Die Chroniken der Schwerter - Thomas Lisowsky - E-Book
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Die Chroniken der Schwerter E-Book

Thomas Lisowsky

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Beschreibung

Drei ungewöhnliche Freunde im Kampf gegen das Böse: Der Fantasy-Sammelband »Die Chroniken der Schwerter« von Thomas Lisowsky als eBook bei dotbooks. Sie ziehen, wohin der Wind sie führt – und wo der nächste Auftraggeber auf sie wartet … Auf den ersten Blick glaubt niemand, dass sie zusammengehören, und doch lehrt die bunt zusammengewürfelte Truppe jeden Angreifer das Fürchten: Dante, der tollkühne Schwertkämpfer, die Zauberin Malveyra und Bross, der kampfeslustige Halb-Oger. Ganz egal, ob sie einen reichen Kaufmann beschützen müssen oder es gilt, einem skrupellosen Priester das Handwerk zu legen – »Die Schwerter«, wie sich die drei Söldner nennen, scheinen unbezwingbar. Aber sie ahnen nicht, dass es einen mächtigen Dämonendiener gibt, der auf seine Chance wartet, die Welt in tiefe Dunkelheit zu stürzen … und all ihre Abenteuer sie direkt zu ihm führen werden! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Die Chroniken der Schwerter« versammelt die neun Romane der Fantasy-Serie von Thomas Lisowsky voller Abenteuer und Helden, die selbst in brenzligen Situationen immer noch einen coolen Spruch auf den Lippen haben – für Fans der »Witcher«-Serie von Andrzej Sapkowski. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 574

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Über dieses Buch:

Sie ziehen, wohin der Wind sie führt – und wo der nächste Auftraggeber auf sie wartet … Auf den ersten Blick glaubt niemand, dass sie zusammengehören, und doch lehrt die bunt zusammengewürfelte Truppe jeden Angreifer das Fürchten: Dante, der tollkühne Schwertkämpfer, die Zauberin Malveyra und Bross, der kampfeslustige Halb-Oger. Ganz egal, ob sie einen reichen Kaufmann beschützen müssen oder es gilt, einem skrupellosen Priester das Handwerk zu legen – »Die Schwerter«, wie sich die drei Söldner nennen, scheinen unbezwingbar. Aber sie ahnen nicht, dass es einen mächtigen Dämonendiener gibt, der auf seine Chance wartet, die Welt in tiefe Dunkelheit zu stürzen … und all ihre Abenteuer sie direkt zu ihm führen werden!

Über den Autor:

Thomas Lisowsky wurde 1987 in Berlin geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie, bevor er als Autor bei einer Berliner Entwicklerfirma für Computerspiele arbeitete. 2009 wurde er mit dem ZEIT-Campus-Literaturpreis ausgezeichnet.

Bei dotbooks veröffentlichte Thomas Lisowsky sein Fantasy-Epos »Magie der Schatten«.

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eBook-Sammelband-Originalausgabe April 2022

Copyright © der Originalausgaben 2014 dotbooks GmbH

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, Memmingen, unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/100ker, Algol, STUDIO492, Richard Peterson

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-775-7

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Thomas Lisowsky

Die Chroniken der Schwerter

Die komplette Saga in einem eBook

dotbooks.

DIE SCHWERTERHöllengold

Prolog

Schwerer, erdiger Geruch überall – und Dunkelheit.

Blind tastete sich Dante vorwärts. Er spürte den jahrhundertealten Staub in der Luft und presste sein Halstuch vor Mund und Nase, um sich zu schützen.

Ein leiser Nachhall des Bebens, das den Korridor hatte einstürzen lassen, lief durch den Tunnel und zitterte in seinem Körper nach. Kam da eine weitere Lawine herunter, um ihn endgültig zu ersticken?

Kalter Schweiß kitzelte auf seinen Handflächen. Er taumelte vorwärts, tiefer in die allgegenwärtige Finsternis. Langsam ebbte das Beben ab, aber immer noch gab es nur Schwärze um ihn herum, es war wie in einem kalten Grab.

Hastig tastete er über seinen Körper. Der Degen. Wo war sein Degen? Er griff an seinen Gürtel: Die Scheide war nicht mehr da. Das hieß, dass er für den Fall eines Kampfes jetzt nur noch den Dolch im Stiefel besaß. Ja, dessen Gewicht spürte er am rechten Bein. Sonst war auch noch alles da – Seil, Trockenobstvorräte, Wasserschlauch …

Aber was war mit den anderen geschehen?

Er drehte sich in alle Richtungen. Wenn sie unter die Erdmassen geraten waren, dann …

Plötzlich flackerte einige Meter neben ihm ein kühles, blaues Licht auf. Der blasse Schein wurde kräftiger und kroch über den Boden auf ihn zu, bis die Quelle sichtbar wurde. Es war eine Kristallkugel an der Spitze eines hölzernen Stabs. Jetzt glitt das Leuchten über eine schlanke Frauenhand, die den Stab hielt.

Sein Herz machte einen Sprung. »Mel«, sagte er, »du lebst noch.«

Das kühle Licht ließ sie wie einen Geist erscheinen. Ihre Stoffrobe war an einigen Stellen zerrissen, und an der Hüfte fehlte ein großer Fetzen, so dass sie noch mehr Bein zeigte als sonst. Sie stützte sich auf den Stab und wischte sich die Haare aus dem Gesicht, die ihr schwarz und lang bis über die Schultern reichten. »Ja, ich lebe noch«, bestätigte sie mit schwacher Stimme. »Aber das ändert nichts daran, dass ich deinen Plan für großen Mist halte.«

Er lächelte. »Es wäre mir neu, wenn du über meine Pläne anders denken würdest.« Er nahm das Tuch vom Mund und wagte einen Atemzug. Es ging wieder, obwohl der Geruch nach Erde alles niederzudrücken schien.

Das blaue Licht umspannte jetzt einen Radius von mehreren Metern. Mel kam in seine Richtung, und das Leuchten gab den Blick frei auf Tonnen von Erd- und Gesteinsmassen, die sich im Gang hinter ihnen bis zur Decke aufschichteten.

»Dieses verdammte Hügelgrab wird auch unser Grab werden.« Sie schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Hast du dir inzwischen überlegt, wie es uns gelingen könnte, hier lebendig herauszukommen?«

Dante richtete sich auf. Nein, hatte er nicht. Er verspürte lediglich eine Heidenangst, aber er musste stark sein – für sie alle drei. »Keine Sorge. Euer Anführer ist Dante, die Legendenklinge.«

»Ist das die Luft hier unten, oder … Nein, warte, ich vergesse es immer wieder – du bist einfach so.« Mel schwenkte ihren Stab umher. »Wo ist Bross?«

Genau. Bross fehlte.

Dante ballte die Hände zu Fäusten und ging zu dem Berg aus Geröll. »Er muss irgendwo darunter sein.« Begraben unter tonnenschwerem Gewicht. Er packte einen Brocken aus Erde und Stein und rollte ihn herunter, wobei nasse Erde an seinen Händen kleben blieb. Es war vielleicht sinnlos, aber wenn Bross irgendwo darunterlag, musste er weitermachen. Mel kam näher, und das blaue Licht kroch den Berg hinauf. Dante grub sich durch die lockere Erde, nasse Kälte unter den Fingernägeln, Schweiß auf der Stirn. Wenn Bross irgendwo da unten war, dann gab es noch eine winzige Chance, dass er am Leben war, denn er war ja ein …

Plötzlich erbebte der gesamte Geröllberg, Steine rollten von oben herab, und die Erde machte sich in kleinen Lawinen selbständig.

»Idiot!« Mel zerrte ihn am Arm zurück. »Du nicht auch noch!«

Am Rand des bläulichen Scheins spritzten Stein und Erde weg. Ein Ächzen wie von einem verwundeten Tier erklang, und dann griff dort eine Hand aus dem Berg.

Dante riss sich los. »Bross!«

Er packte die Hand und zog, so stark er konnte, einen Fuß gegen den Berg gestemmt.

Sekunden später lag Bross auf dem Boden, keuchend und würgend. Wegen der Erdklumpen sah es fast aus, als ob auf dem kahlrasierten Schädel des Halb-Ogers Haare wüchsen. Er strich sich den Dreck vom Mund und rückte sich mit einem rabiaten Ruck den breiten Kiefer in die Position, in der ein Kiefer sitzen musste. Die Lederfetzen, die er sonst um seinen Oberkörper trug, hatte der Geröllberg heruntergerissen.

Dante beugte sich zu ihm herab. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Sie waren wieder zusammen. »Alles klar, starker Mann?«

»Ich habe gehört, wie ihr gegraben habt. Da wusste ich, in welche Richtung ich muss.« Bross stemmte sich auf den Fäusten hoch, bis er aufrecht stand. Er überragte Dante um mehr als einen Kopf und Mel um zwei.

Dante nickte. »Nächstes Mal müssen sie sich was Härteres einfallen lassen als einen einstürzenden Tunnel.«

Mel räusperte sich und fixierte Dante. »Wer auch immer sie sind, sie werden Gelegenheit dazu bekommen. Wir können jetzt nicht mehr zurück, nur noch tiefer rein.«

Er nickte. »Tiefer rein wollen wir doch. Da wartet nämlich der Schatz.«

»Oder der Tod«, entgegnete Mel trocken.

