Die Abenteuer von Violetta Bühnenmaus und Susi Mäusezahn - Rebecca Wehrmann - E-Book

Die Abenteuer von Violetta Bühnenmaus und Susi Mäusezahn E-Book

Rebecca Wehrmann

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Beschreibung

Violetta Bühnenmaus lebt mit ihrer Familie im Keller des Theaters und hat keinen sehnlicheren Wunsch, als Ballerina zu werden. Doch dann muss der Keller geräumt werden und die Familie muss umziehen: in den Wispernden Wald. Violetta ist am Boden zerstört. Im Wald gibt es doch nicht einmal Musik! Doch was sich zuerst wie das Ende ihrer Träume anfühlt, wird der Anfang einer unvergesslichen Reise mit neuen Freunden, frechen Waldgeistern und der Erkenntnis, dass man überall glücklich werden kann, solange man jemanden um sich hat, der einen liebt.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Sybille Beck

Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir

Umschlagabbildung und Illustrationen Innenteil: James Gardiner

Layout und Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0299-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-665-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-666-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Moni

Inhalt

Wie Violetta in den Wald kommt und Susi Mäusezahn kennenlernt

Wie Violetta Musik findet, wo sie keine erwartet hat, und die Mäuse ein Geheimnis des Waldes entdecken

Wie Susi herausfindet, was sie wirklich gut kann, und wie die Mäuse vom Reisen träumen

Dank

Das Abenteuer geht weiter!

Wie Violetta in den Wald kommt und Susi Mäusezahn kennenlernt

Stell dir ein großes, altes Haus vor ... Ein großes, altes Haus in einer großen, alten Straße in einer großen, alten Stadt. Wie jedes große, alte Haus hat es natürlich auch einen großen, alten Keller voller düsterer Gänge und Spinnweben. Wenn du dich hineinwagen und das Gewirr von Gängen betreten würdest, fändest du am Ende des dunkelsten Gangs einen großen, dunklen Raum. Dieser Raum befindet sich im tiefsten Winkel des Kellers, mitten in seinem schwarzen Herz sozusagen, und alle Dinge, die das große, alte Haus im Laufe seines langen Lebens nicht durch die Eingangspforten ausgespuckt hat, haben über kurz oder lang ihren Weg in dieses Zimmer gefunden. Wäre es nicht so dunkel, könntest du jetzt einen Zoo der ganz besonderen Art entdecken. Da steht ein wurmstichiges Schaukelpferd neben einem wuchtigen, tintenfleckigen Schreibtisch, dort warten ein Dutzend abgenutzter Stühle auf Besucher, die nie kommen, und in alten Holzregalen türmen sich unzählige, mit einer dicken Staubschicht bedeckten Bücher. Vergilbte Zeitungen, Brieffragmente und alle möglichen Papierschnipsel liegen allerorten herum, als hätte es geschneit, und auf einem mottenzerfressenen Sessel thronen dicht zusammengedrängt ein paar unheimliche Marionetten mit beweglichen Gliedern und Gesichtern aus bemaltem Holz, von denen schon die Farbe abblättert. Hinter dem Sessel steht ein Puppenhaus an der Wand, das fast so alt wie ist wie das große, alte Haus selbst.

Diese bunt zusammengewürfelte Schicksalsgemeinschaft fristet ein behagliches, ungestörtes Dasein dort im Keller, denn die Menschen haben das Zimmer am Ende des dunkelsten Ganges und all seine Bewohner längst vergessen. Wenn du aber ganz still bist, hörst du ein Wispern, ein Raunen nur, das die Luft bewegt. Kommt es aus der Richtung des Schaukelpferds? Sind es die Bücher, die dir ihre Geschichten zuflüstern, oder gar die Marionetten, in denen noch ein wenig Leben steckt? Geht von den Dingen das Echo vergangener Tage aus, das noch immer leise von den kalten Wänden widerhallt? Horch! Spitz die Ohren noch ein wenig besser! Jetzt hörst du es: Es kommt aus dem Puppenhaus! Ein Getrippel und Getrappel, ein leises Pfeifen und etwas, das an das Klirren von winzigem Geschirr erinnert. Es knistert und plötzlich erstrahlt das Häuschen in hellem Licht und leuchtet hinaus in die Dunkelheit. Und jetzt, wo du durch die kleinen Fenster in die Zimmer spähen kannst, lernst du die Bewohner des Puppenhauses kennen.

