Die drei !!!, 1, 2, 3 - Betrügerei! (drei Ausrufezeichen) - Maja von Vogel - E-Book

Die drei !!!, 1, 2, 3 - Betrügerei! (drei Ausrufezeichen) E-Book

Maja von Vogel

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Beschreibung

Zwei Die drei !!!-Fälle in einem Doppelband. Franzi, Kim und Marie besuchen das schicke Internat Schloss Hohenstein. Eine Schülerin bittet die Freundinnen um Hilfe – und verschwindet spurlos. Die Ermittlungen führen die Freundinnen immer tiefer hinein in die undurchsichtige Internatswelt. Die drei !!! sind in Hamburg unterwegs. Doch die Sightseeing-Tour muss warten. Wer hat Till den Song geklaut, der jetzt die Charts stürmt? Die Detektivinnen stecken mitten drin in einem neuen Fall. Diebstahl und Erpressung, Freundschaft und Gefühle – starke Geschichten in einem Doppelband. Die perfekte Urlaubslektüre!

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Seitenzahl: 287

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Titel

Die drei !!!1, 2, 3 - Betrügerei

Zwei Fälle in einem Band

Maja von Vogel

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © Ina Biber, Gilching

© 2023, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50747-6

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ÜBERRASCHENDER ANRUF

»Hey, ihr seid ja beide schon da!« Franzi winkte ihren Freundinnen zu, als sie ins Café Lomo eintrat und Marie und Kim bereits auf dem Lieblingsplatz der drei !!! sitzen sah. Franzi setzte sich neben die beiden auf das gemütliche Sofa.

»Für meine liebsten Freundinnen habe ich mich heute in Windeseile aus dem Kostüm der Titania, der Königin der Elfen, gepult«, sagte Marie begeistert.

»Hast du denn mittlerweile deinen Text drauf?«, fragte Kim. »›Schlafe! Dich sollen indessen meine Arme umschlingen. Fort, ihr Elfen, fort nach allen Seiten! So zart umgeben mit lieblichen Blumenranken. Das Geißblatt ist so weiblich zart, das Efeu seiner Ulme raue Finger. Ach, wie ich dich liebe! Ach, wie ich die vergöttere!‹«, gab Marie dramatisch einige Textzeilen aus Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare zum Besten. »Klingt doch schon ganz gut, oder?«

»Toll, Titania«, lobte Franzi. »Aber wenn du dir jetzt bitte den letzten Elfenstaub aus den Haaren schüttelst … wir sind nämlich mit Marie verabredet.«

Marie schüttelte lachend ihre langen blonden Haare, Glitzerstaub wirbelte auf. »So, jetzt bin ich wieder Marie Grevenbroich – und den Rest der Ferien bin ich auch ganz für euch da. Heute war nämlich die letzte Probe vor Pfingsten. Bis zur Aufführung habe ich noch genügend Zeit, auch die restlichen Passagen sauber einzustudieren.«

»Das heißt?«, fragte Kim.

»Wir können uns jeden Tag im Lomo treffen, auf einen neuen Fall warten, durch die Stadt bummeln, Eis essen und …«

»Ich bin eigentlich ganz froh, wenn die drei !!! mal ein paar Wochen verschnaufen können. Der letzte Fall sitzt mir noch immer in den Knochen.«

Die drei Detektivinnen hatten erst vor ein paar Wochen einen wirklich rätselhaften Fall gelöst, bei dem Franzi fast ertrunken wäre. Kein Wunder, dachte Marie, dass sie vorerst von den gefährlichen Ermittlungen genug hat, bei denen wir immer wieder Kopf und Kragen riskieren. Marie klopfte ihr nachträglich noch einmal anerkennend auf die Schulter.

»Du warst wirklich mutig. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie du in den eiskalten See gesprungen bist, um Dunja zu retten.« Marie zog fröstelnd die Schultern zusammen.

»Und dabei hast du dich selbst in große Gefahr gebracht!« Kim blickte ihre Freundinnen ernst an. »Wir dürfen in Zukunft nicht mehr so leichtsinnig sein. Ich möchte nicht noch so eine Standpauke von Kommissar Peters bekommen.«

»Ach, das war ja nicht das erste Mal, dass wir Kommissar Peters’ Predigt über uns ergehen lassen mussten. Der Gute ist eben immer eine Sekunde zu spät am Tatort.«

»Aber ich bin froh, dass wir ihn anrufen können, wenn es gefährlich wird«, warf Kim ein.

»Ja, ich auch. Leider kann er mich nicht aus der unangenehmen Situation zu Hause rausboxen. Da muss ich wohl alleine durch. Lasst uns schnell einen Kakao Spezial bestellen. Ich kann eine Stärkung gebrauchen. Das anstehende Gespräch mit meinem Vater und Tessa wird ganz sicher nicht leicht. Mein Vater hat sehr ernst geklungen, als er mich heute Morgen zum Familientreffen dazubat.« Marie sah nicht glücklich aus, als sie bei der Kellnerin drei mit Vanillearoma verfeinerte Kakaos bestellte.

Sie ahnte, worum es gehen würde. Und dieses Mal konnte sie sich nicht drücken. Seit vor einiger Zeit Tessa, die neue Freundin ihres Vaters, mit ihrer Tochter Lina in die Wohnung von Marie und Helmut Grevenbroich gezogen war, war nichts mehr wie vorher. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte Marie alleine mit ihrem Vater in dem noblen Penthouse im besten Viertel der Stadt gelebt. Doch dann hatte sich Herr Grevenbroich, der als Hauptdarsteller der Vorabendserie Vorstadtwache berühmt geworden war, in die Kamerafrau Tessa verliebt und damit auch Maries ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Die Zeiten, in denen er sich nur um sie gekümmert hatte, waren vorbei. Marie seufzte tief.

