Die Ästhetik des Hässlichen am Beispiel von Gottfried Benns Morque-Gedichten - Linda Lau - E-Book

Die Ästhetik des Hässlichen am Beispiel von Gottfried Benns Morque-Gedichten E-Book

Linda Lau

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 13, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: „Die Ästhetik des Hässlichen erhebt in der expressionistischen wie schon in der naturalistischen Moderne als eine Technik zur Desillusionierung des schönen Scheins Erkenntnisansprüche auf Wahrheit und Authentizität, die im Rahmen tradierter Verpflichtungen der Künste auf das Schöne nicht mehr einlösbar erschienen.“ Thomas Anz spielt in seinem Zitat auf ein bestimmtes Motiv expressionistischer Literatur an: das Hässliche. So finden sich in entsprechenden Gedichten gehäuft Bilder des kranken und hässlich gewordenen Körpers: Ausdrücke wie „Darmkrankheiten, Pickel, faule Zähne, faule Säfte, grüne Zähne, Lidrandentzündung, junger Kropf, Bartflechte, Gichtknoten, Seuchen, Pestilenzen, Beulen, Eiter, Furunkel, Rotz, Karbunkel [oder] Kniewasser“2 beherrschen das allgemeine Schriftbild. Ziel dieser Arbeit ist es, die sogenannte »Ästhetik des Hässlichen« am Beispiel von Gottfried Benns Morque-Gedichten herauszuarbeiten. Im ersten Teil wird der Fokus zunächst auf dem historischen Hintergrund liegen. Dementsprechend sollen für das sogenannte »expressionistische Jahrzehnt« zeitgeschichtliche Aspekte herausgehoben und die allgemeine Funktion des Hässlichen in expressionistischer Lyrik erläutert werden. Darüber hinaus soll ausschnittsweise die Person Gottfried Benn und insbesondere sein literarisches Schaffen beleuchtet werden. Diesbezüglich werde ich zunächst auf einige biografische Eckdaten und anschließend genauer auf seine Gedichtsammlung »Morque« eingehen. Im zweiten Teil sollen dann insgesamt drei Motive innerhalb ausgewählter Morque-Gedichte analysiert werden. Herangezogen werden hierzu die Gedichte „Kleine Aster“, „Schöne Jugend“, „Saal der kreissenden Frauen“ und „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“.

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Inhaltsverzeichnis

 

1... Einleitung

2... Historischer Hintergrund

2.1 Zeitgeschichtliche Aspekte: Das expressionistische Jahrzehnt

2.2 Die Funktion des Hässlichen in expressionistischer Lyrik

2.3 Gottfried Benn als Dichter seiner Zeit

2.3.1 Biographische Eckdaten zu Leben und Werk

2.3.2 Benns »Morque-Gedichte«

3... Motivkomplexe

3.1 Verwesung/Vergänglichkeit/Verfall: Tod vs. Leben?

3.1.1 in: „Kleine Aster“

3.1.2 in: „Schöne Jugend“

3.1.3 in: „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke “

3.2 Entwertung des Menschen durch Identitätsverlust

3.2.1 in: „Kleine Aster“

3.2.2 in: „Schöne Jugend“

3.2.3 in: „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“

3.3 Religiöser Verweischarakter: Theologie vs. Anatomie

3.3.1 in: „Saal der kreissenden Frauen“

3.3.2 in: „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“

4... Fazit

5... Literaturverzeichnis

6... Anhang: Gedichte

1.    Einleitung

 

„Die Ästhetik des Hässlichen erhebt in der expressionistischen wie schon in der naturalistischen Moderne als eine Technik zur Desillusionierung des schönen Scheins Erkenntnisansprüche auf Wahrheit und Authentizität, die im Rahmen tradierter Verpflichtungen der Künste auf das Schöne nicht mehr einlösbar erschienen.“[1]

 

Thomas Anzspielt in seinem Zitat auf ein bestimmtes Motiv expressionistischer Literatur an: das Hässliche. So finden sich in entsprechenden Gedichten gehäuft Bilder des kranken und hässlich gewordenen Körpers: Ausdrücke wie „Darmkrankheiten, Pickel, faule Zähne, faule Säfte, grüne Zähne, Lidrandentzündung, junger Kropf, Bartflechte, Gichtknoten, Seuchen, Pestilenzen, Beulen, Eiter, Furunkel, Rotz, Karbunkel [oder] Kniewasser“[2][3] beherrschen das allgemeine Schriftbild.

 

Ziel dieser Arbeit ist es, die sogenannte »Ästhetik des Hässlichen« am Beispiel von Gottfried Benns Morque-Gedichten herauszuarbeiten. Im ersten Teil wird der Fokus zunächst auf dem historischen Hintergrund liegen. Dementsprechend sollen für das sogenannte »expressionistische Jahrzehnt« zeitgeschichtliche Aspekte herausgehoben und die allgemeine Funktion des Hässlichen in expressionistischer Lyrik erläutert werden. Darüber hinaus soll ausschnittsweise die Person Gottfried Benn und insbesondere sein literarisches Schaffen beleuchtet werden. Diesbezüglich werde ich zunächst auf einige biografische Eckdaten und anschließend genauer auf seine Gedichtsammlung »Morque« eingehen. Im zweiten Teil sollen dann insgesamt drei Motive innerhalb ausgewählter Morque-Gedichte analysiert werden. Herangezogen werden hierzu die Gedichte „Kleine Aster“, „Schöne Jugend“, „Saal der kreissenden Frauen“ und „Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“.

