Die Blutreiter der Sierra Madre - Rocky G. Hollister - E-Book

Die Blutreiter der Sierra Madre E-Book

Rocky G. Hollister

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Rauchende Colts und echte Männer! Entdecken Sie jetzt die historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

Klappentext: Präsident Porfirio Diana regiert das Land mit blutiger Härte und vertreibt die indigene Bevölkerung von ihrem Land. Doch Everett Waco, bekannt als der „Unbezähmbare“, stellt sich ihm entgegen. Im Kampf gegen die brutalen „Blutreiter“ riskiert Waco alles, um den Unterdrückten Gerechtigkeit zu bringen. Kann ein Mann das Schicksal eines ganzen Volkes ändern?

Über die Reihe Das Gesetz des Westens: Freuen Sie sich regelmäßig auf die spannendsten Western-Abenteuer diesseits des Mississippi! EK-2 Publishing hat für „Das Gesetz des Westens“ die ganz großen Koryphäen des Western-Genres versammelt. Alfred Wallon, Peter Dubina und viele weitere Autoren katapultieren sie direkt ins Geschehen und bescheren Ihnen ein unvergessliches Leseerlebnis.

Laden Sie Ihren Revolver und satteln Sie Ihren Hengst, denn es geht auf eine spannende Reise in den rauen Wilden Westen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Rocky G. Hollister

 

 

 

 

Die Blutreiter der Sierra Madre – Der Unzähmbare Band 2

Historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

 

EK-2 Militär

 

 

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Mit unserem Label EK-2 Militär möchten wir militärische und militärgeschichtliche, sowie historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!

 

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu unserem Buch. Haben Sie Anmerkungen? Kritik? Bitte lassen Sie es uns wissen. Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns, damit wir in Zukunft noch bessere Bücher für Sie machen können.

 

Schreiben Sie uns: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Ihr Team von EK-2 Publishing

 

Die Blutreiter der Sierra Madre – Der Unzähmbare Band 2

von Rocky G. Hollister

 

Vorrede

34 Jahre lang regierte Präsident Porfirio Díaz in Mexiko. Während dieser Zeit ging er mit großer Härte gegen die überwiegend bäuerliche indianische Bevölkerung vor. Unterstützt wurde er von seiner Armee und der Guardia Rurales, einer schlagkräftigen Land- und Bergpolizei. Mit seiner Gewaltherrschaft gelang es Díaz, die Unruhen unter der Landbevölkerung einzudämmen. Dabei wurde ein Großteil der Einwohner von ihrem Grundbesitz enteignet. Die ehemaligen Besitzer waren gezwungen, sich in die Schuldknechtschaft neuer Eigentümer zu begeben, um nunmehr als gewöhnliche Landarbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der repressive Herrschaftsstil des Präsidenten führte später zur Mexikanischen Revolution und zum Sturz der Regierung.

Everett Waco, der Unbezähmbare, greift in das Geschehen ein, als sich die staatlichen Landenteignungen auf ihrem Höhepunkt befinden …

 

Sierra Madre, Mexiko, 1886.

Als der Tod in das kleine Tal preschte, das zwischen imposanten Granit- und Basaltfelsen lag, verkrochen sich sogar die Hunde mit eingezogenen Ruten. Fast so, als witterten sie instinktiv das Unheil, das sich unaufhaltsam näherte.

Wie Schatten schälten sich die zwei Dutzend Reiter aus dem wabernden Grau des Morgens heraus, das mit den ersten Sonnenstrahlen wie ein Schleier zerriss. Die Luft war noch kühl und angereichert mit den Rufen der Falken, die hoch oben am stahlblauen Himmel ihre Kreise zogen und auf frühe Beute lauerten.

Rick Guillermo starrte den Reitern entgegen. Schweiß perlte auf seiner faltigen Stirn und sein Herz raste. Er war ein untersetzter, stämmiger Mann um die sechzig, mit Augen so schwarz wie Kohle, die aus einem verkniffenen, vom Leben gezeichneten, kaffeebraunen Gesicht funkelten. Im krassen Gegensatz dazu stand sein helles zerzaustes Haar, das ihn als das entlarvte, was er war: ein Chicano, ein mexikanischer Amerikaner. Seine Vorfahren waren in Mexiko geboren, während er selbst in Texas zur Welt gekommen war. Vor einigen Jahren war er mit seiner Frau Nelda und seiner damals zehnjährigen Tochter Salina in die Sierra Madre zurückgekehrt, um von Verwandten eine kleine Pferderanch zu übernehmen. Doch vor sechs Monaten war Nelda an einer Lungenentzündung gestorben. So mussten Mann und Tochter die Ehefrau und Mutter, die mit ihrer Güte weit über das Tal hinaus bekannt war, neben der Blockhütte begraben.

Guillermo spürte den brennenden Blick Salinas in seinem breiten Rücken. Er hatte sie angewiesen, sich hinter einem Holzstapel zu verstecken. Denn schon von Weitem sah er, was das für Männer waren. Sie gehörten zur berüchtigten Guardia Rurales, der schlagkräftigen Land- und Bergpolizei von Präsident Díaz, der seit vielen Jahren als Bluttyrann über Mexiko herrschte. Mit eiserner Hand und äußerster Brutalität ging er vor allem gegen die unteren Bevölkerungsschichten vor, die zumeist aus armen einheimischen und indigenen Bauern bestand. Und er nahm ihnen im Namen der Regierung das, für was sie ihr Leben lang gearbeitet hatten – ihren Grundbesitz. War nun auch für ihn und seine Tochter die Zeit gekommen? Wollten die Rurales sie von ihrem Besitz vertreiben?

