Die drei ??? Die Spur des Raben (drei Fragezeichen) - André Marx - E-Book

Die drei ??? Die Spur des Raben (drei Fragezeichen) E-Book

André Marx

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Beschreibung

Peter traut seinen Augen nicht: Im hellen Sonnenschein klettert ein schwarzer Schatten auf dem Dach des Hotels herum. Instinktiv reißt Peter die Kamera hoch und drückt ab. Was er wenig später in Händen hält ist eine Sensation: die erste Aufnahme des "Raben", dem dreisten Juwelendieb von Los Angeles. Doch mit der Veröffentlichung der Fotos wird der unheimliche Balancekünstler auf die drei Jungs aus Rocky Beach aufmerksam. Er fordert sie zu einem Wettkampf heraus. Ein mörderischer Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

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Die Spur des Raben

erzählt von André Marx

Kosmos

Umschlagillustration von Aiga Rasch

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-14175-5

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Manche mögen’s heiß

»Geschafft!«, stöhnte Bob und warf seinen Rucksack in die Ecke des Wohnwagens. »Ich dachte schon, ich würde diesen Mathetest nie überstehen! Bei der letzten Aufgabe hatte ich echt Schwierigkeiten!«

»Ich nicht«, erwiderte Justus gleichmütig und wippte auf dem Schreibtischstuhl. »War doch ganz einfach.«

»Klar. Für dich. Du hast ja auch ein unfehlbares Superhirn, das selbst bei Algebra niemals Funktionsstörungen hat. Manchmal beneide ich dich wirklich darum.«

»Nur manchmal?«, fragte Justus und grinste hämisch.

Bob grinste zurück. »Ja, nur manchmal. Hin und wieder bist du nämlich vor lauter Kopfarbeit völlig blockiert für praktische Dinge.«

»So«, erwiderte Justus ungerührt. »Wann denn zum Beispiel?«

Statt zu antworten, griff Bob blitzschnell nach einem Tennisball, der zusammen mit einigen anderen auf dem Schreibtisch lag, und warf ihn nach Justus. Der Erste Detektiv zuckte zusammen und versuchte ihn zu fangen, war aber zu langsam, und der gelbe Filzball schoss haarscharf an seinem Kopf vorbei. »Jetzt zum Beispiel«, triumphierte Bob. »Peter hätte den gefangen. Deine Reaktionsschnelligkeit lässt sehr zu wünschen übrig. Aber mach dir nichts draus, das ist bei Kopfmenschen normal.«

Justus funkelte seinen Freund gespielt wütend an. Dann drehte er sich überraschend schnell mit seinem Schreibtischstuhl, hob den Ball auf und warf ihn zurück. Bob fing ihn geschickt.

»Ha! So legst du mich nicht rein, Justus Jonas!«, rief er übermütig, griff nach den anderen Bällen auf dem Tisch und baute sich angriffslustig vor seinem Freund auf. Justus ging auf das Spiel ein, sprang vom Stuhl hoch und versteckte sich hinter der Rückenlehne. Bob begann das Bombardement und deckte ihn mit gezielten Würfen ein. Innerhalb kürzester Zeit flogen nicht nur Tennisbälle, sondern auch alle anderen unzerbrechlichen Gegenstände durch die Luft, die in der Zentrale ihres Detektivbüros aufzufinden waren. Justus versuchte, sich mit dem Sitzkissen des Stuhles zu schützen. Einer der Tennisbälle erwischte ihn an der Stirn, und so gab er sein Kissenschild auf und zielte damit nach Bobs Gesicht.

Er traf. Bob taumelte einen Schritt zurück und schrie plötzlich auf.

»Bob!«, rief Justus erschrocken. »Was ist passiert?«

Bob hielt sich die Hände vor die Augen und stöhnte. »Mist!«, ächzte er. »Meine Kontaktlinsen! Ich habe eine verloren!«

Der Erste Detektiv konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Seit Bob zu eitel für eine Brille geworden war, waren seine Kontaktlinsen sein größtes Problem. Er hatte sie schon öfter verloren und die drei ??? waren mehr als einmal auf allen vieren durch die Zentrale gekrochen, um die durchsichtigen Haftschalen wiederzufinden.

»Da gibt es nichts zu lachen!«, beschwerte sich Bob und warf wütend den letzten Tennisball nach Justus. In diesem Moment klingelte das Telefon. Justus duckte sich, der Filzball flog über ihn hinweg, prallte an der Wand ab und fegte das Telefon vom Schreibtisch. Mit einem lauten Scheppern landete es auf dem Boden.