Bross schien ihnen gar nicht zuzuhören, stattdessen zerrte er etwas aus dem Geröllhaufen, ein gigantisches, unförmiges Ding, das aus teils stumpfem, teils scharfem Stahl mit Scharten und Kerben bestand und das man mit einiger Phantasie als Großschwert bezeichnen könnte.

Dante ging einige Schritte voraus, aber Mel zog ihren Stab und damit die einzige Lichtquelle zurück, so dass vor ihm nun eine Mauer aus Dunkelheit stand.

»Ich weiß, du kannst es nicht erwarten zu sterben«, sagte sie. »Aber lass mich zuerst prüfen, ob ich etwas sehen kann.«

Er starrte in die undurchdringliche Dunkelheit. »Gut.«

Mel sah mehr als Bross oder er, wenn sie wollte. Sie sah durch Stoff, Holz und Erde hindurch und erkannte dort andere Dinge. Dinge, die man eigentlich nicht sehen sollte.

Er trat zur Seite und lehnte sich an die Wand. »Schau nicht zu mir. Wer weiß, was du dann siehst.«

»Nichts als einen größenwahnsinnigen Träumer.« Sie hielt die Augen geschlossen, und als sie sie öffnete, waren keine Pupillen mehr zu sehen, nur noch eine Iris, die in einem ähnlichen Licht leuchtete wie der Kristall ihres Stabs. Ihre Stirn hatte sie in Falten gelegt.

Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah lange in den Tunnel vor ihnen. Ihre Hand am Stab begann zu zittern, die Beine knickten langsam ein, und an ihrem Hals pulsierte eine Ader.

Dante eilte zu ihr und fing sie auf. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst da nicht hinschauen.«

Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. Das Licht in der Iris war erloschen. Sie atmete schwer. »Es ist etwas hier unten, das nicht hier sein sollte … das nirgendwo sein sollte in unserer Welt.«

Bross stellte sich dazu und stützte sich auf den Knauf seiner Waffe. »Kann es bluten?«

»Ja … und nein«, sagte Mel.

Der Halb-Oger knurrte. »Ihr Zauberer kennt offenbar nur solche Antworten.«

Dante half ihr auf. »Geht’s wieder?«

»Ja, keine Sorge.«

Bross zeigte auf Dante. »Der da geht vor.«

Also schlich er voran, das Licht von Mels Stab immer drei Schritte vor sich. Das Erdreich um sie herum veränderte sich, jetzt kleideten rissige Steinplatten es zu einem steinernen Gang aus. Wenn die Decke noch ein weiteres Mal einstürzte, war es aus mit ihnen.

Sie schwiegen, und Kälte und Dunkelheit kehrten zurück. Dante nahm sich zusammen. Sie würden hier herauskommen, und zwar nicht mit leeren Händen. »Wir kommen ihm näher«, sagte Mel mit dumpf hallender Stimme.

Dante blieb abrupt stehen. »Halt.«

Da war etwas.

Er ließ den Blick über die Wände links und rechts schweifen. Die Fugen der Steinplatten auf Hüfthöhe waren zu breit. Die Platten ruhten nicht direkt aufeinander, sondern ließen Raum für etwas.

Er zog eine Münze aus seiner Tasche, einen Kupferkreuzer, den würde niemand vermissen. Er warf ihn hoch in die Luft, fing ihn wieder auf und schnippte ihn schließlich nach vorn. Das Metall glänzte im fahlen Licht und erreichte den Rand des erleuchteten Bereichs. Etwas klackte metallisch.

Aus den Fugen in den Wänden fuhren blitzende Klingen, lang wie Arme, und sirrten durch die Luft. Dante machte einen Satz zurück. Die Spitzen sausten haarscharf an seinen Beinen vorbei, bevor die Klingen mit einem grässlichen, kratzigen Geräusch wieder in den Wandfugen verschwanden.

Vor ihm lag eine Hälfte des Kreuzers. Er hob ihn auf und drehte sich mit einem Lächeln um. »Kannte ich schon. Die Diebesgilden nennen sie ›Einbeiniger Bandit‹. Hier würde man eigentlich mit Druckplatten als Auslöser rechnen, aber falsch gedacht. Gebt mir zehn Sekunden und etwas mehr Licht.«

Mel trat hinter ihn, und das Leuchten flutete die Aussparungen in den Wänden.

Er ging ein paar Schritte zurück und nahm Anlauf. »Falls ich es nicht schaffe, begrabt bitte beide Hälften.«

Er lief los, warf sich auf den Boden und schlitterte rücklings über den Stein. In der Wand neben ihm klickte es. Die Sensenarme schossen heraus und zischten mit einem Luftzug über ihn hinweg. Dann klickte es überraschenderweise direkt vor ihm. Diese Fuge zwischen den Bodenplatten war ihm vorher gar nicht aufgefallen. Dort ragte jetzt eine Sense heraus und streckte sich in seine Richtung. Blitzschnell warf er sich zur Seite. Die Klingenspitze griff in seinen Ärmel und riss ein Stück heraus, ehe er sich zur Wand rollte und die Welt sich überschlug. Da war eine weitere Wandfuge – die Sense konnte jeden Moment herausschnellen. Er streckte die Hand hinein und schloss sie um den kreuzförmigen Schalter, wie er es gelernt hatte, und drückte ihn zurück.

Ein metallisches Klacken hallte durch den Gang, aus den Wänden, dem Boden, der Decke, von überall.

Die Bodenklinge ragte weiterhin hoch auf. Mels Lichtzauber erhellte auch die Fuge in der Wand: Die Schneide war nur eine Handbreit von seinen Fingern entfernt stehen geblieben.

»Das war’s«, sagte er. »Kein Problem.«

Bross streckte ihm einen Arm hin, um ihm hochzuhelfen.

Mel und ihr Licht folgten. »Wir sind sehr nah«, sagte sie. »Am Ende des Gangs muss es sein.«

»Gut.« Dante nahm wieder die Position an der Spitze ein.

Schon nach zehn weiteren Schritten endete der Gang an einem Torbogen aus rissigem Stein, doch die Öffnung, durch die man hätte hindurchschreiten sollen, wurde von einer mächtigen Steinwand blockiert.

»Zugemauert«, sagte Mel.

Dante nahm den Torbogen genauer in Augenschein und strich über den Fels an der Seite. Trocken und kalt. »Das ist keine Mauer«, sagte er. »Es war eine Falle. Ein geschliffener Fels, der von oben herunterfällt, sobald jemand durch das Tor tritt.«

»Ich sehe kein Blut, keine Knochen«, sagte Mel. »Keine Anzeichen, dass das Ding jemanden erwischt hat. Genauso wenig wie bei der letzten Falle.«

Dante zuckte mit den Schultern. »Aber diese hier ist zumindest ausgelöst worden. Da war vielleicht jemand so schlau wie ich – ich weiß, das ist schwer vorstellbar.«

Mel seufzte.

Er krempelte den unversehrten rechten Ärmel hoch. »Vielleicht lässt sich das Ding irgendwie wieder heben.«

Eine kräftige Hand schob ihn zur Seite. »Vielleicht geht das auch anders.« Bross hob sein Schwert und rammte es mit der Spitze voran in den Fels, wobei es donnerte wie bei einem Gewittersturm. Staub und Erdkrumen rieselten von der Decke, und von der Stelle aus, an der das Schwert steckte, fraß sich ein Riss durch den Fels. Bross zog die Waffe heraus und stach ein weiteres Mal zu, so dass sich die Risse in alle Richtungen ausdehnten. Schließlich zerrte der Riese das Schwert heraus und lehnte es an die Wand.

Dante machte einen Schritt zur Seite, bevor Bross die Zähne zusammenbiss und mit der Schulter voran in den Torbogen rannte. Stein krachte und splitterte, und Brocken polterten auf den Boden.

Als der Staub sich gelegt hatte, stand Bross mitten im Tor, in einem Trümmerhaufen.

»Ja, so geht es wohl auch.« Dante folgte ihm.

Aber der Riese bewegte sich nicht, stand ganz starr und verstellte den Eingang.

Dante sah an ihm vorbei. Im Raum hinter dem Bogen brannte ein schwaches Licht: Fackeln an den Wänden. Die Kaverne mochte im Durchmesser 50 Meter messen, und das Licht fiel auf … Gold. Türme von Gold. Haufen von Münzen glitzerten wie Meereswellen im Sonnenuntergang.

Dante schob sich an Bross vorbei. Ein Schauer lief ihm über Arme und Beine. Das war unmöglich. Er hatte mit einem Schatz gerechnet, aber nicht mit solch einem Reichtum.

Ein Teppich aus Münzen bedeckte den Boden des Raums, und zu den Wänden hin erhoben sich regelrechte Türme.

Gedankenverloren hob er eine Handvoll Münzen auf – das Metall lag kalt auf seiner Haut – und ließ sie durch die Finger gleiten.

Er entdeckte auch noch andere Gegenstände: Hier ragte ein Schwert aus purem Gold heraus, dort lag eine Krone, in der grüne Smaragde funkelten.

Bross watete durch die Münzen wie durch einen Sumpf; bei jedem Schritt klirrten die Goldstücke aneinander.

Mel hielt sich dicht bei Dante und wies mit dem Licht ihres Stabs zu einem Haufen aus Münzen. »Da.« Ein Streitkolben schaute daraus hervor, der Schlagkopf aus purem Gold, besetzt mit kreisrunden Opalen.

