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Rauchende Colts und echte Männer! Entdecken Sie jetzt die historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“
Klappentext: El Paso wird von den skrupellosen Manning-Brüdern terrorisiert. Town Marshal Sam Doolin ist gegen die Tyrannen auf sich allein gestellt, bis der unerschrockene Revolverheld Everett Waco ihm zu Hilfe eilt. Gemeinsam setzen sie alles aufs Spiel, um die Stadt zu befreien. Doch erst der letzte Showdown wird die Entscheidung bringen. Wird Waco den Kampf überleben oder wird er in der Hölle von El Paso untergehen?
Über die Reihe Das Gesetz des Westens Freuen Sie sich regelmäßig auf die spannendsten Western-Abenteuer diesseits des Mississippi! EK-2 Publishing hat für „Das Gesetz des Westens“ die ganz großen Koryphäen des Western-Genres versammelt. Alfred Wallon, Peter Dubina und viele weitere Autoren katapultieren sie direkt ins Geschehen und bescheren Ihnen ein unvergessliches Leseerlebnis.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Rocky G. Hollister
Heißer als die Hölle – Der Unzähmbare Band 1
Historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“
EK-2 Militär
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Heißer als die Hölle – Der Unzähmbare Band 1
von Rocky G. Hollister
Zu jener Zeit war die texanische Stadt El Paso inmitten der heißen und trockenen Chihuahua-Wüste direkt an der Grenze zu Mexiko eine »wilde« Town. Schießereien, Schlägereien und Messerstechereien waren an der Tagesordnung. Vor allem die Brüder Jim, Felix, Frank und John Manning terrorisierten die Bürger von El Paso. Doch dann kam Revolvermarshal Dallas Stoudenmire. Ihm gelang es, die Stadt zu befrieden, nicht aber die Mannings. Am 18. September 1882 führte die Fehde schließlich zu einer letzten und unheilvollen Begegnung zwischen den Kontrahenten. Diese und die Vorgeschichte dazu haben sich tatsächlich so abgespielt. Das Einschreiten von Dallas Stoudenmire und die nachfolgende Handlung hingegen sind frei erfunden.
A
n diesem späten Abend war der Himmel mit dunklen Wolken verhangen, durch die nur ab und an die fahle Sichel des Mondes glitzerte. Der scharfe Septemberwind, der von Osten aus der Chihuahuawüste über die Dächer der Adobehäuser und Holzhütten von El Paso strich, brachte Hitze und Sand mit. Bis auf einen großen, breitschultrigen, schweren Mann, der sichtlich Mühe hatte, sich in den Stiefeln zu halten, lag die nächtliche Main Street verlassen da. Er war nobel und nach letzter Ostküsten-Mode gekleidet. Unter dem schwarzen, langgeschossigen Gehrock trug er ein rüschenbesetztes weißes Hemd mit einer dunklen Seidenbinde, an dem der Blechstern eines US-Deputy-Marshals steckte. Tief an seinen Schenkeln, in einem gekreuzten Holster, hingen zwei sechsschüssige Double-Action-Revolver.
Dallas Stoudenmire wankte mehr, als dass er ging, nachdem er stundenlang in einem der Saloons gezecht hatte. Und so torkelte dieser ansonsten harte, unnachgiebige, aber zu dieser Stunde gänzlich betrunkene Mann, direkt in den Tod.
Völlig unvermittelt tauchten die beiden Gestalten aus dem Dunkel der Vordächer auf, gerade so, als hätten sie ihm aufgelauert. Doch Dallas Stoudenmire erschrak keineswegs darüber. Dazu war er viel zu berauscht. Außerdem kannte er sie. Bei dem großen Stämmigen mit dem dunklen Haar handelte es sich um Jim Manning. Der kleine hagere Blondschopf neben ihm war sein Bruder Felix. Sie waren um die vierzig, wirkten ziemlich hart und grob. Zusammen mit John und Frank betrieben sie den Coliseum Saloon und besaßen überdies eine Ranch außerhalb von El Paso.
Schon seit langer Zeit lag Stoudenmire mit den Brüdern in Fehde. Zudem hatte er geschworen, den Tod seines Schwagers und Deputys Stanley Cummings zu rächen, den sie auf dem Gewissen hatten.
Barsch wurden seine Gedanken unterbrochen, als Jim laut und mit höhnischem Unterton sagte: »Kaum zu fassen – der berühmte Revolvermarshal! Besoffen wie eine alte Armee-Haubitze!«
Wie Regentropfen ließ der Sternträger die Worte von sich abprallen. Er hob nicht einmal den Kopf, sondern starrte weiter unbeirrt auf die nächtliche Straße. Allerdings musste er nun stehenbleiben, weil die Männer ihm den Weg versperrten.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, stieß Jim Manning zwischen den Zähnen hervor. Geringschätzig und aus haselnussbraunen Augen, in denen ein unkontrolliertes Feuer glomm, betrachtete er sein Gegenüber.
Dallas Stoudenmire konnte das Unheil geradezu wittern, das wie ein Leichengeruch in der Abendluft lag. Die Aasgeier versammelten sich bereits. Trotz des übermäßigen Whiskykonsums besaß er noch immer den Instinkt und die Erfahrung eines alten, narbigen Wolfes, der bei unzähligen Kämpfen gelernt hatte, in der erbarmungslosen Wildnis zu überleben. Selbst wenn seine Sinne etwas getrübt waren.
»Bist du taub, du Hundesohn?«, provozierte Jim weiter, in der irrigen Annahme, dass das Alkoholwrack vor ihm kein ernst zu nehmender Gegner mehr darstellte.
Der US-Deputy-Marshal schaute langsam hoch, so als ob er sich erst an die Lichtverhältnisse gewöhnen müsste. Tatsächlich war sein Blick getrübt. Aus dem rechten Mundwinkel lief ein Speichelfaden bis zum kantigen Kinn hinunter, der ihm geradezu das Aussehen eines Verrückten verlieh. Doch dies war er beileibe nicht.