»Gut gezielt«, bemerkte Justus und begann erneut zu lachen. Dann bückte er sich nach dem Telefon und hob den Hörer auf. »Hallo?«, fragte er und erwartete halb, dass der Apparat kaputt war.

»Hallo«, kam es aus der Muschel und Justus atmete erleichtert auf.

»Hier Justus Jonas«, sagte er und musste schon wieder lachen, als er zu Bob hinübersah, der vorsichtig über den Boden tastete.

»Was ist denn da bei euch los, Justus? Nehmt ihr euren Wohnwagen auseinander oder habe ich gerade ein Erdbeben verpasst?«

»So etwas Ähnliches, Mr Andrews«, erwiderte Justus, der Bobs Vater an der Stimme erkannte. »Es liegt irgendwo zwischen Wohnwagen-Auseinandernehmen und einem Erdbeben.«

»Na, ich hoffe nur, dass ihr euch nicht gegenseitig eure Einrichtung an die Köpfe werft«, meinte Mr Andrews trocken und Justus lächelte. »Könnte ich bitte mal meinen Sohn sprechen?«

Justus sah wieder hinüber zu Bob, doch der war immer noch damit beschäftigt, auf dem Boden herumzukriechen. »Bob ist gerade … etwas verhindert.«

»Ist er auf der Toilette?«

Justus lachte. »Nein, er sucht eine seiner Kontaktlinsen.«

»Hat er etwa schon wieder eine verloren? Du kannst ihm gleich sagen, Justus, dass wir ihm diesmal keine neuen bezahlen. Er wollte seine Brille unbedingt gegen diese Dinger eintauschen, also soll er zusehen, wie er sie finanziert, wenn er sie ständig verliert.«

»Schon gefunden!«, rief Bob und hielt triumphierend das kostbare Kleinod in der Hand. »Moment!« Er ging zum Telefon hinüber und nahm Justus den Hörer aus der Hand. »Papa? Nein, alles in Ordnung, ich habe sie gefunden und sie ist heil.«

Bob sprach eine Weile mit seinem Vater, während Justus sich daranmachte, die Zentrale wieder aufzuräumen. Der Campinganhänger diente seinen beiden Freunden und ihm als Büro ihres Detektivunternehmens. Er stand auf dem Gelände des Gebrauchtwarenhandels, den Justus’ Onkel Titus und dessen Frau Mathilda betrieben. Im Laufe der Jahre hatten die Jungen aus der anfangs eher spärlich eingerichteten Zentrale ein richtiges Büro gemacht. Neben einem Telefon, einem Faxgerät, einem Kopierer und natürlich dem unverzichtbaren Computer hatten sie sich auch ein kleines Kriminallabor und eine Dunkelkammer im hinteren Teil des Anhängers eingerichtet. Hier in der Zentrale hatte schon so mancher spannende Fall seinen Anfang genommen.

»Das ist ja wirklich klasse, Papa«, sagte Bob und lenkte Justus’ Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Ja, ich werde sie gleich mal fragen. Ich bin sicher, sie sind begeistert. Und ein Hotelzimmer bekommen wir auch gestellt? Fantastisch! Okay, alles Weitere heute Abend. Bis dann.« Er legte auf.

»Na, was wollte dein Vater?«

»Stell dir vor, er hat einen Auftrag für uns!«, rief Bob begeistert.

»Ein neuer Fall?«, fragte Justus interessiert.

»Nicht direkt. Eher ein journalistischer Auftrag. In Los Angeles findet doch in den nächsten Tagen das große Filmfestival statt. Die Stadt ist mal wieder im absoluten Starfieber und vor lauter Touristen und Filmstars wird man keinen Fuß auf die Erde bekommen. Und über eben diesen Rummel will die Los Angeles Post, für die mein Vater arbeitet, eine Sonderbeilage herausgeben, mit vielen Fotos und kleinen Geschichten, die sich am Rande eines solchen Festivals ereignen.« Bob machte eine dramatische Pause.

»Und?«, fragte Justus neugierig. Er hasste es, auf die Folter gespannt zu werden, obwohl er es sich selbst oft nicht verkneifen konnte, das mit anderen zu tun.

