Die Apotheke der Bücher - Gabi Pearson - E-Book

Die Apotheke der Bücher E-Book

Gabi Pearson

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Beschreibung

"Märchen sind wahr, nicht weil sie uns erzählen, dass Drachen existieren, sondern weil sie uns erzählen, dass man Drachen besiegen kann." Neil Gaiman Geschichten haben viele unterschiedliche, zauberhaft anmutende Fähigkeiten. Diese Weisheits-Weg-Geschichten mit fantastischen, fabel, und märchenhaften Zutaten erzählen von dem weiten Land der Seele: Helikopter König, der Fürst von Fearless, das allerhässlichste Entlein, Schatzsuche, der Wunschbrunnen, die Emotionsesser, die Apotheke der Bücher u.a. Sie können hilfreich sein beim Versuch, die eigenen Drachen zu zähmen.

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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Märchen sind wahr, nicht weil sie uns erzählen, dass Drachen existieren, sondern weil sie uns erzählen, dass man Drachen besiegen kann.

Neil Gaiman

Wahr in diesem Sinne sind auch folgende Geschichten mit fantastischen, fabel- und märchenhaften Zutaten. Denn sie erzählen vom weiten Land der Seele. Sie berichten symbolhaft von unseren Drachen, unseren Dämonen und Ungeheuern und möglichen Wegen, auf denen sie sich zähmen lassen.

Inhalt

Die fantastische Maschine

Das allerhässlichste Entlein

Helikopter-König

Prinzessin Irresulute

Der Fürst von Fearless

Schatzsuche

Die Emotionsesser

Der Wunschbrunnen

Der einsame Zauberer

Die Moorhexe

Die Apotheke der Bücher

Zu guter Letzt

Die fantastische Maschine

In einer längst vergangenen Zeit, in einem längst vergessenen Land, existierte einst eine Maschine, die über alle Grenzen berühmt war. Von nah und fern kamen die Menschen, um sie zu bestaunen und für sich zu nutzen. Sie war die einzige ihrer Art, die jemals existierte. Wann und wie genau sie gebaut wurde und wer sie konstruiert hatte, konnte schon seit vielen Generationen nicht mehr nachvollzogen werden. Die Maschine stand in einer kleinen Stadt am Fuße eines bewaldeten Hügels, über dem sich das prunkvolle Schloss des Königs erhob. Sie stand in der Mitte des kopfsteingepflasterten Marktplatzes, direkt am Brunnen, dem beliebten Treffpunkt der Bewohner des Städtchens, um Neuigkeiten auszutauschen. An Markttagen herrschte dort regelmäßig ein besonders buntes und geschäftiges Treiben. Viele Bauern aus der Umgebung boten an farbenfrohen Gemüseständen und Obstkarren ihre Ernte feil. Mägde mit ihren geflochtenen Körben gingen von Stand zu Stand und feilschten um die Waren, die sie benötigten, Handwerksburschen standen in kleinen Grüppchen zusammen um sich auszutauschen. Kaufleute nutzten an Markttagen gerne die Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen und neue Kunden zu gewinnen sowie heimliche Blicke in Richtung der Maschine zu werfen. Selbst Edeldamen mit ihrem Gefolge sowie hohe Herren hielten sich ungewöhnlich lange auf dem Marktplatz auf, ohne jedoch zu auffällig ihr Interesse an der Maschine zu bekunden. Besonders häufig führte der Weg kleinerer und größerer Schauspieltruppen durch das Städtchen, wo sie mit ihrer Aufführung eine weitere Abwechslung in den Alltag der Menschen brachten und ebenfalls das Geschehen an der Maschine beobachteten. An solchen Tagen waren der Andrang und die Nachfrage nach dem Einsatz der Maschine besonders hoch und jeder musste sehr lange anstehen, um sie benutzen zu können. Aber eine speziell dafür abgestellte Wache achtete dann streng darauf, dass sich niemand vordrängelte, die Reihenfolge eingehalten wurde und mit entsprechender Geduld jeder Mensch zu seinem Recht kam.

