Die Chroniken der Seelenwächter - Band 30: Dowanhowee - Nicole Böhm - E-Book

Die Chroniken der Seelenwächter - Band 30: Dowanhowee E-Book

Nicole Böhm

5,0

Beschreibung

Alles oder nichts. Akil stürzt sich in einen Kampf, der ausweglos erscheint. Doch ihm bleibt keine Wahl, wenn er Riverside und die Menschen retten will. Ben ringt um sein Leben. Schwer verwundet wird er ins Krankenhaus gebracht. Um das Potenzial der Dowanhowee zu entfalten, muss er sich seiner Bestimmung stellen. Will und Anna geben weiterhin alles in der Vergangenheit, um die Dowanhowee und auch die Zukunft der Seelenwächter zu retten. Dies ist der 30. Roman aus der Reihe "Die Chroniken der Seelenwächter". Empfohlene Lesereihenfolge: Bände 1-12 (Staffel 1) Die Archive der Seelenwächter 1 (Spin-Off) Bände 13-24 (Staffel 2) Die Archive der Seelenwächter 2 (Spin-Off) Bände 25-36 (Staffel 3) Bände 37-40 (Staffel 4) Das schwarze Element (die neue Reihe im Seelenwächteruniversum) Bände 1-7

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Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel3

2. Kapitel13

3. Kapitel31

4. Kapitel54

5. Kapitel62

6. Kapitel74

7. Kapitel88

8. Kapitel95

9. Kapitel114

10. Kapitel122

11. Kapitel126

12. Kapitel132

13. Kapitel135

Die Lesereihenfolge von der Serie »Die Chroniken der Seelenwächter«148

Die Fortsetzung der Seelenwächter:149

Impressum150

Die Chroniken der Seelenwächter

Dowanhowee

Von Nicole Böhm

1. Kapitel

»Feuer sofort einstellen! Ihr verdammten Idioten!«, rief einer der Beamten. »Wir brauchen einen Arzt!«

Akil war paralysiert und starrte auf das Szenario. Sein Messer steckte in Kedos‘ Flügel, Payden lag zu den Füßen des Dämons. Ben war getroffen worden und zu Boden gegangen. Die Blutlache breitete sich unter seinem Körper aus und färbte das Weiß unter ihm rot.

Nicht schon wieder. Nicht schon wieder. Bitte nicht schon wieder.

Die Beamten – Bens Freunde – eilten heran, genau wie die Sanitäter.

Kedos stieß ein lautes Brüllen aus, spannte die Flügel und riss Akils Messer aus seinem Körper. Endlich löste auch Akil sich aus seiner Starre, schwankte hinsichtlich der Entscheidung, Ben zu helfen oder Kedos anzugreifen.

Kedos fuhr herum, riss einen der Beamten hoch und brach ihm das Rückgrat. Die anderen hoben wieder ihre Waffen, feuerten so viel sie konnten, aber Kedos lachte nur über den Kugelhagel.

»Geht da weg!«, brüllte Akil, sprang nach vorne und warf sich mit voller Kraft auf den Dämon. Sie flogen beide rückwärts, überschlugen sich und schlitterten etliche Meter durch den Schnee. Die Beamten zuckten, als sie Akil bemerkten, der die ganze Zeit durch sein Amulett geschützt gewesen war. Akil warf Mark einen Blick zu. Er war einer von Bens engeren Freunden im Revier. Sie kannten sich von kurzen Gesprächen.

»Hilf ihm!«, rief Akil und deutete mit einem Kopfnicken auf Ben. Mehr Zeit blieb ihm nicht, denn Kedos forderte seine Aufmerksamkeit. Akil krallte sich in die Schultern des Dämons und rammte ihm das Knie in den Bauch. Kedos zuckte, spannte die Flügel und bohrte sie von rechts und links in Akils Brustkorb. Er schrie vor Schmerz, als er aufgespießt wurde, zog die Beine an, um Kedos von sich zu schieben, doch nun war der Dämon derjenige, der ihn festhielt. Er trieb die Flügel tiefer in Akils Körper und grinste ihn selbstgefällig an.