»So schlimm?«, fragte Franzi und warf ihr einen langen Blick zu.

»Ach, es geht wohl mal wieder um den anstehenden Umzug.«

»Habt ihr denn schon ein Haus gefunden, das euch allen gefällt?«, hakte Kim nach.

»Bisher noch nicht. Aber ich ahne, was später auf mich zukommt …«

Während sie den Kakao schlürften, taten Franzi und Kim alles, um Marie auf andere Gedanken zu bringen. Franzi versuchte sie mit ein paar Sätzen über eines ihrer Lieblingsthemen abzulenken: Felipe. Seit sie ihn vor einiger Zeit bei Ermittlungen im Freizeitpark Sugarland kennengelernt hatte, schlug ihr Herz ganz laut für den Halbmexikaner mit den wärmsten braunen Augen, in die sie je geblickt hatte.

»Felipe kommt am Samstag endlich aus Mexiko zurück. Ich freu mich so!« Übermütig klatschte sie in die Hände. Das lenkte Marie zwar für ein paar Sekunden von dem bevorstehenden Gespräch zu Hause ab, brachte ihr aber auch gleich etwas anderes in Erinnerung. Ihre Gedanken sprangen zu ihrem Ex-Freund Holger, dem sie zur gleichen Zeit wiederbegegnet war, als Franzi Felipe kennengelernt hatte. Sofort hatte er ihr Herz wieder aus dem Takt gebracht – wenn auch nur ganz leicht. Sie überlegte kurz, ob sie ihn nachher anrufen sollte. Wenn es ganz schlimm werden würde mit Tessa und ihrem Vater, würde er sie bestimmt gut trösten können. Weiter kam sie mit diesem Gedanken aber nicht, denn Franzis Schwärmereien für Felipe wurden immer überschwänglicher.

»Erinnert ihr euch noch, als er …«

»Franzi!«, mahnte Marie sanft, bevor Franzi zu ausführlich werden konnte, und warf einen Seitenblick in Richtung Kim, die stumm in ihrem Kakao rührte. Marie wusste, dass sie immer noch kreuzunglücklich über die Trennung von ihrer großen Liebe Michi war. Auch wenn Kim sich von Michi getrennt hatte, fiel es ihr nicht leicht und die Liebesgeschichten ihrer Freundinnen waren für sie zurzeit wahrscheinlich nicht die beste Ablenkung. Franzi hatte Maries Warnung verstanden und war zu einem harmlosen Gesprächsthema übergegangen. Marie musste sich also keine Sorgen mehr um Kims Seelenheil machen und konnte die beiden beruhigt alleine lassen.

»So, ihr zwei, ich muss jetzt wirklich los. Knabbert einen Donut für mich mit«, sagte Marie, während sie auf ihre Armbanduhr schaute, und warf dann einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Theke des Lomos, auf der die verlockenden Gebäckkringel standen.

»Mach’s gut, Marie, du packst das schon!«, sagte Kim.

»Kommt ihr später noch bei mir vorbei? Zu einer Wellnessstunde? Ich habe ein ganz tolles neues Rezept für eine Gesichtsmaske. Mit Avocado, Hafer und Honig!«

»Ich bin dabei!«, entschied Franzi. »Hört sich gut an.« Es war rauszuhören, dass sie nur zustimmte, weil sie wusste, dass Marie sich über ihre Zusage freuen würde. Gesichtsmasken waren normalerweise nicht ihr Ding.

»Ich komme natürlich auch. Bis später!« Kim winkte Marie hinterher, die mit hängenden Schultern das Café Lomo verließ.

»Und, wie war’s?«, fragte Kim, kaum dass Marie ihnen am Abend die Tür geöffnet hatte und ihre Freundinnen in ihr Zimmer führte.

»Ich erzähle es euch gleich in Ruhe. Das Beautywunder ist schon fertig angerührt.«

Franzi und Kim zogen ihre Jacken aus und ließen sich dann auf Maries riesiges Bett in die Kissen plumpsen.

»Sollen wir das neue Album der Boyzzz hören? Dabei können wir bestimmt ganz ausgezeichnet entspannen«, fragte Marie. Die ersten Klänge der Lieblingsband von Franzi, Kim und Marie hallten durch den Raum und Marie, die eben noch angespannt gewesen war, wurde ruhiger.

Marie verteilte Handtücher und stellte jedem ein Glas frisch gepressten Orangensaft hin. »Der gehört zum Wellnessprogramm. Und das auch! Danach ist unsere Haut gut durchblutet und sanft wie ein Babypopo – sie riecht aber deutlich besser!«, sagte Marie lachend und hielt Franzi und Kim die große Keramikschüssel mit einer grünlichen Pampe unter die Nase.

»Hmmm, riecht gut. So frisch!« Kim steckte einen Finger in die Schüssel. »Und schmeckt sogar!«

»Das ist Nahrung für die Haut, nicht für deinen Magen«, entgegnete Marie und zwinkerte dabei ihrer Freundin zu.

Während sie ihren Freundinnen die Gesichtsmasken auftrug, erzählte sie von dem Gespräch mit Tessa und ihrem Vater.