»Wenn ihr Verdruss wollt, dann könnt ihr ihn hier und jetzt bekommen!«, lallte er undeutlich, bemüht seiner Stimme einen festen Ton zu verleihen.
Die Manning-Brüder lachten im Gleichklang auf. »Du kannst dich ja kaum auf den Beinen halten, du alter Säufer«, bemerkte der hagere Blondschopf. Allerdings verstummte er gleich darauf wieder und presste die schmalen, blutleeren Lippen zusammen. Denn nun ging ein Ruck durch den zwei Zentner schweren Körper des US-Deputy-Marshals, der die beiden Männer um Haupteslänge überragte. Selbst jetzt, da der übermäßige Whiskygenuss ihm eine leicht gebückte Haltung bescherte.
In diesem Moment kam der unbändige Hass an die Oberfläche, der seit Monaten tief in Stoudenmires Eingeweiden nistete und die dunstigen Schleier vor seinen Augen wie die ersten Sonnenstrahlen den Morgennebel vertrieb. Und noch etwas anderes, Dunkleres überschwemmte sein Bewusstsein: bittere Rache! Allerdings sagte ihm sein Verstand auch, dass er in diesem Zustand keine Chance gegen die Brüder hatte, obwohl der Alkohol ihn jegliche Warnung ignorieren ließ. In seinem Leben hatte er schon mit vielen Burschen abgerechnet, die sich mit ihm messen wollten. Und noch jeden hatte er bezwungen. Er war Dallas Stoudenmire, der berüchtigte Revolver-Marshal aus Aberfoil, Alabama! Verwundet im Bürgerkrieg der konföderierten Armee gegen die Yankees, als Texas Ranger heldenhaft gekämpft gegen die Indianer. Und hier in El Paso hatte er weitgehend mit den Banditen und Halunken aufgeräumt, die aus dem ganzen Land hergekommen waren. Nichts und niemand konnte ihn einschüchtern! Im Gegenteil: Normalerweise kuschten seine Gegner vor ihm!
So dachte Dallas Stoudenmire in dieser Nacht, getrieben von Selbstpathos und Mut. »Halt eure dreckigen Schandmäuler!«, sagte er mit rauer, aber ruhiger Stimme, so als würde er einen aufkommenden Gewittersturm beschwören. Unter den schwarzen, buschigen Brauen funkelten seine dunklen Augen hart wie Flintsteine. Seine ganze Gestalt straffte sich, die Fäuste schwebten über den Kolben der beiden Revolver. Fast greifbar lag die Spannung in der milden Abendluft.
Zunehmend verunsichert traten Jim und Felix Manning von einem Fuß auf den anderen. Das Lachen war ihnen vergangen, obwohl sie brutale und unnachgiebige Burschen waren. Langsam begriffen sie, dass der Sternträger selbst im betrunkenen Zustand so gefährlich wie eine Klapperschlange war, auf die man unabsichtlich getreten war.
Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnten, zog Stoudenmire jählings seine Waffen aus den Holstern. Er war schnell, verflucht schnell, schlug die Brüder innerhalb des Bruchteils einer Sekunde. Wie Donner grollten die beiden Schussdetonationen durch die Nacht. Jedoch verfehlte der Marshal seine Gegner um Haaresbreite, weil seine Zielgenauigkeit unter dem Whiskyeinfluss litt. Mit einem beherzten Sprung brachte sich Felix Manning an ihn heran, schmetterte ihm die Mündung seines Remington ans Kinn.
Für einen Moment tanzte ein Himmel voller Sterne vor Stoudenmires Blickfeld. Der dumpfe Schmerz, der sein ganzes Gesicht überzog, raubte ihm fast den Verstand. Ächzend ging er zu Boden, behielt aber seine Schießeisen in den Fäusten.
Während Jim Manning reglos dastand und die Szene beobachtete, drückte sein Bruder ab. Das heiße Blei schlug dem Sternträger direkt in die Brust, zerriss den Stoff seines Gehrocks. Der Schuss wäre tödlich gewesen, wenn Stoudenmire nicht ein dickes Papierbündel in der Brusttasche seines Hemdes aufbewahrt hätte, das die Kugel abfing. Im Staub liegend zog er erneut durch, traf Felix Manning in die rechte Hand. Mit einem schmerzvollen Aufschrei ging dieser in die Knie.
Schwerfällig kam der Marshal wieder hoch. Das Kämpfen war sein Element. Aus den Augenwinkeln registrierte er, wie nun Jim seine Bleispritze zog. Das lenkte ihn für einen Moment ab, den Felix ausnutzte. Trotz der blutenden Handwunde stürzte er sich auf seinen Gegner, klammerte sich wie eine Klette an ihn, sodass Stoudenmire seine Revolver nicht mehr einsetzen konnte. Ihm gelang es nicht, den kleineren und leichteren Mann abzuschütteln, was ihm ohne den Einfluss des Whiskys sicher mühelos gelungen wäre. Laut fluchend rangelten sie miteinander. Für einen Augenblick schaffte es Felix sogar, den Kopf Stoudenmires in einem festen Armgriff zu fixieren.
Mit gezogenem Colt machte Jim Manning zwei schnelle Schritte auf die ringenden Gegner zu, zielte auf den keuchenden Marshal.
»Fahr zur Hölle, du elender Bastard!«, knurrte er. Dann drückte er kaltblütig ab.
*
La Frontera. So hieß die gottverlassene Einöde, die Texas mit den mexikanischen Staaten Chihuahua, Coahuila, Nuevo Leon und Tamaulipas verband. Hierher verirrten sich nur harte Männer und leichte Mädchen. Vielleicht noch ein paar Verrückte und Abenteurer, die auf ihre Zukunft keinen Cent mehr wetteten. Denen es nichts ausmachte, an der heißen Grenze am westlichsten Zipfel von Texas, zu verrotten.