Denn diese Maschine hatte eine ganz besondere Funktion: Sie war in der Lage, jedes - und wirklich jedes - Problem zu lösen, weshalb die Menschen sie als fantastisch bezeichneten. Und das zu Recht! Um die Maschine einzusetzen wurde also irgendein Problem benötigt, aber da es daran eigentlich nie mangelte, konnte dem schnell abgeholfen werden. Doch halt - so einfach wie es schien, war es dann doch nicht. Vorher gab es einiges zu beachten. Die fantastische Maschine war so konstruiert, dass jeder nur sein eigenes Problem hineingeben konnte. Das hieß, dass zunächst von jedem einzelnen ganz genau geklärt werden musste, wer das Problem besaß. Denn nur der eine Mensch, zu dem das Problem auch wirklich gehörte, war überhaupt in der Lage, die Maschine damit zu füttern.

Ein Küchenjunge des Schlosses, der den beleibten Koch ab und zu auf den Markt begleiten durfte, um ihm beim Tragen der vielen Körbe zu helfen, freute sich ebenfalls sehr über jede Gelegenheit, der fantastischen Maschine bei ihrer interessanten Tätigkeit zuzusehen. Während der Koch ausgiebig über die Preise der verschiedenen Waren feilschte, staunte der Küchenjunge mit großen Augen über das Gedränge vor der Maschine und die Veränderung, die mit den Menschen vorging, sobald sie die nächsten waren, die sie benutzen durften. Ungeduldig warteten die Problembesitzer zunächst, bis sie an die Reihe kamen. Wenn sie dann ihr Problem vorsichtig der Maschine übergeben hatten trat eine gespannte Aufmerksamkeit in ihr Gesicht. Sobald aber die Menschen nach einer Weile die Lösung greifen konnten und in ihren Händen hielten, machte sich eine große Erleichterung breit. Strahlend präsentierten sie den anderen das Ergebnis. Jedes Mal nahm sich der Küchenjunge fest vor, dass er später, sobald er groß wäre, all seine Probleme ebenfalls der Maschine überlassen würde.

Da er das Lesen nie gelernt hatte, konnte der Küchenjunge das Schild mit den großen Buchstaben, das an der Vorderseite der Maschine angebracht war, nicht entziffern. Eines Tages verriet ihm der Koch auf seine drängende Nachfrage, dass dort geschrieben stand: Beachte die Folgen! Und erklärte dem Küchenjungen, dass der Besitzer eines Problems bereit sein musste, sich von diesem vollständig zu trennen, sobald er es der Maschine überantwortete. Ihm musste vor der Benutzung der Maschine bewusst sein, dass das Problem in dieser Form anschließend nicht mehr vorhanden war und eventuell eine Lücke entstand, die sich nicht so einfach wieder schließen ließ. Vor der Benutzung der fantastischen Maschine bestand für die Menschen eine weitere Herausforderung darin, das passende Programm auszuwählen. Deshalb war es unerlässlich, zunächst das eigene Problem sehr genau zu benennen und zu beschreiben, denn natürlich war nicht jedes Programm für jedes Problem geeignet. Danach konnten die Menschen es einzeln und langsam in einen großen, runden Trichter oben auf der Maschine einfüllen. Bei Androhung einer schweren Strafe aber war es verboten, alle möglich Probleme auf einmal hinein zu kippen. Dies konnte zur Überlastung und dadurch zu einer Funktionsunfähigkeit führen. Und das wollte nun wirklich niemand.

An einer der Außenseiten der Maschine waren verschiedenartige Knöpfe, Schalter und Rohre aus poliertem Messing angebracht, die der Küchenjunge in der hellen Sonne blinken sehen konnte. Er sah lange und kurze, dicke und dünne Hebel, die wiederum an ineinandergreifenden Zahnrädern befestigt waren die ins Innere hinein reichten und dort jeweils unterschiedliche Teile der Maschine in Bewegung brachten. Die Problembesitzer mussten jetzt nur noch entsprechend des speziellen Programmes die Schalter umlegen, die passenden Knöpfe drehen sowie alle notwendigen Hebel in Bewegung setzten, damit die Zahnräder langsam begannen ihre Kreise zu ziehen. Von leisen Verdauungsgeräuschen untermalt begann die Maschine sogleich mit ihrer Arbeit, ebenfalls begleitet von einem leisen metallischen Quietschen und einem kaum merklichen Tuckern. Dabei stieg ihre Temperatur langsam an. Es wurde warm, es wurde wärmer, bis sich auf ihrer Oberfläche kleine, glitzernde Schweißperlen bildeten, die gelassen ihren Weg nach unten fanden. Was sich aber nun genau im Inneren abspielte, war von außen nicht erkennbar. In unregelmäßigen Abständen konnten alle nur beobachten, wie an einer anderen Seite aus einem Ventil leichte weiße Schleier feinsten Dampfes nach oben stiegen.