»Du wirst mich niemals besiegen, Seelenwächter! Niemals!«

Akil spannte die Arme und griff an Kedos‘ Flügel. Er zerrte sie mit aller Macht aus seinem eigenen Körper, sodass seine Heilkräfte die Wunden schließen konnten.

Akil atmete durch, richtete sich auf und rammte Kedos den Ellbogen gegen das Kinn. Der Dämon lachte amüsiert, er wollte Akil erneut aufspießen, doch damit hatte jener gerechnet. Er packte die Flügel, stemmte sich dagegen und stieß sie stattdessen Kedos in den Bauch. Dieser schrie, als er sich selbst durchbohrte. Akil kam frei und auf die Beine. Er blickte sich zu Ben um, über dem zwei Sanitäter knieten. Einer beatmete ihn, der andere gab ihm eine Spritze. Jemand brachte eine Trage, damit sie ihn in den Krankenwagen packen konnten.

Scheiße, halt durch.

Akil wurde in die Seite geschlagen. Er stürzte erneut, rutschte über den Schnee und richtete sich sofort auf. Mark war indessen zu Payden geeilt und versuchte, sie aufzurichten, aber sie reagierte nach wie vor nicht.

»Nein«, sagte Kedos und stieß sich von der Erde ab. Akil reagierte schneller. Er packte Kedos am Fuß und wollte ihn zurückzerren, doch Kedos schlug erneut mit den Flügeln und hob mit Akil ab. Sie verloren beide die Bodenhaftung, Akil spannte den Körper und suchte den Kontakt mit der Erde. Sein Element reagierte umgehend auf ihn. Akil stellte sich vor, wie er zurückgezogen wurde, wie er sich in dem Boden verankerte und dieser ihm als Halt diente. Kedos knurrte, als sie an Höhe verloren. Akil schwebte zwei Meter in der Luft, doch je stärker er sich konzentrierte, desto rascher sanken sie. Kaum spürte er den Schnee unter sich, stemmte er die Füße fester auf und zerrte Kedos mit aller Kraft herunter. Der Dämon landete voll auf dem Rücken, seine Flügel klappten auf, er gab ein tiefes Stöhnen von sich, als hätte er sich bei dem Aufprall sämtliche Knochen gebrochen.

Wie schön das wäre.

»Bringt Payden weg!«, rief Akil Mark zu. »Bindet sie fest. Sie wird versuchen, sich zu befreien, sobald sie kräftiger wird.«

»Was?«, rief Mark.

»Tu es!«

Akil war sich sicher, dass Payden erneut Kedos‘ Willen folgen würde, sobald sie konnte. Er würde ebenso wenig erlauben, dass sie unter Menschen blieb. Er würde sie so schnell wie möglich zu den anderen in den Tempel bringen lassen.

»Fahr sie raus aus der Stadt. Rufe nach einer Frau namens Haley. Du wirst sie erst nicht sehen, aber sie ist da.« Bis dahin musste er Kedos ablenken, am liebsten natürlich töten, aber er war sich nicht sicher, ob er das schaffte.

»Nein!«, brüllte Kedos und kam wieder auf die Füße, aber Akil warf sich ihm erneut in den Weg. Sie verkeilten sich ineinander und schlitterten quer über die Straße.

Akil verlor kurzzeitig die Orientierung, krallte sich einfach an dem Dämon fest und schlug auf alles, was auch immer er treffen konnte. Kedos wurde immer wütender. Er packte Akil an beiden Seiten, als wollte er ihn auseinanderreißen. Akil hielt dagegen, holte aus und verpasste Kedos eine heftige Kopfnuss. Sie flogen erneut herum, Akil spähte über seine Schulter. Mark war mit Payden in einen Polizeiwagen gestiegen. Er schaltete die Sirene ein und fuhr los. Hoffentlich schaffte er es aus der Stadt. Bei dem ganzen Verkehr war es schwer vorstellbar, aber je weiter Payden weg von Kedos war, desto besser.