Das alles ging dem einsamen Reiter durch den Kopf, als er von den Vorbergen der Rocky Mountains auf El Paso hinunterblickte, das am Flussbogen des Rio Grande-Tals lag. Inmitten der trockenen und kargen Chihuahuawüste, aus der regelmäßig Staub- und Sandstürme wehten. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Rio Bravo, wie der Rio Grande dort genannt wurde, befand sich der mexikanische Ort Paso del Norte.
Von hier oben schien es fast so, als ob El Paso aus einer Ansammlung von Kisten bestand, wahllos von einem Riesen zusammengewürfelt. Dennoch hatte sie wenig mit den primitiven und rasch aufgebauten Siedlungen zu tun, die nach einigen Jahren wieder verfielen, weil sie an einem falschen Platz gegründet worden waren. Seit je her besaß die Grenzstadt einen besonderen Stellenwert an den südlichen Ausläufern der Rocky Mountains, den sogenannten Franklin Mountains.
Everett Waco lenkte seinen schwarzen, langbeinigen Hengst vorsichtig ins Tal hinunter. Obwohl der Ritt lange und beschwerlich gewesen war, lief das Pferd immer noch leicht und ohne Anzeichen einer Erschöpfung. Abgesehen davon, dass sein struppiges Fell vor Schweiß glänzte, war es genauso zäh wie sein Reiter.
Schon jetzt, am frühen Morgen, stand die Sonne heiß und glühend am wolkenlosen, azurblauen Himmel, brannte unbarmherzig auf Mensch und Tier herab. Die Hitze war fast unerträglich. Waco kam sich wie in einer Bratpfanne vor. Sein braun gebranntes, unrasiertes Gesicht mit dem energischen Kinn lag im Schatten eines flachkronigen Stetsons. Eine Strähne blauschwarzen Haares fiel in die glatte Stirn. Seine wachen Augen waren Grau wie Pulver. Die gerade Nase saß über einem harten, männlichen Mund. Er war kaum älter als dreißig. Seine große, drahtige Gestalt steckte in Wildlederkleidung, mit Fransen an Hemd und Hose, unter der sich feste Muskeln abzeichneten. In seinem eingefetteten Gürtelholster baumelte ein großkalibriger, sechsschüssiger Colt Single Action Army. Die hölzernen Griffschalen des Peacemakers waren vom häufigen Gebrauch abgewetzt.
Wie so oft auf diesem einsamen Ritt dachte Waco an Mabel zurück. Ein Barmädchen, mit einer Figur, die Männerträumen entsprungen schien. Blond, üppig, mit Beinen, die nicht mehr enden wollten. Er war ihr bei seinem letzten Zwischenstopp im Saloon eines kleinen Nests begegnet, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Die blonde Mabel hatte kein Auge von ihm gelassen und ihm später, als sie alleine im Separee waren, einen Tanz vorgeführt, der keine Wünsche offenließ. Sie bog und verdrehte ihren schlanken Körper wie eine Wildkatze, die sich streckte. Noch immer vermeinte er, den frischen Pfirsichduft zu riechen, als sie ihre nackte Haut an ihm rieb. Sah ihr vor Lust und Begierde glühendes fein geschnittenes Gesicht vor sich, mit Augen so unergründlich und tief wie ein reißender Fluss bei Hochwasser.
Mabel konnte einem Mann wahrlich den Verstand rauben. Obwohl es auch im abgetrennten Bereich der Bar verboten war, sich mit den Gästen einzulassen, hatte sie darauf keine Rücksicht genommen, sondern ihn nach allen Regeln der Kunst verführt. Beim bloßen Gedanken daran spürte Waco ein Kribbeln in seiner Lendengegend und die Fluten des Verlangens nach dieser Frau erfüllten ihn aufs Neue. Die Träume eines einsamen Unbezähmbaren in einer noch unbezähmbaren Wildnis …
Als sein Pferd in eine Mulde auf dem steinigen und sandigen Weg stolperte, war er mit einem Ruck wieder in der Wirklichkeit. Schließlich war er froh, als er die karge Hochebene hinter sich lassen konnte und vor ihm die ersten Häuser und Schuppen von El Paso auftauchten. Er ritt in die breite Main Street hinein, erkundigte sich nach dem Mietstall und gab dort seinen Hengst ab. Für einen Dollar extra versprach der Stallbesitzer, sich besonders um das Pferd zu kümmern.
Im Del Norte-Hotel nahm sich Everett Waco ein Zimmer und ging dann zum Marshal‘s Office hinüber. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
Der schlanke Mann mit dem schulterlangen, braunen Haar, der hinter dem Schreibtisch saß, schaute zu ihm hoch. An der ärmellosen Lederweste, die er über einem karierten Reithemd trug, steckte ein Blechstern. Als er den Besucher erkannte, funkelten seinen hellen Augen voller Freude. Die Enden seines gezwirbelten Schnurrbarts fingen zu zittern an wie die Flügel einer Libelle.
Town Marshal Sam Doolin erhob sich augenblicklich, fiel Waco geradezu in die Arme. Die Begrüßung war überschäumend und herzlich. Seit über fünf Jahren hatten sich die Jugendfreunde nicht mehr gesehen. Vor drei Wochen erhielt Waco eine Einladung zu Doolins Hochzeit, die er allzu gerne annahm. Aus diesem Grunde war er nun hier.
Er setzte sich auf einen wackligen Stuhl Sam gegenüber, der wieder am Schreibtisch Platz genommen hatte und Gläser mit zwei Fingerbreit Whisky füllte.
»Lass uns zur Feier des Tages miteinander anstoßen!«, grinste der Marshal wie ein großer Junge. Er sah noch genauso gut aus, wie Everett ihn in Erinnerung hatte. Sie prosteten sich zu und tranken. Dann ließen sie die letzten Jahre Revue passieren, in denen sie sich nicht gesehen hatten.
»Bei diesem Wiedersehensmist kommen mir gleich die Tränen, ihr verfluchten Schwuchteln!«, tönte plötzlich eine Stimme aus dem Zellentrakt, der dem Marshal’s Office angeschlossen war. Weitere unflätige Beschimpfungen folgten. Zwei Männer lachten auf. Es klang rau und hämisch.
Sams gute Laune verflog augenblicklich. Er donnerte die massive Holztür zu, die die vier Gitterzellen von seinem Büro trennte. »Das sind Jim und Felix Manning. Vor ein paar Tagen habe ich sie wegen Mordes an US-Deputy-Marshal Dallas Stoudenmire eingebuchtet.«
»Stoudenmire ist tot?«, fragte Waco ungläubig. Der legendäre Ruf des Revolvermarshals aus Alabama war weit über die Grenzen von Texas hinaus bekannt.
Sam nickte betroffen. »Als er vor knapp zwei Jahren das Amt des Town Marshals in El Paso annahm, schaffte er es tatsächlich, aus der wilden und wüsten Stadt einen weitgehend friedlichen Ort zu machen. Nur die Brüder Jim, Felix, Frank und John Manning, die hier den Coliseum Saloon besitzen, wollten sich nach wie vor nicht an Recht und Ordnung halten. Sie waren und sind die ungekrönten Könige von El Paso. Die Menschen kuschen vor ihnen. Selbst der Bürgermeister und die Stadtverwaltung wagen es nicht, gegen sie aufzubegehren. Nur Stoudenmire legte sich mit den Manning-Brüdern an, obwohl er alleine stand. Als er die Stadt für ein paar Tage verließ, um zu heiraten, erschossen Jim und Felix Manning seinen Deputy Stanley Cumming, der ein wildes Saufgelage unterbinden wollte. Er war gleichzeitig auch Stoudenmires Schwager.«
Sam machte eine kurze Pause. Als er fortfuhr, glitt ein Schatten über sein jugendliches Gesicht. »Der Rest ist schnell erzählt: Es kam zu einer Gerichtsverhandlung, bei der die Geschworenen, allesamt von den Mannings eingeschüchtert, Jim und Felix freisprachen. Anscheinend hatten sie aus Notwehr gehandelt. Als Dallas zurückkam, befürchteten die Stadtväter, dass er aus Rache für den Tod seines Schwagers El Paso in eine Privatfehde hineinziehen könnte, bei der die Brüder die Oberhand gewinnen würden. Deshalb und aus Angst vor den Mannings entließen sie ihn. Ich wurde zu seinem Nachfolger gewählt. Doch Stoudenmire schwor Rache. Wochen später kam er als US-Deputy-Marshal für den westlichen Bezirk von Texas zurück und schlug hier sein Hauptquartier auf. Wieder stellte er sich den Manning-Brüdern entgegen. Allerdings ziemlich glücklos. Hinzu kamen seine persönlichen Probleme.«
»Was meinst du damit«, fragte Waco.
»Stoudenmire ist wahrlich eine Legende, weil er zu den schnellsten Schießern gehörte, die das Land je gesehen hat. Aber er besaß auch eine weitgehend unbekannte Schattenseite: Er war Alkoholiker! Und zwar einer von der schlimmsten Sorte. Er machte es sich zur Gewohnheit, völlig betrunken und mitten in der Nacht auf der Straße herumzuballern. Zudem verprügelte er im Suff regelmäßig seine Frau, erschien wegen exzessiven Trinkens wiederholt nicht zum Dienst. Das alles schadete seinem Ruf. Es half auch nicht, dass er zur Kur in die Thermalbäder in der Nähe von Las Vegas in New Mexico kam, denn er trank nach wie vor wie ein Grizzly. Der Streit mit den Manning-Brüdern ging weiter und kostete ihm schließlich das Leben.«
»Was geschah genau?«
»Vor einer Woche lauerten Jim und Felix Manning dem total betrunkenen US-Deputy-Marshal auf offener Straße auf. Sie verwickelten ihn in eine Auseinandersetzung und ermordeten ihn kaltblütig!«
»Und wie?«
»Es gibt zwar keine Zeugen, aber Stoudenmires Verwundung spricht dafür, dass er in seinem alkoholisierten Zustand und obwohl er sich wehrte, geradewegs hingerichtet wurde! Einer der Brüder schoss ihm direkt hinter das linke Ohr, pustete seinen Schädel regelrecht weg. Vermutlich wurde Stoudenmire dabei festgehalten. Die Mannings hingegen sprechen von Notwehr. Dennoch habe ich sie wegen heimtückischen Mordes an einem US-Deputy-Marshal verhaftet. Jetzt warten sie im Jail auf ihren Prozess.«
»Was sagen der Arzt und der Leichenbeschauer?«, wollte Waco wissen.
»Sean Clearwater, der beides in einer Person ist, will sich nicht auf meine Vermutungen festlegen, obwohl das Verletzungsmuster eindeutig dafür spricht. Im Gegenteil – bei seiner Leichenschau stellte er eine falsche Diagnose.«
»Glaubst du, dass er ebenfalls von den Manning-Brüdern eingeschüchtert wurde?«
Der Marshal nickte. »Ich befürchte, dass Jim und Felix beim Prozess ihren Kopf gleichermaßen aus der Schlinge ziehen, wie schon hinsichtlich des Mordes an Deputy Cummings.« Jetzt hörte Sam seine eigene Stimme wie ein heiseres Flüstern. »Ich sage dir, diese Town ist von Grund auf verlogen! Bürgermeister Clifford Preyer, die Stadtväter und die Geschworenen sind gekauft oder werden unter Druck gesetzt. Und ich stehe genauso alleine wie einst Dallas Stoudenmire.« Fast hilflos sah Doolin seinen Freund über den Rand des Whiskyglases hinweg an.