»Dass unser Penthouse zu klein für alle ist, ist mir ja auch klar. Aber irgendwie möchte ich noch nicht ausziehen. Hier war Mama doch so glücklich. Ich habe Angst, dass ich alle Erinnerungen an sie verliere, wenn ich in einem anderen Haus wohne.«

»Das wird nicht passieren«, tröstete Kim sie. »Du trägst die Erinnerungen in deinem Herzen – für immer.«

»Ja, ich weiß. Trotzdem …« Marie schluckte. »Meine Mutter hat mir doch früher immer Let it be vorgesungen – am besten mache ich im neuen Haus gleich als Erstes einen Song von den Beatles an und beschalle das ganze Haus damit!«

»Das ist eine tolle Idee!«, sagte Kim.

Marie war noch immer nicht ganz zufrieden.

»Jetzt ist der Umzug auf einmal Realität geworden. Bedrohliche Realität! Sie haben ein Objekt …«, sie äffte den gewichtigen Tonfall ihres Vaters nach, »… gefunden, das sie wirklich brennend interessiert. Sie wollen es sich unbedingt noch vor Pfingsten ansehen, bevor es uns jemand anderes wegschnappt.«

»Irgendwann wird es sowieso zum Umzug kommen, Marie. Du kannst nicht immer vor der neuen Situation davonrennen.« Kim strich ihr über den Arm.

»Ich weiß, aber muss es ausgerechnet jetzt sein? Ich mag Tessa ja irgendwie. Und mein Vater ist richtig aufgeblüht, seit sie hier wohnt. Er strahlt immerzu und ist ganz anders als früher. Sogar unsere ausgemachten Vater-Tochter-Tage hat er noch nie abgesagt. Trotzdem: Mir geht das alles zu schnell. Ich brauche noch Zeit.«

»Wofür? Um auch noch deinen Schreibtisch mit einer Alarmanlage vor den Übergriffen von Lina zu schützen, so wie du es mit deinem Kleiderschrank machst?«, warf Franzi scherzhaft ein, um Marie aufzumuntern.

»Ach, die kleine Nervensäge … ich krieg echt langsam die Krise …«

Wie von Geistern gerufen stand Lina auch schon im Zimmer.

»Was willst du?«, fauchte Marie sie an.

»Ich wollte fragen, ob du mir das gelbe Shirt mit den Pailletten ausleihen kannst.«

»Was? Das Shirt ist nagelneu!«, stellte Marie klar.

Zwischen die melodischen Klänge der Boyzzzz mischte sich plötzlich ein anderer Ton. Alle starrten Maries Handy an, das nicht nur lärmend, sondern auch vibrierend auf Maries Bett wippte, und dann hafteten die fragenden Blicke auf Marie. »Das ist dieser Smashhit von DER Newcomerband schlechthin. Kennt ihr Ultimate Question nicht?«, fragte Marie.

Lina schüttelte heftig den Kopf.

»Du kennst dich sowieso mit nichts aus …« Marie verdrehte genervt die Augen. »Ritter Zartbitter muss man einfach kennen!«

Bei Franzi machte es klick. Sie nickte. Auch bei Kim fiel der Groschen. »Klar, der Song läuft doch dauernd im Radio!«

Franzi schubste Marie leicht an. »Warum gehst du nicht ran?«

»Es ist Jo«, hauchte Marie, ihren Blick aufs Display geheftet.

»Du hast seine Nummer immer noch gespeichert?«, wunderte sich Franzi. »Ich dachte, der Typ ist längst Geschichte.«

»Ist er auch«, verteidigte sich Marie. »Ich habe nur vergessen, seine Nummer zu löschen.« Marie wunderte sich selbst, dass Jos Nummer noch immer in ihrem Handy gespeichert war.

Ach, was soll’s, dachte sie. Jo ist ein Freund, aus welchem Grund hätte sie seine Nummer löschen sollen? Die Erinnerungen an die Zeit in Südengland wurden plötzlich wieder lebendig. Zusammen mit Kim, Franzi und Jo, den sie bei dem Sprachurlaub kennengelernt hatten, hatten sie viele lustige Stunden an der Küste verbracht. Nur weil sie sich einmal geküsst hatten und er sich nach dem Sommerflirt lange nicht mehr gemeldet hatte, sollte sie jetzt noch beleidigt sein? Marie schüttelte den Kopf. Blödsinn. Er wohnt schließlich nicht in unserer Stadt, dachte Marie, sonst hätten wir uns bestimmt noch ein paar Mal getroffen. Er ist ein netter Kerl, seine Nummer in meinem Handy hat seine Berechtigung. Den kleinen Stich in ihrem Herzen hingegen fand sie ungerechtfertigt.

»Nun geh schon ran, Marie!«, unterbrach Franzi ihre Gedanken.

Marie nahm das Gespräch entgegen und hörte Jos vorwurfsvolle Stimme: »Hey, brauchst du immer so lange, um dein Handy zu finden?«

»Brauchst du immer so lange, bis du dich mal meldest – unser letztes Gespräch ist Lichtjahre her«, konterte Marie direkt. Die Eiseskälte in ihrer Stimme hätte ausgereicht, um die ganze Welt augenblicklich gefrieren zu lassen.

