Die bessere Seite des großen Wassers - Ulla Neumann - E-Book

Die bessere Seite des großen Wassers E-Book

Ulla Neumann

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Beschreibung

Mareko ist acht Jahre alt und und lebt mit seinen Eltern, seiner kleinen Schwester und der Großmutter in Afrika. Sie müssen vor dem Krieg fliehen. Auf der besseren Seite des großen Wassers kommt nur der Junge mit seiner Mutter und seinem Fußball im Gepäck an. Er schließt Freundschaft mit Straßenclowns. Am Ende eines Tages sitzt er am Strand des großen Wassers und fragt sich, wo die bessere Seite ist?

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Inhaltsverzeichnis

Die bessere Seite des großen Wassers

Zuhause in Afrika

Auf der Flucht

Die Reise über das große Wasser

Ankunft auf der besseren Seite

Im Kinderheim

Das neue Zuhause

Die bessere Seite des großen Wassers

Mareko ist acht Jahre alt und ein guter Fußballspieler. Er flieht mit Vater und Mutter vor dem Bürgerkrieg über das Meer. Seine kleine Schwester und die Großmutter müssen zurückbleiben.

Als Mareko endlich auf der besseren Seite des großen Wassers ankommt, ist sein Vater nicht mehr da. Mareko ist allein mit seiner schwerkranken Mutter. Auf der Suche nach sauberem Trinkwasser begegnet er zwei Straßenclowns, die versuchen, ihm bei der Bewältigung seiner schier unlösbaren Probleme zu helfen.

Ulla Neumann ist Autorin von mehreren Kinderbüchern mit dem blauen Huhn Violet und von Kriminalromanen.

www.ulla-neumann.de

Empfohlenes Lesealter: Menschen ab 9

Zuhause in Afrika

Keine Wolke trübt den blauen, afrikanischen Himmel. Ungebremst knallt die Sonne auf die fast orangerote, staubige Erde. Sie brennt auf die nackten Rücken einer Gruppe Fußball spielender Kinder. Stachlige Akaziensträucher und einige halbhohe Bäume werfen kurze Schatten. Jeder vernünftige Mensch bewegt sich bei dieser Hitze und zu dieser Tageszeit so wenig wie möglich.

Nur 36 dünne, nackte, schwarze Kinderbeine stürmen einem aus Lumpen gewickelten Ball hinterher. Sand wirbelt auf.

„Mareko zu mir!“, schreit Keno. Mit seinen wie ein Windrad kreisende dünnen Armen versucht er, die Aufmerksamkeit des Freundes auf seine Position zu lenken. Mareko schaut nicht auf. Er weiß auch so, wo Keno steht. Sie sind ein gut eingespieltes Team. Er gibt den Ball ab und Keno schießt aufs Tor. Die Torstange fällt um.

„Tor, Tor“, jubeln die Freunde im Chor mit ihrer Mannschaft.

„Pfosten, Pfosten“, schreien der Torhüter und die gegnerischen Spieler.

„Tor, Pfosten, Tor“, ruft Marekos kleine Schwester Usilwi abwechselnd. Sie hüpft auf einem Bein am Spielfeldrand entlang. Dabei folgt ihr ein schwarz-weiß geflecktes Huhn.

Die Spieler sind sich über den Punktestand nicht einig. Aber gemeinsam reparieren sie das Tor. Jammernd und schimpfend rammen sie einen trockenen Ast, der den Torpfosten ersetzt, in die sandige aber trotzdem harte Erde.

„Ich wünschte, wir hätten ein richtiges Tor“, sagt Keno und schaut zum Himmel. Am Stand der Sonne kann er erkennen, wie spät es ist. Mareko folgt seinem Blick. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Er klemmt sich den im Auflösen begriffenen Ball unter den Arm. Er legt seinen anderen Arm um Keno und zusammen mit ihren Schulfreunden gehen sie zum Spielfeldrand. Dabei reden und lachen sie über ihr Spiel laut durcheinander.

