fort.«

»Ich konn­te in je­ner Nacht kei­nen Schlaf fin­den. Ein un­be­stimm­tes Vor­ge­fühl dro­hen­den Un­heils be­drück­te mich. Sie er­in­nern sich, dass ich und mei­ne Schwes­ter Zwil­lin­ge wa­ren, und Sie wis­sen si­cher auch, wie eng man da mit­ein­an­der ver­bun­den ist. Es war eine un­heim­li­che Nacht. Drau­ßen heul­te der Wind, und der Re­gen schlug klat­schend ge­gen die Lä­den. Plötz­lich er­tön­te mit­ten durch das To­sen des Stur­mes ein wil­der Angst­schrei. Ich er­kann­te die Stim­me mei­ner Schwes­ter. Rasch sprang ich aus dem Bett und stürz­te auf den Gang hin­aus. Wäh­rend ich mei­ne Tür öff­ne­te, war es mir, als hör­te ich ein lei­ses Pfei­fen, wie mei­ne Schwes­ter es be­schrie­ben hat­te, und we­ni­ge Au­gen­bli­cke dar­auf ein klin­gen­des Geräusch wie vom Fall ei­nes schwe­ren me­tal­le­nen Ge­gen­stan­des. Die Zim­mer­tü­re mei­ner Schwes­ter war schon auf­ge­klinkt und öff­ne­te sich lang­sam. Starr vor Angst war­te­te ich auf den An­blick, der sich mir bie­ten wür­de; da sah ich beim Schein der Flur­lam­pe mei­ne Schwes­ter un­ter der Tür er­schei­nen; schre­ckens­bleich, die Hän­de hil­fe­su­chend aus­ge­streckt, schwank­te sie hin und her, als wäre sie be­rauscht. Ich eil­te auf sie zu und schlang die Arme um sie, aber ge­ra­de in die­sem Au­gen­blick ver­sag­ten ihr die Knie. Sie stürz­te zu Bo­den, wand und krümm­te sich wie in furcht­ba­ren Schmer­zen, und ihre Glie­der zo­gen sich krampf­haft zu­ckend zu­sam­men. Ich mein­te zu­erst, sie habe mich nicht er­kannt, aber als ich mich über sie beug­te, stieß sie plötz­lich mit ei­ner Stim­me, die ich nie ver­ges­sen wer­de, die ab­ge­bro­che­nen, un­deut­li­chen Wor­te her­vor: ›Oh, mein Gott! He­len! Es war… Ban­d…!… ge­tupf­te Ban­d…!‹ Sie mach­te den Ver­such, noch et­was zu sa­gen, wo­bei sie in der Rich­tung nach un­se­res Stief­va­ters Schlaf­zim­mer deu­te­te, als ein neu­er gräss­li­cher Krampf­an­fall ihr die Wor­te im Mun­de er­stick­te. Ich woll­te eben un­sern Stief­va­ter her­beiho­len und rief laut nach ihm; da kam er mir be­reits im Schlaf­rock ent­ge­gen­ge­eilt. Als er zu mei­ner Schwes­ter trat, hat­te sie das Be­wusst­sein schon ver­lo­ren. Er flö­ßte ihr noch Ko­gnak ein und ließ auch ärzt­li­che Hil­fe aus dem Dor­fe her­beiho­len, aber es nütz­te al­les nichts mehr, sie wur­de im­mer schwä­cher und starb, ohne dass sie noch ein­mal zu sich ge­kom­men wäre. Dies wa­ren die Um­stän­de, un­ter de­nen ich mei­ne ge­lieb­te Schwes­ter ver­lo­ren habe.«

»Ei­nen Au­gen­blick!« un­ter­brach sie Hol­mes, »ha­ben Sie das Pfei­fen und den me­tal­le­nen Klang ganz be­stimmt wahr­ge­nom­men? Könn­ten Sie dar­auf schwö­ren?«