In der großen, alten Stadt leben viele, viele Menschen und es gibt viele, viele Läden, Geschäfte und Häuser. Es gibt Bäcker und Supermärkte, Friseure, Schulen, öffentliche Gärten, Kirchen, Bahnhöfe, einen Zoo, Museen und Bibliotheken. Was die Menschen nicht wissen, ist, dass sie dort keineswegs nur unter ihresgleichen sind. Dort gibt es nämlich auch Bäckermäuse, Supermarktmäuse, Friseurmäuse, Schulmäuse, Gartenmäuse, Kirchenmäuse, Bahnhofsmäuse, ja, sogar Zoomäuse, Museumsmäuse und Bibliotheksmäuse. Sie leben in den Speichern und Kellern und bleiben den Menschen verborgen.

Damals lebte in der großen Stadt auch ein kleines Mäusemädchen namens Violetta. Sie wohnte zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Vater und ihren drei Brüdern unter einem Theater in einer großen Stadt und gehörte somit zu den Bühnen- und Theatermäusen. Morgens, wenn draußen die Reinigungsfahrzeuge brummend die Spuren der letzten Nacht von den Bürgersteigen putzten und die ersten Straßenbahnen quietschend und ratternd ihren Dienst antraten, band sich Herr Bühnenmaus, Violettas Vater, eine Krawatte um den Hals und setzte sich an den Küchentisch, um die Zeitung zu lesen. Violettas Mutter, Frau Bühnenmaus, kochte Kaffee und packte ihrem Mann ein Stück Käse und eine Rosine in seine Aktentasche, bevor sie die Kinder wecken ging. Der Lärm und das Pfotengetrappel, das kurz darauf unweigerlich einsetzte, waren Herrn Bühnenmaus’ Signal zum Aufbruch. Hastig schlüpfte er in seine schwarzen Lackschuhe, schlürfte seinen letzten Schluck Kaffee und war meistens schon aus der Tür, bevor die Kinder mit viel Getöse in die Küche einfielen. Herr Bühnenmaus arbeitete als Versicherungsvertreter und musste sich, wie er selbst immer sagte, seine Nerven für seine Kunden aufsparen.

Wenn es abends auf den Straßen dunkel wurde und Frau Bühnenmaus nach oben ging, um die Wäsche hereinzuholen, die draußen auf dem Hof hinter den Fahrrädern trocknete, lauschten Violetta und ihre Brüder stets gespannt auf das feine Pfeifen, das die Heimkehr ihres Vaters ankündigte. Sobald er durch die Tür des Puppenhauses getreten war, das im Keller des Theaters stand und seit Generationen das Heim der Familie Bühnenmaus war, stürzten sich alle Kinder auf ihn, um ihm von ihrem Tag zu erzählen, auf seinen Rücken zu klettern oder seine Taschen nach etwas Essbarem zu durchstöbern. Violettas Mutter wartete in der Küche mit dem Abendbrot. Meistens gab es Käse, Obst oder Gemüse vom Markt gegenüber, ab und zu auch Kuchenkrümel zum Nachtisch, und vor dem Essen wuschen sich alle die Pfoten in einem mit Wasser gefüllten Fingerhut.

Du wirst es schon erraten haben: Bei dem Puppenhaus, in dem Violetta und ihre Familie lebten, handelt es sich um eben dieses Puppenhaus in dem großen, alten Keller am Ende des dunkelsten Gangs in dem großen, alten Haus, welches das Theater war.

Violetta lebte gerne unter einem Theater. Wenn sie mit ihren Brüdern Konni, Karl und Viktor aus der Mäuseschule zurückkam, kletterte sie oft ins offene Gebälk über der Bühne und sah sich die Stücke an.

