Die Abenteuer von Violetta Bühnenmaus und Susi Mäusezahn Teil 2 - Rebecca Wehrmann - E-Book

Die Abenteuer von Violetta Bühnenmaus und Susi Mäusezahn Teil 2 E-Book

Rebecca Wehrmann

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Beschreibung

Der Sommer zieht ein in den Wispernden Wald und mit ihm eine Reihe spannender Abenteuer für unsere Freundinnen Violetta und Susi. Eifersucht kommt allerdings auf, als Violetta Besuch von einer Freundin aus der Stadt bekommt. Waldmeister, der Opa von Susi, wird krank und muss eine kleine Auszeit nehmen. Und wer sagt eigentlich, dass Mäuse nicht schwimmen können? Violetta und Susi stellen sich der Eifersucht, helfen dem kranken Waldmeister und zeigen allen, dass kleine Mäusekinder nicht nur schwimmen lernen können, sondern sich mancher Schatz an verborgenen Stellen befindet und nur darauf wartet, gefunden zu werden. Taucht ein in die neuen Abenteuer von Violetta Bühnenmaus und Susi Mäusezahn!

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Die Abenteuer vonVioletta Bühnenmaus & Susi Mäusezahn

Wiedersehen im Wispernden Wald

Rebecca Wehrmann

Illustriert von James Gardiner

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2022

© 2022 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Sybille Beck

Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir

Umschlagabbildung und Illustrationen Innenteil: James Gardiner

Layout und Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0329-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-689-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-690-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für meinen Vater Casy

Inhalt

Wie Violetta Besuch aus der Stadt bekommt und die Freundschaft der Mäuse auf die Probe gestellt wird

Wie die Mäuse eine Welt unter dem Wasser entdecken und Susi eine Heldentat vollbringt

Wie Susi ihrem Opa hilft und die Mäuse zwei neue (alte) Freunde finden

Dank

Wie Violetta Besuch aus der Stadt bekommt und die Freundschaft der Mäuse auf die Probe gestellt wird

Es regnete im Wispernden Wald. Seit Wochen war kein Tag vergangen, an dem der Himmel nicht seine Schleusen geöffnet und den Waldbewohnern seine nassen Grüße entboten hätte. Mal donnerten dicke Tropfen wie Kanonenkugeln auf die Zweige der Bäume, mal wehte eine unbarmherzige Brise von allen Seiten, sodass man nicht nur von oben, sondern auch aus allen vier Himmelsrichtungen nassgeregnet wurde und manchmal fiel der Regen so fein, dass er sich wie ein grauer Schleier über alles legte und die Sicht trübte.

Violetta saß am Fenster in ihrem Zimmer und lauschte dem mittlerweile vertrauten Rauschen des Regens, der sich auf das Wurzelhaus ergoss, in welchem sie mit ihrer Familie lebte. Sie starrte nach draußen und versuchte, in dem nebeligen Grau etwas zu erkennen, doch vergebens. Es klopfte an der Tür und Viktor, ihr Bruder, steckte den Kopf ins Zimmer.

»Du sitzt ja immer noch am Fenster!«, sagte er und schüttelte den Kopf.

»Ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten und bei Susi vorbeischauen. Kommst du mit?«

Violetta schüttelte den Kopf.

»Nee, geh du mal. Ich bleib lieber daheim.«

Das war an und für sich schon ungewöhnlich genug, da Violetta wie alle anderen wegen der starken Regenfälle seit Wochen nur daheim herumsaß, doch noch ungewöhnlicher war es, weil Susi Mäusezahn Violettas allerbeste Freundin war, seit die Familie Bühnenmaus im Wispernden Wald wohnte. Viktor schien jedoch nicht überrascht. Er zuckte mit den Achseln und sagte beim Hinausgehen:

»Davon, dass du aus dem Fenster starrst, wird es auch nicht schneller Abend.«

Dann war er verschwunden. Violetta streckte der geschlossenen Tür die Zunge raus und sah dann wieder aus dem Fenster. Sie hatte einen guten Grund dafür, denn heute war nicht nur irgendein Freitag. Heute war der Freitag, an dem Horst Gräbelmann und sein Hund Boris in den Wald kommen würden und mit ihnen Rosinella.