Rick Guillermos Magen fühlte sich wie mit Blei gefüllt an. Seine Knie wurden weich, als die Horde ihre vor Schweiß dampfenden Pferde vor ihm zügelte. Die Gesichter der Männer waren ausnahmslos mit dichten Bärten oder Bartstoppeln bedeckt. Böse, am Anblick von Tod und Verderben gewöhnte Augen blitzten ihn unter breitrandigen Sombreros an. Sie trugen graue Uniformjacken- und Hosen, weiße Hemden und Stiefel aus Klapperschlangenleder. Vor ihrer Brust kreuzten sich breite Patronengurte, in denen silberbeschlagene Revolver steckten. Sie führten Winchester-Repetierbüchsen Kaliber .44 mit, die jenseits der Grenze auch von den Texas Rangers benutzt wurden. Die Gewehre waren präzise, außerdem leicht und handlich. Ein Vorteil vor allem im unwegsamen Gelände der Sierra Madre.

„Du bist Rick Guillermo!“ Das war keine Frage, die der vorderste Reiter mit harter, rauer Stimme stellte, sondern eine Feststellung. Er war außergewöhnlich groß für einen Mexikaner, mit hagerer Visage, die fast eingefallen wirkte, mit hervorstehenden Wangenknochen, dichten Bartstoppeln, die wie ein schwarzes Maserngeflecht die untere Gesichtshälfte bedeckte.

Der Chicano nickte. Er wusste, dass dieser Mann der in der ganzen Sierra Madre gefürchtete und berüchtigte Capitán Ramon Checo war. Für einen Moment dachte er an Salina, die er in ihrem Versteck in Sicherheit wog.

„Was wollt ihr?“ Rick blickte die Rurales abwechselnd an, vermeinte, den Geruch von Blut und Tod geradezu riechen zu können, der ihren verwegenen Gestalten anhaftete.

Der Capitán schob sich den Sombrero in den Nacken, kratzte sich an der Stirn und holte tief Luft, bevor er antwortete. „Im Namen der Regierung beschlagnahmen wir deinen Grundbesitz samt den Pferden! Du hast achtundvierzig Stunden Zeit alles zusammenzupacken und die Ranch zu verlassen.“

Unwillkürlich zuckte der Chicano zusammen. Jedes einzelne Wort traf ihn wie ein Peitschenhieb. Er hatte richtig vermutet! Die Bastarde waren gekommen, um auch die Menschen in diesem Tal von ihrem Besitz zu enteignen.

„Das … das könnt ihr nicht machen!“, wehrte sich Rick halbherzig, versuchte, seiner Stimme einen halbwegs festen Unterton zu verleihen. „Meine Frau liegt hier begraben …“

„Das interessiert uns einen feuchten Dreck!“, unterbrach ihn der Capitán barsch. „Du musst froh sein, dass wir so ein Halbblut nicht gleich über den Haufen schießen, sondern dir noch eine Gnadenfrist geben. Und jetzt fang an, deine Sachen zu packen!“

Guillermo war kein Kämpfer, aber genauso wenig ein Feigling. Vor allem besaß er eine Menge Stolz, den man ihm zeit seines Lebens nicht hatte nehmen können. Von niemandem. Bittere Galle stieg in seine Kehle. „Das ist mein Lebenswerk! Und auf welcher gesetzlichen Grundlage …“

Checo unterbrach seinen Redeschwall mit einem lauten, trockenen Lachen, das wie das Fauchen eines Pumas klang. „Die Gesetze machen wir! Und alles andere interessiert uns weniger als ein Pferdefurz!“

Dermaßen gedemütigt machte der Pferdezüchter einen Schritt auf ihn zu, freilich ohne in angreifen zu wollen. Das verstand der Uniformierte neben dem Capitán falsch. Mit einer schnellen, fließenden Bewegung zog er seine Bleispritze aus dem Holster und richtete sie auf den Chicano. Der Offizier hingegen saß unbeweglich und völlig ruhig auf seinem Gaul, sich der Hilflosigkeit des Mischlings und dem Schutz seiner eigenen Männer gewiss.

„Und jetzt?“, provozierte Checo. „Bist du wirklich so dumm, dich mit uns anlegen zu wollen?“

Noch bevor seine Worte verhallten, peitschte jäh ein Schuss durch die Morgenluft. Die Kugel fegte dem Rurales, der mit Mündung seiner Waffe Rick gerichtet hatte, den Sombrero vom Schädel. Der Uniformierte wurde bleich wie ein Knochen, sah sich, genauso wie die anderen, hektisch um.

Guillermo fuhr es eiskalt den Nacken hinunter. Das war Salina! Sie hatte sich wohl ins Haus geschlichen und die Henry Rifle geholt, um ihm beizustehen. Dafür würden die Bastarde sie töten!

„Wer ist da noch?“, ätzte Checo eisig, der niemanden hinter dem verdammten Chicano ausmachen konnte.