»Das­sel­be frag­te mich auch der Ge­richts­arzt bei der To­ten­schau. Ich habe zwar den durch­aus si­che­ren Ein­druck, als hät­te ich bei­des ge­hört, doch kann ich mich am Ende auch ge­täuscht ha­ben; bei dem To­sen des Stur­mes krach­te ja das alte Haus in al­len Fu­gen.«

»War ihre Schwes­ter an­ge­klei­det?«

»Nein, sie trug nur ihr Nacht­ge­wand. In der rech­ten Hand hielt sie noch ein her­ab­ge­brann­tes Licht­stümpf­chen und in der lin­ken eine Zünd­holz­schach­tel. Sie hat­te kei­nen Licht­schal­ter am Bett, es war auch kein Steck­kon­takt vor­han­den, um eine Nacht­tisch­lam­pe an­zu­schlie­ßen. Des­halb hielt sie sich im­mer Ker­ze und Streich­höl­zer auf dem Nacht­tisch be­reit.«

»Sie hat also noch Licht ge­macht und sich um­ge­schaut, als das Geräusch ent­stand. Das ist von Wich­tig­keit. Und zu wel­chem Er­geb­nis ge­lang­te der Lei­chen­be­schau­er?«

»Er un­ter­such­te den Fall sehr sorg­fäl­tig, denn das auf­fal­len­de Trei­ben un­se­res Stief­va­ters war in der gan­zen Graf­schaft be­kannt; er war je­doch nicht im­stan­de, eine be­stimm­te To­des­ur­sa­che zu ent­de­cken. Aus mei­nen Mit­tei­lun­gen ging her­vor, dass die Tür von in­nen ver­schlos­sen ge­we­sen war, und die Fens­ter wa­ren durch alt­mo­di­sche Lä­den mit brei­ten Ei­sen­stä­ben ver­ram­melt, die jede Nacht vor­ge­legt wur­den. Auch die Wän­de und der Fuß­bo­den wur­den un­ter­sucht, aber nir­gends wur­de ein An­halts­punkt ge­fun­den. Der Ka­min ist zwar weit, aber mit vier star­ken Ei­sen­stä­ben ver­git­tert. Mei­ne Schwes­ter war also zwei­fel­los ganz al­lein, als ihr Ge­schick sie er­eil­te. Auch von ei­ner Ein­wir­kung äu­ße­rer Ge­walt war kei­ne Spur an ihr zu ent­de­cken.«

»Und Gift – wie steht es da­mit?«

»Die Lei­che wur­de von ärzt­li­cher Sei­te dar­auf­hin un­ter­sucht, aber ohne Er­folg.«

»Was ist nun Ihre An­sicht über die Ur­sa­che die­ses be­dau­er­li­chen To­des­falls?«

»Ich bin der Mei­nung, dass mei­ne Schwes­ter nur in­fol­ge ei­ner durch Schre­cken her­vor­ge­ru­fe­nen Ner­ve­n­er­schüt­te­rung starb, ob­wohl ich von der Ur­sa­che die­ses Schre­ckens kei­ne Ah­nung habe.«

»Hiel­ten sich zu je­ner Zeit Zi­geu­ner in der Nähe des Hau­ses auf?«

»Ja­wohl; es sind fast im­mer ei­ni­ge da.«

»Und was glau­ben Sie, dass Ihre Schwes­ter mit der An­deu­tung von ei­nem ›ge­tupf­ten Ban­d‹ oder auch ei­ner ›ge­tupf­ten Ban­de‹ mein­te?«

»Das möch­te ich fast für eine Aus­ge­burt des Fie­ber­wahns hal­ten; dann mei­ne ich aber auch wie­der, es könn­te sich auf eine Ban­de von Men­schen, viel­leicht ge­ra­de auf die Zi­geu­ner im Park, be­zo­gen ha­ben. Vi­el­leicht ha­ben ihr die ge­tupf­ten Tü­cher, die vie­le von ih­nen um den Kopf tra­gen, zu der auf­fal­len­den Be­zeich­nung An­lass ge­ge­ben.«

Hol­mes schüt­tel­te den Kopf, als sei er ganz und gar nicht be­frie­digt.