Er wollte nicken, da merkte er, dass sie gar nicht auf den Streitkolben deutete.

Um ihn herum ragten Knochen aus dem goldenen Meer. Hier eine Hand, dort halb verdeckt ein Hüftknochen, und dicht bei dem Kolben ein Schädel ohne Unterkiefer und mit einem faustgroßen Loch in der Schädeldecke.

Ein weiterer Schauer überlief ihn, aber anders als der erste. Er schaute sich um – sie waren überall, diese bleichen Knochen. Der Widerschein der Fackeln und des Goldes überstrahlte sie, aber dennoch waren sie da.

»Warum sind sie hier?«, flüsterte Mel. »Warum nicht im Gang mit den tödlichen Fallen?«

»Weil die tödlichste aller Fallen dieser Raum hier ist«, murmelte Dante.

Er sah sich nach dem Torbogen um. Die Trümmer lagen noch immer dort, nichts regte sich.

Bross legte seine Hand auf einen Wappenschild, der im Fackellicht golden glänzte. Um ihn herum klirrten die Münzen wie von einem kleinen Beben.

Auch neben Dante tanzten nun die Münzen. Aber was sich bewegte, waren die Knochen. Sie krochen wie erstarrte Würmer aus den Goldbergen heraus und aufeinander zu.

»Dämonen!«, rief Mel. »Deswegen die ungute Aura. Sie beseelen die Knochen.«

Dante stolperte aus dem Goldberg heraus. Wo er eben noch gestanden hatte, formierten sich jetzt klappernde Knochen. Vor ihm setzten sich zwei Beine aus bleichem Gebein zusammen, und Becken, Brustkorb und Arme fügten sich an, als Letztes die Hand, in der eine kurze Klinge glitzerte.

»Rücken an Rücken!«, rief Dante. Er riss den goldenen Streitkolben aus dem Schatz, Münzen spritzten weg, dann zog er sich zurück und fügte sich in die Formation von Mel und Bross ein.

Mel hielt ihren Stab gesenkt, das blaue Leuchten des Kristalls wurde rot, und eine Hitzewelle fegte durch den Raum. Eine Handbreit vom Kristall entfernt schmolzen die Goldmünzen zischend zu einer gleichförmigen Masse.

Vier Knochenkrieger kamen auf Mel zu, sie hob ihre freie Hand und erzeugte eine Kugel aus glühendem Feuer. Bross hob seine Zweihandklinge über den Kopf, bereit für den Ansturm.

Dante wog noch den schweren, goldenen Streitkolben in der Hand, als ihn etwas am Fußgelenk packte und kräftig daran riss. Er strauchelte und stürzte. Neben ihm auf dem Boden lag eines der Skelette. Die Beine waren noch dabei, sich zusammenzufügen, der Schädel grinste ihm ein lippenloses Lächeln ins Gesicht, und die Hand hob ein Knochenschwert.

Er wollte sie mit den Händen abwehren, aber da bohrte sich die Klinge schon durch Haut und Fleisch – und dann in sein Auge.

Kapitel 1

Dante bäumte sich auf, schrie vor Schmerz und presste sich die Faust vors Auge. Eine kräftige Hand packte ihn an der Schulter und drückte ihn zurück auf den Boden.

Der Boden war weich und bestand aus einem weißen Laken. Eine braune Zudecke klebte an seinen schweißbedeckten Armen. Er öffnete die Augen. Ein Gasthauszimmer. Das Zimmer im Roten Eber, das er umsonst bekommen hatte, weil er dem einäugigen Wirt versprochen hatte, ihm abends in der Küche zu helfen. Er befand sich in diesem Dorf. Minlund.

Die Hand auf seiner Schulter gehörte Bross. Der Riese runzelte die Stirn. »Schlecht geträumt?«

Ja. Und das war untertrieben. Er hatte ein Schwert durchs Auge bekommen, und Skelette hatten um ihn herum getanzt. Er streifte Bross’ Hand von seiner Schulter und setzte sich auf. »Nein, nein, das ist normal. Ich wache gerne mit einem Schrei auf. Da fühlt man sich gleich bereit für den Tag.«

»Interessant.«

Dante ließ seinen Blick über Bross’ Halskette wandern – Reißzähne von Raubtieren, gefädelt auf ein Lederband – bis zu seinem Schulterpanzer, einem Echsenschädel ohne Unterkiefer. »Du musst mir nur noch erklären, warum du dich in mein Zimmer schleichst, während ich schlafe.« Er stand auf und kramte in der Truhe neben seinem Bett.

»Der Mann ist da. Na ja, eher ein Junge«, sagte Bross. »Ein kostümierter Affe auf jeden Fall.«

Dante fuhr herum. »Er ist jetzt da?«

Bross nickte.

Dante zerrte schnell eine Hose und ein Hemd aus der Truhe. Der Mittelsmann. Sie waren verabredet für die Verhandlungen. »Unterhaltet ihn so lange, bis ich da bin.«

»Ich bin kein Zigeuner.«

»Und Mel?«, fragte Dante, während er den Gürtel schloss.

»Der Mann sagt, er spricht nicht mit Frauen.«

Wahrscheinlich hielt er sie für ihre Dienerin oder Magd. Er schlüpfte in seine Stiefel. Eine Magierin des arkanen Kollegs als Dienerin … Warum nicht?

»He, Dante.« Bross lehnte neben der Tür an der Wand. »Ohne Auftrag müssen wir morgen draußen auf der Landstraße schlafen.«

Dante nickte und knöpfte sich vor dem stählernen Spiegel das Hemd zu. »Der Trick ist, diesen Mann das nicht wissen zu lassen.«

***

Eine Minute später saßen sie sich am Tisch in der Schenke gegenüber, zwischen sich die Tafel mit den Speisen, und außer ihnen befand sich nur der Schankwirt im Raum. Der junge Bote trug einen weiten, farngrünen Mantel, und auf seiner Mütze wippte eine rotgefärbte Fasanenfeder. Dante musste sich beherrschen, sie nicht ständig anzustarren.

»Ich bin Dante, Anführer der Schwerter«, sagte er in die Stille hinein. »Und meine Gefährten habt Ihr sicher schon kennengelernt. Bross, der Felsbrecher, und Mel, die Blutrote Flamme.«

Mel, die in der gegenüberliegenden Ecke des Schankraums über einem Buch saß, hob eine Augenbraue und zog eine mitleidige Grimasse.

»Der Graf hat schon von euch gehört«, begann der Bote. »Nur nicht von euren … Beinamen. Oder er hat vergessen, sie mir mitzuteilen. Aber von euren Taten in Nauheim habe auch ich Kunde erhalten.« Ein anderer Mann hätte das mit Humor in der Stimme gesagt, aber der hier nicht. Er zeigte keine Regung, sondern griff nach einer der eisernen Servierplatten und zog sich mit der Gabel Hühnerkeulen auf den Teller. Vom frischen Rührei und den gekochten Kartoffeln stieg Dampf auf.

Nauheim … O ja, er erinnerte sich, aber es waren nicht die besten Erinnerungen. Sie hatten das Schreckenswolfrudel aufgestöbert und erlegt, so dass die Bauern nicht mehr um ihr Leben bangen mussten, ja … Aber auf dem anschließenden Dorffest war Mel von einigen Männern angesprochen worden, die sich Mut angetrunken und ihre Hände plötzlich überall hatten, und Bross hatte die Kontrolle verloren, war vom Berserkerzorn gepackt worden, der ihm Kräfte jenseits jedes Menschen verlieh und ihm Mitleid und Selbstkontrolle nahm. Allen liebestollen Männern hatte er mindestens eine Hand gebrochen, mindestens. Nur Mel hatte ihn aufhalten können.

Noch schlimmer war, dass auch er getrunken hatte und die Tochter des Bürgermeisters Gefallen an ihm gefunden hatte. Um wen es sich bei ihr handelte, hatte er erst am nächsten Morgen herausgefunden, als die schmerbäuchigen Männer der Dorfwache ihn aufstöberten und mit Piken aus der Stadt jagten.

Es war sicher besser, das Thema zu wechseln.

»Ihr seid wohl öfter hier«, sagte Dante, »wenn die Köche für Euch so ein Festmahl bereithalten.«

Der Bote ließ den Blick über die Tafel schweifen, noch immer ohne eine Gefühlsregung. Nein, er war nicht öfter hier.

»Sie wussten, dass ein Bote Graf Larlans eintreffen würde.«

Dante lehnte sich an die Wand und horchte in die Pause des Gesprächs hinein. Der junge Mann verhandelte wahrscheinlich das erste Mal, zuvor war er womöglich Knappe oder bloß Küchenjunge gewesen. Natürlich war ihm eingebleut worden, dass man gegenüber Leuten, mit denen man Geschäfte machen wollte, keine Schwäche zeigen durfte. Mal sehen, wie lange ihm das noch gelang.

Dante schaufelte mit einer ausladenden Geste ein paar gedünstete Pilze auf seinen Teller. »Kommen wir zum Grund, warum wir hier sind und ich mit Euch speisen darf. Euer Graf möchte die Schwerter anheuern.«

»Ja.« Der junge Mann kaute auf einem Stück Hähnchenfleisch, und jede Bewegung sah kontrolliert aus. »Vielleicht.«

Aha, er wollte ihn zappeln lassen.