»Und was ist mit deinen Deputies?«
»Nachdem die Mannings den großen Dallas Stoudenmire erledigten, gaben mir meine beiden Stellvertreter ihre Blechsterne wieder zurück. Es ist offensichtlich, dass sie Angst haben, sich nicht weiter mit den Brüdern anlegen wollen, die selbst ein Gunslinger wie Stoudenmire einer war, nicht bezwingen konnte. Es scheint keine ehrlichen und mutigen Männer mehr in dieser Town zu geben.« Doolin richtete seine hellen Augen auf den Neuankömmling. »Aber einer sitzt jetzt vor mir!«
Waco verzog die Lippen zu einem unechten Lächeln. Er verstand die Lage, in der sich sein Freund befand, nur allzu gut. Kurz vor Sams Heirat lief in der Stadt, in der er von Amts wegen das Gesetz vertrat und für Ruhe und Ordnung sorgen musste, alles aus dem Ruder. Zudem stand er nicht nur alleine gegen ein Wolfsrudel, sondern auch gegen die Feigheit und Korrumpiertheit der gesamten Town. »Warum gibst du den Stern nicht einfach zurück? Du bist ein Mann, der kurz davor steht, eine eigene Familie zu gründen und nicht gleich danach auf dem Friedhof enden sollte. Jeder würde das verstehen.«
Der Schatten auf Sams Gesicht vertiefte sich, Furchen erschienen auf seiner glatten Stirn. »Du kennst mich gut genug, um zu wissen, dass ich das nicht tun werde! Als mein Dad bei einem Banküberfall erschossen wurde, weil er zufällig als Kunde am Schalter stand, schwor ich, mich gegen Unrecht zu stellen, wo immer ich es antreffe. Deshalb habe ich hier das Amt des Town Marshals angenommen. Allerdings glaubte die Bürgerversammlung, dass ich mich ebenso wie sie selbst mit den Mannings arrangieren würde. Dass dem nicht so ist, konnten sie ja nicht ahnen, sonst hätten sie mir den Stern verweigert.«
»Und den sie dir jederzeit wieder abnehmen können.«
»Genau das befürchte ich, Everett! Doch bis dahin werde ich für Recht und Ordnung sorgen. An dieser Einstellung ändert auch meine bevorstehende Hochzeit nichts.«
»Und was meint deine zukünftige Frau dazu?«
»Eve ist damit einverstanden, weil sie mich so kennen und lieben gelernt hat, wie ich bin. Einen Mann mit festen Vorsätzen kann man nicht mehr ändern.« Sam nickte, als wollte er seine eigenen Worte bestätigen. »An deinem Lederhemd würde sich ein Blechstern jedoch ziemlich gut machen!«, versuchte er es noch einmal.
Waco schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Sam. Ich habe nicht vor für längere Zeit in El Paso zu bleiben. Eigentlich bin ich nur wegen deiner Hochzeit hier.«
Der Town Marshal blieb einen Moment stumm, bevor er sagte: »Gewiss, ich will keineswegs meine Probleme zu deinen machen.«
»Was nicht heißen soll, dass ich dir nicht zur Seite stehe, wenn du mich brauchst, Sam! Du weißt, dass ich immer für dich da bin, auch ohne einen Blechstern.«
»Vielleicht muss ich wirklich darauf zurückkommen.«
Die beiden Freunde wechselten noch ein paar belanglose Worte, dann ging Everett Waco ins Del Norte-Hotel zurück um sich eine Weile aufs Ohr legen. Der anstrengende Ritt steckte ihm in den Knochen. Doch obwohl er müde und erschöpft war, gelang es ihm lange Zeit nicht, einzuschlafen. Albträume plagten ihn, in denen Dallas Stoudenmire mit halb weggeschossenem Schädel auftauchte, und ihn bat, Town Marshal Sam Doolin im Kampf gegen seine Mörder beizustehen.
*
Sie war jung und hübsch. Verdammt hübsch, sogar. Das musste sich der große, stämmige und glatzköpfige Mann jedes Mal von Neuem eingestehen, sobald er sie sah. Wie eine Spinne in ihrem Netz hockte er auf dem Hitchrack vor dem General Store und beobachtete die Main Street. Der Morgen war mild, die Luft trocken. Noch befand sich die Stadt im Halbschlaf.
Bei der Frau, die ihm so gefiel, handelte es sich um Angel Reno, der Tochter des Storebesitzers, die soeben geradewegs auf ihn zu kam, um ihrem Vater im Geschäft zu helfen. Die weiße Rüschenbluse spannte sich über ihren üppigen Busen und bei jedem Schritt umspielte der helle Baumwollrock, den sie dazu trug, ihre langen, schlanken Beine.
Ned McKinney kratzte sich an seinem struppigen feuerroten Vollbart, der seinem dunklen Gesicht mit den schmalen kühlen Augen einen geradezu wilden Ausdruck verlieh. Nicht umsonst nannte man ihn »Blood Beard«. Bevor er in El Paso hängen geblieben war, hatte er sich seine Dollars als blutrünstiger Kopfgeldjäger verdient, der seine Beute gnadenlos jagte.
Als die junge Reno die Stufen zum Sidewalk neben dem Querholm, hinaufstieg, auf dem er hockte, pfiff er anerkennend durch die vom Tabak gelb verfärbten Zähne.
»Schon so früh auf, Angel?«
Die Frau blieb für einen Moment stehen, unterdrückte eine bissige Entgegnung und ging stattdessen weiter. Doch erneut rief McKinney sie an.
»Du wirst immer hübscher, Sweetheart! Liegt wohl an der guten Pflege deiner vielen Liebhaber!« Der Mann brüllte auf vor Lachen, schlug sich dabei mit seinen mächtigen Pranken auf die muskulösen Oberschenkel.
Jetzt wandte sich Angel Reno ganz zu ihm um. Das erste Sonnenlicht des frühen Morgens fiel auf ihr langes, blauschwarzes Haar, das wie das Gefieder eines Raben glänzte. Die dazu im Kontrast stehenden himmelblauen Augen funkelten zornig, die vollen Lippen unter der kleinen, kecken Nase verzogen sich verächtlich.