Die Familie Bühnenmaus hatte vormals in einer großen Stadt unter einem Theater gelebt und war erst vor ein paar Monaten in den Wispernden Wald gezogen. Zuerst hatte es Violetta überhaupt nicht gefallen und sie hatte große Sehnsucht nach ihrem alten Zuhause und ihren Freunden gehabt. Doch dann hatte sie Freundschaft mit Susi geschlossen, die mit ihrem Großvater ebenfalls am Rande der Waldlichtung lebte und die ihr gezeigt hatte, wie schön es im Wald sein konnte. Von da an waren sie und Susi unzertrennlich gewesen, aber trotzdem konnte Violetta ihre Freunde aus der Stadt nicht vergessen. Da war Monika, die in dem Theater arbeitete und mit der Violetta eine geheime Maus-Mensch-Freundschaft pflegte, und da war Rosinella Katzenschreck, mit der Violetta gemeinsam Ballettunterricht gehabt hatte und die sie schon ihr Leben lang kannte. Nachdem nun Boris, der mit seinem Herrchen Horst Gräbelmann regelmäßig übers Wochenende in den Wald kam, Dutzende Nachrichten zwischen den Eltern Katzenschreck und Bühnenmaus hin- und hergetragen hatte, war der große Tag nun endlich gekommen. Rosinella sollte mit Boris zu Besuch in den Wispernden Wald kommen und ganze zwei Wochen bleiben.

Violetta hatte diesem Besuch entgegengefiebert, seit Boris eine Woche zuvor die Erlaubnis von Rosinellas Eltern bei ihnen abgeliefert hatte. Doch je näher der Tag gekommen war, desto mehr hatte sie auch eine unbestimmte Nervosität bei dem Gedanken an Rosinellas Besuch verspürt. Rosinella war noch mehr Stadtmaus, als es Violetta jemals gewesen war. Sie stammte aus einer wohlhabenden Mäusefamilie, die in einer eleganten Villa neben dem Stadtpark residierte. Es gab in dieser Villa nicht nur Hausangestellte für die Menschen, die dort lebten, sondern auch Mausangestellte für die Mäuse. Rosinella hatte noch nie ihr Futter selbst suchen oder ihr Zimmer aufräumen müssen, denn für alles hatte die Familie Angestellte. Sie war es also gewohnt, sich um nichts selbst kümmern zu müssen. Hier im Wald, argwöhnte Violetta, wo man einfach alles selbst machen musste und sich ständig die Pfoten beschmutzte, würde Rosinella sich womöglich unwohl fühlen. Grübelnd zwirbelte Violetta ihre Schwanzspitze und starrte weiterhin in den nicht enden wollenden Regen.

Endlich, nachdem sie vom vielen Sitzen schon ganz steif geworden war und das immer trüber werdende Grau des Himmels den heraufziehenden Abend ankündigte, hörte sie aus weiter Ferne Hundegebell. Das konnte nur Boris sein!

Aufgeregt richtete sich Violetta kerzengerade auf und spähte mit zusammengekniffenen Augen über die Lichtung. Eine verschwommene Gestalt war zwischen den Bäumen aufgetaucht und bahnte sich jetzt prustend und schnaufend einen Weg durch das nasse Gras. Es war Boris, und als er näherkam, erkannte Violetta auf seinem Rücken eine winzige Gestalt, die sich unter einem riesigen, rosaberüschten Regenschirm zusammenkauerte.

»Sie sind da!«, schrie Violetta und rannte in Windeseile nach unten, wo sie fast mit ihren kleinen Brüdern Konni und Karl zusammenstieß, die gerade nach oben gehen wollten.

»Pass doch auf!«, rief Karl ärgerlich, doch Violetta ignorierte ihn und flitzte zur Haustür. Als sie sie aufriss, drang ihr der ohrenbetäubende Lärm von Tausenden und Abertausenden Regentropfen wie eine Gewehrsalve entgegen und für einen Augenblick blinzelte sie orientierungslos in das Unwetter hinaus. Doch schon stand Boris vorm Wurzelhaus und legte sich flach in den Schlamm, damit sein Passagier absteigen konnte.

Einen Strohkoffer in der linken und den riesenhaften Schirm in der rechten Pfote hüpfte Rosinella hinab in den Matsch.

»Rosinella!«, rief Violetta überglücklich und stürzte in den Regen hinaus, um ihrer Freundin den Koffer abzunehmen.

»Ahoi!«, rief Rosinella den Regenschirm schwenkend, sodass sie fast im Schlamm ausrutschte. »Ist es hier im Wald immer so nass?«

»Ach, Quatsch!« Violetta schnappte sich den Koffer und wandte sich an Boris. »Oder, Boris?«

»So einen Regen hatten wir schon lange nicht mehr«, bestätigte Boris und schüttelte sich heftig. »Ich mach mich lieber wieder auf den Heimweg, hier draußen ist es wirklich ungemütlich!«

Violetta wischte sich den Regen aus den Augen.