Der Dämon richtete sich auf, blickte ebenfalls hinter dem Wagen her und stieß ein tiefes Knurren aus. So laut, dass sogar der Schnee aus den Wipfeln der Bäume rieselte. Er drückte sich von der Erde ab, Akil sammelte seine Kraft, fuhr herum und sprang Kedos auf den Rücken. Gemeinsam hoben sie erneut ab, Akil packte Kedos‘ Kopf, ruckte ihn nach hinten und brachte ihn ins Taumeln. Sie stürzten auf die Erde, Akil wurde unter ihm begraben und röchelte nach Luft.

Kommt schon, Urahnen, es wird Zeit!

Die Stelle an seinem Handgelenk heizte sich auf. Akil gab sich dem alten Ruf der Ahnen hin, nahm ihre Stärke an und hieß sie willkommen. Kedos bemerkte die Veränderung und sprang nach oben. Er versuchte, ein weiteres Mal zu entkommen, aber Akil reagierte schneller. Er packte Kedos an den Flügeln und bog sie nach hinten durch. Die Ahnen gaben ihm mehr Kraft denn je. Akils Füße stemmten sich in den Boden, es fühlte sich an, als würden Wurzeln aus ihnen herauswachsen und ihn mit noch mehr Stärke fluten. Kedos schrie vor Schmerzen und bäumte sich auf. Sein Rücken wurde durchgedrückt, je fester Akil die Flügel bog. Er hörte Knochen krachen, Sehnen reißen. Ein Flügel klappte nach unten weg. Es war ein ekelhaftes Gefühl. Einen Teil von Akil widerte es an, das zu tun, doch dieser Dämon hatte nichts anderes verdient.

Er griff Menschen an.

Er griff die Stadt an.

Er griff Seelenwächter an.

Er griff Akils Freunde an.

Wut kochte in ihm hoch und er drückte noch fester zu. Akil nahm Kedos so fest in die Mangel, wie er es nie zuvor getan hatte. All die Kämpfe, all die Siege, all die Niederlagen, die Verluste, die Freuden, das Töten, das Fliehen. Akil hatte über zweitausend Jahre auf dem Buckel. Dieser Dämon würde ihn nicht in die Knie zwingen. Egal wie oft er austeilen wollte: Akil stünde stets bereit, um ihn aufzuhalten.

Bis er endgültig erledigt war.

Akil bekam eine Hand um Kedos‘ Kehle. Er hatte keine Ahnung, wie er den Dämon töten konnte, folgte einfach seinem Gefühl und der Stärke, die ihn durchströmte. Er umschloss Kedos‘ Hals, drückte zu und zog den Kopf nach oben. Der Dämon röchelte, schlug mit den Händen nach hinten aus, wollte seine Flügel einsetzen, aber Akil klemmte sie zwischen sich und Kedos‘ Körper ein.

»Ich hab so die Schnauze voll von dir«, zischte er Kedos ins Ohr und drückte fester zu. Das Handgelenk heizte sich weiter auf. Akil blickte auf die Stelle, an der einst das Armband gesessen hatte. Die Zeichen waren wieder auf seiner Haut entstanden und schimmerten schwarz hervor. Kedos bemerkte es ebenso, er zuckte zusammen, brüllte, ruckte, wollte sich befreien, aber es ging nicht. Akil gab alles hinein, er nahm die andere Hand dazu, legte sie Kedos an die Schläfe und zog weiter. Knochen knackten in Kedos‘ Genick. Der Dämon stemmte die Füße in die Erde, schob sich nach hinten. Akil ließ sich einfach von ihm mitziehen. Er warf einen Blick über seine Schulter. Sie waren nahe am Park, konnten diesen Tanz stundenlang durchziehen, wenn es sein musste.

