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Die Erzählungen der Handschrift von "101 Nacht", der kleinen Schwester von "Tausendundeine Nacht", von Claudia Ott ins Deutsche übertragen, ertönen in "Die elf Nächte" wie Stimmen aus den Tiefen der Vergangenheit, denen man auch nach Jahrhunderten entzückt zuhören kann. Acht der insgesamt siebzehn Erzählungen, die die Handschrift vereint, werden jedoch bisweilen von den Gegebenheiten der heutigen Zeit und dem im Gegenwärtigen situierten Erzähler verfremdet, verzerrt, ja gar zum Schweigen gebracht. Dieser heutige Erzähler – wer ist es überhaupt? – sitzt nicht mehr fest und unangefochten erhöht auf einem Sessel, die Zuhörenden lauschen nicht mehr gebannt und wie gelähmt seinen Worten. Die Welt, ein Paradies war sie zwar nie oder höchstens in der Poesie, ist aus den Fugen geraten. Gemäß den Versen der elften Nacht ist Schahrasad endgültig tot, ihr Grab befindet sich angeblich am Rande des Central Parks, mitten in Manhattan. Das Andalusisch-Orientalische weicht der Neuen Welt, die allerdings so neu auch nicht mehr ist, Verse in der Art von Walt Whitman lassen die märchenhafte Quelle austrocknen, die in der amerikanischen Grossstadt endgültig versiegt. Doch auf das nächtliche Erzählen folgt ein Aufwachen in den mehr oder weniger frischen Farben des Morgens eines neuen Tages.
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Seitenzahl: 64
Veröffentlichungsjahr: 2025
Erwin Fahrni
Die elf Nächte – Aus wird 11
Ausbrechen aus Einengendem – das ist die Thematik der Trilogie, deren dritter Teil hier Erwin Fahrni, nach Herausgehen am Tage – Umformungen und Lukian. Ruft –Ein Epos, vorlegt.
Die Erzählungen der Handschrift von 101 Nacht, der kleinen Schwester von Tausendundeine Nacht, von Claudia Ott ins Deutsche übertragen, ertönen in Die elf Nächte wie Stimmen aus den Tiefen der Vergangenheit, denen man auch nach Jahrhunderten entzückt zuhören kann. Acht der insgesamt siebzehn Erzählungen, die die Handschrift vereint, werden jedoch bisweilen von den Gegebenheiten der heutigen Zeit und dem im Gegenwärtigen situierten Erzähler verfremdet, verzerrt, ja gar zum Schweigen gebracht. Dieser heutige Erzähler – wer ist es überhaupt? – sitzt nicht mehr fest und unangefochten erhöht auf einem Sessel, die Zuhörenden lauschen nicht mehr gebannt und wie gelähmt seinen Worten. Die Welt, ein Paradies war sie zwar nie oder höchstens in der Poesie, ist aus den Fugen geraten.
Gemäß den Versen der elften Nacht ist Schahrasad endgültig tot, ihr Grab befindet sich angeblich am Rande des Central Parks, mitten in Manhattan. Das Andalusisch-Orientalische weicht der Neuen Welt, die allerdings so neu auch nicht mehr ist, Verse in der Art von Walt Whitman lassen die märchenhafte Quelle austrocknen, die in der amerikanischen Grossstadt endgültig versiegt. Doch auf das nächtliche Erzählen folgt ein Aufwachen in den mehr oder weniger frischen Farben des Morgens eines neuen Tages.
Erwin Fahrni, 1952 in Wyssachen (Kanton Bern / Schweiz) geboren, studierte Geschichte und Germanistik in Bern und Wien.
2021 erschien von ihm bei tredition Herausgehen am Tage – Umformungen, eine lyrische Bearbeitung des Ägyptischen Totenbuchs.
2024 folgte, ebenfalls bei tredition, Lukian. Ruft – Ein Epos, eine lyrische Umsetzung von zwei Texten des antiken Autors Lukian von Samosata.