Danach war das ursprüngliche Problem in seine Bestandteile zerlegt worden, die nun als unregelmäßig große, aber handhabbare Einzelteile nacheinander in eine glänzende Auffangschale, ebenfalls aus Messing, purzelten. Anschließend sortierte die Maschine selbständig alles, um zu erkennen, was als erstes der Weiterbearbeitung bedurfte und in welcher Folge anschließend die anderen Teile an die Reihe kamen. Zu diesem Zeitpunkt wurde einigen in der Schlange vor der Maschine die Wartezeit lang und sie begannen, ungeduldig zu werden. Dann aber setzte die fantastische Maschine ihre Aktivität fort. Und wenn man sich sehr ruhig verhielt, ließen sich wiederum leise schmatzende Geräusche vernehmen. Mitunter konnte es dabei geschehen, dass ein kleines Teil eines Problems vergessen wurde und, wenn es längere Zeit keinerlei Beachtung erhielt, still und heimlich anfing zu schrumpfen, bis es nicht mehr zu erkennen war. Ganz selten nur geschah es, dass ausgewählte Teile den höchsten Status erhielten, indem sie von der Maschine als Herausforderung deklariert und als solche ihren Besitzern zurückgegeben wurden. Für die Menschen im Königreich war es eine schöne und entspannte Zeit, denn es wurde selbstverständlich, dass sie all ihre Probleme von der fantastischen Maschine lösen ließen.

Der Ruhm der Maschine verbreitete sich im ganzen Land und weit über dessen Grenzen hinaus. Und so geschah es, dass sich eines Nachts eine Bande finsterer Gestalten heimlich in das Städtchen schlich und unbemerkt die fantastische Maschine als Beute verschleppte. Der Schreck der Menschen, als sie am nächsten Morgen das Fehlen der Maschine bemerkten, war riesengroß. Wie sollten sie nun mit ihren Problemen fertig werden? Sie hatten ja vollkommen verlernt sie selbst zu lösen, denn seit langer Zeit waren sie es gewohnt, alles der Maschine zu übergeben. Sofort veranlasste der König, dass ein Suchtrupp zusammengestellt wurde, der die Räuber verfolgen sollte. Doch trotz großer Mühe gelang es nicht, die Diebe zu fassen und die Maschine zurück zu bringen. Mit dieser Stunde brach für alle Menschen im Königreich eine harte Zeit an, denn sie alle hatten auf eine sorgenfreie Zukunft gehofft, wie auch der Küchenjunge. Der König versank daraufhin in Schwermut, die gesamten ungelösten Probleme legten sich als dunkler Schleier drückend über die Menschen oder stiegen als graue Wolken auf, bis sie den Himmel bedeckten und es für die Sonne immer schwieriger wurde, ihre wärmenden Strahlen zur Erde zu senden. Irgendwann verloren die Menschen sogar den Glauben daran, dass die fantastische Maschine wirklich existiert hatte. Er gab nur noch Erinnerungen, die als Geschichten weitergegeben wurden.