Kedos hielt an, wollte nach vorne weg, doch Akil presste ihn wieder an sich. Es entstand ein kräftezehrendes Tauziehen zwischen den beiden. Keiner gab nach, keiner knickte ein. Die Zeichen der Urahnen verstärkten sich weiter auf Akils Arm. Mit ihnen kehrte eine tiefe, uralte Ruhe in ihn. Das Land wandte sich ihm zu. Es stand ihm bei, so wie es das vor Jahrtausenden getan hatte. Akil war nicht hier geboren, die Seelenwächter schon. Ein Teil von ihm gehörte nun auch hierher. Als er sein Menschsein aufgegeben hatte, hatte er sich für die Magie der Seelenwächter geöffnet.

Und er würde sie einsetzen.

Hier und heute würde er das beenden.

Er quetschte die Arme noch weiter zusammen. Kedos zuckte, doch auf einmal gab er nach. Er wurde schwächer, verlor langsam seinen Widerstand. Akil war auf dem richtigen Weg, er musste nur noch länger durchhalten, nur noch ein bisschen mehr geben.

Er konnte den Dämon besiegen, er musste ihn besiegen. Es musste ein Ende finden und ...

Plötzlich erklangen Schüsse.

Einer.

Noch einer.

Akil zuckte zusammen, wusste nicht, woher sie kamen. Kedos stöhnte auf, er wurde getroffen. Der nächste Schuss fiel, Akil spürte ein Ziehen im Arm. Aus seinem Augenwinkel bemerkte er die drei Beamten, die näher rückten und auf Akil und Kedos feuerten. Akil wurde an der Seite getroffen, fuhr herum, hielt Kedos als Schutzschild vor sich.

»Hört auf, auf mich zu schießen!«, brüllte Akil, doch es half nichts. Die Beamten strömten zu den Seiten aus und eröffneten das Feuer.

Auf beide!

Akil fluchte, wurde von den Kugeln rechts und links getroffen, genau wie Kedos. Akils Körper heilte umgehend, merzte den Schaden aus, aber die Beamten luden nach und gaben alles, was sie konnten. Akil konnte sie nicht aufhalten, wenn er Kedos nicht loslassen wollte, aber er konnte auch nicht ewig dem Kugelhagel standhalten.

Zwei weitere Beamte kamen an und eröffneten das Feuer. Junge Männer, ihre Gesichter von Angst erfüllt.

Sie reagieren irrsinnig!

Akil wurde in den Rücken, den Nacken, fast ins Gesicht getroffen. Kedos brüllte vor Zorn. Er stemmte sich nach vorne, eine Kugel erwischte Akil am Handgelenk, genau an der Stelle, auf der die Zeichen der Urahnen prangten. Blut schoss aus der Wunde, die Verbindung kappte, Kedos bäumte sich auf, spannte die Flügel, denn er bemerkte sehr wohl, dass Akil seinen Halt verlor. Er ruckte herum, stieß Akil von sich. Der fiel nach hinten, kam aber sofort wieder auf die Füße.

»Ihr Idioten!«, brüllte Akil. Die Wunde an seinem Handgelenk schloss sich, die Haut fügte sich zusammen, die Zeichen der Urahnen kehrten sofort zurück. Aber es war zu spät! Kedos klappte die Flügel auf, dehnte sie aus, brüllte und riss die Arme nach oben. Die Beamten feuerten weiter, konzentrierten sich nun auf den Dämon statt auf Akil.

Kedos schüttelte sich nur, stieß sich von der Erde ab und flog gen Himmel. Die Männer schossen, bis sie keine Munition mehr hatten, dann ließen sie die Waffen sinken.

Akil stolperte ein paar Schritte nach vorne und starrte Kedos hinterher, der am Himmel verschwand, bis nur noch ein dunkler Fleck von ihm zu sehen war.

»Bleiben Sie, wo Sie sind, nehmen Sie die Hände hoch!«, rief einer der Männer mit zitternder Stimme und richtete seine Waffe auf Akil. Er hatte nachgeladen, genau wie die anderen.