»Und wir sollen die Fotos machen. Eigentlich wollte mein Vater diesen Job übernehmen, doch er hat zu viel im Büro zu tun. Also will er uns diese Arbeit übertragen. Wir bekommen Kameras gestellt, werden ein paar Tage lang durch Los Angeles laufen und Schnappschüsse machen. Außerdem wohnen wir im Hotel – und die Los Angeles Post bezahlt alles. Na, ist das nichts?«

»Klingt gut. Aber wo ist der Haken?«

»Nun sei doch nicht so misstrauisch«, begehrte Bob auf, enttäuscht darüber, dass Justus nicht so begeistert war, wie er es sich erhofft hatte. »Es gibt keinen Haken.«

»Es gibt einen«, meinte der Erste Detektiv. »Wir müssen tagelang durch eine von Touristen völlig überfüllte Stadt laufen, die schreiend auf die Straße springen, nur weil die Limousine von Jodie Foster vorbeifährt.«

»Na und? Ist doch spaßig. Und wenn wir diese Szene fotografieren, erhalten wir vielleicht noch einen Extrabonus von Jodie Fosters Agenten, der das Foto für Werbezwecke einsetzen wird.«

In diesem Augenblick klingelte draußen eine Fahrradglocke. »Das ist bestimmt Peter«, vermutete Justus, und tatsächlich betrat wenige Augenblicke später der Zweite Detektiv, ein hochgewachsener, sportlicher Junge, die Zentrale.

»Hallo, ihr beiden. Endlich Ferien, was? Wie war deine Mathearbeit, Bob?«

Bob winkte ab. »Frag nicht. Es gibt Neuigkeiten.« Schnell berichtete er Peter von dem Auftrag, den sein Vater ihnen gegeben hatte. »Was sagst du dazu? Unser Erster ist nicht gerade begeistert.«

»He, das habe ich nie gesagt«, verteidigte sich Justus. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob es eine so tolle Idee ist, die kurzen Herbstferien im überfüllten Los Angeles zu verbringen.«

»Ich finde es toll. Vielleicht kannst du deinen Vater ja dazu bringen, uns Presseausweise zu beschaffen, damit kommen wir dann hautnah an die Stars heran. Es gibt nur ein Problem bei der Sache: Ich habe eigentlich keine Zeit«, sagte Peter und sah betreten zu Boden.

»Was soll das heißen?«, wollte Bob wissen. »Hat Kelly dich schon wieder über die Ferien in Beschlag genommen?«

»Quatsch«, verteidigte sich Peter. »Du tust ja gerade so, als ob Kelly über mich bestimmen könnte.«

Bob und Justus grinsten sich an. »Soll ich darauf wirklich antworten?«, fragte Bob den Ersten Detektiv.

Peter wehrte ab. »Hört auf mit dem Unsinn. Euch geht es ja nicht anders. Was ist denn mit Elizabeth und Lys?«

»Elizabeth fährt über die Ferien mit ihren Eltern zu irgendwelchen Verwandten, sie ist also sowieso nicht in Rocky Beach«, sagte Bob.

»Und Lys hat nach den Ferien ein paar wichtige Prüfungen im College, für die sie büffeln muss. Um nicht abgelenkt zu werden, hat sie sich für eine Woche im Hotel ihrer Freundin Amanda Black eingenistet«, ergänzte Justus. »Ihr wisst doch, ihre ehemalige Schauspiellehrerin.«

»Ich erinnere mich noch lebhaft«, sagte Bob und dachte an den zurückliegenden Fall, bei dem es um angeblichen Spuk in diesem Hotel gegangen war und den sie vor einer Weile erfolgreich abgeschlossen hatten.

»Ich habe trotzdem keine Zeit«, nahm Peter den Faden wieder auf, »weil ich doch für die Triathlon-Schulmeisterschaften trainieren will. Die sind eine Woche nach den Ferien und bis dahin habe ich mir ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm zurechtgelegt. Ich kann hier also nicht weg.«

»Ach komm, Peter. Dein sportlicher Ehrgeiz in allen Ehren, aber kannst du ihn nicht mal wenigstens während der Ferien ruhen lassen?«, fragte Bob.

»Gerade während der Ferien kann ich das nicht. Endlich habe ich mal genug Zeit zu trainieren.«

»Das geht doch auch in Los Angeles, oder?«, setzte sich nun auch Justus für die Idee ein.

»Wie denn, wenn wir den ganzen Tag Promis und deren Fans knipsen müssen?«

»Zeit für Sport findet sich immer. Du könntest zum Beispiel hinter Jodie Fosters Limousine herjoggen«, schlug Bob vor.

»Wie bitte?« Peter war irritiert.

»Vergiss es. Was ist nun, kommst du mit?«

Peter überlegte lange. »Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Trainieren kann ich eigentlich auch in Los Angeles: laufen am Strand, schwimmen im Meer. Aber ich muss unbedingt das Fahrrad mitnehmen.«

»Das wird allerdings ein Problem«, wandte Justus ein. »Mit deinem MG können wir das Fahrrad nicht transportieren, mit Bobs Käfer auch nicht, dafür ist er zu klein. Und wenn du dir in Los Angeles ein Fahrrad leihst?«

»Leihen?« Peter lachte. »Das soll wohl ein Witz sein. Ich will kein heruntergekommenes Oma-Fahrrad, sondern ein vernünftiges Trainingsrad.« Peter war sehr stolz auf seine neue Rennmaschine, die er sich erst kürzlich gekauft hatte und wegen der er hin und wieder sogar seinen geliebten MG stehen ließ. »Diese Dinger kann man sich nicht leihen.«

»Du willst also dein Fahrrad mitnehmen? Und wie soll das gehen?«

»Ganz einfach«, erwiderte Peter und grinste. »Wir lassen die Autos stehen und fahren mit dem Rad nach Los Angeles.«

»Das ist nicht dein Ernst«, protestierte Justus. »Bis nach Los Angeles sind es mindestens …«

»Es sind höchstens fünfzehn Meilen bis in die City«, unterbrach Peter ihn bestimmt.

»Mindestens zwanzig!«, widersprach Justus. »Außerdem: Du kennst den Straßenverkehr in Los Angeles. Fahrrad fahren ist da lebensgefährlich.«

»Richtig: Ich kenne den Straßenverkehr. Und eben deshalb plädiere ich für das Fahrrad. Wir standen schon oft genug in L.A. im Stau und haben uns darüber geärgert, ohne Fahrrad unterwegs zu sein.«

»Aber es ist so weit! Und es ist heiß! Und es kann tödlich sein, in Los Angeles mit dem Fahrrad unterwegs zu sein«, versuchte Justus erneut, ihn von dem Plan abzubringen.

»So weit ist es gar nicht. Und Auto fahren kann genauso tödlich sein, wenn man nicht aufpasst. Was die Hitze angeht, so ist eine kleine Schwitzkur mal ganz gesund, ich habe jedenfalls nichts dagegen. Außerdem wären wir in der Stadt viel flexibler. Nebenbei tun wir noch etwas für die Umwelt und für unseren Körper. Daher solltest du eigentlich sofort dafür sein«, feixte Peter und stieß Justus mit dem Zeigefinger in seinen etwas zu umfangreichen Bauch.

Justus richtet sich empört auf. »Was soll das heißen? Ich bin so schlank wie nie zuvor!«

»Stimmt«, meinte Bob, denn Justus hatte tatsächlich abgenommen. Er war nicht mehr dick, nur noch vollschlank. »Aber das bedeutet noch lange nicht, dass du sonderlich athletisch bist. Wie ich schon sagte, bist du als Kopfmensch hin und wieder völlig blockiert für praktische Dinge. Ich finde Peters Idee gar nicht so schlecht.«

Justus seufzte resigniert. »Ich muss mir das noch schwer überlegen.«

Über den Dächern von Los Angeles

»Das mache ich nie wieder!«, schnaufte Justus wütend. Der Schweiß hatte sein T-Shirt bereits dunkel verfärbt und erschöpft wischte er sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn. »Nie wieder lasse ich mich auf so etwas ein! Das ist ja Mord!«

Sie radelten über eine kleine hügelige Straße durch die Santa Monica Mountains. Auch Bob hatte Schwierigkeiten, bei der sengenden Hitze nicht ins Keuchen zu geraten, doch er schwieg. Es war tatsächlich ungewöhnlich heiß für diese Jahreszeit und er hatte sich während der Fahrt des Öfteren gefragt, ob dies bereits die Auswirkungen der durch das Ozonloch bewirkten Klimaveränderungen waren.