Kein Wunder, dass Jo verunsichert antwortete: »Ähm, wenn ich jetzt sage, ich wollte nur mal hören, wie es dir geht, dann wäre das ein ziemlich schwacher Anfang, oder?«

»Versuch es, vielleicht bekommst du ja eine Antwort.«

»Marie«, zischte Kim und stieß ihre Freundin an. »Sei doch nicht so hart zu ihm.«

»Warte mal kurz, Jo, ich geh eben in die Küche, Franzi und Kim sind zu Besuch und werfen bestimmt gleich mit Avocadocreme nach mir, wenn ich sie weiter mit unserem Gespräch in ihrer Entspannungsphase störe.« Marie hielt das Handy gegen ihre Brust und sauste in die Küche. Im Vorbeigehen wies sie Lina gleich mit in die Schranken. »Raus hier, das ist mein Reich!« Dann wandte sie sich wieder Jo zu.

»Was wollte er?«, fragte Kim ungeduldig, als Marie aus der Küche zurückkam.

Marie stemmte lässig die Hände in die Hüften und grinste ihre Freundinnen vielsagend an. »Mich sehen«, flötete sie zuckersüß.

»Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.« Kim sah Marie herausfordernd an. »Ist er in der Stadt? Nun sag schon!«, drängelte sie.

Marie sah ihr an, dass sie mindestens genauso überrascht über Jos Anruf war wie sie selbst. Aber so schnell wollte sie die Neugier ihrer Freundin nicht stillen. »Langsam, langsam, ich muss erst einmal Luft holen«, winkte Marie ab und ließ sich auf ihr Bett fallen. Theatralisch atmete sie tief ein und aus, während sie zwei neugierige Augenpaare anstarrten.

»Mach es nicht so spannend, Marie«, forderte jetzt auch Franzi.

»Jo hat mich nach Hamburg eingeladen.«

Franzi und Kim fielen gleichzeitig die Kinnladen runter. Stumm starrten sie Marie an.

»Na ja, besser gesagt: Er hat uns nach Hamburg eingeladen.«

»Aha«, sagte Kim verdutzt. Auch Franzi schien erstaunt und fragte: »Wieso? Wieso jetzt? Nach wie vielen Erdumdrehungen, Monduntergängen, gefallenen Sternschnuppen?«

»Ach, er sagte irgendetwas von einem Praktikum, das er bei einer Werbeagentur macht und das jetzt zu Ende geht. Er wohnt wieder bei seinem Cousin in Hamburg in einem der hippen Stadtteile und wollte uns die Elbmetropole zeigen, bevor er zurück zu seinen Eltern in einen der Vororte zieht.«

»Das ist alles? Er will für uns den Stadtführer spielen?« Kim legte die Stirn in Falten. »Und mehr steckt da nicht dahinter?«

»Er hat Urlaubsfotos aus England in einer Kiste gefunden, als er am Wochenende bei seinen Eltern nach irgendetwas suchte, und hat sich wohl daran erinnert, wie viel Spaß wir zusammen in Eastbourne hatten.«

»Den hatten wir wirklich. Wenn ich nur an diesen geschmolzenen frittierten Marsriegel denke, den wir mit Zahnstochern auseinandergenommen haben«, erinnerte sich Franzi und kicherte.

»Ich erinnere mich eher an etwas anderes.« Kim schmunzelte.

»Heiße Küsse im Mondlicht, sag ich nur.«

»Kim!« Marie warf ihrer Freundin ein Kissen an den Kopf, das zum Glück nur ihr Haar streifte, sonst wäre es ein Avocadokissen geworden.

»Ich mein ja nur …«

»Das ist ewig her. Was ist jetzt, fahren wir nach Hamburg?«, lenkte Marie schnell ab, obwohl sie selbst nicht sicher war, ob sie überhaupt fahren wollte. Eigentlich hatte sie Jo zum Blödmann erklärt, nachdem er auf ihren letzten Anruf nicht reagiert hatte. Und das, obwohl sie ihm eine lange Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Aber auch das war schon ewig her. Irgendwie fühlte sie sich dennoch auch geschmeichelt, dass er nach all der Zeit noch an sie dachte. Und in Hamburg gibt es bestimmt viel zu entdecken, überlegte sie. Das alleine wäre einen Kurztrip wert. Und außerdem könnte sie so der unangenehmen Hausbesichtigung entkommen.

»Und wann? Jetzt gleich?«, fragte Kim.

»Klar, Kim, sag schon mal deinen nervigen Brüdern Tschüss. Und du, Franzi, deinem geliebten Pony Tinka!« Und schon wischte sich Marie die längst eingetrocknete Avocadocreme aus dem Gesicht und kramte dann ihren roten Rollkoffer unter dem Bett hervor, ohne den sie nie auf Reisen ging.

»Du meinst es wirklich ernst, oder?«, fragte Franzi. »Felipe kommt am Samstag zurück, schon vergessen? Und ich freue mich schon so darauf, ihn endlich wiederzusehen! Ich werde jetzt ganz bestimmt nicht Hals über Kopf die Stadt verlassen, um mir in Hamburg den ewigen Nieselregen auf die Stirn tröpfeln zu lassen. Davon hatten wir hier die letzten Wochen genug.«

»Das ist nur ein Vorurteil, Franzi. Hamburg ist total schön. Mein Vater hat da mal gedreht und noch Wochen später von der Stadt geschwärmt. Und bis Felipe wiederkommt, sind wir längst zurück. Kommt schon, ein paar Tage Weltstadtluft schnuppern tut uns allen gut«, trällerte Marie unternehmungslustig und tat so, als sei die Sache damit beschlossen. Eine Entdeckungstour würde sie jetzt ganz bestimmt aufmuntern und die unumgängliche Besichtigung des neuen Hauses erst einmal in den Hintergrund schieben.