2.    Historischer Hintergrund

 

2.1 Zeitgeschichtliche Aspekte: Das expressionistische Jahrzehnt

 

Mit der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert gingen einige tiefgreifende Veränderungsprozesse einher, die in den Köpfen der Menschen nicht unbemerkt blieben. So kam es zu einer rapiden Beschleunigung von soziokulturellen Entwicklungsprozessen. Darunter fielen laut Thomas Anz u.a. „Prozesse der Rationalisierung, Technisierung, Industrialisierung und Urbanisierung, die Zunahme sozialer Mobilität, die Expansion massenkommunikativer Prozesse und die Bürokratisierung [...]“- kurzgefasst: eineimmense Beschleunigung des alltäglichen Lebens. „Kunst und Literatur der Moderne sind von der schockartigen Konfrontation mit dem sozialen Wandel nachhaltig geprägt.“[4] Zeitgenössische Autoren griffen die pulsierenden Themen auf und verarbeiteten sie innerhalb ihrer literarischen Werke. Die Literatur der Jahrhundertwende ist von verschiedenen konkurrierenden Gruppierungen geprägt. Dazu gehört neben Strömungen wie dem Naturalismus oder dem Futurismus vor allem auch die expressionistische Bewegung. Im Folgenden sollen einige Themen aufgegriffen werden, die in der Literatur des Expressionismus eine wichtige Rolle spielen und damit den historischen und soziokulturellen Hintergrund des Expressionismus bilden.

 

Zu solchen Themen gehört beispielsweise das Thema »Großstadt«. Das Leben in einer Großstadt ist in erster Linie geprägt von Anonymität. Der Einzelne hat auf der einen Seite einen größeren Spielraum zur individuellen Entfaltung, auf der anderen Seite jedoch verliert er in einer Großstadt zunehmend an Bedeutung. Beziehungen basieren meist nur auf der Oberfläche, Menschen werden sich fremd, der Einzelne kann vor allem in seinem Beruf ersetzt werden. „Zusammen mit den Großstädten prägen die Massenmedien um 1910 nachhaltig die neuen Formen der Wahrnehmung: neben den Zeitungen vor allem auch das Kino.“[5] Das Phänomen der Reizüberflutung durch die immense Zunahme von äußeren Reizen ist dabei keine seltene Erscheinung.

 

Von großer Bedeutung für das damalige Zeitgefühl waren auch die Folgen des Ersten Weltkriegs. Die Menschen erlebten - bedingt durch den großen technischen Fortschritt - den ersten hochtechnisierten Krieg, von dessen Zerstörungskraft viele überrascht wurden. Themen wie Zerstörung, Krankheit, Verfall und Weltende fanden darum in expressionistischer Literatur häufige Verwendung. Kennzeichnend für den Krieg waren aber nicht nur dessen dramatische Auswirkungen, sondern insbesondere auch die vorangehende Kriegsbegeisterung. Die Menschen, darunter auch viele Autoren, sahen dem Krieg begeistert entgegen. Hinter dieser Kriegsbegeisterung steckte oftmals die Hoffnung auf eine grundlegende Erneuerung. Krieg war also das Erleben einer Katastrophe und die Sehnsucht nach einem Neuanfang zugleich. Neben der Hoffnung auf eine »neue Welt«[6] gab es auch die Hoffnung auf einen »neuen Menschen«:

 

„Hinter dieser Sehnsucht nach mehr Lebensintensität stand das Unbehagen an einer Kultur, die man aufgrund ihrer zunehmenden Tendenz zur Verwissenschaftlichung, Rationalisierung, Mechanisierung, Fragmentarisierung und Konventionalisierung vorwarf, den vitalen Kräften und Bedürfnissen des Individuums keine Entfaltung mehr zu gewährleisten oder sie vom sonstigen Leben zu isolieren.“[7]

 

Schlüsselfiguren, mit denen sich die Autoren des Expressionismus - entsprechend der generellen Unzufriedenheit - besonders identifizierten, waren laut Anz Bürger und Künstler, o

 

Väter und Söhne, Irre, Kranke, Tiere und Gefangene.[8] „Der Irre fungiert im Expressionismus als extremster Kontrast zur Normalität des verhassten Bürgers. Er bildet darin zusammen mit Kranken, Verbrechern, Gefangenen, Dirnen, Bettlern, Juden und Künstlern eine Beispielreihe von sozialen Außenseitern [.].“[9]

 

Ein bedeutendes Thema war aber nicht nur die Darstellung von sozialen Außenseitern, sondern auch die Einbeziehung einer negativen Ästhetik. Bereits seit dem Naturalismus fanden Motive des Hässlichen und Grotesken Eingang in die „schöne“ Literatur: