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Franz Grillparzer

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Beschreibung

Franz Grillparzers Die Ahnfrau ist ein starkes Werk der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts. Das Stück, geschrieben in klassischer Dramenform, handelt von einem geheimnisvollen Fluch, der die Familie des Protagonisten verfolgt. Grillparzer nutzt geschickt Elemente des romantischen Dramas und der Tragödie, um Spannung und emotionale Tiefe zu erzeugen. Durch seine präzise Sprache und detaillierte Charakterzeichnung gelingt es dem Autor, eine düstere Atmosphäre zu kreieren, die den Leser in den Bann zieht. Die Ahnfrau ist ein wichtiges Werk des österreichischen Dramatikers, das einen Einblick in die psychologischen Abgründe der menschlichen Natur bietet.

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Franz Grillparzer

Die Ahnfrau

 
EAN 8596547076278
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Personen
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
"

Trauerspiel in fünf Akten (1817)

Personen:

Inhaltsverzeichnis

Graf Zdenko von Borotin Berta, seine Tochter Jaromir Boleslav Günther, Kastellan Ein Hauptmann Ein Soldat Mehrere Soldaten und Diener Die Ahnfrau des Hauses Borotin

Erster Aufzug

Inhaltsverzeichnis

Gotische Halle. Im Hintergrunde zwei Türen. An beiden Seitenwänden, links und rechts, ebenfalls eine Türe. An einer Kulisse des Vorgrundes hängt ein verrosteter Dolch in seiner Scheide. Später Winterabend. Licht auf dem Tische.

Graf Borotin. Berta.

Der Graf (am Tische sitzend und auf einen Brief hinstarrend, den er in beiden Händen hält). Nun Wohlan, was muß geschehe! Fallen seh ich Zweig' auf Zweige, Kaum noch hält der morsche Stamm. Noch ein Schlag, so fällt auch dieser Und im Staube liegt die Eiche, Die die reichen Segensäste Weit gebreitet rings umher. Die Jahrhunderte gesehen Werden, wachsen und vergehen, Wird vergehen so wie sie; Keine Spur wird übrigbleiben; Was die Väter auch getan, Wie gerungen, wie gestrebt, Kaum daß fünfzig Jahr' verfließen Wird kein Enkel mehr es wissen Daß ein Borotin gelebt!

Berta (am Fenster). Eine grause Nacht, mein Vater! Kalt und dunkel wie das Grab. Losgerißne Winde wimmern Durch die Luft, gleich Nachtgespenstern; Schnee soweit das Auge trägt, Auf den Hügeln, auf den Bergen, Auf den Bäumen, auf den Feldern, Wie ein Toter liegt die Erde In des Winters Leichentuch; Und der Himmel, sternelos, Starrt aus leeren Augenhöhlen In das ungeheure Grab Schwarz herab!

Graf. Wie sich doch die Stunden dehnen! Was ist wohl die Glocke, Berta?

Berta (vom Fenster zurückkommend, und sich, dem Vater gegenüber, zur Arbeit setzend). Sieben Uhr hat's kaum geschlagen.

Graf. Sieben? Und schon dunkle Nacht! Ach, das Jahr ist alt geworden, Kürzer werden seine Tage, Starrend stocken seine Pulse Und es wankt dem Grabe zu.

Berta. Ei, kommt doch der holde Mai, Wo das Feld sich kleidet neu, Wo die Lüfte sanfter wehen Und die Blumen auferstehen!

Graf. Wohl wird sich das Jahr erneuen, Diese Felder werden grünen, Diese Bäche werden fließen, Und die Blume, die jetzt welket, Wird vom langen Schlaf erwachen Und das Kinderhaupt erheben Von dem weißen, weichen Kissen, Öffnen ihre klaren Augen Freundlich lächelnd wie zuvor. Jeder Baum, der jetzt im Sturme Seine nackten, dürren Arme Hilfeflehend streckt zum Himmel, Wird mit neuem Grün sich kleiden. Alles was nur lebt und webt In dem Hause der Natur, Weit umher, in Wald und Flur, Wird sich frischen Lebens freuen, Wird im Lenze sich erneuen: Nie erneut sich Borotin!

Berta. Ihr seid traurig, lieber Vater!

Graf. Glücklich, glücklich nenn ich den, Dem des Daseins letzte Stunde Schlägt in seiner Kinder Mitte. Solches Scheiden heißt nicht Sterben; Denn er lebt im Angedenken, Lebt in seines Wirkens Früchten, Lebt in seiner Kinder Taten, Lebt in seiner Enkel Mund. O es ist so schön, beim Scheiden Seines Wirkens ausgestreuten Samen Lieben Händen zu vertraun, Die der Pflanze sorglich warten, Und die späte Frucht genießen; Im Genusse doppelt fühlend Den Genuß und das Geschenk. O es ist so süß, so labend, Das was uns die Väter gaben Seinen Kindern hinzugeben Und sich selbst zu überleben!