Der Pferdezüchter wusste nicht, was er antworten sollte. Instinktiv, ohne nachzudenken, schnellte er auf den Capitán zu, um die Männer von seiner Tochter abzulenken. Im Stillen hoffte er, dass sie bereits im „Notversteck“ war, das sie gemeinsam eingerichtet hatten.

Bevor Rick den Uniformierten auf dem Pferd zu fassen bekam, bellte dessen Waffe auf. Die Schussdetonation vermischte sich mit dem Schrei eines noch immer unsichtbar bleibenden Mädchens, das nicht mehr an sich halten konnte. Der Chicano wurde um die eigene Achse gewirbelt, ging in die Knie und sank langsam mit dem Gesicht voran in den Staub. Pulverrauch legte sich über seine reglose Gestalt.

Da surrte eine weitere Gewehrkugel knapp an Checos Schädel vorbei, holte dafür den Rurales hinter ihm von seinem Gaul. Sofort stoben die Männer auseinander, um die unsichtbare Schützin aufzustöbern. Doch trotz intensiver Suche fanden sie diese weder in der Blockhütte, in den Ställen noch in der näheren Umgebung.

Schließlich ritten die Uniformierten samt dem Verletzten wieder davon, der festen Überzeugung, das Halbblut sei tot. Sie wollten mit dem neuen Besitzer der Ranch zurückkommen, sobald ein solcher von der Regierung bestellt war.

Als die Hufschläge verklungen waren, öffnete sich neben dem Holzstapel eine in die Erde eingelassene Luke. Auf den ersten Blick war diese freilich nicht zu erkennen, weil sie von Gestrüpp bedeckt war, das Guillermo mit einer Harzpaste darauf befestigt hatte. Ein etwas stämmiges Mädchen, um die zwanzig, kletterte flink aus dem niedrigen Versteck heraus, in dem es gekauert hatte. Das Jahr über lagerte hier Pökelfleisch, damit weder Kojoten, Pumas noch Bären von dessen Geruch ins Haus gelockt wurden.

Salina rannte zu dem reglosen Mann hinüber. Ihr schwarzes Haar flog um ihr ebenmäßiges, hübsches Antlitz, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Als sie ihren Vater erreichte, drehte sie in vorsichtig auf den Rücken – und stieß einen leisen Schrei aus. Nicht vor Schrecken, sondern vor Erleichterung! Denn Rick sah sie mit wachen Augen an, während ein leichtes Lächeln seine Lippen kerbte.

Ihr Vater lebte!

„Diese Bastarde haben mich nicht richtig erwischt“, flüsterte er mit krächzender Stimme. Gleich darauf verzog sich sein staubbedecktes Gesicht. Die Kugel hatte seine Hüfte nur gestreift, blutete aber stark. Salina rannte ins Haus, holte Verbandszeug, stillte die Blutung und flickte die Wunde notdürftig zusammen. So wie sie es bei den Pferden tat, wenn sie sich an einer scharfen Felskante oder einem Stacheldrahtzaun verletzten oder von einem Berglöwen angefallen wurden und entkommen konnten.

Allerdings war den Guillermos klar, dass sie schnellstens von hier verschwinden mussten. Denn Capitán Checo und sein Wolfsrudel würden schon bald zurückkommen!

 

*

 

Conchita Falls, nahe Tucson, Südarizona.

Noch nie zuvor hatte Everett Waco den Namen des Kaffs gehört, indem er sich seit zwei Tagen befand. Es lag in der Nähe von Nogales im Grenzgebiet von Arizona und Mexiko. Eigentlich war es nur eine Ansammlung von vier Dutzend Bruchbuden. Die Brettergehsteige davor waren morsch, die Hinterhöfe mit Unkraut überwuchert. Alles war heruntergekommen und schäbig. Dennoch hatte es einen Grund, weshalb er ausgerechnet hier war. Einmal im Jahr wurde in Conchita Falls ein traditionelles Wettschießen veranstaltet, an dem die besten Schützen aus der Grenzregion teilnahmen. Das Preisgeld war entsprechend hoch und lockte gleich einem Honigtopf die Bienen Texaner, Mexikaner aber auch Schützen aus anderen Bundesstaaten diesseits und jenseits der Grenze an. Waco war das erste Mal dabei und fand sofort Gefallen an dem Wettbewerb. Trotz einiger Konkurrenz behauptete er sich und gewann.

Nachdem ihm das Gewinnkomitee das Preisgeld ausgehändigt hatte, ging er zum kleinen Hotel hinüber, in das er sich für zwei Nächte einquartiert hatte. Sein braun gebranntes, unrasiertes Gesicht mit dem energischen Kinn lag im Schatten eines flachkronigen Stetsons. Eine Strähne blauschwarzen Haares fiel in die glatte Stirn. Seine wachen Augen waren Grau wie Pulver. Die gerade Nase saß über einem harten, männlichen Mund. Er war kaum älter als dreißig. Seine große, drahtige Gestalt steckte in Wildlederkleidung, mit Fransen an Hemd und Hose, unter der sich feste Muskeln abzeichneten. In seinem eingefetteten Gürtelholster baumelte ein großkalibriger, sechsschüssiger Colt Single Action Army. Die hölzernen Griffschalen des Peacemakers waren vom häufigen Gebrauch abgewetzt.