»Um was geht es denn?«, fragte er dienstbeflissen. »Sollen wir seine antiken Rüstungen polieren, an seiner Mittagstafel servieren oder die Ratten aus dem Keller vertreiben?«

Der Bote blickte auf seinen Teller und schnitt ein weiteres Stück Fleisch von der Hühnerkeule. »Ihr müsst Stillschweigen über das bewahren, was ich euch jetzt erzähle.«

»Oh, ich muss gar nichts. Wir haben noch kein Dokument unterzeichnet.«

»Werdet ihr den Auftrag annehmen?«

Dante nahm einen Pilz und ein Stück Rührei. »Das geht aber schnell. Solange ich nicht weiß, ob wir ein Kaninchen fangen oder uns in eine bodenlose Schlucht stürzen sollen, werde ich nichts annehmen.«

Der Mann tippte mit den Fingern auf den Tisch, wobei die Feder an seinem Hut wippte. »Ich sage euch, was ihr wissen müsst. Es gab vor einigen Tagen einen Einbruch in Graf Larlans Anwesen. Entwendet wurden Gold- und Silbermünzen in großer Zahl.«

Dante dachte an seinen Traum. Die Schatzkammer. Wenn Graf Larlan seine Kammer auch so gesichert hätte, wäre sicher niemand mit der Beute davongekommen.

Er hob die leeren Hände. »Ich war es nicht … obwohl ich es sicher vermocht hätte.«

Der junge Mann sprach unbeeindruckt weiter, aber sein rechtes Augenlid zuckte kurz. »Die Einbrecher müssen sich noch hier im Dorf aufhalten. Dessen ist sich der Graf sicher.«

»Also will er die drei Leute anheuern, die sich im Dorf von allen Menschen wahrscheinlich am wenigsten auskennen. Das hätte ich auch so gemacht.« Er lächelte herausfordernd.

Der junge Mann sah auf. »Er glaubt, dass ihr einen unvoreingenommenen Blick habt.« Es klang wie eine vorsichtige Frage.

»Nun ja, die Blicke, die mein Freund erntet, sind nicht besonders unvoreingenommen. Der Vorschlag des Gastwirts gestern Abend war zunächst, ihn in der Scheune schlafen zu lassen.«

»Aber im Prinzip seid ihr doch interessiert, oder?«, fragte der Mann. Seine Stirn glänzte vor Fett oder Schweiß.

Dante nagte an einer Hühnerkeule, den Blick zum Fenster gewandt. Innerlich lachte er. Man musste einen Mann nur lange genug zappeln lassen.

»Zumindest an dem Gold, das wir für die Erfüllung des Auftrags erhalten.«

Der andere hielt sich an der Tischplatte fest. »Graf Larlan bietet euch 50 Goldmünzen, falls ihr die Diebe lebendig bringt.«

»Und falls sie schon tot sind, weil ein anderer ihnen ihre reiche Beute abnehmen wollte?«

»Das ist euer Problem«, sagte der Bote.

Dante schenkte sich aus einer Karaffe Wein nach und trank. »Es wird zu Graf Larlans Problem, wenn wir seinen Auftrag ablehnen, weil uns seine Bezahlung nicht gefällt.«

Der junge Mann kratzte sich an der Stirn. »Nun gut, ihr bekommt die 50 garantiert, und 70, wenn ihr die Diebe lebend bringt.«

Dante wiegte den Kopf hin und her. »Mit einem Vorschuss für Spesen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie lebend herbringen können. Unsere Ausrüstung ist zum Töten gedacht, wisst Ihr. Wir sind Söldner.« Er zuckte mit den Achseln. »Es ist ja sicher im Interesse Eures Herrn, dass er die Diebe noch befragen kann.«

Der junge Mann legte seine Mütze ab, um sich mit einem Spitzentaschentuch über die Stirn zu wischen. »Wie viel brauchtet ihr?«

»Zehn für jeden.« Dante trank noch einen Schluck Wein. »Wenn Larlan das nicht passt, kann er immer noch jemanden aus dem Dorf anstellen. Da gibt es sicher genügend Auswahl.«

Der Bote strich mit der Hand über die Feder an seinem Hut, nickte und stand auf. »Graf Larlan akzeptiert.« Er streckte ihm eine Hand entgegen.

Dante kratzte sich am Kinn, dann stand er zögerlich auf und ergriff die Hand. Sie war nass vor Schweiß.

»Bis zur Mittagsstunde habt ihr den Vorschuss erhalten.« Ohne noch einen Blick auf seinen mehr als halbvollen Teller zu werfen, verließ der Bote die Schenke.

Dante konnte sich ein breites Lächeln nicht verkneifen und winkte Mel zu. Von der Treppe ins Obergeschoss drang das Knarzen von Holz. Bross kam die Stufen herab.

»100 Goldmünzen, wenn wir ein paar Diebe fangen, und 30 garantiert bis zum Mittag«, sagte er zwischen zwei Bissen. Ein wohliger Schauer durchzuckte ihn.

»Wie machst du das?«, fragte der Halb-Oger und setzte sich ihm gegenüber. Die Zähne an seiner Halskette rasselten.

»Das hat er ganz allein gemacht. Er hat mir gezeigt, dass er wahrscheinlich seine Anstellung beim Grafen verliert, wenn er uns nicht anheuert. Der Handel ging viel zu glatt.«

Mel legte ihr Zauberbuch auf die Bank und nahm neben Bross Platz. »Dann sollten wir uns schon einmal überlegen, was wir mit unseren 30 Goldmünzen anstellen.«

Dante füllte seinen Teller mit weiteren Köstlichkeiten von der Tafel. »Es war mir klar, dass der weibliche Teil der Truppe nur daran denkt, wie wir das Gold ausgeben können. Ich würde mich eher darauf konzentrieren, wie wir an den Rest der Bezahlung herankommen.«

Die Zauberin schob die Essensplatten zu ihm herüber, um Platz für ihr Buch zu schaffen, dann wuchtete sie es auf den Tisch. »Hast du schon einen Plan, oder redest du wieder nur groß daher, wie Männer das so gut können?«

Dante lehnte sich zurück. »Die Leute werden dem Grafen den Einbruch als Schwäche auslegen, wenn sie davon erfahren. Zumindest fürchtet er das. 100 Goldmünzen mehr oder weniger sind für ihn nicht wichtig. Er will nicht, dass jeder Bauer und jede Magd weiß, dass man problemlos in seine Residenz einsteigen und sich an seinem Reichtum bedienen kann.«

Bross riss mit seinen spitzen Eckzähnen das Fleisch von einer Hühnerkeule. »Aber genau das kann man offensichtlich.«

Mel warf ihm einen Blick zu. »Deshalb heuert er drei Fremde an, die sich um dieses peinliche Ereignis kümmern.«

Dante nickte. »Wenn es so funktioniert, wie er es sich vorstellt, wird niemand je von dem Diebstahl erfahren.« Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Bisher gab es niemanden hier außer ihnen und dem Schankwirt. »Oder er lässt die Diebe, sobald wir sie gefunden haben, in kochendem Teer baden, federn und hängt sie vor der Stadt auf.«

»Wenn wir sie nicht schon vorher auseinandergenommen haben.« Bross ballte eine Faust, und seine Knöchel knirschten.

Dante blickte zu Mel, die die Pergamentseiten ihres Zauberbuchs umblätterte. »Suchst du etwas, das uns helfen könnte?«

»Ich? Nicht doch, ich blättere hier nur herum, weil mir das Blättern so viel Spaß macht.«

Auf den Pergamentseiten befanden sich Skizzen, teilweise von menschlichen Körpern, aber auch von anderen. Dichtgedrängter Text und mehrzeilige Formeln umflossen die Bilder. Mel musste die ganze Zeit in der Akademie daran gesessen haben, diesen Folianten mit Text und Zeichnungen zu füllen. Aber genau deshalb, weil sie genug gesessen hatte, war sie damals an Bross und ihn herangetreten, um sich ihnen anzuschließen.

»Vor morgen früh wird das ohnehin nichts«, sagte sie.

»Ich weiß.«

Mel musste sich ihre Zauber am Vorabend einprägen und über Nacht verinnerlichen, um sie am nächsten Morgen abrufen zu können. Mächtige Magier konnten sich ein ganzes Arsenal einprägen, wenn die Geschichten, die man so hörte, stimmten, aber bei Mel blieb es vorerst bei drei oder vier Formeln am Tag.

»Was hast du denn für heute vorbereitet?«, fragte Dante.

»Etwas, mit dem man auf dem Marktplatz ein paar Kupferstücke machen kann.«

»Zeig schon her. Wir machen jetzt Gold, und zwar in rauhen Mengen.«

Mel lächelte, legte Daumen und Zeigefinger ihrer Hände zusammen, zog die Hände dann auseinander, und zwischen ihren Fingern spannte sich eine Linie aus dünnen Flammen. Sie loderten auf und bildeten die zitternde Form eines Vogels mit zwei Schwingen, wobei die Flügelspitzen an Mels Fingern hingen. Leichte Wärme strahlte in den Raum.

Dante dachte an den Traum. Darin hatte Mel Feuermagie beherrscht, die hundert Mal heißer und mächtiger gewesen war.

Bross lehnte sich herüber und hielt seine Hähnchenkeule in den Feuervogel hinein. Die Flammen zuckten nicht einmal.