Franzi und Kim ließen sich von Maries Elan anstecken und willigten schließlich ein, mit nach Hamburg zu kommen. Nachdem auch ihre Freundinnen die Gesichtsmasken gründlich entfernt und die Saftgläser geleert hatten, brachte Marie Franzi und Kim zur Tür.

»Ich rede jetzt mit meinem Vater, ihr holt auch die Einwilligung eurer Eltern, und danach besprechen wir alles Weitere am Telefon. Abgemacht?«, fragte Marie.

»Abgemacht«, antworteten Franzi und Kim einstimmig.

»Ich rufe Jo dann gleich an und sage zu, wenn mit unseren Eltern alles klargeht. Der wartet bestimmt schon auf meinen Anruf. Ich hatte ihn gebeten, mir eine Minute Zeit zu geben, um mich mit euch zu besprechen.«

»Die Minute ist längst vorbei«, stichelte Franzi und grinste breit.

»Manche Minuten sind eben etwas länger.« Marie zuckte mit den Schultern. »So ist das nun mal.«

AUF NACH HAMBURG!

Alle Eltern hatten ihren Mädchen den kurzfristigen Hamburg-Trip erlaubt. Und Tessa hatte sich sogar bereit erklärt, Chauffeurin zum Bahnhof zu spielen.

»Der Stau hat uns gerade noch gefehlt!«, sagte Tessa und zog die Stirn kraus, nachdem sie drei Mal leidenschaftlich auf die Hupe gedrückt hatte.

»Wir haben noch genug Zeit.« Marie schaute auf ihre Armbanduhr. »Das ist echt nett, dass du Kim und Franzi abholst und uns dann zum Bahnhof fährst. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so früh losfahren müssen.«

Maries Wecker hatte schon vor Sonnenaufgang geklingelt. Um acht Uhr ging der einzige Zug nach Hamburg, in dem noch drei Plätze in einem Abteil zu reservieren gewesen waren. Sie hatte sich nicht nur vorgenommen, nie wieder so kurzfristig über Pfingsten eine Reise in eine Großstadt zu buchen, sondern auch, pünktlich abfahrtbereit zu sein. Für die Metropole hatte sie sich ein cooles Reiseoutfit zusammengestellt. Sie hatte einen übergroßen beigen Blazer angezogen, darunter ein weißes Top. Ihre Beine steckten in einer lässigen Jeans und die Füße in weißen Sneakers. Eigentlich wollte Marie ihre Haare offen tragen, aber irgendwie spielten diese nicht mit, und dann fehlte plötzlich doch die Zeit, sodass sie sich für einen schnell hochgebundenen Zopf entschieden hatte.

Sie blickte zufrieden in den Schminkspiegel im Auto.

»Du siehst klasse aus«, stimmte Tessa Maries prüfendem Blick zu. Irgendwie wurde Tessa Marie immer sympathischer.

Auch Kim hob anerkennend die Augenbraue, als Tessa sie einsammelte und sie sich auf die Rückbank des Autos schob. Nur Franzi, die als Letzte abgeholt wurde, zog Marie auf, als diese aus dem Auto stieg, um Franzi mit ihrem Gepäck zu helfen: »Ach, fliegen wir nach New York zur Modenschau?«

»Hamburg, New York … Wo ist der Unterschied?«, fragte Marie amüsiert. »Bist du fertig?«

»Sofort, sofort! Ich muss nur noch mal schnell zur Weide laufen, um mich von Tinka zu verabschieden.«

Marie wusste, wie sehr Franzi ihr Pony Tinka liebte. Sie hoffte nur, dass Franzi ihrem hinkendem Huhn Polly schon Auf Wiedersehen gesagt hatte. Nicht, dass sie es jetzt erst noch suchen musste. Wer wusste schon, wo Polly wieder umherflatterte.

Franzi lebte mit ihren Eltern etwas außerhalb der Stadt, umgeben von Bauernhöfen und viel freier Fläche. Und wenn Polly mal wieder ausgebüxt war, würden die drei !!! den Zug doch nicht mehr rechtzeitig erreichen. Selbst wenn Tessa jedem Stau und jeder roten Ampel ausweichen würde. Marie seufzte. Aber sie hatte sich umsonst Sorgen gemacht.

Schwungvoll nahm Franzi kurz darauf neben Kim Platz und die Fahrt ging weiter. Trotzdem machte sich in Marie Unruhe breit. Irgendwie fühlte es sich so an, als würden Ameisen über ihren ganzen Körper trippeln. Hamburg, Jo, neue Villa, Holger … Zurzeit war ihr Leben mal wieder richtig turbulent.

»Der Zug, der Zug!«, rief Marie nervös, nachdem Tessa die drei !!! zum Bahnsteig gebracht hatte und der Zug in Richtung Hamburg bereits eingefahren war.

»Marie, wir haben noch fünf Minuten Zeit. Entspann dich!«, bat Franzi und ruckelte ihren Rucksack zurecht.

Als sie ihre drei reservierten Plätze in dem Abteil gefunden und sich gesetzt hatten, sagte Marie: »Ich bin so aufgeregt! Ich wollte schon immer mal nach Hamburg. Und jetzt sitzen wir alle drei zusammen im Zug. Ist das nicht toll?«

Kim und Franzi, deren gerötete Wangen sicherlich auch von der Vorfreude kamen, sprudelten dann ebenso fast über vor Unternehmungslust.