Mitten auf der staubigen Straße kreuzte Brad Wine, sein härtester Konkurrent beim Wettbewerb, seinen Weg. Er war sichtlich enttäuscht von seinem eigenen Versagen, vor allem darüber, dass er leer ausging. Nun wollte er den Frust der Niederlage an Waco auslassen.

Wine war ein großer, kräftiger Mann, der es gewohnt war, dass man ihm Respekt zollte und, wenn nicht, richtig zulangen konnte.

„Hast verdammtes Glück gehabt“, knirschte er zwischen den Zähnen hervor. „Vielleicht hast du ja auch nachgeholfen.“

Waco blieb stehen und sah dem Burschen fest in die verschlagenen Augen. „Wie sollte ich bei einem Schießwettbewerb betrügen können?“ Er stieß die Frage so hart aus, dass sie wie eine Einladung zu einem erneuten Kräftemessen klang.

„Keine Ahnung, Lederhaut. Aber du hast etwas, was mir gehört. Gib mir die verfluchten Greenbucks und wir gehen zusammen einen trinken!“

Der Unbezähmbare, wie er von jenen genannt wurde, die ihn besser kannten, trat so nahe an sein Gegenüber heran, dass er dessen Ausdünstung von Schweiß, Schmutz und Häme riechen konnte. Sie waren gleich groß, nur dass der Kerl um einiges kräftiger wirkte. „Wenn du mich noch einmal Lederhaut nennst, kannst du mit den Hunden im Staub nach deinen Zähnen suchen, Wine!“

Der Angesprochene war Drohungen dieser Art nicht gewohnt, das war an seiner Mimik zu erkennen, die von anfänglicher Überraschung nun in grenzenlosen Zorn wechselte. Sein Gesicht wurde rot, die Stimme klirrte wie Eis: „Drohst du mir etwa?“

Waco schüttelte den Kopf. „Nein, Wine, das war ein Versprechen!“

Der Mann vor ihm versteifte sich für einen Moment, dann machte er einen Schritt rückwärts, um die Distanz zwischen ihnen beiden zu vergrößern. Zugleich griff er nach seinem Colt Army, der an seiner Hüfte baumelte. Bevor er diesen jedoch auch nur halb aus dem Holster ziehen konnte, starrte er bereits in das dunkle Mündungsloch von Wacos Peacemaker. „Ich sagte dir doch, dass ich kein Betrüger bin! Und jetzt verschwinde, sonst brenne ich dir eine Kugel in deinen verfluchten, streitsüchtigen Pelz!“

Brad Wine schluckte die unbändige Wut hinunter, bevor er noch daran erstickte. So sah es jedenfalls für jene aus, die die beiden Kontrahenten von den Gehsteigen aus beobachteten. Er ließ seine Waffe stecken, hob die Hände und wandte sich zähneknirschend von seinem Gegenüber ab.

Waco setzte den Weg zum Hotel fort, als plötzlich ein Schrei durch die Luft gellte. Er reagierte sofort, hechtete zu Boden, rollte mit gezogenem Revolver herum, entkam so nur um Haaresbreite der feigen Kugel.

Wine, der vorgetäuscht hatte, ihn in Ruhe zu lassen, zielte erneut auf ihn. Schon bellte Wacos Peacemaker auf. Das Blei zerschmetterte seinem Gegner die Waffenhand. Mit lautem Brüllen ging dieser in die Knie, starrte fassungslos auf die Knochensplitter, die zerfetzten Finger und das Blut, das aus der Wunde lief …

Das alles hatte sich vor einigen Stunden abgespielt. Die Frau, die ihm mit ihrem Warnschrei vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, lag wenig später mit ihm in seinem Hotelbett. Denn Marisha, so war ihr Name, gehörte neben dem Preisgeld zum Hauptgewinn. Ohne Frage nahm Waco diesen gerne an.

Marisha war wahrlich eine Wucht. Jung, groß und schlank gewachsen, mit Formen, von denen jeder Mann träumte. Ihr Puppengesicht mit den schamlosen Augen, so grün wie Minztee und dem breiten Mund, der nicht nur vieles versprach, sondern auch hielt, wurde von einer roten Haarmähne umrahmt. Die Frau nannte sich selbst scherzhaft die Hexe von Conchita Falls und bezog das auf ihre magischen Liebeskünste, wie sie Waco erklärte. Natürlich wollte er daraufhin herausfinden, was sie wirklich drauf hatte. Und er wurde nicht enttäuscht.

 

*

 

Sierra Madre.