Erwin Fahrni
Die elf Nächte – Aus wird 11
© 2025 Erwin Fahrni
Umschlaggestaltung unter Verwendung einer Tuschfederzeichnung von Babai (Lebensdaten unbekannt. Original im Besitz des Autors).
Foto: Erwin Fahrni
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
978-3-384-43589-7 (Paperback)
978-3-384-43590-3 (Hardcover)
978-3-384-43591-0 (E-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:
tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Ein Fremder gedachte vergangener Zeiten, Im Herzen ein Feuer von Ghadaholzscheiten Aus: 101 Nacht
Prolog
١
Zwar wurde mir erzählt, doch niemand kennt das Verborgene,
Kaum ist bekannt, was einst,
In den längst vergangenen Zeiten, geschah. –
Ich sehe mich selbst wieder in den Gassen, den Märkten,
Inmitten der Düfte, der Eselskarren und Motorräder,
Der Farben, der Schreie der Elenden.
Es tauchen auf die längst vergangenen Tage,
Als ich mich, über den Wolken, ostwärts,
Mit Bachs Chaconne im Ohr, Damaskus näherte,
Als ich ohne Plan, richtungslos, mich von der
Großen Moschee entfernte, mich treiben ließ,
٢
Im Geschiebe der Menschen,
Auf einmal vor zwei Türmen stehend,
Versteckt, in der Nähe, die Tür eines Bades,
Dann weiter und weiter – erst die Felsen von Maqattam
Zeigten mir wieder, wo ich bin,
Wer ich bin und wann ich bin. –
Obschon entschwunden die Zeit,
Jetzt – die schwankenden Gestalten
Sind gefestigt und haben Konturen angenommen –
Will ich formen, was mir zugetragen,
Mir in den Gedanken schwirrt, was in mir verborgen –
٣
Darum, Fihrayis, auf dem erhöhten Stuhle sitzend,
Inmitten des Rauchs der Wasserpfeifen, sprich!
Lasse mich abtauchen in den schier endlosen Tunnel
Der Erinnerungen, der alten Mären.
Eng und schroff sind die Wände zu beiden Seiten,
Die Decke tief über mir,
Kaum ist ein Licht, in weiter Ferne,
Zu erkennen, das mir zeigt,
Wie alles gewesen, was alles geworden.
Ich will verbinden, was sich auf dem fliegenden Teppich
Schwerlich verknüpfen lässt.
٤
Bevor das Schweigen erwacht,
Bevor die Zeiten vom Raume träumen,
Bevor die dunkle Wolke entschwindet,
Ist die Erde eine Knospe im Wort,
Sucht der Himmel seine Farben.
Von Anfang ist alles erfüllt. –
Mein Fuß ist eingeschlafen,
Ich, ganz abwesend, überlege, wer ihn wecken könnte.
Sprich lauter, Fihrayis, auf deinem Throne, König der Worte,
Damit nicht alles entschläft,
Nicht alles versinkt.
Die erste Nacht
١
– Und Fihrayis verstummt. Ich sage:
Ibrahem, so nennen den jungen Teppichverkäufer
Seine Freunde in der alten Stadt am Nil, sitzt
Inmitten des unbelebten, ausgestorbenen Markts – der Krieg
Wütet im Golf und die Touristen bleiben aus –
Auf einem kleinen Schemel im Laden.
Gebückt, schläfrig, schwarz die kurz geschnittenen, krausen
Haare über dem bleichen Gesicht,
Geschlossen die tiefschwarzen Augen (ich sehe sie noch immer),
Unter langgezogenen Brauen, das rote Hemd sorgsam gebügelt.
Er träumt vom besseren Leben, einem Mädchen im Westen.
٢
Vom Minarett der nahen Moschee
Erhebt sich überlaut die Stimme aus dem Lautsprecher
Über die Dächer,
Erst aufheulend, sich überschlagend, schwingend:
«Auf zum Erfolg, eile! – Eile, auf zum Erfolg!»