Das Theater war ein Theater für Kinder, und während unten auf den samtbezogenen Stühlen Menschenkinder saßen und mit großen Augen das Geschehen auf der Bühne verfolgten, saßen über ihren ahnungslosen Köpfen die Mäusekinder aus der Nachbarschaft und sahen genauso gebannt zu. Donnerstags flitzte Violetta nach der Schule allerdings erst nach Hause, um sich ihre Lieblingsschleife an die Schwanzspitze zu binden und die einfachen Pantoffeln, mit denen sie zur Schule ging, gegen ein Paar Glitzerschuhe zu tauschen. An diesem Tag übte nämlich immer die Ballettgruppe der Schönen Schwäne unter der Leitung von Frau Rosi Kofferschrank im Theater, und sobald die ersten Töne von Vivaldis »Vier Jahreszeiten« durch die leeren Sitzreihen schwebten, hoben Violetta und die acht anderen Mäusemädchen, die zusammen unter der Leitung von Frau Ma Us unter der Bühne übten, ebenfalls graziös ihre rosa Tüllröckchen und tanzten.

Das Tanzen war Violettas Ein und Alles. Heimlich träumte sie davon, eines Tages eine berühmte Tanzmaus wie Ma Us zu werden, die aus einem fernen Land in ihre Stadt gekommen und auf der ganzen Welt für ihre Leichtfüßigkeit gefeiert worden war, bevor sie sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen und eine Tanzschule gegründet hatte. Sie war im Gepäck einer Ballerina von Stadt zu Stadt gereist und hatte Vieles gesehen und erlebt. So wollte Violetta auch sein. Ihre Mutter hatte für ihre Träume allerdings nicht allzu viel übrig. »Es ist viel zu gefährlich, allein als kleine Maus durch die Welt zu reisen«, sagte sie immer, »und verdienen tut man als Künstlerin auch nichts, da kannst du deinen Vater fragen!«

Herr Bühnenmaus hatte als junger Mäuserich in einem Streichquartett, das durch die Gegend tingelte und auf Hochzeiten und Beerdigungen spielte, die Walnussgeige gestrichen. Er, sein Bruder Theo und ihre Freunde hatten stets vom großen Durchbruch geträumt, der nie gekommen war, und dann hatte er Frau Bühnenmaus kennengelernt. Sie waren in sein Elternhaus zurückgekehrt, hatten eine Familie gegründet und Herr Bühnenmaus war Versicherungsvertreter geworden und hatte seine Träume und die Walnussgeige in der hintersten Ecke des Puppenhauses verstaut, wo sie langsam verstaubten und Spinnweben ansetzten.

Doch manchmal, wenn ihr Onkel Theo vom anderen Ende der Stadt zu Besuch kam, holte ihr Vater die Walnussgeige aus ihrer Ecke hervor und er und Theo kletterten aufs Dach und machten zusammen Musik. Die Melodien, die ihr Vater der Walnussgeige entlockte, riefen seltsame Gefühle in Violetta wach und wirbelten ihre Gedanken durcheinander. Sie blieb unentdeckt auf der Regenrinne sitzen und lauschte, bis die Musik verstummte und huschte dann mucksmäuschenstill zurück in ihr Bett. In diesen Nächten war ihr Kopf voller Musik und sie fragte sich, warum diese Musik so traurig klang. Doch wenn sie morgens aufwachte, waren die wehmütigen Klänge verschwunden und Violetta dachte wieder ans Tanzen, ihre Mäusefreundinnen und das Abendessen, und nicht mehr an nächtliche Musik und geigende Väter.

Der Tag, an dem ihr Leben sich veränderte und gewissermaßen eine Pirouette drehte, war ein Donnerstag. Violetta hatte nach ihrer Tanzstunde absichtlich ein wenig getrödelt. Sie hatte mit ihrer Freundin Rosinella geplaudert und sich ihre Schwanzschleife zweimal umständlich neu gebunden, sodass schließlich nur noch Ma Us da war, die sie ungeduldig zu dem Stützpfeiler mit der kleinen Strickleiter scheuchte, die die Mäuse als Ausgang benutzten. Violetta, die als Einzige direkt im Theater wohnte, hätte auch einen kürzeren Weg durch die Kellergänge nehmen können, aber das tat sie nie, auch an diesem Tag nicht. Stattdessen kletterte sie wie die anderen die Strickleiter empor, die zu einem Seiteneingang rechts von der Bühne führte. Ma Us verabschiedete sich in Richtung Straße und das Letzte, was Violetta von ihrer Tanzlehrerin sah, war das Funkeln ihrer goldenen Tanzschuhe, bevor sie durch ein winziges Loch in der Wand huschte und verschwand. Sobald Ma Us nicht mehr zu sehen war, wandte sich Violetta nach links und trippelte vorsichtig zu der Tür, die das Foyer des Theaters mit dem Kassenbereich verband. Ihre Schnurrhaare zitterten leicht, als sie sorgfältig witterte und um die Ecke spähte. Hinter dem Tresen saß eine Frau vor einem Computer, tief über die Tastatur gebeugt, ihr Gesicht halb verborgen von langem dunklem Haar. Sie war alleine. Violetta stieß einen erfreuten Pfiff aus und die Frau sah auf und lächelte.