»Wir hätten ja auch an der Küste entlangfahren können«, bemerkte Peter. »Dort wäre es nicht so steil gewesen, außerdem hätten wir da vielleicht etwas frischen Wind um die Nase gepustet bekommen. Aber ich erinnere daran, dass ein gewisser Justus Jonas darauf bestanden hat durch die Berge zu fahren, weil dort nicht so viel Verkehr wäre und wir außerdem eine oder zwei Meilen weniger Strecke zurücklegen müssten. Tja, das hast du nun davon: Berge und nicht die kleinste Brise.«

Justus blieb stumm, was selten war, und Peter überlegte, ob ihm entweder nichts mehr einfiel oder er einfach nur seinen Atem sparen wollte. Ihm selbst machte die Fahrt durch die Hügellandschaft nichts aus, trotz des vielen Gepäcks, das er auf seinem Rücken zu schleppen und in den Gepäckträgertaschen verstaut hatte.

Sie erreichten eine Hügelkuppe und Justus hielt an. »Pause!«, entschied er, stellte sein Rad ab und holte eine Flasche Wasser aus seinem Rucksack. Erleichtert trank er in gierigen Schlucken.

»Schon wieder eine Pause? Das ist jetzt bereits die vierte. So habe ich mir mein Training eigentlich nicht vorgestellt«, maulte Peter.

»Dein Problem«, fand Justus. »Du kannst ja schon mal vorfahren und unsere Sachen in die Hotelschränke räumen.«

»Nun hört auf, euch zu streiten«, ging Bob dazwischen. »Wir haben es ja bald geschafft, dahinten ist nämlich schon die Stadt.« Er wies nach Osten, wo hinter einem großen Waldgebiet die ersten Häuser auftauchten. Am Horizont waren die Hochhäuser von Los Angeles und die ständig über der Stadt schwebende Dunstglocke zu erkennen. »Sieht aus, als würde es jetzt nur noch bergab gehen. Ich hoffe, das beruhigt euch beide ein bisschen!«

Nach einer Weile stiegen sie wieder auf und ließen die Fahrräder die Bergstraße hinabrollen. Bob hatte recht gehabt, ab hier war der Weg wesentlich einfacher. Bereits eine Viertelstunde später fuhren sie an der Universität vorbei und durchquerten die Nobelviertel Bel Air und Beverly Hills, wo sie die Villen bestaunten, die in dieser ruhigen Gegend von riesigen Parkanlagen gesäumt standen. Immer wieder entdeckten sie bestimmte Straßenecken oder Häuser, die sie schon einmal im Kino oder im Fernsehen gesehen hatten. Gerade Beverly Hills war eine sehr beliebte Kulisse für Filme. Nur selten fuhr ein teurer Straßenkreuzer vorbei. Die meisten Leute waren hier ebenfalls mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, viele Jogger in grellbunten Klamotten liefen auf den breiten Gehwegen. »Siehst du, es sind auch noch andere Leute sportlich«, bemerkte Peter.

Sie ließen Beverly Hills hinter sich und erreichten den Wilshire Boulevard, die Prachtstraße von Los Angeles, die sich quer durch die ganze Stadt zog. Jetzt wurde es eng. Die drei ??? fädelten sich mühsam in den dichten Autoverkehr ein. Um sie herum herrschte ein lautes Durcheinander aus Motorenlärm, Hupen und quietschenden Reifen. Die Autos standen dicht an dicht und nahmen beim Abbiegen keinerlei Rücksicht auf die Radfahrer, sodass die drei sehr vorsichtig sein mussten. Überall hingen Werbeplakate für das kommende Filmfestival. Der Goldene Rabe, die begehrte Trophäe des Festivals, die an die Stars verliehen wurde, sah von hunderten von Werbetafeln auf die Straße herunter und unter der Figur war der ebenfalls goldene Schriftzug zu lesen: »Auf wessen Schulter setzt sich der Rabe diesmal?«

Justus sah interessiert hinauf, doch plötzlich raste ein Radfahrer in unglaublicher Geschwindigkeit haarscharf an ihm vorbei und der Erste Detektiv erschrak so sehr, dass er fast stürzte. »Es war Wahnsinn, mit den Rädern nach Los Angeles zu fahren!«, rief er wütend. »Ich habe es gleich gesagt!«

»Reg dich nicht auf«, rief Peter, der die Führung übernommen hatte, ihm über den Rücken zu. »Das war einer dieser Fahrradkuriere. Die müssen so schnell sein, damit sie ihrem Ruf als schnellste Kuriere der Großstadt gerecht werden.«