»Gute Idee! Vielen Dank, Boris, dass du Rosinella mitgenommen hast«, sagte sie und auch Rosinella rief von der Tür des Wurzelhauses aus: »Ja, vielen Dank, Boris! Wir sehen uns in zwei Wochen!«

Boris verschwand in Richtung der Hütte, in der er und sein Herrchen ihre Wochenenden verbrachten. Violetta drehte sich um und huschte hinter Rosinella zurück in die trockene Wärme des Wurzelhauses.

»Da bin ich nun also«, sagte Rosinella, die immer noch ihren tropfenden Schirm in der Pfote hielt und sich unschlüssig umsah.

»Da bist du also«, wiederholte Violetta und dann schwiegen sie beide verlegen. Zu Violettas Erleichterung kamen in diesem Augenblick ihre Eltern, dicht gefolgt von Konni und Karl, aus dem Wohnzimmer und dann gab es ein großes Hallo. Konni und Karl schleppten Rosinellas Koffer in Violettas Zimmer, während Herr Bühnenmaus sie zu Tisch geleitete. Es gab Hirseauflauf und eine prachtvolle Haselnusstorte, die Frau Bühnenmaus zur Feier des Tages gebacken hatte. Sie ließen sich das Essen schmecken und lauschten Rosinella, die erzählte, was es in der Stadt so Neues gab. Als alle schon bei ihrem zweiten Stück Torte waren, hörten sie die Haustür quietschen und Stimmen erklangen aus dem Flur. Es waren Viktor und Susi, die sich prustend und lauthals über den Regen schimpfend aus ihren Jacken schälten und kurz darauf mit tropfnassem Fell im Wohnzimmer standen.

»Hallo, Rosinella«, sagte Viktor fröhlich. »Habt ihr uns etwas von der Torte übriggelassen?«

Frau Bühnenmaus, die aufgestanden war, stemmte ungnädig die Pfoten in die Hüften.

»Wer zu spät kommt, verpasst das Beste, mein Lieber! Du hättest längst hier sein sollen. Wo warst du nur so lange?«

»Ich war bei Susi drüben«, entgegnete Viktor ärgerlich, »und wir wollten warten, bis der Regen etwas nachlässt, bevor wir rausgehen.«

»Das scheint ja nicht sehr gut geklappt zu haben«, stichelte Violetta. »Aber keine Angst, es gibt noch Torte.« Dann winkte sie Susi zu sich herüber.

»Susi, das ist meine beste Freundin, Rosinella!«

Es war heraus, bevor Violetta richtig nachgedacht hatte, und hinterher hätte sie sich ohrfeigen können. Susi sah sie betroffen an, während sich ein unbehagliches Schweigen am Tisch ausbreitete. Rosinella erhob sich rasch und streckte Susi die Pfote hin.

»Freut mich, dich kennenzulernen!«

Susi lächelte schwach. Frau Bühnenmaus beeilte sich, ihr und Viktor zwei große Tortenstücke zu servieren, und der Zwischenfall schien vergessen zu sein. Nachdem die letzten Krümel verputzt waren, stand Susi auf, bedankte sich für das Abendessen und verabschiedete sich von der Familie Bühnenmaus. Violetta begleitete sie zur Tür.

»Sie scheint sehr nett zu sein«, sagte Susi, die Pfoten tief in den Taschen ihrer Latzhose vergraben.

»Das ist sie auch«, sagte Violetta und dann stand sie schweigend mit Susi im Flur, genau wie sie zuvor mit Rosinella dort gestanden hatte.

»Was habt ihr morgen so vor?«, fragte Susi.

Violetta zögerte.

»Ach, nichts Besonderes. Ich wollte Rosinella den Wald zeigen und den Bach ...« Hastig fügte sie hinzu: »Du kennst das ja alles schon. Wahrscheinlich regnet es ohnehin mal wieder.«

Susi nickte nur stumm, sagte leise »Dann bis bald!« und verschwand in der Dunkelheit.

Violetta sah ihr nach und kam sich schäbig vor. Sie hatte Rosinella an ihrem ersten Tag im Wald für sich allein haben wollen, hatte sich so darauf gefreut, dass sie endlich wieder zusammen waren und einander alles erzählen konnten, so wie früher. Doch jetzt fühlte sie sich unwohl und das schlechte Gewissen nagte an ihr. Hätte sie Susi fragen sollen, ob sie auch mitkommen wollte?

Ach was, dachte Violetta. Wir gehen morgen einfach spontan bei ihr vorbei und fragen sie, ob sie mitkommen will. Und überhaupt ist es doch nicht zu viel verlangt, wenn Rosinella und ich erstmal allein sein wollen. Dann ging sie in ihr Zimmer.