Der junge Prinz sah seine zukünftigen Untertanen gebeugt von der Last ihrer schweren Sorgen und Nöte und wie die Menschen ihre langen Tage unter Mühen verbrachten. Auch ihm waren diese Geschichten einer fantastischen Maschine seit seiner Kindheit bekannt und er fragte sich, ob dieser Verlust vielleicht einmal zu seinem Problem werden könnte und es deshalb seine Aufgabe war, dem Volk die Maschine zurück zu bringen. Dennoch schaute er ausgiebig nach links und rechts, ob ihm jemand seine Aufgabe streitig machen würde. Aber weit und breit konnte der Prinz zunächst niemanden entdecken. Fast hätte er dabei den ehemaligen Küchenjungen des Schlosses übersehen, der ebenfalls immer mal wieder suchend über den Marktplatz schaute, als ob die fantastische Maschine urplötzlich dort wieder auftauchen könnte. Wie alle anderen auch sah sich der ehemalige Küchenjunge nach wie vor jeder Hoffnung beraubt, seine Probleme jemals von ihr lösen zu lassen. Er seufzte tief und wollte sich wieder an seine Arbeit begeben.

Inzwischen war der ehemalige Küchenjunge zu einem großen und kräftigen jungen Mann gereift, so dass der Prinz sich gut vorstellen konnte, in ihm auf seiner gefahrvollen Suche einen treuen Gefährten zu haben. Also trat der Prinz auf ihn zu, berichtete von seinem Vorhaben, die fantastische Maschine aufzuspüren und sie an ihren ursprünglichen Standort zurück zu bringen. Und als der Prinz fragte, ob der ehemalige Küchenjunge ihn dabei begleiten wolle, willigte dieser gerne ein und sie beschlossen das Wagnis gemeinsam einzugehen. So sattelten sie am nächsten Tage die Pferde, versorgten sich ausreichend mit Proviant und verabschiedeten sich von ihren Familien. Dann zogen sie mutig hinaus in die Welt.

Da sie nicht wussten, wo sie ihre Suche beginnen sollten, war jede Richtung gleich gut. Viele Monate führte sie ihr weiter Weg durch fremde Städte und Länder, von denen sie noch nie gehört hatten. Unterwegs trafen sie auf unterschiedlichste Schwierigkeiten, gefährliche Situationen und auf Menschen, die ihnen Hindernisse in den Weg legten, aber ebenso auf Hilfsbereitschaft, Freundschaft und Unterstützung. Immer wieder schafften sie es, einen Weg zu finden, um ihre eigentliche Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren und ihre Suche fortzusetzen, was nicht immer einfach war. Aber sie waren in der Lage sich gegenseitig zu motivieren nicht aufzugeben und mit jedem bestandenen Abenteuer auf der Suche nach der fantastischen Maschine vertiefte sich die anfängliche Zweckgemeinschaft und entwickelte sich zu einer Freundschaft zwischen den beiden so unterschiedlichen jungen Männern. Dennoch aber konnte die Frage des Prinzen nach der Maschine, die er in jedem noch so kleinen Dorf stellte, von niemandem beantwortet werden. Die Situation war rätselhaft, die Maschine blieb verschwunden. Es war, als ob der Erdboden sie verschluckt hatte.

Mittlerweile waren der Prinz und sein Freund der Verzweiflung nahe. Kein Mensch konnte ihnen Auskunft über den Verbleib der fantastischen Maschine geben. Keiner hatte sie jemals gesehen oder etwas von ihr gehört. Aber die Menschen, die sie nach der Maschine fragten, berichteten ihnen stattdessen, wie sie mit ihren ganz unterschiedlichen Problemen fertig wurden. Und so begann der Prinz allmählich, diese neuen Erfahrungen zu sammeln, schrieb sie mit Feder und Tinte auf eine große Rolle Pergament und steckte diese in seine Satteltasche.

Unverrichteter Dinge gelangten sie nach Jahren der Suche wieder zurück in ihr Städtchen. Nun mussten sie sich eingestehen, dass ihre weite Reise keinen Erfolg gehabt hatte. Die Menschen, die sich erwartungsvoll auf dem Marktplatz versammelt hatten und auf den positiven Ausgang des Abenteuers mit der Rückkehr der fantastischen Maschine gehofft hatten, schlichen mit hängenden Köpfen zurück in ihre Häuser. Als der Prinz und sein Freund später jedoch auf ihre gemeinsame Reise zurückblickten erkannten sie mit großem Erstaunen, dass die Abenteuer, denen sie unterwegs begegnet waren, darin bestanden hatten, für die unterschiedlichsten Probleme eine Lösung zu suchen und umzusetzen. Sie hatten ebenfalls verschiedene Erfahrungen anderer Menschen im Umgang mit ihren Problemen kennengelernt. Nicht nur der ehemalige Küchenjunge hatte Erkenntnisse gesammelt, durch die er Vertrauen in die eigene Fähigkeit bekam, seine eigenen Probleme ohne die Maschine gut zu lösen oder andere um