»Idiot.« Mel schlug seine Hand zur Seite, und der Vogel verpuffte in der Luft.

Der Halb-Oger steckte sich die Keule in den Mund und riss das restliche Fleisch mit den Zähnen herunter. »Hm, könnte knuspriger sein.«

Dante lächelte. »Nur eine Illusion, nicht wahr? Die hätte nicht einmal Papier versengt.«

»Zur Sicherheit. Das war für Kinder gedacht.« Sie bedachte Bross mit einem vernichtenden Blick. »Für Kinder, nicht für Riesensäuglinge.«

»Gut«, sagte Dante. »Also haben wir für heute nur unsere Augen und Hände, um den Ort des Verbrechens zu untersuchen. Treffen wir uns zur Mittagsstunde dort. Ich will mich hier noch etwas umsehen.«

Alle nickten.

»Aber erst einmal«, sagte er und zog sich die Platte mit Käse heran, »sollten wir dafür sorgen, dass der arme Wirt keine vollen Speiseplatten in die Küche zurückschleppen muss.«

Kapitel 2

»Wie viel?«, fragte Dante laut, um das Stimmengewirr des Wochenmarkts zu übertönen.

Er hielt die Handarmbrust hoch und prüfte den Zug der Schnur, bis sie ihm in die Finger schnitt. Sie war stark.

Der Händler am Marktstand kaute an seiner Pfeife und spielte mit einem dünnen Schneidmesser. »Sieben Goldstücke, für die Sieben Götter, die mir geholfen haben, sie zu fertigen.«

Dante blickte durch die Marktstände hindurch zur Turmuhr des Rathauses. Die Mittagsstunde nahte. »Vier, für die vier Himmelsrichtungen«, sagte er.

Der Händler schob die Pfeife im Mund herum. »Für vier bekommt Ihr gerade einmal das hier.« Er warf das Schneidmesser hoch und fing es wieder auf.

»In die Hand oder zwischen die Rippen? In jedem Fall wäre es ziemlich teuer.«

»Sieben.« Der Händler schob einen Metallkasten zu ihm herüber. »Ihr bekommt noch zehn Bolzen dazu.«

Dante dachte an seine letzte Armbrust, für die er nur vier Goldstücke hatte zahlen müssen. Aber als sie ihm eines Tages als Schild gegen den Stachelknüppel eines Banditen hatte dienen müssen, war sie viel zu leicht in Stücke gegangen.

Plötzlich spürte er etwas im Rücken. Jemand hinter ihm starrte ihn an, und er drehte sich instinktiv um. Von den Stufen des nahen Tempels aus beobachtete ihn jemand. Der Mann trug Weiß mit goldenen Borten – ein Jünger des Sonnengottes.

»Also?«, fragte der Händler.

Dante nahm sieben von den zehn Münzen aus dem Säckchen mit dem Vorschuss, den ihm ein Botenjunge überreicht hatte. Für einen Moment hielt er sie in der Hand und fixierte den Händler. »Wenn das Ding klemmt und im falschen Moment nicht schießt, bin ich ganz schnell wieder bei Euch.«

Der Händler schob ihm den Bolzenkasten hin. »Oder auch nicht, wenn Ihr Euch unter einem falschen Moment das Gleiche vorstellt wie ich.«

»Ah, skrupellose Markthändler.« Dante legte die Münzen auf die Theke und griff sich das Kästchen. »Humor so schwarz wie ihre Seele.«

Dann drehte er sich um und drängte sich durch die Leute zum Tempel. Der Priester – oder was auch immer er in der Hierarchie der Kirchenordnung war – stand nicht mehr dort, aber eben fiel der eine Türflügel zu.

Dante beschleunigte seinen Schritt und zog die Tür auf. Geruch von Weihrauch strömte ihm entgegen, und leise Stimmen hallten in dem Gewölbe, das trotz seiner Funktion nur die Ausmaße eines großen Wohnhauses besaß. Einzelne Menschen saßen auf den Tempelbänken, an der Wand über dem Altar hing ein stählernes Abbild des Sonnensymbols, das Wappen von Soras, dem Sonnenkaiser, Herr über Licht und Sonne.

»Ihr seid sicher anderes gewohnt.« Der Tempeldiener sah ihn an und ging an ihm vorbei. Es war der Mann von vorhin: kahlgeschorener Kopf und eiserner Blick, schneeweißes Gewand.

»Oh«, sagte Dante und sah an sich hinunter. »Sieht man mir sofort an, dass ich Baron Prall-vor-Gold bin, der sich in diesem Städtchen einen Urlaub gönnt?«

»Nein, aber Ihr seid keine von den 50 Seelen, die jeden Sonntag in meinen Tempel kommen.« Der Mann stoppte an einer Kohleschale. »Und Ihr werdet kaum irgendwo sonst eine Kirche finden, die weniger Prunk trägt als unsere hier in Minlund.« Aus einem Beutel holte er einen Klumpen Räucherharz hervor und legte ihn in die Kohleschale. Es zischte leise.

»Wenn die Kraft des Glaubens davon abhängt, wie viel schillerndes Metall in den Gotteshäusern hängt, kann es mit dem Glauben ohnehin nicht weit her sein.« Dante trat zu dem Mann. Eine Wolke aus Weihrauch umgab ihn, und er fächelte sie mit der Hand weg. »Aber zumindest an Düften spart Ihr hier nicht.«

»Auch Ihr seid nicht sparsam. Diese Armbrust an Eurem Gürtel ist gutes Handwerk.« Der Priester schritt zur nächsten Kohleschale. »Hat er Euch mit dem Sieben-Münzen-für-die-Sieben-Götter-Spruch bekommen?«

Dante seufzte. »Gut erkannt. Ich bin nicht sehr begabt im Feilschen.«

»Aber im Bedienen einer Armbrust?« Der Priester legte den nächsten Harzklumpen ab.

Dante lächelte. »Man muss sich die Kaninchen vom Leib halten, wenn man ein so großes Landgut besitzt wie ich.«

Der Priester drehte sich langsam zu ihm um. »Also führt die Hasenjagd Euch hierher?«

»So könnte man es ausdrücken.« Dante dachte an den jungen Boten vom Morgen. Der hatte Selbstsicherheit vorspielen wollen, dieser Mann hier jedoch besaß sie.

»Seltsam, denn in den umliegenden Wäldern gibt es nur noch Graumäuse, und diese Armbrust mag gutes Handwerk sein …«, er deutete mit dem Kinn auf die Waffe, »… aber in einer größeren Stadt hättet Ihr zehnmal so viel Auswahl gehabt.« Der Blick des Priesters brannte sich in seinen. Er mochte nur etwa zehn Jahre älter sein, aber seine Augen schienen viel mehr gesehen zu haben.

Dante lächelte. »Ich habe einen Auftrag. Es soll ein paar sehr dreiste Kaninchen geben, die sich an den Feldern von Graf Larlan gütlich getan haben.«

Der Priester trat einen Schritt näher. »Dann solltet Ihr es dem hiesigen Jäger überlassen, sich um sie zu kümmern.«

»Es schien dem Grafen sehr daran gelegen, diese Aufgabe in meine Hände zu legen.«

»Der Graf mag Euch bei dieser Aufgabe gut eingesetzt sehen, aber ob Euer Wohlergehen auch in seinem Interesse ist?« Das Harz verbreitete einen betäubend starken Geruch, und kurz verschwamm die Welt vor Dantes Augen. Der Priester wirkte jetzt größer, seine Gewänder weiter und wallender. »Wie ist Euer Name?«

»Dante«, keuchte er.

»Dante. Ich bin Ingwen, Priester von Soras, dem göttlichen Sonnenkaiser. Und ich rate Euch, unser Dorf noch heute zu verlassen.«

»Wenn wir unsere Kaninchen schnell gefangen haben und für den Fang ausgezahlt wurden«, sagte Dante, »sind wir bis heute Abend weg.«

»Nun, ich habe meine Warnung ausgesprochen.« Ingwen drehte sich um und ging. Viel zu schnell verschwand er zwischen den Säulen wie ein weißes Gespenst.

Offenbar waren sie jetzt schon stadtbekannt … und von Graf Larlans Problem wussten nicht nur sie.

***

Die Grafenresidenz lag auf einem Hügel. Türme und Erker ließen sie wie die Miniaturausgabe einer Burg erscheinen. Vor einem schmiedeeisernen Tor stand ein Wächter, der selbst jetzt im weichenden Herbst nur mit dünnem Stoff und einem Eisenharnisch bekleidet war.

Einige Meter abseits an einem Tümpel spielten zwei Kinder in ärmlicher Kleidung mit Holzpuppen.

»Wofür habt ihr euer Gold ausgegeben?« Bross hatte sein Äußeres in keiner Weise für den Besuch bei einem Grafen verändert. Schädel und Raubtierzähne waren seine Ausgehgarderobe.

»Für eine gute Armbrust.« Dante klopfte gegen das hölzerne Stück an seiner Seite.

Mel stützte sich auf ihren Stab wie auf einen Wanderstock. »Für Haarschmuck und neue Kleider – das wolltet ihr doch hören.«

»Dann hat sich zumindest einer herausgeputzt. Abgesehen von Bross natürlich.«

Der Halb-Oger gab nur ein Knurren von sich.