»Wir müssen unbedingt ins Literaturhaus. Bestimmt inspirieren mich die in den Räumen hängen gebliebenen Gedanken der Schriftsteller mal wieder zu einer eigenen Geschichte.« Kim nahm ihren Hamburg-Führer zur Hand, den ihr ihre Mutter mitgegeben hatte, und schlug die Seiten auf, auf denen die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Kurzform vorgestellt wurden.

Seit Kim den Detektivclub ins Leben gerufen hatte, fehlte ihr die Zeit zum Schreiben. Aber tief in ihrem Herzen war sie eben nicht nur Detektivin, sondern auch Krimiautorin.

Marie machte ihr Mut: »Klar gehen wir dahin. Aber wehe, du vergisst in deinen kommenden Werken, Marie Grevenbroich und Franziska Winkler zu erwähnen!«

»Ich kann auf eine namentliche Nennung gerne verzichten«, sagte Franzi. »Ich möchte nicht als Leiche in einer von Kims Kurzgeschichten enden.«

»Nein, dir würde ich die Rolle einer rasend schnellen Skaterin andichten, die alle Kriminellen in Hamburg in Sekundenschnelle einholt und zur Rede stellt.« Kim schmunzelte. »Ob ich wohl jemals so berühmt werde wie Agatha Christie?«

»Gib dein Bestes!«, sagte Marie und nahm Kim den Reiseführer über Hamburg aus der Hand.

»Wow, guckt euch das mal an!« Marie hatte eine Seite mit prunkvollen Villen aufgeschlagen und zeigte sie ihren Freundinnen. »In so eine Villa würde ich auch ziehen, die muss ich mir unbedingt ansehen – zumindest von außen. Ich bin sicher, da gibt es einen Swimmingpool, eine Sauna und ein eigenes Badezimmer wäre da sicherlich auch kein Problem. Dann müsste ich mir nie wieder mit Lina das Bad teilen! Ach, das wäre schön. Bei den großen Grundstücken würde ich sogar auf eine Dachterrasse verzichten.«

»So groß, wie die Grundstücke sind, könntest du deinen Vater vielleicht sogar überzeugen, dir ein eigenes kleines Haus nebenan zu bauen. Dann bräuchtest du mit Lina noch nicht einmal mehr den Frühstückstisch zu teilen«, sagte Franzi und blätterte ebenfalls in dem Stadtführer.

Sie entdeckte einen Artikel über einen Skatepark, der gerade eröffnet worden war, und hielt sich mit ihrem Wunsch, diesen zu besichtigen, genauso wenig zurück wie Kim und Marie mit ihren Plänen. Das Heft ging fast die ganze Bahnfahrt hin und her. Die drei Freundinnen entdeckten in dem Reiseführer so viel, was sie sich anschauen wollten, dass schnell klar war, dass für Jo tatsächlich nur die Rolle als Stadtführer bleiben würde.

»In Hamburg gibt es so viel Spannendes, ohne Ortskenntnisse schaffen wir bestimmt nur die Hälfte, weil wir uns ständig verlaufen würden. Hoffentlich weiß Jo, was er sich damit antut, uns drei einzuladen und zu versprechen, uns die Stadt zu zeigen!«, sagte Marie und wusste jetzt schon, dass es für Jo nicht leicht werden würde, geduldig zu bleiben, während sie alle wichtigen Sehenswürdigkeiten abklapperten.

Als die Durchsage »Wir erreichen in wenigen Minuten Hamburg Hauptbahnhof. Der Zug fährt weiter über Dammtor nach Altona. Wir bedanken uns bei unseren Fahrgästen und wünschen einen angenehmen Aufenthalt in der Hansestadt« aus den Lautsprechern tönte, war der Stadtführer mit unzähligen Eselsohren versehen.

»Hey, wir müssen raus. Packt euren Kram zusammen«, sagte Franzi und sprang auf.

»Langsam, langsam, wir steigen nicht am Hauptbahnhof aus. Jo sagte, dass er uns in Altona abholt«, erklärte Marie und packte trotzdem langsam ihr Smartphone, die herumliegenden Magazine und das angebissene Brötchen ein. Vor Aufregung hatte sie kaum einen Bissen herunterbekommen. Und das, obwohl ihr Frühstück an diesem Morgen nur aus einem Müsliriegel bestanden hatte. Als sie aus dem Fenster sah, merkte sie, dass ihre Nervosität wuchs. Sicherlich war sie aufgeregt, weil sie in wenigen Minuten Jo gegenüberstehen würde, aber erst der Blick aus dem Fenster ließ ihr Herz wirklich höherschlagen. »Wahnsinn«, sagte sie staunend. »Seht euch das an! Mitten in der Stadt ist ein See!«

»Das ist die Alster. Und die Alster ist kein See, sondern ein gestauter Fluss«, sagte Kim. Sie schien den Hamburg-Führer auswendig gelernt zu haben, denn sie ratterte in Sekundenschnelle ein paar Eckdaten über Hamburgs Binnenalster herunter: »Die Binnenalster hat eine Fläche von etwa 18 Hektar. Sie ist der kleinere, südliche Teil der Alster. Sie wird von der Außenalster im Nordosten gespeist und fließt in der südlichen Ecke unterhalb des Jungfernstiegs über die Kleine Alster in Richtung Elbe ab, die dann bis zur Nordsee führt. Wahnsinn, oder? Man könnte direkt aus der Innenstadt bis zum Meer segeln.«

»Wie romantisch«, seufzte Marie, als sie die vielen Segel, die aufgepustet die Boote über die Außenalster treiben ließen, in der Sonne silbern schimmern sah.