Rosinella saß auf dem Bett und trug bereits ihr Nachthemd. Es war rosa, so wie fast alle ihre Sachen.

»Da bist du ja«, sagte sie und gähnte herzhaft. »Ich dachte schon, du wärst im Flur eingeschlafen.«

»Nee, ich hab nur noch kurz mit Susi geredet«, murmelte Violetta, während sie in ihr eigenes Nachthemd schlüpfte. »Hättest du etwas dagegen, wenn sie morgen auch mitkommt?«

Rosinella verzog das Gesicht.

»Hm, nicht unbedingt. Aber ich fände es eigentlich schöner, wenn wir morgen nur zu zweit wären. So wie früher!«

Violettas guter Vorsatz, Susi am nächsten Morgen einzuladen, schwand dahin.

»Weißt du was, so machen wir es!«, sagte sie, schlüpfte neben Rosinella ins Bett und zog sich die Decke bis unters Kinn. »Und übermorgen können wir ja alle zusammen etwas unternehmen!«

Sie blieben noch lange wach, flüsterten und kicherten und fochten eine stumme, aber heftige Kissenschlacht aus. Erst, als die Kerze fast ganz heruntergebrannt war, schliefen sie ein.

Als Violetta erwachte, fiel ihr als Erstes die ungewöhnliche Stille auf. Es war so still, dass es fast in ihren Ohren dröhnte. Verschlafen überlegte sie, was los war, dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, oder besser gesagt, von den Ohren. Der Regen, der ewige, hartnäckige, prasselnde, alles durchnässende Regen hatte endlich, endlich aufgehört. Sie warf einen Blick zur Seite. Von Rosinella waren nur eine silbergraue Nasenspitze und ihre Ohren zu sehen, die unter der Decke hervorlugten. Sie schien noch tief und fest zu schlafen. Leise stand Violetta auf, schlüpfte in ihre Pantoffeln und ging nach unten in die Küche. Ihre Mutter stand am Herd und buk Bucheckerpfannkuchen in einer Pfanne. Sie sah auf, lächelte und sagte: »Guten Morgen!«

»Guten Morgen«, sagte Violetta und setzte sich an den Tisch.

»Schläft Rosinella noch?«

Violetta nickte.

»Sie ist wohl noch müde von der Reise, außerdem haben wir gestern noch ein bisschen geredet vorm Schlafengehen.«

»Ein bisschen geredet, soso«, sagte ihre Mutter schmunzelnd. »Willst du ein paar Pfannkuchen?«

»Oh ja!«

Violetta nahm den Teller, den ihre Mutter ihr reichte.

»Wo sind denn die anderen?«, fragte sie, während sie ihre Pfannkuchen mit Zimt und Zucker bestreute.

»Dein Vater ist mit Konni und Karl am Bach. Ein paar Stellen im Dach sind undicht und sie wollten Schilf besorgen, um sie zu flicken.«

»Mit Schilf kann man Dächer reparieren?«, fragte Violetta ungläubig.

»Das«, murmelte Frau Bühnenmaus, »werden wir dann sehen.«

Sie setzte sich mit einer Tasse Kaffee zu Violetta.

»Und wo ist Viktor?«

Ihre Mutter runzelte die Stirn.

»Der wollte rüber zu Susi, glaube ich.«

»Schon wieder? Seit wann sind die beiden denn so dicke?«

»Seit wann unternimmst du etwas, ohne Susi zu fragen, ob sie mitkommen möchte?«, gab ihre Mutter zurück.

Violetta zuckte mit den Schultern.

»Ist doch nur heute. Rosinella und ich haben uns ewig nicht mehr gesehen. Da wird man ja wohl noch ein wenig Zeit für sich haben dürfen.«

»Wie du meinst.«

Frau Bühnenmaus sagte nichts weiter dazu, sondern zog die Zeitung zu sich herüber und begann, das Kreuzworträtsel zu lösen. Wenig später tauchte Rosinella in der Küche auf und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

»Guten Morgen!«, gähnte sie und nahm den Becher Kakao entgegen, den Frau Bühnenmaus ihr reichte.