„Wo ist die Ballträgerin?“, schreit Mareko. Usilwi kommt mit ausgestreckten Händen angerannt. Sie nimmt den Ball in Empfang und drückt ihn stolz gegen ihren Bauch. Sie hat wie alle Mädchen Spielfeldverbot und muss hinter der Spielfeldbegrenzung warten. Nur Jungen spielen Fußball. Mädchen sind ausschließlich als Zuschauer geduldet.

Die Spielfeldbegrenzung besteht aus den vom Spielfeld aufgelesenen Steinen. Es scheint, dass die afrikanische Erde ständig neue Steine ausspuckt. Die Kinder sammeln alle, die sie entdecken. Kein Stein ist mehr zu sehen. Und doch holt sich ein paar Tage später wieder einer von ihnen eine blutige Zehe, weil sich von Neuem ein Stein aus dem Boden gearbeitet hat.

Neben der Spielfeldbegrenzung liegen fein säuberlich zusammengelegt die beigen Hemden der Schuluniformen sowie grün-weiß gestreifte Plastikbeutel und darunter aus alten Autoreifen gefertigte, schwarze Sandalen.

Ein Mann hat sich beim kleinen Markt aus Wellblechplatten eine Hütte zusammengebaut, in der er die schwarzen Sandalen in jeder Größe herstellt und verkauft. Unter einem von der Sonne aufgeheizten, glühend heißen Dach sitzt er jeden Tag und schneidet und klebt aus alten Autoreifen Sandalen. Auf seiner Stirn vergrößern sich zusehends die Schweißperlen. Sie wachsen zu kleinen Bächen zusammen. Die Bäche rinnen über sein Gesicht, den Hals hinunter und färben sein Shirt dunkel. Es riecht scharf in der Hütte. So wie warmer Teer und alter Gummi eben riechen, wenn sie bearbeitet werden. Diese Schuhe kosten nicht viel und halten länger als die bunten Plastik-Flip-Flops. Mareko hätte gerne bunte Sandalen, weil die einfach schöner sind. Aber es ist ihm egal, wie die Schuhe an seinen Füßen riechen.

Er greift nach seinem grün gestreiften Häufchen, schlüpft in sein Hemd und in die schwarzen Autoreifen-Sandalen. Neben jedem Hemd und jedem Paar Schuhe liegt so ein Häufchen. Von Weitem sieht es aus, wie eine Kolonne dicker Schnecken. Es sind hauchdünne Einkaufstüten aus Joe’s Supermarkt. Fast alle Kinder transportieren ihre Schulsachen in diesen kostenlosen Tüten. Es gibt nur einen kleinen Supermarkt in ihrem Viertel, darum haben auch alle Schüler die gleiche grün gestreifte „Schultasche“.

„Denkt dran, wir brauchen dringend Schnüre! Unser Ball fällt sonst ganz auseinander!“, ruft Mareko den in alle Himmelsrichtungen auseinanderlaufenden Freunden hinterher.

Mareko und Keno haben einen gemeinsamen Weg. Sie wohnen in derselben Straße, die eigentlich nur eine Piste ist. Der eine rechts, der andere links. Usilwi hüpft ihnen, mit dem Ball unter dem Arm, hinterher. Sie ist immer in Bewegung, mit den Beinen und mit dem Mund. Das Huhn, das sie „Schöne“ nennt, folgt ihr.

Mareko und Keno sind gleich alt und gehen zusammen in die zweite Klasse. Sie können bereits lesen und schreiben. Um zu üben, brauchen sie kein Papier. Mit einem Akazienast streichen sie ein Stück Erde glatt. Mit einem dünnen Stock schreiben sie dann Wörter und kurze Sätze in den Sand. Auf diese Art und Weise hinterlassen sich die Freunde Botschaften. Vor dem Hof, der jedes Haus umgibt, haben sie ihren festen Platz, an dem sie sich wie auf einer Tafel kurze Nachrichten schreiben. Usilwi möchte auch mitmachen. Sie tut so, als ob sie bereits schreiben kann. Dabei geht sie noch nicht mal in die Schule. Wenn sie den Jungs ihre Nachrichten zerstört, sind Mareko und Keno wütend auf sie. Zur Strafe darf Usilwi dann nicht mit ihnen spielen. Usilwi ist eine Nervensäge, die Mareko so lange ärgert, bis er mit seinen großen schwarzen Augen rollt. Wenn dann nur noch das Weiß zu sehen ist und daraus Funken sprühen, weiß Usilwi, dass es besser ist, sich aus dem Staub zu machen.