In der Gasse die Luft stickig, sengend,
Aus dem Parfümladen, gegenüber, dringt eine Moschuswolke,
Ein Kränzchen, geflochten aus frischen Jasminblüten,
Bietet ein kleines Mädchen an.
Ein Alter, mit einem leeren Karren, schreit: «Wer kauft,
Was ihn über Nacht zu einem reichen Mann macht?»
٣
Ibrahem, durch die Schreie des Mannes aufgeweckt,
Eilt zum Alten und kauft ihm ab ein rostiges Messer
Gegen den Monatslohn, den er am Morgen erhalten.
Milde lächelt der Alte.
Abends, groß ist die Enttäuschung der Mutter und Schwester,
Die, das Geld des Teppichverkäufers bangend erwartend,
Stattdessen das rostige Messer zu sehen bekommen.
«Was koche ich jetzt? Womit zahle ich das Zimmer?»
Wütend ergreift sie die Matte,
Auf der sie nächtens schläft, bereit sie einzutauschen,
Auf dem Markt, gegen ein Brot und ein mageres Huhn.
٤
Erst spät legt sich Ibrahem zur Ruh,
Sucht den Schlaf und findet sich im Traum, träumend
Von einem Mann in Bagdad, Abdal von den Freunden genannt.
Geplagt vom Hunger, dringt er ein in den Garten des Herrn.
Im Mondenschein rauschen die vier Bäche, der Springbrunnen
Spricht zu ihm, Quitten, Oliven, Granatäpfel grüßen über ihm,
Die Palmenblätter wanken leise im Nachtwind.
Der Duft der großblütigen Magnolien, von Flieder und Jasmin
Umnebelt ihn. Wie betrunken nähert er sich dem Bau
Mit den vielen Kaminen. «Es muss die Küche sein!»
In den Töpfen, auf den Bänken, alles bereit für den nächsten Tag.
٥
Mit seinem blanken Messer, aufblitzend im Kerzenschimmer,
Schneidet Abdal ab, was ihm begegnet: Stücke von Pasteten,
Gefüllten Weinblättern, Lammbällchen, Dattelkuchen,
Apfelsinen, Granatäpfeln – für vieles kennt er keinen Namen.
Auf einmal ein Schrei, dann wieder. Durch die Küche rennt ein
Nackter Dunkler, verfolgt die zarte Flüchtige, silbern ihr Kleid,
Das Gesicht schwanenweiß, voller Schreck der Gazellenblick.
Bänke und Töpfe umstoßend, wirft sich Abdal
Auf das schwarze Untier, das blanke Messer gezückt –
Ausgestreckt liegt er auf den Fliesen, der Unhold, blutend, tot.
Die Gerettete und der Retter schleppen ihn hinter einen Paravent.
٦
Am nächsten Tag bringt Abdal, wieder im Hause seiner Mutter,
Eine wohlbekleidete Magd, auf einem silbernen Tablett,
Ein Lamm, bedeckt mit Brotfladen aus feinstem Mehl.
Im Bauch des Lamms versteckt vier Goldfäden,
Jeder wert ein ganzes Schatzhaus.
Abdals Freunde, angezogen vom Duft des Bratens, bettelnd:
«Leckeres Essen, das dir die Dienerin da gebracht hat.
Willst du uns nicht etwas davon abgeben?»
Erst sie abweisend, lässt er sie, milde geworden,
In der Diele schmausen, schwelgen und schlecken.
Gar bald stoßen sie auf die vier goldenen Fäden.
٧
Gerissen, durch den Morgenruf des Muezzins, aus dem Traum,
Erhebt sich Ibrahem von der Matte, setzt sich,
In der Küche, an den Tisch, schreibt, ungelenk die Buchstaben
Der ihm fremden Schrift, die fremden Worte lange suchend,
Einen Brief, auf dem Umschlag die Anschrift des Freunds im