Franzi, Kim und Marie hingen noch ein paar Minuten ihren Gedanken nach. Kaum waren die Boote außer Sichtweite, durchquerte der Zug den Hamburger Hauptbahnhof, um kurz darauf an der Endhaltestelle auch für die letzten Fahrgäste die Türen zu öffnen.

»Los jetzt, wir sind da! Raus aus dem Zug und rein ins pralle Leben!« Marie sprang begeistert als Erste aus dem Zug.

Jo wartete schon am Bahnsteig und nahm Franzi, Kim und Marie in Empfang. Die Begrüßung fiel stürmisch aus. Marie umarmte Jo freudestrahlend und fuhr ihm übermütig durch die ohnehin zerstrubbelten kurzen braunen Haare. Es war ein herzliches Zusammentreffen. Jo hat sich gar nicht verändert, dachte Marie und musterte ihn unauffällig. Offensichtlich trägt er noch immer viel zu weite T-Shirts, die mit besonderen Sprüchen bedruckt waren. Heute hatte er ein beiges gewählt, auf dem in weißer Schrift ein tolles Zitat stand. Marie gefiel nicht nur Jos Style, sondern auch sein Geschmack für intelligente Statements. Auf Jos Shirt stand: »Real eyes realize real lies.«

»Von wem ist das?«, fragte sie, deutete auf das T-Shirt und sah Jo an.

»2Pac. Es ist aus dem Lied …«

Weiter kam Jo nicht. Franzi und Kim überrollten ihn einfach mit ihren Sightseeingplänen. Die zwei Mädchen waren so aufgeregt, dass es Jo für eine Sekunde die Sprache verschlug. »Das alles wollt ihr in nur zweieinhalb Tagen sehen? Puh …«, schnaufte er und holte tief Luft. »Und ich dachte, ihr könntet vielleicht …« Er schaute nachdenklich auf den Boden, richtete seinen Blick dann aber schnell wieder auf die drei !!! und lächelte: »Ich dachte, wir beginnen mit einem ausgiebigen Brunch! Ich habe mir heute extra für euch freigenommen. Nicht, dass mich jemand in der Werbeagentur wirklich vermissen würde … trotzdem: Dieser Tag gehört euch!«

»Brunch?« Kims Augen strahlten.

»Ich bin auch fast am Verhungern«, sagte Marie, strich sich über den Bauch und vergaß Jos nachdenklichen Blick sofort wieder. »Was gibt es denn?«

»Lachs, frische Brötchen, Quiche, und wenn ihr wollt, mache ich noch Rührei.«

»Hört sich gut an. Gibt es das auch in vegetarisch oder sogar in vegan?«, fragte Marie und hakte sich bei Jo unter. Als sie aus dem Bahnhof kamen, sagte Jo: »Ich wohne nicht weit entfernt. Nur noch fünf Minuten, dann sind wir da. Und wir kommen sogar noch an einem tollen Bio-Laden vorbei, da können wir vegane Brotaufstriche für euch kaufen.«

Auf dem Weg zu Jo kamen sie an etlichen kleinen Geschäften vorbei. Die Mädchen inspizierten im Vorbeigehen die Schaufenster und Marie bekam immer größere Augen. »Was es hier alles gibt! Hab ihr den indischen Laden eben gesehen?«

»Gerochen habe ich ihn.« Jo zog die Nase kraus. »Die Räucherstäbchen sollte man verbieten! Die stanken!«

»Fand ich nicht. Roch doch gut. Da müssen wir nachher unbedingt rein!«, sagte Marie. »Ich möchte die Ballerinas mit den indischen Ornamenten mal anprobieren. Und der eine Seidenschal im Fenster sah ganz so aus, als gehöre er schon mir.«

Auch die Auslagen einer edlen Secondhand-Boutique, an der sie vorbeikamen, wurden etwas genauer unter die Lupe genommen. Ebenso das Sportgeschäft mit den hippen Skaterkappen und ein antiquarischer Buchladen.

Franzi, Kim und Marie beschlossen einstimmig, dass sie gleich nach dem Brunch Altona etwas genauer durchforsten wollten. Aus einer alten Fabrikhalle, an der sie vorbeikamen, wehte der Duft von leckerem Kakao, Kaffee und frisch gebackenem Kuchen.

»Cafés gibt es hier ja wirklich an jeder Ecke. Ein Lomo-Ersatz sollte schnell gefunden sein«, hoffte Kim und heftete ihren Blick auf das Ladenfenster voll mit Backwaren.

Ganz so schnell, wie Jo es sich wohl vorgestellt hatte, erreichten sie seine Unterkunft nicht. Kein Wunder, der Flair Altonas hielt die Mädchen gefangen. Und das Angebot im Bio-Laden verschlug den dreien nur für ein paar Sekunden die Sprache. Franzi, Kim und Marie diskutierten für Jo viel zu lange über die unterschiedlichen Brotaufstriche, aber er lächelte. Das Lächeln sah gequält aus, dachte Marie und zuckte innerlich mit den Schultern.

Irgendwie gelang es Jo dann aber doch noch, Franzi, Kim und Marie durch die kleinen Straßen zu lotsen, ohne dass sie alle zehn Sekunden stehen blieben, um irgendetwas staunend in Augenschein zu nehmen.