Der glatzköpfige Mann erhob sich vom Hitchrack und starrte Angel lüstern aufs Dekolleté. Er wusste nicht, wie lange er schon keine richtige Frau mehr gehabt hatte. Freilich zählte er dazu nicht die zahlreichen Animiermädchen und Huren, mit denen er sich seine Zeit vertrieb, denn diese waren allesamt gekauft.
»Du bist und bleibst ein dreckiger Halunke mit noch schmutzigeren Gedanken, Ned McKinney!« In Angels rauchiger Stimme schwang bittere Wut mit.
Mit einem Mal war das wölfische Grinsen in Blood Beards verwittertem behaarten Gesicht verschwunden. »Pass auf, was du sagst!«, knurrte er bösartig wie ein tollwütiger Hund. »Jeder hier weiß, dass du nicht gerade ein Kind von Traurigkeit bist!«
Bevor Angel erneut etwas darauf erwidern konnte, trat ein Mann in Lederkleidung mit einer Schachtel Munition in der Hand aus dem General Store. Mit einem schnellen Blick erkannte er, dass es Verdruss zwischen dem Mädchen und dem Grobian gab.
»Alles in Ordnung, Ma‘am?«, fragte er. Doch McKinney polterte schon los: »Halt dich raus, Lederhaut!« Seine ohnehin schmalen Augen verengten sich noch mehr. In diesem Moment erinnerte er an einen Grizzly, der kurz davor stand, seine Beute zu zerfleischen.
»Entschuldigen Sie, Ma‘am«, sagte der Fremde mit dem braun gebrannten Gesicht, während er ihr die Munitionsschachtel überreichte. Dann trat er den morschen Brettergehsteig hinunter und stellte sich vor den Glatzkopf. Die beiden Männer waren etwa gleich groß, allerdings wog McKinney bestimmt zwanzig Pfund mehr als sein Gegenüber.
»Hast du nichts anderes zu tun, als Ladys zu belästigen?« Der Blick des Fremden war hart und unnachgiebig, seine Stimme kalt und klar.
Blood Beard glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen, schnaufte wie ein Büffel, während der Groll immer weiter seine Kehle hochstieg. »Was erlaubst du dir! Weißt du eigentlich, wer ich bin?«
»Das ist mir völlig egal! Du besitzt keine Manieren und solltest dich deshalb bei der Lady entschuldigen!«
McKinney war regelrecht baff. Noch niemand hatte es gewagt, so mit ihm zu reden. »Ich werde dir gleich …«
»Gibt’s Ärger, Ned?« Diese Frage stellte ein kleiner, drahtiger Mann mit angegrautem Haar, der langsam über die Main Street auf die drei Streithähne zuschritt. Tief an seiner Hüfte baumelte genauso wie bei Blood Bart ein großkalibriger Revolver im Holster. »Doch nicht etwa mit dem Galgenvogel in den Lederklamotten, der aussieht wie eine verdammte Rothaut?«
Ned McKinney grinste sauer, wollte etwas darauf erwidern, allerdings kam ihm der Fremde zuvor. »Komm nur her, dann kann ich euch beiden eine Lektion in höflichen Umgangsformen erteilen!«
Jetzt sah es Angel Reno an der Zeit, sich zwischen die Männer zu stellen. Ihr hübsches Gesicht war hektisch gerötet. »Lasst es gut sein, McKinney und Cliner«, sagte sie, wobei sich ihr beachtlicher Busen vor Aufregung hob und senkte. Und an den Fremden gewandt: »Ich möchte nicht, dass Sie wegen mir Schwierigkeiten bekommen, Mister …«
»Everett Waco. Ohne das Mister!«
»Und ich bin Angel Reno …«
»Ich glaube es nicht! Ihr hört euch schon an, wie zwei verfluchte Turteltäubchen!«, schnaubte Blood Bart, während er Angel mit der Linken barsch zur Seite schubste und mit der Rechten einen mächtigen Schwinger auf Waco losließ. Doch dieser sah ihn früh kommen, duckte sich weg und konterte mit einer Geraden, die McKinney die Luft aus den Lungen trieb. Gleichzeitig fuhr er zu Cliner herum, der seitlich auf ihn zustürzte, und bohrte ihm seine Faust in die Magenpartie. Keuchend ging der Kleine in die Knie.
Waco blieb keine Atempause. Wie ein wilder Büffel und mit blinder Entschlossenheit stürmte Blood Beard heran, den kahlen Kopf zwischen die breiten Schultern gezogen. Seine Rechte radierte über Wacos Kopfhaare, der es nicht rechtzeitig schaffte, sich aus seiner Reichweite zu nehmen. Der stechende Schmerz jagte ihm Tränen in die Augen, nur mühsam hielt er sich auf den Beinen.
Cline, der sich von dem Hieb in den Magen erholt hatte, wollte ihm jetzt den Rest geben, doch Waco gelang es, ihm auszuweichen. Dafür traf ihn erneut McKinney. Dieses Mal auf die linke Rippe und wieder zuckte heiße Glut in ihm hoch, bis hin zum Schulterblatt. Gerade so konnte er unter einem weiteren Dampfhammer des Glatzkopfes hinweg tauchen und ihm einen mächtigen Aufwärtshaken verpassen, in den er sein ganzes Gewicht legte. Dabei erwischte er seinen Gegner direkt unter dem Kinn. Das war selbst für McKinney zu viel. Ächzend verdrehte er die Augen, bis nur noch das Weiße der Pupillen zu sehen war. Wie ein nasser Sack fiel er in den Staub und regte sich nicht mehr.
»Und nun zu dir!«, keuchte Waco, während er mit dem Oberkörper pendelnd um den zweiten Gegner herumtänzelte, auch wenn er längst seine herkömmliche Leichtfüßigkeit eingebüßt hatte.