Das Wundfieber war seit Stunden verschwunden. Auch sein Atem ging wieder flach und gleichmäßig. Rick Guillermo war auf dem besten Weg zur Besserung. Das hatte er zum einen der beherzten Erstversorgung der Schusswunde durch seine Tochter zu verdanken. Und zum anderen Sanchez Lima, dem einzigen Arzt in dem kleinen Bauerndorf in der Barranca del Cobre, der Kupferschlucht. Einer Gebirgsformation in der Sierra Madre Occidental, die einst durch einen Flusslauf entstanden war. Insgesamt war das Schluchtensystem über dreißig Meilen lang. Den Namen hatte sie durch das kupferfarbene Gestein erhalten, dem Piedra cobriza. Dorthin ritten Salina und ihr Vater, nachdem die Rurales ihn niedergeschossen hatten. Es lag nur einen halben Tagesritt von ihrer Pferderanch im Tal entfernt. Die Bauern, ein paar Mexikaner, hauptsächlich aber Rarámuri-Indianer, auch Tarahumara genannt, die wiederum mit den Yaqui und Mayo verwandt waren, kannten ihn seit vielen Jahren. Sobald es sich einer von ihnen leisten konnte, kaufte er ihm eines seiner Pferde für die Arbeit auf den Feldern ab. In der Vergangenheit waren die Landbesitzer und Bauern von Präsident Díaz Handlanger nicht behelligt worden. Allerdings konnte sich das schnell ändern, nachdem sie sich jetzt in der Gegend herumtrieben, wie es sich gezeigt hatte.

Als sich Sanchez Lima von dem Holzhocker erhob, der neben dem Bett stand, in dem der Verwundete lag, verzog sich sein zahnloser Mund zu einem zufriedenen Lächeln.

„Dein Vater ist in wenigen Tagen wieder ganz der Alte“, sagte er zu Salina, die ebenfalls in der einräumigen Lehmhütte anwesend war. Der Doktor, bestimmt zehn Jahre älter als Rick, schien, trotz seiner dürren, gebeugt gehenden Gestalt, die an ein Gerippe erinnerte, vor Vitalität nur so zu strotzen. Er war, wie alle mexikanischen Männer im Dorf, mit einem einfachen Hemd und einer leichten Hose bekleidet. Manche trugen dazu noch einen traditionellen Poncho. „Ihr könnt so lange, wie ihr wollt, in der Gasthütte bleiben. Sie steht ohnehin die meiste Zeit leer“, krächzte Lima wohlwollend.

Salina bedankte sich mit Tränen in den Augen, überwältigt von so viel Gastfreundschaft. Schnell wischte sie diese mit dem Handrücken weg. Der Alte verließ die Hütte, um sich seinen Tagesgeschäften zu widmen.

Das Dorf, in dem die Guillermos untergekommen waren, bestand aus Holz-Ziegel und Lehmhütten sowie weilerartigen Höfen, umwachsen von fruchtbaren Apfel-, Pflaumen- und Pfirsichbäumen. Die Menschen lebten hauptsächlich vom Ackerbau. Auf den feuergerodeten Feldern reiften goldgelber Mais, würzige Bohnen, Soja und saftige Kürbisse. Außerdem züchteten einige von ihnen Rinder und Ziegen, sammelten Wurzeln und Samen oder jagten kleinere Nagetiere. Andere wiederum waren Meister beim Töpfern, Weben und Korbflechten. Vor allem die Flechtarbeiten aus Kiefernadeln und Rauschopf-Agaven fanden weit über die Region hinaus Anerkennung. Längst hatten die Rarámuri den wenigen Mexikanern in ihrer Gemeinschaft die äußerst vitaminreichen Larven der Madron-Schmetterlinge schmackhaft gemacht. Die communidada, also die Gemeinde, funktionierte trotz der verschiedenen Ethnien ausgezeichnet. Ihr stand ein gleichmäßig von Frauen und Männern gewählter Gouverneur vor, der für die Organisation zuständig war. Ebenso für Problemlösungen sowie um Streitigkeiten zu schlichten. Außerdem hielt er Kontakt zu den anderen rancherias in der Umgebung, die verstreut in den zerklüfteten Schluchten der Sierra Madre lagen.

„Für eine gewisse Zeit sind wir hier noch sicher“, meinte Rick zu seiner Tochter. „Aber die verdammten Rurales werden schon bald heraufkommen, um den Menschen ihren Boden und ihren Besitz im Namen der Regierung zu stehlen. Wir brauchen Hilfe, mein Engel.“

Salina drückte die Hand ihres Vaters ganz fest, sah ihn mit ihren wunderbar großen Augen fast flehentlich an. „Wer könnte uns denn überhaupt beistehen, el papa?“

Rick verlangte nach einem Schluck Wasser, um das Kratzen in seiner Kehle zu vertreiben. Als er die Tonbecher wieder absetzte, antwortete er: „Es gibt nur einen, der uns helfen kann.“ Sein Blick richtete sich in die Ferne, als wollte er die Vergangenheit lebendig werden lassen. „Everett Waco!“

„Diesen Namen habe ich noch nie gehört, el papa.“

„Das kannst du auch nicht, mein Engel. Denn ich sprach niemals zuvor von ihm. Nicht aus böser Absicht, sondern weil wir uns schon vor Jahren aus den Augen verloren haben und ich keinen Anlass dazu sah. Als wir drüben in Texas lebten, besuchte er uns ab und zu. Aber da warst du noch zu klein, um dich daran zu erinnern.“

„Und wie sollte er uns helfen?“, fragte Salina unsicher.