Berta. Über diesen bösen Brief! Ihr wart erst so heiter, Vater, Schienet seiner Euch zu freuen, Und nun, da Ihr ihn gelesen, Seid mit eins Ihr umgestimmt.

Graf. Ach, es ist nicht dieses Schreiben, Seinen Inhalt konnt' ich ahnen. Nein es ist die Überzeugung, Die sich immer mehr bewährt; Daß das Schicksal hat beschlossen, Von der Erde auszustoßen Das Geschlecht der Borotin! Sieh, man schreibt mir, daß ein Vetter, Den ich kaum einmal gesehen, Der der einz'ge außer mir Von dem Namen unsers Hauses, Kinderlos, ein welker Greis, Gählings über Nacht gestorben. Und so bin ich denn der Letzte Von dem hochberühmten Stamme, Der mit mir zugleich erlischt. Ach, kein Sohn folgt meiner Bahre, Trauernd wird der Leichenherold Meines Hauses Wappenschild, Oft gezeigt im Schlachtgefild, Und den wohlgebrauchten Degen Mir nach in die Grube legen. Es geht eine alte Sage, Fortgepflanzt von Mund zu Mund, Daß die Ahnfrau unsers Hauses, Ob begangner schwerer Taten, Wandeln müsse ohne Ruh', Bis der letzte Zweig des Stammes, Den sie selber hat gegründet, Ausgerottet von der Erde. Nun wohlan, sie mag sich freuen, Denn ihr Ziel ist nicht mehr fern! Fast möcht' ich das Märchen glauben, Denn fürwahr ein mächt'ger Finger War bemüht bei unserm Fall. Kräftig stand ich, herrlich blühend In der Mitte dreier Brüder; Alle raubte sie der Tod! Und ein Weib führt' ich nach Hause, Schön und gut und hold wie du. Hochbeglückt war unsre Ehe Und ein Knabe und ein Mädchen Sproßten aus dem keuschen Bund. Bald wart ihr mein einz'ger Trost, Meine einz'ge Lebensfreude, Denn mein Weib ging ein zu Gott. Sorgsam, wie mein Augenlicht, Wahrte ich die teuern Pfänder; Doch umsonst! Vergeblich Streben! Welche Klugheit, welche Macht, Mag das Opfer wohl erhalten, Das die finsteren Gewalten Ziehen wollen in die Nacht! Kaum drei Jahre war der Knabe, Als er in dem Garten spielend Von der Wärtrin sich verlief. Offen stand die Gartentüre, Die zum nahen Weiher führt. Immer sonst war sie geschlossen, Eben damals stand sie offen, (bitter) Hätt' ihn sonst der Streich getroffen!

Ach, ich sehe deine Tränen Treu sich schließen an die meinen. Weißt du etwa schon den Ausgang? Ach, ich armer, schwacher Mann, Habe dir wohl oft erzählet Die alltägliche Geschichte. Was ist's weiter?—Er ertrank! Sind doch manche schon ertrunken! Daß es just mein Sohn gewesen, Meine ganze, einz'ge Hoffnung, Meines Alters letzter Stab; Was kann's helfen!—Er ertrank— Und ich sterbe kinderlos!

Berta. Lieber Vater!

Graf. Ich verstehe Deiner Liebe sanften Vorwurf. Kinderlos konnt' ich mich nennen, Und ich habe dich, du Treue! Ach, verzeih dem reichen Manne, Der sein Habe halb verloren In des Unglücks hartem Sturm, Und nun mit der reichen Hälfte, Lang an Überfluß gewöhnet, Sich für einen Bettler hält. Ach verzeih, wenn das Verlorne In so hellem Lichte glüht, Ist doch der Verlust ein Blitzstrahl, Der verklärt was er entzieht! Ja fürwahr, ich handle unrecht! Ist mein Name denn das Höchste? Leb ich nur für meinen Stamm? Mag ich kalt das Opfer nehmen, Das du mit der Jugend Freuden, Mit des Lebens Glück mir bringst! Meines Daseins letzte Tage Seien deinem Glück geweiht. Ja an eines Gatten Seite, Der dich liebt, der dich verdient, Werde dir ein andrer Name Und mit ihm ein andres Glück! Wähle von des Landes Söhnen, Frei den künftigen Gemahl, Denn dein Wert verbürgt mir deine Wahl! Wie du seufzest!—Hast wohl schon gewählet? Jener Jüngling?—Jaromir— Jaromir von Eschen denk ich. Ist's nicht also?

Berta. Wag ich es?—

Graf. Glaubtest du dem Vaterauge Bleib' ein Wölkchen nur verborgen, Das an deinem Himmel hängt? Sollt' ich gleich wohl eher schelten, Daß ich erst erraten muß Was ich längst schon wissen sollte: War ich je ein harter Vater, Bist du nicht mein teures Kind? Edel nennst du sein Geschlecht, Edel nennt ihn seine Tat, Bring ihn mir, ich will ihn kennen, Und besteht er auf der Probe So kann manches noch geschehn. Fallen gleich die weiten Lehen Als erloschen heim dem Thron, Ein bescheidnes Los zu gründen Hat noch Borotin genug.