Dante richtete sich vor dem Wächter auf. »Wir sind die Schwerter. Dante, Malveyra und Bross.«

Der Wächter blickte sie aus verschlafenen Augen an. »Schön für euch, wirklich.«

»Dein Herr erwartet uns.«

Der Mann lächelte spöttisch. »Sicher.«

Dante machte eine ungeduldige Handbewegung. »Dann, bitte, lass uns ein.«

»Nein«, sagte der Wächter.

»Nein?«

»Niemand darf den Ort des Verbrechens betreten. Auch ihr nicht.«

»Aber wir sind die, die das Verbrechen aufklären sollen. Es ergibt Sinn, dass wir uns den Ort ansehen, da wir sonst wenig aufklären können.«

»Der Graf hat von euch gesprochen«, der Wächter schob sich den Eisenhut ein Stück aus dem Gesicht, »und erklärt, dass auch ihr nicht einzulassen seid.«

»Was für ein Spiel ist das?«, fragte Mel von hinten.

Der Wächter lächelte. »Oh, ihr wollt ein Spielchen riskieren?« Er öffnete seine Hand, darin lagen zwei Würfel. »Das hier ist entweder Drei für den Teufel oder Rattenschwanz. Je nachdem, was ihr spielen wollt. Wollt ihr?«

Mel wirkte ungehalten, aber Dante lächelte. Dem Kerl war offenbar langweilig. Ja, es wäre ganz gut, ihn eine Weile abzulenken.

Er klopfte Mel auf die Schulter. »Viel Spaß.« Sie schaute ihn irritiert an, aber dann verstand sie.

Als er davonging, kam Bross ihm nach. »Was soll das?«

»Lass mich machen«, flüsterte er, während er auf den Weiher mit den spielenden Kindern zuhielt. »Bleib zurück. Dein Äußeres ist hilfreich, wenn man mit bewaffneten Schlägern reden muss, aber nicht, wenn es um kleine Kinder geht.«

Murrend trollte sich Bross.

Dante schlenderte auf die spielenden Kinder zu, die am Rand des Weihers, beinahe schon im Schilf, saßen. Zwischen ihnen stand ein Holzschemel, und beide hielten hölzerne Puppen in den Händen. Ein Junge in löchriger Hose und ein Mädchen in braunem Leinenkleid. Sie waren höchstens zehn Jahre alt.

Er lächelte. »Hallo, Prinzessin«, sagte er. »Du siehst so bezaubernd aus, da musste ich einfach rüberkommen und dich ansprechen.«

Sie hob eine Augenbraue. »Du störst. König Eichenherz kämpft gerade gegen Kaiser Birkenfuß.«

Der Junge wedelte zur Bekräftigung mit seiner Puppe herum, dass die Arme schlackerten.

»Um was kämpfen sie?«, fragte Dante.

»Na, um den Thron, um was sonst?« Das Mädchen zeigte auf den hölzernen Schemel. »Sie sind ja König und Kaiser. Die kämpfen um den Thron.« Sie streckte ihm die Puppe entgegen. Unter der metallenen Krone quollen dunkle Haare hervor.

»Da sind sie aber spät dran.« Dante klopfte gegen den Kopf von König Eichenherz. »Es ist doch schon hundert Jahre her, dass es einen Thron gab. Abgesehen von manch irren Fürsten, die sich einen bauen lassen und sich dann von ihren vier Untertanen als Kaiser des Reichs feiern lassen. Aber die zählen nicht.«

Es war eine schöne Phantasie. Kaiser und Könige, wie in den Geschichten. Und doch vergaßen die meisten, dass der letzte Kaiser als wahnsinniger Tyrann in die Geschichtsbücher eingegangen war, und die Rebellen, die ihn gestürzt hatten, als Helden.

Das Mädchen stemmte eine Hand in die Hüfte. »Du machst das Spiel kaputt.«

»Tut mir leid.« Dante nahm die Hand der Puppe und schüttelte sie wie zur Entschuldigung. »Spielt ihr öfter hier?«

»Warum fragst du? Wer bist du überhaupt?«

Die Kleine war ziemlich aufgeweckt. Ihr Spielgefährte dagegen saß nur schweigend da.

»Ich bin Dante.«

»Und ich bin König Eichenherz. Das hier ist mein Reich, also bin ich öfter hier.« Das Mädchen streckte ihm die Puppe hin und drückte einen Arm zum Gruß nach oben.

»Ist mir eine Ehre, Majestät.« Noch einmal ergriff er die Hand des Königs und neigte den Kopf. »Nun sagt mir, ist Euch in diesen Euren Ländereien in den letzten Tagen etwas aufgefallen, das nicht ganz seine Richtigkeit zu haben schien? Fremde auf Eurem Grund und Boden?«

»Ja, da waren einige. Oder, Kaiser Birkenfuß?« Das Mädchen hielt die Puppe zu der des Jungen.

»Ja«, sagte der Junge. »Papa und die anderen. Sie haben sich oben mit den Fremden getroffen. Ein paarmal. Ein Stück von hier entfernt.« Er zeigte auf die Wälle vor dem Anwesen des Grafen.

Dante horchte auf. »Sie haben? Jetzt treffen sie sich nicht mehr?«

»Nein, so wahr ich König Eichenherz bin«, sagte das Mädchen und blickte den Jungen böse an. Wahrscheinlich, weil er nicht als Kaiser Birkenfuß gesprochen hatte und ihr Spiel genauso kaputt machte wie Dante. »Du sollst doch nichts davon erzählen«, rügte sie ihn und fiel dabei selbst aus der Rolle.

»Sie haben sich vorher immer in einer Scheune getroffen«, ergänzte der Junge. »Jetzt sind sie weg, auch mein Papa. Aber Mama sagt, sie kommen bald wieder.«

Dante runzelte die Stirn. »Und du weißt nicht zufällig, wo diese Scheune sich befindet?«

Der Junge nickte, und das Mädchen streckte ihm die Zunge heraus.

***

Eine halbe Stunde später saßen sie am Brunnen auf dem kleinen Marktplatz. Dante wippte auf dem Rand des Beckens, warf einen Apfel hoch und fing ihn wieder auf. »Was meint ihr?«

Der Junge hatte ihm den Weg zu der mysteriösen Scheune beschrieben. Sein Name war Jona und der des spielwütigen Mädchens Ilja.

Bross hockte neben einem der letzten Stände. Die meisten lagen schon als Bretterhaufen mit zusammengefalteten Planen auf dem Platz. »13 Kupfermünzen hat der Kerl Mel abgeknöpft.«

Mel drehte ihren Stab zwischen den Fingern und funkelte den Halb-Oger an. »Die Würfel waren gezinkt. Ich habe nur mitgespielt, weil Dante nicht wollte, dass der Wächter ihn beim Reden mit den Kindern belauscht.«

»Ich weiß nicht, wie das zusammenhängt.« Dante blickte in den Himmel. »Einige hungrige, schlecht bezahlte Knechte brechen in die Schatzkammer ihres Herrn ein. Das könnte man geradewegs für gerechtfertigt halten.«

Mel hob einen Mundwinkel. »Ich habe einen Mann den Mord an seiner untreuen Frau rechtfertigen hören. Niemand tut etwas, an dessen Richtigkeit er nicht glaubt.«

Dante zuckte mit den Achseln. »Aus Hunger zu stehlen, ist kein Verbrechen.« Das hatte er selbst schon getan, früher, mit den Jungen aus dem Waisenhaus.

Mel sah ihn schief an. »Wir sollten uns nicht solchen Grübeleien hingeben. Wir haben einen Auftrag.«

Dante schüttelte den Kopf. Als er den Apfel wieder hochwarf, kam er nicht mehr zurück, weil eine Ogerpranke ihn aus der Luft geschnappt hatte. Mel stemmte eine Hand in die Hüfte. »Es geht um Gold.«

Bross biss genüsslich in den Apfel. Seine scharfen Eckzähne rissen die Schale auf, und Saft spritzte heraus.

Dante nickte. »Hm. Aber da passt doch etwas nicht zusammen. Warum lässt uns der Graf nicht einmal den Ort des Verbrechens sehen?« Er leckte sich über die Lippen. »Aber ich vermute, dass diese Männer etwas mit dem Diebstahl zu tun haben. Wir reden zuerst mit ihnen.«

»Wenn wir sie überhaupt in dieser Scheune finden«, sagte Mel. »Du warst sicher sehr überzeugend bei den Kindern, aber vielleicht haben sie sich auch nur eine nette Geschichte ausgedacht.«

Bross stand auf und warf das Kerngehäuse des Apfels über die Schulter. »Ich gehe Steinbeißer schärfen. Bauern haben Sensen und Mistgabeln, also auch Schleifsteine.« Damit stapfte er davon.

»Es gefällt mir nicht, dass der Graf uns nicht einlassen wollte und dass diese Bauern unser einziger Anhaltspunkt sind«, sagte Mel.

»Mir auch nicht. Aber bald sind wir klüger.« Dante wippte noch einmal auf dem Brunnenrand vor und zurück, dann stieß er sich ab und ging in Richtung des Roten Ebers.

Kapitel 3

Der Wind rauschte durch die Büsche. Dante hatte sich einen zweiten Mantel übergeworfen, um nicht zu frieren. Der Winter kam.