„Das, was Waco am besten kann, ist Kämpfen. Er wird uns beibringen, wie wir uns wehren können. Eine Bürgerwehr aufstellen, um uns gegen die verdammten Rurales zu stellen!“

Salina schwieg. Hinter ihrer glatten Stirn überschlugen sich die Gedanken. Ihr Vater hatte recht. Wenn sie sich kampflos ergaben, dann würden die Bauern der communidada alles verlieren. Nicht nur ihren Stolz und ihre Kultur, sondern auch ihre Lebensgrundlage. Neue, regierungsfreundliche Besitzer würden das Dorf samt den umliegenden Höfen übernehmen, für die sie selbst schließlich als Leibeigene und für einen Hungerlohn schuften mussten. Soweit durfte es wahrlich nicht kommen!

„Und wo ist dieser Waco?“, wollte die junge Frau wissen.

Rick Guillermos Blick verlor sich erneut in Erinnerungen. „Ich weiß es nicht, mein Engel. Er ist ein Abenteurer, der quer durch die Lande zieht und sich für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt. Es wird nicht einfach werden, ihn zu finden. Aber viele haben von ihm gehört. Du wirst ihn schon irgendwie und irgendwo auftreiben. Doch du musst dich beeilen, bevor es zu spät ist, mi hija!“

 

*

 

Waco hatte so Gefallen an Marisha gefunden, dass er sich entschloss, noch länger in Conchita Falls zu bleiben. Da ihn sein Weg in die Grenzregion zu Mexiko geführt hatte, spielte er mit dem Gedanken, seinen Freund Rick Guillermo aufzusuchen. Er hatte ihn seit einigen Jahren nicht mehr gesehen und schließlich kam er nicht alle Tage hierher. Das letzte, was er von Rick gehörte hatte, war, dass er mit seiner Familie am Fuße der Sierra Madre eine kleine Pferdranch bewirtschaftete.

Es war früher Morgen. Waco schwang sich aus dem Bett, das noch warm war von der vergangenen Liebesnacht mit Marisha und trat nackt ans Fenster. Die Sonne war bereits aufgegangen und verwandelte den wolkenlosen Himmel in ein strahlendes Blau. Schon bald würde ihre Glut die Gegend verbrennen und die Häuser in Bratöfen verwandeln. Die Trockenheit hinterließ überall ihre Spuren, ob in den kahlen Felsen im Westen, den braungrauen, versengten Bäumen und Sträuchern der Umgebung oder in der sandigen, felsigen Einöde im Norden. Seit Monaten hatte es hier nicht mehr geregnet. Die unbarmherzige Hitze spaltete den Boden, schien bis hinab in die Tiefe der Erde zu dringen, um sich mit der Lava zu vereinigen.

Wacos Blick schweifte von der trostlosen Landschaft zu der alten Steinkirche hinüber. Denn von dort klang nun Hufschlag auf, der gleich darauf wieder verstummte. Ein Pinto blieb mit gesenktem Kopf und bebenden Flanken vor dem Holzportal stehen. Sein schwarz-weiß geschecktes Fell glänzte schweißnass in der Sonne. Auf seinem schmalen Rücken saß eine junge Frau mit mittellangem, pechschwarzem Haar. Sie sah aus wie eine Mexikanerin. Ihre Reiterkleidung war von oben bis unten mit Staub bedeckt. Mit Schenkeldruck versuchte sie ihr Pferd zum Trab anzutreiben, aber es bewegte sich keinen Zoll. Es war völlig erschöpft.

Trotz ihrer etwas stämmigen Figur schwang sich das Mädchen elegant aus dem Sattel und nahm den Pinto am Zügel. Widerwillig folgte das Reittier ihr zum Mietstall hinüber. Waco verlor sie aus den Augen, als sie hineinging. Gleich darauf trat sie jedoch wieder in die Morgensonne hinaus, steuerte mit müden Schritten das Hotel an. Für einen Augenblick glaubte er, dass sich ihre Blicke trafen, als sie kurz zu seinem Fenster hinaufschaute. Doch die Sonne blendete sie, sodass sie sich schnell wieder abwandte. Dann verschwand sie in der Eingangstür. Er hörte, wie sie unten nach dem Clerk rief.

Waco kleidete sich an. Nach dem Frühstück wollte er sich noch einmal mit Marisha treffen und danach Conchita Falls verlassen. Er ging aus seinem Zimmer die wenigen Stufen hinunter, um in der winzigen Gaststube einen deftigen Kaffee und Rühreier mit Speck zu bestellen. Eines musste man dem Eigner dieser Bruchbude lassen: Kochen konnte er zweifellos.

Als er sich im Frühstücksraum einfand, saß die junge Frau, die soeben angekommen war, an einem der drei Tische und schlürfte eine Gemüsebrühe in sich hinein. Als sie zu ihm aufschaute, fiel ihr plötzlich der Löffel aus der Hand, der laut scheppernd im Teller landete. Die Suppe spritzte bis an ihr schmales Kinn. Doch das schien sie keineswegs zu stören, denn sie glotzte ihn nur mit ihren großen schwarzen Augen ungläubig an, so als sei er der Leibhaftige. Ihr dunkler Teint färbte sich weiß wie eine Kalkwand. Ihre Unterlippe zitterte.

Waco konnte sich keinen Reim darauf machen, blieb vor ihr stehen und wollte etwas sagen, als ein wahrer Wortschwall aus ihr herausbrach. Er verstand nicht die Bohne, dazu sprach sie zu schnell, abgehakt und undeutlich. Nur einen Namen hörte er heraus: Rick Guillermo.

„Was ist mit Rick?“, unterbrach er schließlich ihren Redefluss.