Für gewöhnlich rennt sie danach zu den Hühnern, die frei im Hof, der Compound genannt wird, herumlaufen und in der Erde nach Samen, kleinen Tieren und irgendwelchen fressbaren Dingen scharren. Die Schöne rennt

Usilwi immer hinterher und lässt sich von ihr auch gerne auf dem Arm tragen. Dabei gurrt und schnurrt sie zufrieden vor sich hin.

Mareko und Usilwi wohnen mit ihren Eltern und der Großmutter in einem runden Haus, das nur aus einem Raum besteht. Das Haus ist klein, aber es ist das schönste Haus in der Gegend. Mutter und Großmutter haben mit weißer und rotbrauner Farbe geometrische Muster auf die Wände gemalt.

Das Haus ist Teil eines Dorfes. Früher lagen die Häuser weit verstreut. Aber nachdem die Stadt immer näher an das Dorf herangerückt ist, wurden immer mehr Häuser immer enger zusammengebaut. Die Häuser mit ihren Höfen ziehen sich nun an mehreren Straßen entlang. Die Straße in der Marekos und Kenos Familien leben, ist eigentlich ein steiniger, sandiger Weg, aber er heißt Straße.

„Kommst du mit zur Bar???“ Mit drei Fragezeichen schreibt Mareko den Satz neben den Eingang zu Kenos Hof. Keno hat gesehen, dass Mareko eine Nachricht für ihn hat und kommt angerannt.

„Na klar!“, schreibt Keno darunter. Er hätte es auch zu dem neben ihm stehenden Mareko sagen können, aber es macht ihm Spaß zu zeigen, dass er lesen und schreiben kann.

Nicht alle Erwachsenen können schreiben. Marekos Großmutter kann nicht schreiben und nicht lesen. Seine Mutter kann es, aber nicht gut. Ihren Namen Keduetswe schreibt sie sehr schön. Sie ist die wunderbarste Frau, die Mareko kennt. Ihre Füße hinterlassen kaum Spuren im Sand. Sie schwebt wie eine Feder. Wenn sie lacht, kann er den Blick nicht von ihr wenden. Ihr Lächeln macht seine Brust weit und leicht. Wenn sie ihn bittet, ihr etwas vorzulesen, hilft er ihr bereitwillig und stolz. Marekos Vater kann lesen und schreiben, aber auch er ist nur vier Jahre zur Schule gegangen.

Leise, damit Usilwi es nicht hören kann, sagt Mareko zu Keno: „Meine Eltern sind nicht da. Sie haben Arbeit in der Stadt. Großmutter hat erlaubt, dass ich das Fußballspiel anschauen darf.“

Beim kleinen Markt gibt es eine Bar mit einem Fernsehapparat. Wenn ein Fußballspiel übertragen wird, gehen die Männer dorthin und trinken Bier. Die Jungs stehen dann dicht gedrängt vor der offenen Tür oder vor dem einzigen Fenster. Unter ständigem Geschubse um die besten Plätze können auch sie das Spiel verfolgen.