Akil drehte sich um die Achse und schüttelte den Kopf. Er kannte keinen der Beamten, es waren Frischlinge, Dummköpfe! Kurz überlegte er, sich zu ergeben, doch er konnte nicht länger bleiben. Er musste nach Ben sehen, dafür sorgen, dass Payden aus der Stadt kam. Die Beamten rückten näher auf, Akil sammelte seine verbliebenen Kräfte und wartete, bis sie ihn fast erreicht hatten. Einer zückte Handschellen, wollte sie ihm anlegen. Akil zog den Kerl an sich, reagierte so schnell, dass dieser kaum eine Chance hatte, sich zu verteidigen. Er schlug ihn mit ein paar gezielten Hieben nieder, legte stattdessen ihm die Handschellen an und ging auf die beiden anderen los. Sie wollten feuern, waren aber dieses Mal zu spät. Akil schaltete sie mit Leichtigkeit aus. Nicht so schlimm, dass sie sich nicht gleich erholen würden, das verhinderte seine Moralsperre; aber genug, damit er abhauen konnte.

Der Kampf war noch nicht vorüber. Akil eilte aus dem Park und pfiff nach seinem Parsumi. Er war zwiegespalten zwischen Paydens Sicherheit und Bens Wohlergehen. Doch Ben war wenigstens im Krankenhaus und wurde versorgt.

Hoffentlich schafften die Ärzte das auch!

Kedos war erst mal weg, aber er würde Payden nicht draußen herumlaufen lassen. Akil musste dafür sorgen, dass sie nicht wieder in seine Hände gelangte! Er musste zuerst zu ihr.

2. Kapitel

Derek blickte Kjell hinterher und lächelte zufrieden. Er war so weit gekommen. Akil war bei Kedos, er selbst hatte sich von Ananka befreit. Nun musste er nur noch die Spuren verwischen, die ihn mit der Heilerin in Verbindung brachten, aber das sollte nicht allzu schwer sein. Kjell und Marysol waren erst mal beschäftigt, sich um Akil zu sorgen und zu überlegen, ob diese Beben im Tempel von Kedos verursacht wurden. Das ließ ihm mehr als genug Zeit.

Er drückte sich von der Wand ab und schleppte sich die Treppe nach oben, die ihn zurück zur großen Halle führen würde. Marysol saß zusammengesunken am Tisch in der Mitte und trank einen Becher mit Heilsirup. Derek hielt nach wie vor das Schwert, das sie zur Initiierung der Ratsmitglieder brauchten, nutzte es als Gehstock und gab sich wieder als der gebrechliche Mann, den er schon die ganze Zeit gemimt hatte; wobei er gar nicht so viel schauspielern musste: Der Kampf mit Akil und die viele Magie, die er heraufbeschworen hatte, um die Wände in dem Initiierungsraum reißen zu lassen, hatten ihn viel Kraft gekostet. Er musste sich so schnell wie möglich das Serum injizieren, das er mithilfe von Ananka hergestellt hatte. Das Zeug hatte ihn immerhin aus dem Rollstuhl geholt. Noch ein paar Monate länger und er wäre hoffentlich wieder ganz der Alte. Vorausgesetzt, Kedos hätte bis dahin nicht alle Magie und Elemente zerstört.

Ananka hatte Derek vor ihrem Tod gesagt, dass er sich schützen könnte, indem er sich Blut von Emma, Valerian, Barry oder Payden spritzte. Die ersten beiden waren im Tempel untergebracht, es sollte also nicht schwierig sein, welches zu bekommen. Die Frage war nur, ob er das auch tun sollte. Ananka mochte Derek geholfen haben, aber er vertraute ihr nicht. Es konnte genauso gut sein, dass er sich dadurch erst recht zum Opfer machte. Diese Option würde er also bis zum Schluss hinausschieben.

»Marysol«, sagte er, lehnte das Schwert an den Tisch und goss sich selbst Heilsirup ein. Sie starrte auf die Klinge, die sie schwer verletzt hatte, und rümpfte die Nase. Hätte Marysol sich nicht zwischen das Schwert und Akil geworfen, als dieses von der Decke gefallen war, wäre sie nicht verwundet worden und Akil tot. Derek hätte diesen Aufwand nicht betreiben und ihn zu Kedos schicken müssen. Aber mit ein wenig Glück hatte Akil sein Leben bereits ausgehaucht. So angeschlagen, wie er gewesen war, konnte er unmöglich einen Kampf gegen Kedos gewinnen.