»Und, was steht für heute auf dem Programm? Machen wir beide den Wald unsicher?«

Violetta bemerkte den bohrenden Blick, den ihre Mutter ihr zuwarf, ignorierte ihn und sagte: »Auf jeden Fall! Schließlich hat es endlich aufgehört zu regnen. Wenn du mit dem Essen fertig bist, können wir los!«

Violetta zeigte Rosinella als Erstes den Baumstumpf, auf dem sie immer ihre Tanzschritte übte. Die Sonne, die sich im Wald so lange nicht hatte sehen lassen, blitzte durch die Zweige der Bäume und ließ die Regentropfen, die noch immer auf dem moosbewachsenen Boden saßen, wie Diamanten glitzern. Ein paar Sonnenstrahlen fielen genau auf den Baumstumpf, sodass es aussah, als ob Bühnenscheinwerfer auf ihn gerichtet wären. Violetta fand, dass es wunderschön aussah. Sie wandte sich zu Rosinella um, doch ein Blick auf ihr Gesicht ließ die Begeisterung in Violetta in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Rosinella sah gänzlich unbeeindruckt, ja, geradezu gelangweilt aus und sah sich abschätzig um. Es war, als ob sie blind wäre für das, was Violetta sah.

»Wie kannst du hier bloß tanzen?«, fragte sie Violetta. »Kein ebener Boden, keine Musik und überall dieser Lärm!«

»Was für ein Lärm?«, fragte Violetta verdutzt zurück.

»Na, das Spektakel, das die Vögel veranstalten! Bei dem Krach bekommt man ja Kopfschmerzen!«

Die Amsel, die einige Meter entfernt unter einem Hagebuttenstrauch den Boden inspizierte, sah auf und warf ihnen einen wenig freundlichen Blick zu.

»Das ist doch kein Lärm!«, sagte Violetta empört. »Das ist Gesang und nicht mal halb so laut wie die Autos in der Stadt!«

»Schon gut!«, rief Rosinella und hob beschwichtigend die Pfoten. »Ich bin noch nicht daran gewöhnt, okay?«

Zweifelnd sah sie sich um.

»Und was tust du sonst den ganzen Tag? Du kannst ja nicht pausenlos tanzen! Was kann man hier so unternehmen?«

»Ach, meistens streifen Susi und ich einfach durch den Wald. Wir sammeln Steine, klettern durch die Sträucher, pflücken Blumen und Beeren ...«

Rosinella sah sie an, als ob sie verrückt geworden wäre. So schnell gab Violetta jedoch nicht auf. Sie nahm Rosinella mit zum Bach, dessen Ufer von gelbblühendem Pfennigkraut und Glockenblumen bewachsen war, deren weiße und blaue Köpfchen sich hoffnungsvoll der Sonne entgegenreckten. Sie zeigte ihr die wilden Erdbeeren, die unter den Haselnusssträuchern wuchsen und die trotz des langen Regens süß wie Honig schmeckten. Sie besuchten Emma, die alte Stockente, die sie auf ihrem Rücken eine Runde über den Unkentümpel trug. Doch nichts davon schien Rosinella Spaß zu machen. Sie sah sich zwar alles höflich an und lauschte Violettas begeisterten Lobeshymnen auf das Leben im Wald, doch sobald die Dämmerung hereingebrochen war, wollte sie wieder nach Hause.

Abends in ihrem Bett, als Rosinella neben ihr längst eingeschlummert war, starrte Violetta in die Dunkelheit. Schlaflos wälzte sie sich hin und her und dachte über den vergangenen Tag nach, der so anders gewesen war, als sie es sich vorgestellt hatte. Seit sie im Wispernden Wald wohnte, hatte sie ihn liebgewonnen und fühlte sich geborgen und zu Hause zwischen seinen turmhoch aufragenden Bäumen. Jeden Tag freute sie sich über die Ungezähmtheit des Waldes, die frische Luft und die Freiheit, die sie hier gefunden hatte. Sie hatte darauf gebrannt, all dies mit Rosinella zu teilen, hatte sich darauf gefreut, dasselbe Staunen in ihr Gesicht zu zaubern, das sie selbst immer noch verspürte angesichts der zahllosen Wunder, die ihr jeden Tag im Wald begegneten. Doch Rosinella schien blind und taub zu sein für die Schönheit, die sie umgab. Hätte ich doch Susi mitgenommen, dachte Violetta, sie hätte es bestimmt geschafft, Rosinella mitzureißen. Ihr fiel auf, dass dies der erste Tag seit ihrer Ankunft im Wispernden Wald war, an dem sie Susi nicht gesehen hatte. Es fühlte sich komisch an. Violetta nahm sich vor, Rosinella am nächsten Morgen als Erstes mit rüber zu Susi zu nehmen. Susi würde sicher eine gute Idee haben, was sie unternehmen könnten, und mit diesem Gedanken schlief sie, als die Nacht um sie herum schon pechschwarz war, endlich ein.

Als Rosinella und sie am nächsten Morgen die Höhle aufsuchten, in der die Familie Mäusezahn wohnte, trafen sie am Eingang Waldmeister, Susis Großvater.