„Wenn wir, wie die, so einen richtigen, weißen Lederfußball, so einen aus richtigem Leder, mit schwarzen Flecken hätten, dann wären wir unschlagbar!“, sagt Keno und schaut sehnsüchtig zum Bildschirm. Mareko seufzt: „Und ein richtiges Tor mit einem Netz, das wär’s doch.“

Ein Lederball und ein Tor, das ist ihr Traum. Von Fußballschuhen träumen sie nicht. Ihre Füße sind es nicht gewohnt, in engen Schuhen eingesperrt zu sein. Vielleicht träumen sie noch von einem schicken, bunten Trikot, so wie die Nationalspieler sie tragen. Auf dem großen Markt in der Stadt gibt es sie zu kaufen. Aber sie sind viel zu teuer. Die Kinder haben kein Geld und die Erwachsenen brauchen das Geld, das sie verdienen, wenn sie Arbeit haben, für wichtigere Dinge.

Wenn Mareko nicht zur Schule geht oder mit Keno Fußball spielt, verbringt er die Zeit mit der Großmutter und seiner kleinen Schwester Usilwi. Sein Vater und seine Mutter sind manchmal tagelang unterwegs auf der Suche nach Arbeit. Wenn sie Erfolg haben, bringen sie reichlich gutes Essen mit nach Hause. Dann kochen und lachen die Mutter und die Großmutter zusammen. Der Vater sitzt dabei, ruht sich aus und erzählt Mareko, was er in der Stadt alles gesehen hat. Usilwi rennt zwischen Mutter und Vater hin und her und tut so, als ob sie für alle Arbeiten zuständig wäre. Sie plappert ohne Unterbrechung. Wenn sie nicht beachtet wird und ihr niemand zuhört, beschwert sie sich bei ihrem schwarz-weißen Huhn, das ihr wie ein Schatten folgt.

Die Frauen bereiten dicken Hirsebrei zu. Sie kochen Okra-Gemüse oder Bohnenkerne und dazu eine salzige Soße. Manchmal gibt es Sardinen oder Makrelen in Öl, die aus der Dose darüber gegossen werden. Das ist Großmutters Lieblingsessen. Wenn alles fertig ist, sitzen sie im Kreis am Küchenplatz auf dem Boden. Sie essen mit der rechten Hand aus dem Topf, bis kein Hirsekorn mehr in sie hineinpasst oder der Topf einfach leer ist.

Die Küche ist ein mit Ästen abgegrenztes Viereck. Die Äste sind so dicht nebeneinander in die Erde gesteckt und so hoch, dass Mareko, wenn er sich dort aufhält, nicht zur Straße sehen kann. Die Küche ist nur an drei und einer halben Seite von den Stöcken begrenzt. Sie hat kein Dach. In der Mitte sind eine offene Feuerstelle und ein aus Lehm gemauerter, runder Brotbackofen. Das Feuer wird normalerweise nur einmal am Tag angezündet, weil Brennmaterial kostbar ist und es sowieso meistens nur eine warme Mahlzeit gibt. Der Feuerplatz ist auf allen Grundstücken immer mehrere Schritte vom Haus entfernt. Am weitesten ist das Klohäuschen vom Küchenplatz und der Hütte weg. Das Haus von Marekos Familie hat wie viele andere Häuser ein rundes Grasdach. Bei Funkenflug könnte es ganz schnell in Flammen aufgehen. Unter einem Grasdach ist es, wenn die Sonne vom Himmel knallt, angenehmer als unter einem Wellblechdach. Ein Wellblechdach kann sich in der Sonne so aufheizen, dass man Eier darauf braten kann.

Nach dem Essen lässt sich Usilwi die Reste von der Schönen von den Fingern picken. Dabei lacht und kichert sie so wie sonst nur, wenn der Vater sie kitzelt.

Mareko liebt es, wenn sein Vater lacht. Es klingt so, als ob die Fröhlichkeit ganz tief aus seinem Innern herauskullern würde. Sein Vater kann auch gut den Clown spielen. Dann lässt er seine Augen rollen. Er wackelt mit den Ohren. Mit dem Mund schneidet er Grimassen, sodass seine Zähne blitzen. Mareko weiß manchmal nicht, ob er sich ängstigen oder lachen soll. Wenn er so tut, als ob er sich fürchtet, hebt der Vater ihn hoch und wirft ihn immer wieder in die Luft. Wenn Mareko nach seiner Mutter ruft, sagt Keduetswe sehr streng: „Mann, du sollst das Kind nicht ängstigen“, und gibt ihm einen zärtlichen Klaps auf den Rücken. Der Vater blickt dann betont schuldbewusst auf die Mutter hinunter, die ihm gerade bis zur Schulter reicht.