Derek nahm einen kräftigen Schluck des Sirups. Sofort entfaltete die wohltuende Wirkung sich in ihm und gab ihm einen neuen Energieschub. Es war nicht genug, doch immerhin konnte er ein wenig freier atmen.

»Was ist mit Akil?«, fragte sie müde.

»Ich weiß es nicht. Kjell sucht nach Spuren, aber ich fürchte, er wird keine finden.« Er erzählte Marysol das gleiche Märchen, das er Kjell eben schon aufgetischt hatte; dass Kedos angegriffen hatte, Akil davongerissen worden war. Sie wurde bei jedem seiner Worte blasser und blasser. Derek musste sich das Grinsen verkneifen, stützte sich stattdessen auf dem Tisch ab und tat betroffen. »Ich wollte ihn aufhalten, wirklich. Aber ich konnte nicht viel ausrichten. Das Portal hat ihn einfach mit sich gezerrt. Ich hatte Glück, dass ich nicht auch mit hineingezogen worden bin.«

»Glück.« Ihre Stimme klang skeptisch. Sie kniff die Augen zusammen und fixierte ihn finster. »Erwartest du von mir, dass ich dir das glaube? Diese ganze Aktion kommt dir doch mehr als gelegen!«

»Das ist nicht wahr.«

»Du hasst Akil!«

Derek schnappte nach Luft. Er würde seine Abneigung natürlich nicht leugnen, dennoch musste er aufpassen, wie weit er sich aus dem Fenster lehnte. »Ich verabscheue die Familie, daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Doch er gehört zu unserer Gemeinschaft und in den Rat. Wir sind stärker, wenn wir alle Elemente zusammenhaben, schon gar in Zeiten wie diesen. Meine persönlichen Belange spielen keine Rolle.«

Marysol schüttelte den Kopf, stand auf, schwankte, musste sich ebenfalls am Tisch abstützen. »Ich werde Kjell helfen.«

»Du kannst ihm nicht helfen und solltest dich besser ausruhen.«

Ihre Seite war blutüberströmt. Die Wunde war durch ihre Kleidung bedeckt, aber vermutlich war sie lange nicht geheilt. Das Schwert war eine gefährliche Waffe gegen Seelenwächter.

Marysol zischte nur, nahm einen weiteren Schluck vom Heilsirup und wollte loslaufen, doch schon nach dem ersten Schritt klappte sie wieder zusammen. Derek verhielt sich still. Er konnte und wollte ihr nicht helfen, er musste sich erst um sich kümmern. Im Grunde musste er sich nur so lange aus der Schusslinie halten, bis die Sache mit Kedos ausgestanden war. Er hatte nicht vor, ihm genauso hörig zu werden wie die Feuerwächter am Flughafen.

»Womöglich sollte ich mich ganz zurückziehen. Ich bin nicht in der Lage zu kämpfen und ein viel zu großes Risiko. Wir haben gesehen, was Kedos mit meinem Element gemacht hat. Ich spüre, wie der Dämon an mir zieht. Wenn er mich umdrehen und für seine Zwecke einspannen sollte, wäre das nicht gut. Ich habe viel zu viel Einfluss in der Gemeinschaft.«

Marysol kniff die Augen zusammen und gab ihm so zu verstehen, was sie von dieser Ansage hielt: Du bist ein Feigling. Doch statt ihm zu widersprechen, nickte sie nur.

»Mach, was du willst.« Sie probierte erneut, sich aufzurichten und schaffte es dieses Mal, ein paar Schritte zu gehen.

Derek schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Er musste sich auf sich selbst konzentrieren und darauf, dass er wieder mehr Kraft bekam. Zur Not würde er sich irgendwo verstecken und die Sache aussitzen, bis der Dämon endgültig besiegt war.