Unterstützung dabei zu bitten. Der Prinz hatte auf der Reise die Verantwortung übernommen, die seine Position mit sich brachte und gezeigt, dass er diese ausfüllen konnte. Gemeinsam überlegten die beiden jetzt, wie sie das neue Problem, den endgültigen Verlust der fantastischen Maschine, bewältigen konnten. Der Prinz machte den Vorschlag, die Pergamentrolle mit ihren gesammelten Erfahrungen seinen Untertanen im Reich als Beispiele zur Verfügung zu stellen und sie durch ihre Reiseerfahrungen zu ergänzen. Zurück im Schloss ließ er dazu einen eigenen Raum neben der großen Bibliothek für diesen Fundus an erstaunlichen Ideen herrichten und machte sie dem gesamten Volk zum Geschenk. Seit dieser Zeit konnten alle Menschen ins Schloss kommen, um sich aus diesem reichen Angebot Ideen für ihr eigenes Leben zu holen.

Die Menschen im Königreich waren erleichtert, konnten wieder aufrechter gehen und die wärmenden Sonnenstrahlen spüren. Mit der Zeit wurde dieser Fundus mit den Lösungsideen immer häufiger aufgesucht und die Lösungen angewandt. Diese Vorgehensweise wurde immer selbstverständlicher und zur Gewohnheit, so dass selbst die Pergamentrolle mit der Zeit nicht mehr so oft hervorgeholt werden musste. Die Menschen lernten wieder die Verantwortung für ihr Handeln selbst zu übernehmen und mit den Konsequenzen zu leben. Der Prinz und sein Freund hatten den Menschen zwar nicht die fantastische Maschine zurückgebracht, aber neue Wege für die Menschen gefunden, diese Maschine überflüssig zu machen.

Und weil die Probleme für das Volk von nun an niemals zu groß wurden oder überhandnahmen, lebten die Menschen wieder glücklich und zufrieden – vielleicht sogar bis heute. Einen Trost fanden sie alle ebenfalls in dem Gedanken, dass andere Menschen die fantastische Maschine nunmehr vielleicht dringender brauchten, als sie selbst.

Das allerhässlichste Entlein

(in Anlehnung an das Märchen von Hans Christian Andersen)

An einem der ersten Frühlingstage des Jahres fanden einige Sonnenstrahlen ihren Weg zur Erde und brachten das Wasser eines Teiches zum Glitzern. Der Teich lag eingebettet in das Grün von Wiesen und Wäldern, fernab von jeder Siedlung. Das schilfbewachsene Ufer war flach und so bot der Teich vielen verschiedenen Tieren ein Zuhause. Das Leben am Teich verlief ruhig und friedlich, alles war wie immer. Die einzige Abwechslung im Jahresverlauf brachten Zugvögel, die hier mitunter gerne ihren Flug unterbrachen, um sich auszuruhen und Neuigkeiten mitbrachten.