Vor ihnen lag die Scheune am Rand eines abgeernteten Feldes, dahinter nur Heide und Wald. In der einbrechenden Dunkelheit ging von dem Gebäude eine beklemmende Einsamkeit aus. Alle Fenster waren dunkel, alles sah verlassen aus. Eine unausgesprochene Frage hing in der Luft, und Dante beantwortete sie. »Würdet ihr alle Fenster ausleuchten, wenn ihr eine geheime Versammlung abhaltet?«

Mel kämpfte sich aus einem Himbeerstrauch. »Vielleicht sind sie ja tatsächlich da drin. Ich kann euch heute jedenfalls nicht so gut helfen wie sonst, wenn es gefährlich wird.«

Die Zauber, ja. Mel war auf einen Kampf nicht vorbereitet. Aber es würde ohne Kampf gehen, ganz sicher. Das wäre auch gut für Bross, denn wenn ihn erst sein Rausch packte, er Steinbeißer schwang und das erste Blut floss – dann gab es kein Halten mehr.

»Es hilft nichts«, sagte Dante. »Los.«

Er tauchte aus den Büschen und huschte geduckt auf das Scheunentor zu, den Dolch im Rückhandgriff, so dass die Klinge verborgen am Unterarm lag. Wenn er sie brauchte, hatte er sie bereit.

Die anderen folgten, und der Wind zerrte an ihren Mänteln. Er pfiff auch durch die Ritzen des Holzes und rüttelte am Scheunentor.

Dante gab Bross ein Signal. Der Halb-Oger kam heran, griff sich einen Flügel des Scheunentors, zog daran, und Dante huschte durch den Spalt. Er wich den schwachen Lichtbahnen aus, die durch die Fenster von draußen hereinfielen. Unter seinen Füßen raschelte Stroh, und der Geruch von nassem Holz hing in der Luft – und noch ein anderer, kaum wahrnehmbarer.

Er presste sich gegen einen Stützpfeiler und lauschte, aber es war nur der Wind, der heulte und das Stroh wispern ließ.

Bross stapfte als Nächster herein, Mel hinter sich.

»Niemand da«, flüsterte Dante. Wenn sie geflohen waren, dann hatten sie ihr Kommen lange vorher bemerkt und schnell reagiert.

»Licht?«, fragte Mel.

»Licht«, sagte Dante.

Sie schloss die Hand um die Kugel ihres Stabs. Ein rötliches Leuchten wie von einer Fackel, nur viel schwächer, breitete sich aus. Sie hob die Hand, und die leuchtende Kugel hob sich mit, dann öffnete sie die Hand wieder, und die Kugel stieg in die Höhe wie ein winziger Stern, ehe sie auf halber Raumhöhe hängen blieb. Dort flammte sie auf und erhellte mit ihrem Licht den ganzen Raum.

Dantes Augen weiteten sich.

Neben ihm im Stroh lag ein Mann, das Gesicht bläulich angelaufen, die Glieder verdreht. Jetzt erkannte er auch den Geruch. Die Süße von verwesenden Körpern.

»Dreck«, sagte Bross.

Der Tote umklammerte die Reste eines zerbrochenen Holzschafts. Vielleicht war es einmal eine Sense gewesen, aber etwas hatte sie dicht über den Händen zerschnitten und dabei dem Mann das Hemd zerteilt und den Bauch aufgerissen. Maden wimmelten über die roten Gedärme.

Bross griff sich an die Brust und gab ein Grunzen von sich. Das Blut. Wenn er Blut sah …

Er fletschte die Zähne, und die kleinen Hauer stachen aus den Mundwinkeln. Die Muskeln an seinen Armen spannten sich, Adern traten hervor. Er zitterte vor Anstrengung, als führe er einen Ringkampf gegen sich selbst.

»Kommst du zurecht?«, fragte Dante.

»Bleib weg«, keuchte Bross, während das Zittern langsam nachließ.

Dante wandte sich an Mel. »Noch mehr?«

»Ja«, sagte sie.

Getrocknetes Blut zeichnete Pfade ins Stroh. An einem Holzpfeiler lehnte ein Mann, dessen Brust brutal aufgerissen worden war. Das Weiß von Rippenknochen leuchtete im Rot des Fleischs.

Der Gestank wurde schlimmer, je weiter sie in die Scheune hineingingen.

Zwei Mann lagen grotesk übereinander, zerfetztes Fleisch und verdrehte Glieder. Einer umklammerte die Reste einer zerbrochenen Holzkeule.

»Sie haben sich gewehrt,«, stellte Bross fest. »Gegen jemanden mit schärferen Klingen und stärkeren Armen.«

»Oder es waren einfach mehr.« Dante ging an einem vorüber, der mit durchtrenntem Hals an einer Trennwand saß – vermutlich der erste Tote. Er war überrascht worden und hatte sich nicht mehr wehren können.

»Das war keine Prügelei unter Dorfleuten«, sagte Mel. »Das waren Krieger.«

»Aber warum?« Dante vermied es, in die Gesichter der Toten zu sehen.

»Wenn wir hier nicht in einem harmlosen, friedlichen Dörfchen am Rande des Nirgendwo wären«, sagte Mel und stocherte mit ihrem Stab im Stroh herum, »würde ich sagen, der Graf hat die Diebe ermorden lassen und will uns das jetzt in die Schuhe schieben.«

Dante sah sie an. »Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich auch, du wärst ein freundliches, friedliches, harmloses Mädchen. Und dann hast du mit einem Blitz aus deinen Händen diesen Bären niedergestreckt.« Er nickte Bross zu. »Geh draußen Wache halten. Wir brauchen keinen Besuch und du eine kleine Pause.«

Der Halb-Oger nickte und verließ schweigend die Scheune.

»Sie sind schon seit Tagen tot«, befand Mel. »Lange vor unserer Ankunft. Sie müssen ihren Familien glaubhafte Geschichten für ihre Abwesenheit erzählt haben, denn sonst würde man sie vermissen.«

Dante kniete sich neben den Toten mit der zerschnittenen Kehle. Das Blut war wie ein rotes Lätzchen auf seiner Brust. »Einer von ihnen ist der Vater des Jungen am Teich, Jona.« Der Knabe hatte etwas von den Fremden gesagt, mit denen sein Vater und die Kumpane sich getroffen hatten …

»Sie sind alle Väter. Oder Söhne, oder Brüder.« Mel legte eine Hand an ihre Schläfe und schloss die Augen. »Und ich finde jetzt heraus, was sie getötet hat.«

Dante nickte. Sollte sie es auf ihre Art versuchen, und er auf seine – ihre Magie mochte sie Dinge sehen lassen, die normale Menschen nie zu Gesicht bekamen, aber dabei entgingen ihr vielleicht die einfacheren Indizien.

Bei den beiden Zerstückelten, die übereinanderlagen, fiel ihm ein abgehackter Fuß auf. Er steckte in einem Stiefel, der über und über mit Schmutz bedeckt war und schon auseinanderfiel. Dante zog sich das Hemd über die Nase und ging näher heran. Sicher, das Blut war schon überall getrocknet, aber der Fuß … es sah eher aus, als habe jemand durch einen toten Baumstamm geschnitten. Menschliches Gewebe war das kaum noch. Stammte er von einem der Fremden?

Er hörte ein Geräusch und blickte hinter sich. Mel taumelte durch den Raum, eine Hand an die Schläfe gepresst.

Er sprang auf, stolperte durch das blutige Stroh zu ihr und kam gerade rechtzeitig, um sie aufzufangen.

»Orkdreck«, sagte sie.

»Was hast du gesehen?«

Halb aufgerichtet hing sie in seinen Armen. Ihr Atem ging hastig. »Irgendetwas, das nicht hier sein sollte. Ich habe etwas … Seltsames gespürt. Als würde man dich nachts aufwecken und deinen Kopf in einen Kübel voll Eiswasser stecken. Was auch immer es war, es sollte nirgendwo sein, nicht in unserer Welt jedenfalls.«

Dante stutzte. Dann lief es ihm eiskalt über den Rücken. Genau das hatte sie in seinem Traum gesagt!

Er wollte gerade etwas entgegnen, da schwang die Stalltür auf. Bross’ stämmiger Umriss erschien. »Da ist jemand«, sagte er.

Mel stand sofort auf und rieb sich das Stroh von den Händen.

Bross blickte finster drein. »Er schleicht sehr gut und ist schnell. Ich hab ihn gehört, und dann war er weg. Aber er ist allein, glaube ich.«

»Dann verschwinden wir, bevor er vielleicht nicht mehr allein ist«, sagte Dante.

Mel hob ihren Stab, und der Lichtball in der Scheune fiel herab und sickerte in die Kugel zurück. »Ich habe mir die Aura dessen eingeprägt, was hier war. Sie ist so stark, dass ich ihr blind folgen könnte.«

»Morgen«, sagte Dante.

Die Finsternis der Scheune hüllte sie ein. Bross stemmte das Tor auf der anderen Seite des Gebäudes auf, und Nachtluft wehte ihnen entgegen.

Dante überlegte, ob er ihnen von dem Traum erzählen sollte.

Ja, aber erst später.

Kapitel 4

Am nächsten Morgen saßen Dante und Bross sich im Gasthaus gegenüber. Leute drängten sich an den Tischen zusammen, und der Geruch von gebratenem Speck und frischem Brot lag in der Luft. Dante folgte den Blicken der Leute. Einige beäugten Bross von der Seite, manche mit offensichtlicher Verachtung.