»Es ist mir ganz egal, wer das war!«, brüllte Justus über den Lärm der Autos hinweg. »Ich sage nur, dass keiner unserer Fälle je so gefährlich war wie das hier!«

Sie folgten dem Wilshire Boulevard weiter, bis sie die Innenstadt erreichten. Schließlich konnten sie rechts in eine etwas ruhigere Straße einbiegen, in der das Hotel liegen sollte. Bobs Vater hatte ihnen hier ein Zimmer für die nächsten fünf Tage reserviert. Sie stellten die Fahrräder an einem sicheren Ort ab und schlossen sie aneinander. Dann nahmen sie ihr Gepäck und betraten das Holiday Inn Downtown, ein sechsstöckiges Bauwerk, das sich in nichts von all den anderen Neubauten aus Beton und Glas unterschied.

»Dusche!«, stöhnte Justus nur, als sie ihr Zimmer im obersten Stockwerk endlich betraten. »Ich zuerst!«

Bob wollte protestieren, denn auch er hatte sich schon auf eine Dusche gefreut, doch Justus zog sich bereits das T-Shirt aus und verschwand im Bad. Bob trat an das Fenster und sah hinaus. Das Hotel war ein wenig höher als die umstehenden Gebäude, sodass sich ihm ein fantastischer Blick über einen weiten Teil der Stadt bot. »Zimmer mit Aussicht«, murmelte er.

Am Abend machten sie sich auf den Weg in die Innenstadt, um die ersten Fotos zu schießen. Nachdem sie alle geduscht, etwas gegessen und sich ausgeruht hatten, hatte Justus den Vorschlag gemacht, zurück zum Wilshire Boulevard zu gehen, da es dort am meisten zu sehen gab und sie mit etwas Glück eine Werbeaktion für das bevorstehende Filmfestival miterlebten. Die Hitze und der Autoverkehr hatten nachgelassen und sie genossen es, den breiten Gehweg entlangzuschlendern, sich die knallbunt erleuchteten Läden anzusehen und von den vielen Menschen mitreißen zu lassen, die um diese Zeit unterwegs waren.

Peter gefiel sich in seiner neuen Rolle als Pressefotograf offenbar sehr gut, denn er knipste unentwegt alles, was ihm vor die Linse kam. »He, Justus!«, rief er und drückte auf den Auslöser, als der Erste Detektiv sich ihm zuwandte.

Justus grinste gequält. »Ob Mr Andrews begeistert davon sein wird, wenn du seine Filme so sinnlos verknipst?«, fragte er.

»Ich übe nur«, verteidigte sich Peter. »Außerdem ist von dem Filmfestival ja noch nicht sehr viel zu sehen. Was sollen wir hier schon fotografieren? Die Werbeplakate vielleicht?«

»Vermutlich ist in Hollywood mehr los. Wir können ja morgen mal hinfahren«, schlug Bob vor.

Der Erste Detektiv vermied es nachzufragen, an welches Verkehrsmittel Bob gedacht hatte. »Wie wäre es, wenn wir mal eines dieser Nobelhotels aufsuchen? Vielleicht finden wir da ein gutes Motiv. Gleich am Ende der Straße ist doch das Biltmore, dieser Riesenklotz.«

»Woher weißt du das?«, fragte Peter.

»Na, hört mal. Das Biltmore ist das größte Hotel Westamerikas, so was weiß man. Es wurde übrigens 1923 …«

Peter winkte ab. »Danke, Superhirn, das reicht mir schon, ich will gar nicht mehr wissen.«

Justus sah ihn verständnislos an. »Aber das Hotel hat wirklich eine sehr interessante Geschichte. Wusstest du zum Beispiel, dass hier einige Oscar-Verleihungen stattgefunden haben?«

»Es geht uns nicht um den Oscar, sondern um den Goldenen Raben, falls du dich erinnerst«, gab Peter entnervt zurück.

»Außerdem wurde hier …«, begann Justus erneut, doch Bob unterbrach ihn.

»Da ist es!«, rief er und wies auf eine hell erleuchtete Gebäudefront, die aufgetaucht war, als sie um die Ecke gingen. Große Säulen trugen ein Vordach und die gesamte Vorderseite war mit unzähligen Schnörkeln verziert. Das Hotel stand gegenüber einer Kirche und war sogar noch größer als der Turm. »Das ist ja wirklich riesig.«

»Es hat mehr als siebenhundert Zimmer«, klärte Justus sie auf.