„Eh Frau, er ist mir sowieso bald zu groß und zu schwer“, antwortet er entschuldigend mit ernstem Gesicht, hinter dem aber bereits sein kullerndes Lachen wartet. Er hält Mareko ganz fest an sich gedrückt, bevor er ihn wieder auf die Erde stellt. Großmutter versteckt ihr Lachen hinter vorgehaltener Hand und die Mutter schenkt ihnen ihr strahlendes Lächeln. Usilwi hüpft um den Vater und bettelt: „Ich auch, ich auch!“

Der Moment, in dem sein Vater ihn ganz fest hält, ist für Mareko das Schönste an diesem Spiel. So muss es im Himmel sein, dem Ort, von dem die Großmutter immer spricht. Dorthin wo sie eines Tages gehen wird und wohin sie ihn nicht mitnehmen will. Mareko stellt sich den Himmel voll fröhlicher Menschen vor, die alle vor vollen Töpfen sitzen, lachen, sich gegenseitig in die Luft werfen und anschließend so fest umarmen, dass sich ihr warmer Atem mischt.

Mareko möchte die Großmutter gern zu diesem Ort „Himmel“ begleiten, so wie er sie oft begleitet, wenn sie das Haus verlassen, um Wasser zu holen. Der Brunnen ist die Wasserstelle für mehrere Häuser. Er besteht aus einem Rohr, das aus der Erde kommt und das mit einem kleinen runden Rad auf und zu gedreht werden kann.

Manchmal, wenn sie nur wenig zu essen haben und der Hunger in seinem Bauch nagt, nimmt die Großmutter Mareko und seine Schwester bei der Hand und sie gehen zum großen Markt, um „Duft zu essen“. Der Weg ist weit und außer Wasser in einer Plastikflasche haben sie nichts dabei. Trotzdem machen sie noch einen Umweg, um an einem sehr großen Haus vorbeizugehen. Das Haus ist nicht von einer hohen Mauer, sondern nur von einem Zaun und einer Hecke umgeben. Hinter der Hecke wachsen Blumen. Es sind ganz besondere Blumen. Sie können sie nur durch das Blättergewirr erahnen, aber sie duften und leuchten geheimnisvoll rot durch die Hecke. Sie suchen sich einen Platz möglichst nah bei einer Blüte. Sie halten ihre Nasen so dicht wie möglich an den Zaun. Mareko und Usilwi können ihre Nasen noch durch das Drahtgeflecht stecken. Obwohl Großmutter eine kleine, magere Frau ist, ist ihre Nase zu dick. Sie muss sie draußen lassen. Die Kinder kommen so den Blumen ein kleines bisschen näher. Und dann sind sie still und atmeten den Duft der Blumen tief in sich hinein, bis Mareko flüstert: „Großmutter, warum kann ich den Duft nicht sehen? Er ist doch da. Ich kann ihn riechen.“

Die Großmutter denkt eine Weile nach, dann antwortet sie leise: „Der Duft ist die Seele der Blume. Die Pflanze ist aus einem winzigen Samenkorn gewachsen und jetzt, bevor die Blume verblüht und stirbt, verströmt sie ihren Duft, damit wir uns freuen. Auch wenn du es nicht siehst, kannst du es doch mit deiner Nase riechen und in deinem Herzen fühlen.“

Sie spricht nicht weiter.

Mareko fragt interessiert: „Großmutter, stirbst du auch?“

„Sicher, mein Enkelsohn.“

„Wirst du dann genauso unsichtbar wie der Duft?“

„Ich hoffe, dass meine Seele sich wie der Duft der Blumen auf den Weg begeben wird.“