Doch kaum waren sie in der Wohnung angekommen, ging das Inspizieren weiter. Noch ehe Jo den drei Mädchen ihr Zimmer zeigen konnte, rief Franzi erstaunt: »Was ist das denn? Darf ich?« Als Jo nickte, ging sie durch das helle und äußerst großzügig geschnittene Wohnzimmer direkt auf die offene Flügeltür zu. Auch Kim nahm schnell ihren Rucksack ab und folgte ihr. Marie ließ einfach ihren Koffer in der Diele stehen und eilte den beiden hinterher.

»Wow!«, staunte auch sie, als sie einen genaueren Blick in das Zimmer vor ihnen geworfen hatte.

Jo erklärte: »Das ist das Arbeitszimmer von Till, meinem Cousin. Am besten, ihr fasst nichts an. Er ist zurzeit sowieso schon sehr gereizt und schnell auf die Palme zu bringen. Der ist bestimmt nicht begeistert, wenn ihr seine Notenblätter durcheinanderbringt.«

»Das erledigt bestimmt der Wind ohne unser Zutun«, sagte Kim trocken und deutete auf die im Wind flatternden dünnen Vorhänge vor dem geöffneten Fenster. Als routinierte Ermittlerin war ihr das offene Fenster sofort aufgefallen. »Blickt dein Cousin da selbst überhaupt noch durch?«

Das fragte sich Marie auch. Im ganzen Zimmer lagen beschriebene Notenblätter, aufgeschlagene Kompositionswerke und irgendwo dazwischen lugten Bleistifte, Gitarrenplättchen und große Flötenreiniger hervor. Marie nahm das Buch Meisterkompositionen step by step Band 3 in die Hand und hob anerkennend die linke Augenbraue. »Till ist also Musiker.«

»So was in der Art. Aber wie ihr seht, hat er sich noch auf kein Instrument festgelegt.«

»Na ja, wenn ich mir das hier ansehe, könnte man fast glauben, hier haust eine ganze Band.« Marie tippte gegen das Saxofon, das neben ihr stand, ohne dabei den Blick von den zwei Laptops zu nehmen, die ebenfalls auf dem Fußboden platziert waren.

»Klavier, Gitarre, Klarinette, Saxofon und auch noch eine Trompete. Hat er vor, sich irgendwann zu entscheiden?«, fragte Franzi und lachte. »Wahnsinn, all die vielen Instrumente hier. Allein beim Hinsehen höre ich schon ein musikalisches Chaoswerk in meinen Ohren.«

»Ja, manchmal wünschte ich, ich hätte Ohrstöpsel, dann müsste ich mir nicht jeden Ton anhören, den er nachts von sich gibt.« Jo stöhnte auf. »Till studiert an der Musikhochschule, also zumindest noch … Er will später mal Komponist werden. Und leider überfallen ihn die Ideen oft in der Nacht. Und dann sitzt er stundenlang am Klavier. Nur gut, dass er dann nicht zur Trompete greift.« Jo schob die Mädchen zurück ins Wohnzimmer, schloss die Flügeltür und führte sie dann in den hinteren Teil der Wohnung.

»Aber hier seid ihr weit genug von möglicher nächtlicher Ruhestörung entfernt!«, sagte er, als sie den langen Flur durchquert hatten und in einem kleinen Zimmer standen, in dem sich eine riesige Polsterlandschaft befand. Marie ließ sich sofort in die einladenden Kissen fallen und streckte sich aus.

»Herrlich, 16 m2 nur für mich?«, fragte sie erstaunt und amüsiert zugleich.

»Ähm, eher nicht … ich dachte …« Jo kam ins Stottern.

Franzi drängelte sich neben Marie und zog Kim nach. »Reicht doch. Hier ist genügend Platz für uns alle!«

Mit gespielt beleidigter Miene sagte Marie: »Jo, du enttäuschst mich. Ich hatte mehr erwartet. Ein goldenes Himmelbett wäre das Mindeste gewesen … na ja.«

Jo schien im ersten Moment nicht zu wissen, ob Marie ihre Worte ernst meinte, denn er nuschelte nur leicht verlegen: »Oh, tut mir leid. Ich dachte, das wäre okay.«

»Lass dich von Marie nicht ärgern. Du kennst sie doch. Ihr Schauspielunterricht lässt sie manchmal vergessen, was Realität und was Theater ist. Zurzeit fühlt sie sich als Elfenkönigin Titania … Sie nutzt nun mal jede Bühne, die sich ihr bietet«, erklärte Franzi mit einem Augenzwinkern.

»Und diese Bühne ist echt toll! 16 m2 Samt und Seide!« Marie drehte sich lachend auf den Bauch und schmiegte sich in eines der riesigen Kissen.

Am Abend schmiegte Marie sich dann in ihren neuen türkisblauen Seidenschal. Sie war gleich nach dem Brunch mit Franzi, Kim und Jo durch Altona gezogen und hatte als Erstes den indischen Laden aufgesucht. Zu viert liefen sie durch die verwinkelten Gassen Altonas und die drei !!! staunten über die Vielfalt, die diesen Stadtteil ausmachte. Während es in der einen Seitenstraße noch aussah, als hätten sie sich in einem türkischen Basarviertel verlaufen, zeigte sich die nächste Straßenecke schon in einem ganz anderen Licht. Exklusive Goldschmiedearbeiten waren gleich neben einem Teehaus zu finden, und gegenüber konnte man einen Laden mit Naturfarben entdecken. Die natürlichen Farbpigmente, mit denen die Wandfarben angemischt sind, würden Tessa bestimmt gefallen, schoss es Marie durch den Kopf.