Cliner löste den Blick von dem bewusstlosen Blood Beard, leckte sich nervös mit der Zungenspitze über die spröden Lippen. Er war verunsichert, weil er dem Fremden nun alleine gegenüberstand. Aber aufgeben wollte er nicht, denn zwischenzeitlich hatten sich Zuschauer auf der Main Street eingefunden, die den Faustkampf interessiert verfolgten.
Waco ließ seinem Gegner keine Zeit. Seine Rechte flog mehrmals auf ihn zu. Die ersten Schläge konnte Cliner abwehren, doch dann trafen sie ihn wie Peitschenhiebe nacheinander auf Brust und Rippen. Der kleine Drahtige wankte, allerdings war sein Widerstand noch nicht gebrochen. Plötzlich zog er ein schweres Bowie-Messer aus der Gürtelscheide an seinem Rücken. Die lange Stahlklinge reflektierte das frühe Sonnenlicht.
Ein Raunen fuhr durch die Menschenmenge. Angel schrie auf.
»Ich schlitze dich auf, du verdammter Bastard!«, keuchte Cliner, der sich wieder gefangen hatte. Die beiden Männer gingen umeinander herum, belauerten sich, warteten auf eine günstige Gelegenheit zum Angriff.
Trotz der zusätzlichen Bedrohung mit dem Messer ließ Waco seinen Peacemaker im Holster. Er wollte nicht, dass dieser Streit in einem Blutbad endete.
»Na komm schon, Lederhaut! Hat’s dir die Sprache verschlagen?« Cliners langes, hageres Gesicht, das ihm das Aussehen eines grimmigen Gauls verlieh, glänzte vor Schweiß. Unvermittelt stieß er mit seiner Messerhand zu, erwischte Waco beinahe an der Seite. Dieser wich mit einem schnellen Seitwärtsschritt gerade noch aus und konterte mit einem wuchtigen Hieb. Seine Handknöchel krachten in Cliners rechte Gesichtshälfte, schleuderten ihn neben dem besinnungslosen McKinney zu Boden. In hohem Bogen flog das Bowie-Messer durch die Luft, landete unerreichbar für ihn im Staub.
Allerdings war Cliner noch nicht am Ende. Im Liegen zuckte seine Linke zum Revolver. Doch Waco schlug ihn um Längen.
»Lass es sein, sonst wirst du gleich den Teufel grüßen!«, knurrte der Fremde, während er seinen Gegner in die Mündung des Peacemakers starren ließ. Niemand zweifelte daran, dass er seine Drohung ernst machen würde.
»Schon gut, schon gut«, keuchte Cliner mit einem schnellen Blick in die Runde. »Dieses Mal hast du mich besiegt. Aber wenn du in dieser Stadt bleibst, dann werde ich dich töten!« Schwer atmend erhob er sich, zerrte mithilfe zweier Schaulustiger den noch immer besinnungslosen McKinney in die Höhe. Gemeinsam schleppten sie ihn fort. Auch die Zuschauer zerstreuten sich gleich darauf.
Mit dem Handrücken wischte sich Waco das Blut von der Stirn, dort wo McKinneys Schwinger die dünne Haut aufgerissen hatte.
Jetzt erst öffnete sich die Tür des General Stores. Ein hagerer Mann um die sechzig, mit Haar, wie schmutzige Baumwolle erschien auf der Schwelle. Aus seinem maskenhaft starren Gesicht blickten dieselben himmelblauen Augen, wie die junge Frau. Nur ohne Glanz und Leben. Es war offensichtlich, dass er gewartet hatte, bis der Streit vor seiner Tür beendet war.
»Alles in Ordnung, Dad. Du kannst wieder reingehen«, sagte Angel zu ihm. Daraufhin zog sich der Alte wortlos zurück.
»Das war mein Vater Hank«, erklärte Angel, trat auf Waco zu und betupfte mit einem Taschentuch seine Schürfwunde. »Er ist nicht sehr mutig, so wie die meisten hier«, versuchte sie sein Verhalten zu rechtfertigen. »Umso mehr bin ich dir dankbar, Everett. Aber jetzt hast du wegen mir die ganze Manning-Bande auf dem Hals! Ned McKinney und Butch Cliner gehören zu ihren Schlägern.«
»Das ist mir völlig gleich«, entgegnete Waco, während er Angel mit seinen pulvergrauen Augen fest ansah.
»Die Mannings werden dich nicht in Ruhe lassen, solange du in dieser Stadt bist.«
Kurz dachte Waco an Sam Doolin und an das, was er ihm erzählt hatte. »Vielleicht ist es nun an der Zeit, dass sich hier in El Paso die Machtverhältnisse ändern!«
*
Am Abend desselben Tages war Waco bei seinem Freund Sam und seiner zukünftigen Frau Eve in ihrem einfachen Haus eingeladen, das unweit des Gerichtsgebäudes von El Paso lag.
Eve Ambler war attraktiv, mit wallendem kirschroten Haar und zierlicher Figur. Sie schien das kleine Mädchen geblieben zu sein, das zunächst ein Vater und dann ein Ehemann beschützen musste. Aus ihrem blassen Gesicht funkelten sanfte, jadegrünen Augen, die Güte und Herzlichkeit versprachen.
Zu Wacos großer Überraschung war auch Angel anwesend. Wie sich herausstellte, war sie Eves beste Freundin. So verwunderte es nicht, dass bei Tisch das Eingreifen Wacos gegen Ned McKinney und Butch Cliner das Hauptthema war. Ebenso wie der Prozess gegen Felix und Jim Manning, der am nächsten Tag anstand.
Nach dem köstlichen Abendessen und dem anschließenden gemütlichen Zusammensitzen bei Kerzenschein verabschiedete sich Waco wieder. Angel, die ihm die ganze Zeit über schmachtende Seitenblicke zugeworfen hatte und einmal sogar an seiner Hand berührte, schloss sich ihm an. Nicht ohne ihrer Freundin Eve lächelnd zuzuzwinkern.