»Hallo, Violetta! Das ist ja eine nette Überraschung!« Sie erhob sich von ihrem Bürostuhl, verschwand im Hinterzimmer und kurz darauf öffnete sich eine Seitentür.

»Monika, schau dir meine neuen Tanzschuhe an!«, rief Violetta und sprang in Monikas ausgestreckte Hand. Monika hob sie hoch und musterte anerkennend die goldenen Schühchen, die an Violettas winzigen Pfötchen glitzerten. Goldene Schuhe, genau wie die von Ma Us. Monika wusste, wie lange Violetta davon geträumt hatte, denn sie hatte es ihr oft erzählt.

»Das sind ja tolle Tanzschuhe«, sagte sie. »Die passen sehr gut zu deinem grauen Fell! Würdest du mir darin etwas vortanzen?«

Zuerst genierte sich Violetta ein bisschen, aber ihre Eitelkeit siegte schließlich, und als Monika sie auf dem Packtisch im Hinterzimmer absetzte, tanzte Violetta zu dem Lied, das aus dem Radio tönte, alle vier Tischkanten entlang. Das traute sie sich allerdings auch nur vor Monika und vor sonst niemandem, erst recht vor keinem Menschen. Den Mäusen war es nämlich streng verboten, sich einem Menschen zu nähern. Das hieß, kein Mensch durfte jemals eine Kleidung tragende Maus sehen, schon gar keine Kleidung tragende, sprechende Maus. Von tanzenden Mäusen ganz zu schweigen. Herr Bühnenmaus hatte Violetta und ihren Brüdern diese Regel wie folgt erklärt: »Glaubt mir, die Menschen können niemanden einfach in Frieden leben lassen, das liegt nicht in ihrer Natur. Sie müssen alles ausmessen und aufzeichnen, versuchen, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Wenn sie wüssten, dass wir mit ihnen sprechen können, würden sie uns fangen und zu albernen Kunststücken dressieren wollen. Sie würden uns ins Labor stecken und zu Forschungszwecken benutzen«, hatte er gesagt und seinen Kindern eingebläut, ja niemals in ihrer Kleidung vor einem Menschen zu erscheinen oder gar mit einem zu sprechen. Einzig bei Kindern dürfe man in Notfällen eine Ausnahme machen, die seien nicht ganz so gefährlich wie die älteren Exemplare.

Das mit den Forschungszwecken hatte Violetta nicht so ganz verstanden, aber weil Karl und Viktor so wissend dreingeschaut und genickt hatten, hatte sie sich nicht getraut zu fragen. Gruselig hatte es auf jeden Fall geklungen und so hielt sie sich im Normalfall an die Regeln und ging nur im Fellanzug aus, wie ihre Mutter es nannte, wenn irgendwo die Gefahr bestand, von Menschen gesehen zu werden. Monika war die große Ausnahme, aber niemand wusste von ihrem Geheimnis.

Sie hatten sich eines Tages zufällig kennengelernt, als Monika Violetta aus einer ziemlich kniffligen Situation befreit hatte. Auf dem Heimweg vom Tanzen hatte Violetta aus Neugierde einen anderen Gang genommen, in dem es ungewöhnlich verlockend roch. Der Grund hierfür war eine offene Schachtel gewesen, in der jemand ein Stück Käse vergessen hatte, und Violetta war blindlings hineingelaufen und saß kurz darauf in der ersten Mausefalle ihres Lebens. Sie war ja noch eine sehr kleine Maus und obwohl ihre Eltern sie vor diesen Teufelsdingern gewarnt hatten, hatte sie noch nie eine Mausefalle gesehen und keine Ahnung gehabt, was genau das eigentlich war. In ihrem Kopf hatte sie eine vage Vorstellung von einem bedrohlich wirkenden Käfig gehabt, in dem eine halbverweste Maus lag, die von Maden zerfressen war. Niemand hatte etwas von einer gemütlich wirkenden Holzschachtel mit Luftlöchern gesagt, in der leckerer Käse zum Schmausen einlud. Was sie allerdings gewusst hatte, war, wie es weitergehen würde. Ein großer, böser Mensch würde kommen und sie entweder einer Katze zum Fraß vorwerfen oder ihr gar selbst den Kopf abbeißen. Bei Menschen konnte man nie wissen. Violetta hatte Todesangst und als ihr einfiel, dass sie nun niemals eine berühmte Ballerina werden würde, war sie in Tränen ausgebrochen. Den blöden Käse, der überhaupt an dem ganzen Schlamassel schuld war, wollte sie gar nicht mehr haben. Plötzlich hatte sie eine Stimme durch ihr Schluchzen gehört und eine funzelige Glühbirne war an der Decke aufgeflammt.