Gut geschützt unter einem Strauch in Ufernähe saß eine Ente auf ihrem Nest und brütete. Vor einiger Zeit hatte sie den Platz dafür zunächst sorgfältig ausgesucht, dann alles, was sie an Zweigen und anderem Nistmaterial in der Umgebung finden konnte, zusammengetragen und daraus ihr Nest gebaut. Zum Schluss hatte sie es liebevoll und mit großer Sorgfalt mit Daunen ausgepolstert, denn ihre Brut sollte es weich und warm haben. Dann legte sie ihre Eier hinein, kuschelte sie in ihre Federn und ließ sich vorsichtig darauf nieder. Und brütete. Viel Arbeit hatte die Ente mit dem Brüten nicht. Ab und zu bewegte sie die Eier vorsichtig, damit sich ihre Körperwärme gleichmäßig verteilte. Nur für kurze Zeit verließ sie das Gelege, um Nahrung für sich zu sammeln. Dabei achtete sie jedoch stets darauf, dass sie sich nie zu weit von ihrem Nest entfernte. Dennoch war es ihr nicht aufgefallen, dass auf unerklärliche Weise vor einigen Tagen noch ein weiteres, kleines Ei ins Nest gelangt war. An diesem besonderen Tag schien die Sonne warm von Himmel, weiße Wolken zogen langsam vorüber und spiegelten sich im Teich Ein leichter Wind strich über das Schilf am Ufer und kräuselte die Wasseroberfläche nur ein ganz klein wenig und niemand störte die Ente in ihren Gedankengängen. Sie freute sich bereits auf die muntere Kinderschaar, die sie bald um sich haben würde, denn die Zeit, die sie zum Brüten benötigte, näherte sich dem Ende.

Und heute plötzlich war es so weit: innerhalb weniger Stunden bekamen die ersten Eier Risse, dann ein kleines Loch, das von innen vergrößert wurde, bis die Küken, mit dem Schnabel voran, sich langsam von der Schale befreiten und aus dem Ei schlüpften. Eins nach dem anderen schob die leeren Schalenhälften über den Rand des Nestes und ließ sich von den warmen Sonnenstrahlen trocknen. Am Ende waren es sieben flauschig weiche, sonnengelbe Küken, die sich im Nest aneinander kuschelten, neben dem letzten kleinen Ei. Doch auch hier ließen sich bereits die ersten Risse in der Schale erkennen und ein Schnabel schob sich vorsichtig ins Freie. Erwartungsfroh beobachteten alle, wie der Schnabel sich weiter und weiter schob, gefolgt von einem kleinen Kopf, einem länglichen Körper, bedeckt mit dichtem, braunem Fell, vier Füßen an kurzen Beinen und einem langen, abgeflachten Schwanz.

Fell? Vier Füße? Ein Schwanz wie beim Biber, der das Flüsschen, welches den Teich speiste, mit seinem selbstgebauten Damm aus Ästen aufstaute? Die Ente war erstaunt. Nichts an diesem Entlein schien wirklich zusammenzupassen. Dass jedes Küken etwas anders ist, wusste die Ente sehr wohl. Aber doch nicht so sehr? Nach kurzer Überlegung kam die Ente allerdings zu dem Schluss, dass sich wohl irgendwie die Gene einer sehr, sehr weit entfernten Verwandtschaft durchgesetzt haben müssten. Bestimmt die einer entfernten Seitenlinie ihres Mannes. Sei´s drum. Denn der Ente war es vollkommen gleichgültig, worin sich ihre Kinder unterschieden. Größe und Farbe der Küken waren ihr ebenso egal wie die Tatsache, ob Fell oder Flaum ihren Körper bedeckte. Ihre Liebe galt allen gleichermaßen. Auch die Entenküken schauten zunächst erstaunt auf das seltsam aussehende Wesen, das sich genau wie sie aus dem Ei geschält hatte und sich nun zusammen mit ihnen im Nest befand. Obwohl seine Geschwister zu gemeinsamen Spielen einluden, blieb das andere Entlein häufig abseits, allein, denn es fühlte sich irgendwie an, als ob es nicht richtig dazu gehörte.

Die Tiere die ebenfalls am Teich lebten kamen, um die Ente zu ihrer Kinderschaar zu beglückwünschen. Auch sie schauten mit großen Augen, was die Ente ausgebrütet hatte. Sie sahen Entlein, so wie sie sie bislang kannten und ein ganz anderes Entlein. So ein anders aussehendes Tier hatten sie alle hier am Teich noch nie gesehen. Wie nur sollte daraus jemals eine stattliche Ente oder vielleicht gar ein stolzer Schwan werden? Sie konnten es sich einfach nicht vorstellen. Die Tiere wunderten sich, steckten ihre Köpfe zusammen und sprachen leise miteinander. Aber es war wiederum nicht so leise, dass das andere Entlein sie nicht hören konnte. Es vernahm noch das Wort anders.