»Ich kann dich unmöglich in deiner ersten Nacht in El Paso alleine lassen«, machte Angel klar, die Waco zum Del Norte-Hotel hinüber begleitete.
»Das würde ich dir auch ziemlich verübeln«, erwiderte der Fremde grinsend, als sie auf sein Zimmer gingen.
»Ich bin eigentlich nicht so eine«, meinte sie.
»Was für eine?«, flachste Waco.
»Du weißt schon, so ein Flittchen, das ein Mann in jeder Bar kriegen kann.«
»Das habe ich mit keinem Gedanken vermutet.«
»Es ist nur so, dass ich lange niemanden mehr hatte, mit dem ich zärtlich sein konnte. Auf die eine oder andere Art, wenn du verstehst …«
Angels schwarzes Haar bewegte sich sanft im warmen Luftzug, der durch das geöffnete Fenster hereinwehte. Es war inzwischen weit nach Mitternacht. Sie trat auf Waco zu.
»Ich verstehe genau, was du meinst. Wir sind beide in unseren Seelen einsam. Und das kann sich für eine kurze Zeit ändern. Das ist gewiss nichts Verwerfliches.«
Waco war fasziniert von der himmelblauen Farbe von Angels Augen, die ihn etwas unsicher musterten und in denen sich ihr scheues Lächeln spiegelte. Er fühlte Erregung in sich hochsteigen, die wie eine Feder über seine Lenden strich.
»Ein Mädchen in diesem Kaff muss die Gelegenheit ergreifen, wenn sie auf einen Mann trifft, mit dem sie seelenverwandt ist. Und der sie anzieht wie eine Motte das Licht. Schon seit dem Moment an, als du mich so ritterlich vor den beiden Halunken gerettet hast.«
Mit aufreizender Langsamkeit knöpfte die junge Frau ihre hochgeschlossene Bluse auf. Gleich darauf stand sie da, völlig nackt im silbernen Licht des Mondes, der wie ein Vlies über ihren herrlich gewachsenen Körper fiel. Die hoch angesetzten üppigen Brüste mit den dunklen harten Knospen hoben und senkten sich bei jedem Atemzug. Ihre schmale Taille und der flache Bauch liefen in langen Beinen mit wohlgeformten Fesseln aus.
Waco spürte ihre Nähe, roch den Moschusduft ihres Haares und ihrer Haut und begann sich nun seinerseits auszuziehen. Dann nahm er sie in seine starken Arme. Sofort sprang ihre Wärme auf ihn über …
Für eine halbe Ewigkeit, wie es schien, vergaßen sie alle Probleme der Welt. Schließlich ließen sie schwer atmend und schweißnass voneinander ab. Eng kuschelte sich die junge Frau an Waco, als suchte sie seine Nähe und seinen Schutz. Ihr rabenschwarzes, verschwitztes Haar breitete sich wild über das Kissen aus, verstärkte den betörenden Duft des vergangenen Liebesaktes.
Das erste Mal, seit langer Zeit, fühlte sich Angel wieder richtig glücklich und geborgen. Und irgendwie vertraut mit diesem harten Kerl, den sie eigentlich gar nicht kannte.
*
Richter Tim Bean war ein untersetzter, beleibter Mann mit dünnem Haarkranz und einem dichten, weißen Bart. Auf seiner fleischigen Nase saß ein Kneifer, der ihm einen fast vornehmen Ausdruck verlieh. Er trug einen schwarzen, gut sitzenden Anzug mit dunkler Schnürsenkelkrawatte, wie ein Viehzüchter aus den Südstaaten. Vor ihm aufgeschlagen auf dem Richtertisch lag das Gesetzbuch, dessen Schafsledereinband schon ziemlich abgegriffen war.
Bean musterte die angespannten Gesichter der zwölf Geschworenen, die soeben aus ihrer Beratung zur Seitentür des Gerichtssaales hereinkamen. Bis auf den Sprecher der Jury nahmen alle auf der Geschworenenbank Platz. Es waren ausnahmslos Laien, die jedoch die bestimmende Rolle bei der Urteilsfindung spielten. Der Vorsitzende Richter leitete lediglich die Verhandlung und setzte das Strafmaß fest. Auf den Schuldspruch hatte er allerdings keinen Einfluss.
»Der Sprecher der Geschworenen ist Hank Reno, Angels Vater«, raunte Sam Doolin Waco zu, der neben ihm an der Tür des voll besetzten Gerichtssaales stand.
»Ich bin ihm bereits begegnet«, gab Waco knapp zurück.
Die Verhandlung war eine Farce gewesen. Unbegreiflich, dass sich die lokale Justiz für so ein Theater hergab! Das bestätigte jedoch, dass der Richter und die Geschworenen unter dem Einfluss der Mannings standen. Entweder wurden sie erpresst, bedroht oder bezahlt. Eine andere Erklärung gab es wohl nicht.
In vorderster Reihe saßen die Angeklagten Jim und Felix Manning neben ihrem Verteidiger. Hinter ihnen ihre Brüder John und Frank sowie Ned McKinney und Butch Cline. Genauso wie ein weiteres Dutzend Männer ihrer Mannschaft.
Als Hank Renos Blick auf die beiden Beschuldigten fiel, sah er für einen Moment aus, als müsste er nach Luft schnappen. Dann wandte er sich dem Richter zu.
»Hohes Gericht, Euer Ehren«, begann er mit zitterndem Tonfall. Es hörte sich an wie ein heiseres Flüstern.
»Bitte sprechen Sie etwas lauter!«, forderte Tim Bean ihn gereizt auf, erntete dafür gefälliges Nicken der anwesenden Zuschauer und Beisitzer. Im Gegensatz zu Hank Reno war seine Stimme hell und durchdringend.
Der hagere Jury-Sprecher holte tief Luft, dann fuhr er fort. »Wir, die Geschworenen von El Paso sind einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagten Jim und Felix Manning in der Nacht des 18.