Das hübsche Mädchen verstummte. Aber noch immer sah es ihn an, als sei er nicht von dieser Welt. „Rick … das ist … mein Vater …“, brachte es hervor.

Jetzt war es Waco, dem die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand. Erst vorhin hatte er daran gedacht, den Freund und seine Familie drüben in Mexiko zu besuchen, und nun saß seine Tochter plötzlich vor ihm, als wäre sie vom Himmel gefallen. Das war mehr als ein Zufall. Vielleicht Schicksal? Er glaubte nicht an so etwas und doch …

Waco zog sich einen Stuhl heran und setzte sich der jungen Frau gegenüber. „Dann musst du Salina sein?“

Es dauerte eine Weile, bis die Mexikanerin zaghaft nickte.

„Damned, das ist ja eine Ewigkeit her, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe! Da warst du noch ein kleines Mädchen und jetzt bist du eine hübsche Lady!“, meinte Waco ehrlich.

Salina errötete, so dass ihr Gesicht wieder Farbe bekam. Schließlich fing sie an, einfach alles zu erzählen. Von ihrer Pferderanch in der Sierra Madre, vom frühen Tod ihrer Mutter Nelda, vom Auftauchen der Rurales, die ihren Vater niedergeschossen hatten und ihrer Flucht ins Nachbardorf. „El papa hat dich so beschrieben, wie er dich in Erinnerung hatte. Du hast dich nicht viel verändert, sodass ich dich gleich erkannte. Außer vielleicht ein paar Falten und Grübchen mehr, die einen Mann erst interessant machen.“

Waco überhörte den letzten Satz. Er war traurig, dass die ewig gutmütige Seele von Nelda schon das Antlitz dieser Erde verlassen hatte. Die Guten wurden immer zuerst heimgeholt, dachte er und sagte es dem Mädchen vor sich auch so.

Salina nickte, senkte den Kopf und sah dann mit tränenverschleierten Augen wieder zu ihm auf. „El papa hat mir aufgetragen, dich zu fragen, vorausgesetzt ich finde dich, ob du der communidada helfen würdest, eine Bürgerwehr aufzustellen.“

Der Mann überlegte nicht lange. Es war kein Geheimnis, dass der mexikanische Präsident Díaz mit eisernem Besen kehrte, ohne Rücksicht auf Verluste. Jetzt griff die Staatsmacht nach den letzten noch unabhängigen und freien Bauern in jener Region der Sierra Madre, in der sein Freund und seine Tochter geflohen waren. Für Waco war es daher eine Frage der Ehre, ihnen gegen die Guardia Rurales, den Blutreitern der Regierung, beizustehen.

Salina erzählte von der kleinen, harmonischen Gemeinschaft, in der sich Mexikaner und Rarámuri-Indianer zusammenfanden. Als sie geendet hatte, saß sie mit geneigtem Haupt und zusammengefalteten Händen vor ihm. Den Suppenteller hatte sie seit seinem Auftauchen im Frühstücksraum nicht mehr angerührt.

„Gib deinem Pferd einen Tag Ruhe, sonst wird es den Ritt zurück nicht überleben“, sagte Waco in die entstandene Stille hinein. „Morgen reiten wir in aller Herrgottsfrühe los.“

Das Mädchen hob hoffnungsvoll den Blick. „Heißt das, du hilfst uns?“ Seine Worte überschlugen sich fast vor Freude.

„Natürlich, Salina.“

„Aber wir haben nicht viel Geld dich für deine Dienste zu entlohnen …“

Mit einer barscheren Geste als beabsichtigt, unterbrach Waco die junge Frau. Er sah sie so fest an, dass sie wie hypnotisiert zurückstarrte und kaum zu atmen wagte.

„Es gibt im Leben mehr als dreckige Dollars“, sagte er eine Spur zu hart und bedauerte es gleich darauf. „Menschen – und vor allem Freunde in Not – zu helfen, ist das höchste Gebot eines Ehrenmannes!“

 

*

 

Die Barranca del Cobre, die Kupferschlucht war entstanden, weil Flüsse im Laufe der Zeit tiefe Cañons in die Felsen der Sierra Madre Occidental gegraben hatten. Geschaffen in Millionen Jahren durch die Gewalt der Natur. Und nun kamen Menschen, um Gewalt in eine der einsamsten und entlegensten Bergregionen Mexikos zu bringen.

Zuerst war nur der Huftrommel zu hören, dann schälten sich die Silhouetten der zwei Dutzend Blutreiter aus dem Frühnebel, der zwischen der Schlucht lag. Der Tross, angeführt von Capitán Ramon Checo, kam vor den Holz-Ziegel- und Lehmhütten der kleinen communidada zum Stehen.

Es gab nur einen Mann, der ihnen an diesem Morgen entgegentrat: Gouverneur Tapanco Huaqueh, der Dorfvorsteher. Der Rarámuri-Indianer, dessen wahres Alter wohl sein ewiges Geheimnis blieb, war schlank und untersetzt. Ein breites, buntes Stirnband zügelte sein schwarzes mit grauen Strähnen durchsetztes Haar. Sein nackter, drahtiger Oberkörper glänzte wie mit Büffelfett eingerieben im ersten Sonnenlicht. Unterhalb seines karmesinroten, schärpenähnlichen Stoffgürtels trug er einen traditionellen, knielangen, weißen Lendenschurz. Er wusste, dass die übrigen Dorfbewohner das Geschehen hinter den Fenstern ihrer Hütten mit verfolgten. Darunter auch Thamaca, seine zwanzigjährige Tochter, deren Schönheit jeden Mann sofort gefangen hielt, sobald er ihr nur gewahr wurde. Deshalb hatte er sie angewiesen, den Fremden nicht unter die Augen zu kommen.