Und Dante war froh darüber. Wenn der Anblick eines Halb-Ogers das einzige Problem dieser Leute war, dann wussten sie nichts von dem, was die Schwerter in der Nacht gesehen hatten, und wer auch immer sie dabei beobachtet hatte, hatte es noch nicht im Dorf herumerzählt.

»Wo bleibt sie?« Bross knurrte und schob einen Brotkanten auf seinem Teller hin und her.

»Je mehr Ruhe sie bekommt, desto länger kann sie der Spur folgen.« Er merkte, dass er beinahe flüsterte. »Was ist mit dir? Hast du es … unter Kontrolle?«

Es gab kein Thema, das Bross mehr hasste. Der Halb-Oger krallte eine Hand in den Tisch, und die Nägel gruben sich ins weiche Holz. »Ich hab es immer unter Kontrolle.«

»Nun«, sagte Dante langsam, »ich erinnere mich an einige Gelegenheiten, bei denen das anders aussah.«

Bross beugte sich über den Tisch. »Wenn ich es gestern nicht unter Kontrolle gehabt hätte«, knurrte er, »wären von Mel und dir nur noch Fetzen übrig.«

»Ein beklagenswerter Zustand.« Dante nippte an seinem Wasser und verschluckte sich. Mühsam hielt er den Husten zurück.

In der Tür zum Gasthaus stand plötzlich eine bekannte Gestalt; der Priester mit den weißen Gewändern. Eine Erinnerung an den Weihrauchduft umwehte Dante.

Alle Blicke richteten sich auf den heiligen Mann, als er geradewegs auf Dantes Tisch zusteuerte und sich ohne eine Einladung neben Bross setzte.

Dante lächelte. »Guten Mo–«

»Ich habe Euch im Guten geraten, die Stadt zu verlassen.« Er sprach leise, aber nicht so leise, dass die Unterredung geheim gewirkt hätte. So drehten sich die Leute der umliegenden Tische wieder um. »Aber mir scheint, Ihr gebt wenig auf Ratschläge.«

»Wir haben eine Abmachung. Einen Auftrag.«

»Kaninchenjagd, nicht wahr? Zu dumm, dass die Kaninchen schon allesamt erlegt waren.«

»Was für Kaninchen?«, fragte Bross. »Was ist das für ein Mist?«

Dante machte eine Handbewegung, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ihr wart das, Ingwen. An der Scheune, gestern Abend.«

»Nein, tatsächlich war ich das nicht. Es war Jona, ein Junge aus dem Dorf.« Ingwen faltete die Hände.

Dante erinnerte sich. Der Junge, der seinen Vater vermisste.

»Also nutzt Ihr ihn als Euer Auge … Und ich dachte, der Sonnengott sieht alles.«

»Sicher, aber er überlässt es mir, meine eigenen Beobachtungen zu machen.«

»Und was wollt Ihr nun tun?«, fragte Dante. Er war kurz davor gewesen, ein alter Mann anzufügen.

»Ich gehe mit Euch«, sagte er.

»Wohin gehen wir denn?«, fragte Bross herausfordernd.

»Ihr folgt der Spur des Todes.« Ingwen schüttelte den Kopf. »Es sollte mir egal sein, dass Ihr Euer Leben wegwerft, aber der Junge, Jona, folgt der Spur bereits.«

Dante blickte auf die Tischplatte aus Eichenholz. Ein kleiner Junge, der wahrscheinlich die verstümmelte Leiche seines Vaters gesehen hatte und jetzt einem irren Rachegedanken folgte.

»Wann habt Ihr das letzte Mal ein Schwert in der Hand gehabt? Und habt Ihr es dabei auch geschwungen?«

»Diener von Soras tragen keine Schwerter.«

»Ich vergaß.« Dante wechselte einen Blick mit Bross. »Nun gut, dann treffen wir uns zur Mittagsstunde an der Scheune. Weiß schon jemand außer uns … davon?«

»Nein.« Ingwen erhob sich. »Und es ist besser so. Eine Panik können wir nicht gebrauchen. Außer mir wird niemand mitkommen.«

»Auf bald, Ingwen«, sagte Dante.

Der Priester verließ die Schenke, und auf dem Weg hinaus folgten ihm die gleichen neugierigen Blicke wie hinein.

Dante atmete auf. »Das war knapp.«

Da kam Mel die Treppe herab, ihr Haar noch nass vom Waschen, am Körper trug sie eine enganliegende Stoffrobe. Ihr folgten nicht weniger Blicke als dem Priester.

»Zur Mittagsstunde ziehen wir von der Scheune aus los«, erklärte Bross der Zauberin, als sie sich zu ihnen setzte, und lächelte grimmig.

»Nein, du Idiot«, sagte Dante. »Da wird ein Priester stehen und begreifen, dass wir längst losgezogen sind.« Er nahm einen Schluck Wasser. »Wenn diese Krieger, wer auch immer sie sind, uns angreifen, dann hast du Steinbeißer, ich meinen Degen und Mel ihre Feuerhände, aber ein klappriger Gottesdiener, der sich weigert, ein Schwert zu tragen? Nein.«

»Habt ihr jemanden angeworben? Einen Priester, der für Geld kämpft?« Mel setzte sich und schnappte sich eine dick mit Käse belegte Brotscheibe von Dantes Teller.

»Nein, wir sind ihm gerade so entgangen.« Dante griff in seine Jacke und holte sein Kartendeck hervor – wie er es jedes Mal tat, bevor sie loszogen.

»Wir frühstücken, und dann marschieren wir los.« Er mischte die Karten sorgfältig. »Es steht mehr auf dem Spiel, als wir dachten.«

Mel strich sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. »Wir werden auch länger laufen müssen, als wir dachten. Die Spur ist hier im Dorf sehr schwach. Mit einer Tagesreise oder mehr sollten wir rechnen.«

»Also nehmen wir besser unser ganzes Gepäck mit.« Dante beendete das Mischen.

Mel nahm die oberste Karte, legte sie auf den Tisch und drehte sie um.

»Der gefallene Ritter«, sagte Dante. Ein in silberne Rüstung gehüllter Krieger lag auf einem schlammigen Pfad, Blut sickerte aus seinem Panzer. »Hättest du nicht etwas Angenehmeres für den Tag unseres Aufbruchs ziehen können, Kartenfee?«

Bross tippte auf die Ecke der Karte. »Da steht ’ne Zehn. Könnte schlimmer sein.«

Dante lächelte. »Wenn du mit eingeschlagenem Schädel im Straßengraben liegst, wäre es dir nicht herzlich egal, ob jemand eine Zehn neben dir in den Dreck malt?«

***

Dante suchte ein letztes Mal den Markt auf. Sie konnten alle Vorräte brauchen, die sie bekommen konnten. Nur die Götter wussten, wie weit die Mörder schon entfernt waren.

Er erstand die letzten Äpfel des Jahres zu einem fairen Preis und freute sich diebisch darüber, dass es ihm gelang, den Preis einer warmen Reisedecke erheblich nach unten zu handeln. Das Hochgefühl wich allerdings schnell, nachdem er begriff, dass er bei den drei Brotlaiben ziemlich übers Ohr gehauen worden war. Die junge Bäckersfrau verstand es nicht nur, ihre Waren zu präsentieren, sondern auch ihre prallen Brüste, was ihm die Konzentration etwas erschwert hatte. Nach einem kurzen Blick auf den Bäckersmann, der ihn um einen Kopf überragte und Oberarme besaß, die denen von Bross in nichts nachstanden, beschloss Dante allerdings, sich nicht zu beschweren, sondern lieber noch schnell einen Blick zu riskieren. Ein Mann lebte schließlich nicht vom Brot allein.

Über die seltsamen Krieger, die die Bauern wie Vieh hingeschlachtet hatten, wussten sie gar nichts. Sie hatten nicht einmal den kleinsten Hinweis. Sie wussten weder, ob es überhaupt Menschen waren, noch, was für Pläne sie mit dem gestohlenen Gold verfolgten. Zur Mittagsstunde verließen sie das Gasthaus ohne viel Aufsehen durch die Hintertür und zogen los.

Der Waldrand lag nahe an Minlund. Dante nahm Mels schweres Zauberbuch aus dem Geschirr auf dem Rücken, in dem sie es immer mit sich führte, und lud es sich selbst auf, und Bross trug ihr restliches Gepäck, damit sie sich konzentrieren konnte. »Wie eine Spur aus frischem Blut im Wasser«, sagte sie, als sie die Scheune passierten, und führte sie die Straße entlang in den Wald.

Standen die Bäume zuerst noch in großen Abständen, so schloss sich um sie und über ihnen bald ein Geflecht aus Ästen und Stämmen. Der Blick nach oben blieb allerdings frei, denn die meisten Bäume hatten ihr Laub schon abgeworfen. Die Straße nahm bald eine Kurve aus dem Dickicht heraus, aber Mel führte sie stattdessen tiefer hinein. Wege gab es hier kaum welche, und wenn doch, dann waren es halb überwucherte Trampelpfade.

Gegen Nachmittag rasteten sie an einem Bach. Auf Mels Stirn standen Schweißperlen, wohingegen Dante mit seinem Gepäck und dem schweren Folianten auf dem Rücken kaum schwitzte. Aber die Zauberin bestand darauf, weiterzugehen. »Solange ich mich konzentrieren kann.«