»Hallo? Ist da jemand?«

Violetta hatte aufgesehen und in dem modrigen Kellergang hatte eine Frau mit dunklen Haaren und dunklen Augen gestanden, die ein paar staubige Akten unter dem Arm trug und sich suchend umsah. Ein Mensch. Entsetzt hatte Violetta aufgeschrien und die Frau hatte ihren Blick gen Boden gerichtet und mit grenzenlosem Erstaunen die Mausefalle angeschaut.

»Bitte fressen Sie mich nicht!«, hatte Violetta geheult und sich mit den Pfoten die Augen zugehalten. Sämtliche Regeln von wegen nicht mit Menschen reden waren vergessen gewesen.

Die Augen der Frau waren noch größer geworden und Violetta hatte sie sagen hören: »Spinn ich, oder hat gerade die Maus geredet?« Sie war in die Hocke gegangen, hatte Violettas Kleider gemustert und war eine ganze Zeit lang still gewesen. Dann hatte sie gesagt: »Na, ich vermute, wenn Mäuse Tüllröckchen tragen, können sie wohl auch sprechen. Kannst du sprechen, kleine Maus?«

Violetta hatte genickt, jetzt war es sowieso egal.

»Bringen Sie mich jetzt ins Labor zu Forschungszwecken?«, hatte sie gefragt, und das hatte dazu geführt, dass die Frau in schallendes Gelächter ausgebrochen war.

»Wie kommst du denn auf sowas? Ich hole dich erstmal aus der Falle und dann verarzten wir deinen Schwanz. Du blutest ja!«

Verdutzt hatte Violetta an sich hinabgeblickt und gesehen, dass die Frau Recht hatte. Sie hatte sich ihre Schwanzspitze wohl in der Fallentür eingeklemmt und es in der Aufregung nicht einmal gemerkt.

Die Frau hatte mit konzentrierter Miene an der Box herumgefummelt, bis die Tür wieder aufgegangen war, und Violetta war auf ihre ausgestreckte Hand geklettert.

Nachdem sie sich für ihre Rettung bedankt hatte, hatte sie sich sicherheitshalber trotzdem nach den Katzen erkundigt.

»Nee du, hier gibt’s keine Katzen. Ich heiße Monika«, hatte die Frau gesagt und dann hatte sie sie mit nach oben genommen und Violettas Schwanz mit einer roten Paste bestrichen, die fürchterlich roch und brannte, aber laut Monika wahre Wunder bei aufgeschrammten Schwanzspitzen und dergleichen bewirkte. So waren sie Freunde geworden und Violetta besuchte Monika, wann immer sie sich davonschleichen konnte.

Nachdem sie sich aus der Puste getanzt hatte, setzte sich Violetta zu Monika auf den Schreibtisch und die beiden teilten sich ein Stück Kuchen aus dem griechischen Café um die Ecke, während sie sich unterhielten. Monika erklärte Violetta, was ein Kinofilm war, und erzählte ihr die Geschichte von einer Ratte, die in Paris ein berühmter Koch geworden war. Violetta hing an ihren Lippen. In Paris hatte Ma Us auch getanzt und laut ihr lag es in einem fremden Land, in dem Menschen wie Mäuse stets elegant gekleidet waren und sich in einer fremden Sprache unterhielten, in Frongseh. Über Monikas Erzählung vergaß sie die Zeit und als sie die dunklen Gänge entlang nach Hause lief, hörte sie bereits, wie über ihrem Kopf die Besucher der Abendvorstellung geräuschvoll ins Theater strömten.