Berta. O wie soll ich—

Graf. Mir nicht danke! Zahl ich doch nur alte Schulden. Hast nicht du's um mich verdient, Hat nicht er's, der wackre Mann? Denn er war's doch, der im Walde Dir das Leben einst gerettet, Und mit eigener Gefahr? Ist's nicht also, liebe Tochter?

Berta. Oh, mit augenscheinlicher Gefahr! Hab ich's Euch doch schon erzählet, Wie in einer Sommernacht Ich dort in dem nahen Walde Mich lustwandelnd einst erging, Und vom Schmeichelhauch der Lüfte, Von dem Duft der tausend Blüten Eingelullt in süß Vergessen Weiter ging als je zuvor. Wie mit einmal durch die Nacht Einer Laute Klang erwacht, Klagend, stöhnend, Mitleid flehend Mit der Tonkunst ganzer Macht; Girrend bald gleich zarten Tauben Durch die dichtverschlungnen Lauben, Bald mit langgedehntem Schall Lockend gleich der Nachtigall, Daß die Lüfte schweigend horchten Und das Laub der regen Espe Seine Regsamkeit vergaß. Wie ich so da steh und lausche, Ganz in Wehmut aufgelöst, Fühl ich mich mit eins ergriffen, Und zwei Männer, angetan Mit des Mordes blut'ger Farbe, Mit dem Dolch, den Augen dräuend, Seh ich gräßlich neben mir. Schon erheben sie die Dolche, Schon glaub ich die Todeswunde, Schreiend, in der Brust zu fühlen: Da teilt schnell sich das Gebüsche, Reißend springt ein junger Mann, Hoch den Degen in der Rechten, In der Linken eine Laute Auf die bleichen Mörder zu. Wie er ihnen obgesieget, Wie er, einzeln, sie bezwang, Wie die kühne Tat gelang Weiß ich nicht. In starre Ohnmacht War ich zagend hingesunken. Ich erwacht' in seinen Armen, Und zum Leben neu geboren, Unbehilflich, schwach und duldend Wie ein Kind am Mutterbusen Hing ich an des Teuren Lippen Seine heißen Küsse trinkend. Und mein Vater, für das alles Was er erst für mich getan, Konnt' ich wen'ger als ihn lieben?

Graf. Und ihr saht euch öfter?

Berta. Zufall Ließ mich drauf ihn wieder finden. Bald—nicht bloß der Zufall mehr.

Graf. Warum flieht er deines Vaters, Seines Freundes Angesicht.

Berta. Obgleich edlem Stamm entsprossen, Nur des Hauses edler Stolz, Nicht sein Gut kam auf den Erben. Arm und dürftig wie er ist, Fürchtet er, hört' ich ihn sagen, Daß der reiche Borotin Andern Lohn für seine Tochter, Als die Tochter selber zahle.

Graf. Ich weiß Edelmut zu ehren, Wenn er sich und andre ehrt. Bring ihn mir, er soll erfahren, Daß dem reichen Borotin Er sein reichstes Gut erhalten, Soll erfahren, daß dein Vater Für das Gold der ganzen Welt Dich nicht für bezahlet hält.— Doch jetzt, Berta, nimm die Harfe Und versuch es, meinen Kummer Um ein Stündchen zu betrügen. Spiel ein wenig, liebe Tochter!

(Berta nimmt die Harfe. Bald nach den ersten Akkorden nickt der Alte und schlummert ein. Sobald er schläft stellt Berta die Harfe weg.)

Berta. Schlummre ruhig, guter Vater! Daß doch all die süßen Blumen, Die du streust auf meinen Pfad, Dir zum Kranze werden möchten Auf dein sorgenschweres Haupt.— Ich soll also ihm gehören, Mein ihn nennen, wirklich mein? Und das Glück, das schon als Hoffnung Mir der Güter größtes schien, Gießt in freudiger Erfüllung Mir sein schwellend Füllhorn hin!

Ich kann's nicht fassen, Mich selber nicht fassen, Alles zeigt mir und spricht mir nur ihn, Den Wolken, den Winden Möcht' ich's verkünden, Daß sie's verbreiten so weit sie nur ziehn!

Mir wird's zu enge In dem Gedränge Fort auf den Söller, wie lastet das Haus; Dort von den Stufen Will ich es rufen In die schweigende Nacht hinaus.

Und naht der Treue, Dem ich mich weihe, Künd ich ihm jubelnd das frohe Geschick An seinem Munde Preis ich die Stunde Preis ich die Liebe, preis ich das Glück. (Ab.)

(Pause.—Die Ahnfrau, Bertan an Gestalt ganz ähnlich, und in der Kleidung nur durch einen wallenden Schleier unterschieden, erscheint neben dem Stuhle des Schlafenden und beugt sich schmerzlich über ihn.)