„Warum seid ihr hier?“, fragte Tapanco Huaqueh, sich seiner Autorität völlig bewusst.

Ramon Checo verzog seine hagere Visage zu einem spöttischen Grinsen. „Siehst du denn nicht, dass wir die Regierung vertreten, du lausiger Indio?“

Die unflätigen Worte trafen den Alten mit der Gewalt einer Sturmflut. Allerdings ließ er sie an sich abprallen, als hätte er sie nicht gehört. Stattdessen wandte er sich dem Wortführer der Reiter zu. „Was wollen die Regierungsvertreter in der Barranca del Cobre?“

Der Capitán räusperte sich. „Im Namen von Präsident Porfirio Díaz wird der Grundbesitz in diesem Teil der Sierra Madre beschlagnahmt! Ihr könnt weiterhin bleiben und unter den neuen Eigentümern arbeiten, die in wenigen Wochen hier eintreffen. Dafür bekommt ihr zwar keinen üppigen Lohn, aber immerhin reicht er für Whisky und Weiber!“ Checo lachte so lange, bis seine Männer mit einfielen. Natürlich wusste er, dass die Rarámuri weder dem Alkohol noch anderen Frauen, als ihren eigenen, verfallen waren. Er wollte dem sich seiner Meinung nach, mit seiner Autorität aufspielenden Gouverneur lediglich provozieren. „Wenn ihr dieses Angebot nicht annehmt, müsst ihr von hier verschwinden!“

Tapanaco schien von den Drohungen völlig unbeeindruckt. „Als die conquistadores españoles1 vor über vierhundert Jahren mit Schusswaffen und Pferden in das Land eindrangen, zog sich mein Volk in diese Berge zurück. Seitdem sind sie unsere Heimat und bedeuten uns alles. Wir werden nicht weggehen.“

„Olé! – Bravo!“, giftete der Capitán. „Dann werdet ihr für die neuen propietario de tierras schuften!“

„Die Rarámuri werden niemals criados – Knechte, sein“, entgegnete der Alte bestimmt.

Der Anführer der Guardia Rurales schwang sich von seinem langbeinigen, narbigen Gaul. Er trat ganz dicht an den Dorfvorsteher heran, den er um mehr als zwei Haupteslängen überragte.

„Vor einigen Tagen weigerte sich Rick Guillermo, der Pferdezüchter, seine Ranch der Regierung zu überlassen“, spie Checo seinem Gegenüber ins Gesicht. „Dafür musste er mit seinem Leben bezahlen, hörst du! Sind die Rarámuri nicht klüger, um Tod und Verderben zu vermeiden, das unweigerlich über sie kommen wird, wenn sie sich nicht kooperativ zeigen?“

Bevor Tapanco Huaqueh etwas darauf erwidern konnte, öffnete sich die Hüttentür in seinem Rücken. Ein anderer Indianer trat heraus, genauso gekleidet, wie Tapanaco. Er war jung und muskulös und seine Gesichtszüge verrieten, dass es sich um den Sohn des Alten handeln musste.

„Halt dich raus, Kutega“, warnte der Gouverneur. Doch dieser ignorierte ihn, stellte sich stattdessen neben seinen Vater und sah den Capitán herausfordernd an.

„Die Rarámuri sind keine Sklaven!“, zischte er ihm die Worte wie das Gift einer Klapperschlange entgegen. „Wir werden uns niemals in die Schuldknechtschaft eures verfluchten Präsidenten begeben! Niemals!“

Checo tat, als würde er sich zu seinen Männern umdrehen, setzte jedoch mitten in der Bewegung zu einem mächtigen Schwinger an. Allerdings verfehlte er die Schläfe des Indianers, der sich blitzschnell weggeduckt hatte und nun selbst zu einem Hieb ansetzte.

Der Warnruf Tapanacos verschmolz mit dem Krachen einer Schussdetonation. Die Kugel des Teniente2 holte Kutega von den Beinen, stieß ihn hart in den Staub. Das Blei hatte seine linke Schulter zerfetzt. Mit vor Hass brennenden Augen presste er die Rechte auf die blutende Wunde. Zwischen seinen Fingern sickerte rotes Blut hindurch.

Die Rurales saßen von ihren Pferden ab. Mit den Gewehren in den Fäusten stellten sie sich in einer Reihe vor den rancherias auf. Ihre bärtigen Gesichter ließen keinen Zweifel daran, dass sie auf der Stelle jeden Widerstand mit Waffengewalt brechen würden.

Tapanco Huaqueh rief etwas in der Sprache Tarahumara. Notgedrungen musste die Tochter seinem Sohn helfen. Gleich darauf kam aus der Ziegelhütte, aus der vorher Kutega getreten war, eine junge Frau.

---ENDE DER LESEPROBE---