»Wir tap­pen noch ganz im Dun­keln«, mein­te er, »aber bit­te, er­zäh­len Sie nun wei­ter.«

»Zwei Jah­re sind seit­dem ver­gan­gen, und mein Le­ben wur­de ein­sa­mer als je. Vor ei­nem Mo­nat je­doch hat ein lie­ber lang­jäh­ri­ger Be­kann­ter na­mens Per­cy Ar­mi­ta­ge um mich an­ge­hal­ten. Mein Stief­va­ter hat nichts da­ge­gen, und so wol­len wir noch in die­sem Früh­jahr hei­ra­ten. Seit zwei Ta­gen wer­den an dem west­li­chen Flü­gel un­se­res Wohn­hau­ses Aus­bes­se­run­gen vor­ge­nom­men. Da­bei wur­de eine Wand mei­nes Schlaf­zim­mers durch­bro­chen. Ich muss­te des­halb das Zim­mer, in dem mei­ne Schwes­ter starb, be­zie­hen und in ih­rem Bett schla­fen. Stel­len Sie sich nun mei­nen wahn­sin­ni­gen Schre­cken vor, als ich in der letz­ten Nacht plötz­lich eben­falls das lei­se Pfei­fen ver­nahm, das ih­ren Tod vor­her­ver­kün­det hat­te. Ich sprang aus dem Bett und schal­te­te das Licht an, ver­moch­te aber nichts Beun­ru­hi­gen­des im Zim­mer zu ent­de­cken. Zu auf­ge­regt, um wie­der ein­schla­fen zu kön­nen, klei­de­te ich mich an und schlich mich, so­bald es däm­mer­te, aus dem Hau­se, ließ mir in dem ge­gen­über­lie­gen­den Gast­haus zur Kro­ne einen Wa­gen an­span­nen und fuhr nach Lea­ther­head und von da mit dem Mor­gen­zug wei­ter nach Lon­don, um Sie auf­zu­su­chen und um Ihren Rat zu bit­ten.«

»Das war das Ver­nünf­tigs­te, was Sie tun konn­ten«, ver­setz­te Hol­mes. »Aber ha­ben Sie mir auch al­les ge­sagt?«

»Ge­wiss, al­les.«

»Ich bin nicht ganz über­zeugt da­von, Fräu­lein Sto­ner. Sie scho­nen Ihren Stief­va­ter.«

»Wa­rum? Was wol­len Sie da­mit sa­gen?«

Statt ei­ner Ant­wort schlug Hol­mes die Man­schet­te über dem rech­ten Hand­ge­lenk der Er­zäh­le­rin zu­rück.

Fünf klei­ne blaue Male, sicht­lich von fünf Fin­gern her­rüh­rend, zeich­ne­ten sich auf ih­rem Arm ab.

»Sie sind miss­han­delt wor­den«, sag­te Hol­mes.

Tief er­rö­tend be­deck­te sie die Stel­le wie­der. »Er ist ein rau­er Mann«, sag­te sie, »der viel­leicht selbst kaum weiß, wie stark er ist.«

Ein lan­ges Schwei­gen folg­te; das Kinn in die Hand stüt­zend, blick­te Hol­mes in das pras­seln­de Ka­min­feu­er. »Eine höchst rät­sel­haf­te Sa­che«, sag­te er zu­letzt. »Ich hät­te noch tau­sen­der­lei Fra­gen, ehe ich mich über den Weg schlüs­sig ma­che, den wir ein­schla­gen müs­sen. Und doch dür­fen wir kei­nen Au­gen­blick ver­lie­ren. Lie­ße es sich wohl ma­chen, dass wir die drei Schlaf­zim­mer ohne Wis­sen Ihres Stief­va­ters be­sich­ti­gen kön­nen, wenn wir heu­te nach Sto­ke Moran fah­ren?«