Die Engel von Alperton - Janice Hallett - E-Book

Die Engel von Alperton E-Book

Janice Hallett

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Beschreibung

Der Fall scheint eindeutig, doch der Teufel steckt im Detail ... Die True-Crime-Autorin Amanda Bailey weiß alles über den berüchtigten Fall der Engel von Alperton. Zahlreiche Bücher und Verfilmungen berichteten von der fanatischen Sekte, seit ihre Mitglieder vor achtzehn Jahren versuchten, ein Baby zu opfern, das sie für den Antichrist hielten. Mittlerweile scheint daher alles erzählt zu sein – doch nun ist das "Alperton-Baby" volljährig und könnte endlich interviewt werden. Amanda wittert ihre Chance auf einen echten Coup. Doch während sie immer tiefer in die Recherchen eintaucht, wird klar, dass in diesem Fall nichts ist, wie es scheint. Und dass die Geschichte der Engel von Alperton noch lange nicht vorbei ist ...

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Seitenzahl: 537

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Janice Hallett

Die Engel von Alperton

Roman

Aus dem Englischen von Stefanie Kremer

© Atrium Verlag AG, Zürich, 2025

Alle Rechte vorbehalten. Der Verlag untersagt ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung die Nutzung dieses Werkes im Sinne des §44b UrhG für das Text- und Data-Mining.

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel The Alperton Angels bei VIPER, part of Serpent’s Tail, an imprint of Profile Books Ltd, London

Copyright © Janice Hallett, 2023

Aus dem Englischen von Stefanie Kremer

Covergestaltung: Sund Design, Hamburg, unter Verwendung des Coverdesigns von Steve Coventry-Panton

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

Alle Rechte vorbehalten. Der Verlag untersagt ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung die Nutzung dieses Werkes im Sinne des §44b UrhG für das Text- und Data-Mining.

 

ISBN978-3-03792-232-3

 

www.atrium-verlag.com

www.facebook.com/atriumverlag

www.instagram.com/atriumverlag

Für Jill, Michelle und Lyra

VOR IHNEN LIEGT DER SCHLÜSSEL ZU EINEM BANKSCHLIESSFACH.

 

DARIN BEFINDET SICH EIN BÜNDEL DOKUMENTE: DAS ARCHIVIERTE RECHERCHEMATERIAL FÜR EIN VOR KURZEM VERÖFFENTLICHTES BUCH.

 

BITTE LESEN SIE SICH ALLES GUT DURCH UND TREFFEN SIE DANN EINE ENTSCHEIDUNG:

 

ENTWEDER:

 

SIE LEGEN DIE DOKUMENTE IN DAS SCHLIESSFACH ZURÜCK UND WERFEN DEN SCHLÜSSEL IN DEN FLUSS, SODASS ER NIE WIEDERGEFUNDEN WIRD …

 

ODER:

 

SIE ÜBERGEBEN SIE SAMT UND SONDERS DER POLIZEI.

1Korrespondenz, Hintergrundlektüre und allgemeine Vorbereitungen

WhatsApp-Nachrichten zwischen mir und meiner Agentin Nita Cawley, 26. Mai 2021:

Amanda Bailey

Die Morde, über die ich berichte, haben alle dasselbe Schema. Tote Blondine, Medien drehen durch, Polizei tappt im Dunkeln, Psychopath lacht sich ins Fäustchen.

Nita Cawley

Damit verdienen wir nun mal unsere Brötchen.

Amanda Bailey

Alles schon von sämtlichen Zeitungen und Kriminalreportern des Landes durchgekaut und ausgespien. Immer dieselbe alte Leier.

Nita Cawley

Ist angekommen. Was schwebt dir vor?

Amanda Bailey

Mal was ganz anderes. Was Frisches. Neues. Ach, ich habe keine Ahnung … ein Roman?

Nita Cawley

Verdammt! Mir war nicht klar, dass es *so* schlimm um dich steht Hör mal, ich bin auf dem Sprung zum Lunch mit Pippa vom Kronos-Verlag. Wenn gewisse Gerüchte stimmen, habe ich nachher vielleicht was Interessantes für dich.

E-Mail von meiner Agentin Nita Cawley, 26. Mai 2021:

AN: Amanda Bailey

DATUM: 26. Mai 2021

BETREFF: Dein nächstes Buch

VON: Nita Cawley

 

Okay. Wozu ein Roman? Schwülstige Sprache, mit der jede einzelne Teppichfalte beschrieben wird … Was du machst, ist um Längen besser. Du bist meisterhaft in der Darstellung der Realität, Amanda. Du gehst auf Tuchfühlung mit den ganz normalen Leser:innen da draußen. Die Leute wollen massentaugliche, gut lesbare Bücher, die sie in sicherer Umgebung auf die Spuren der grausigsten Verbrechen führen, und genau das bietest du ihnen. Was mich direkt zu meinem Treffen mit Pippa von Kronos bringt.

Pippa plant eine neue True-Crime-Reihe namens Eclipse. Jeder Band soll einem allgemein bekannten Verbrechen eine völlig neue, geheimnisvolle Aura verleihen (als würde sich der Mond während einer Sonnenfinsternis vor die Sonne schieben). Das kann ein neuer Blickwinkel sein, eine neue Theorie oder ein aktueller Bezug zur Popkultur; alles, was einer alten Geschichte neues Leben einhaucht.

Nichts zu Ausgefallenes. Pippa wünscht sich eine packende Strandlektüre für Liebhaber des Genres. Die Leserin der Zielgruppe ist bestenfalls schon mit den Fällen vertraut und freut sich auf ein Wiedersehen mit ›alten Freunden‹, wenn sie davon ausgehen kann, dass ein neuer Aspekt sie noch einmal ganz in seinen Bann zieht.

Sie hat ein paar Klassiker runtergerasselt. Im Großen und Ganzen Fälle, bei denen man denken sollte, dass kein Geheimnis mehr drinsteckt und es auch nichts mehr zu enthüllen gibt. Die üblichen Verdächtigen: Jack the Ripper (doch, ehrlich), Fred und Rose West, Harold Shipman, die Moormörder … Also nichts, was unsere Herzen höherschlagen lässt, bis sie die Engel von Alperton erwähnte.

Weißt du noch? Anfang der 2000er. Gruselige Geschichte mit jeder Menge Potenzial. Hat so viel billigen Horrorkram nach sich gezogen, dass sie nie ganz aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwand – und damit immer noch aktuell ist. Aber deshalb hat sie es gar nicht angesprochen.

Damals konnte über vieles nicht berichtet werden (ein paar von den Spinnern waren noch minderjährig), und das führt mich zu dem Grund, weshalb es gerade jetzt wieder in den Blick gerückt ist: Das Baby von damals wird dieses Jahr achtzehn. Pippa meint, sie wollen den Fall vom Standpunkt des erwachsenen Kindes aus betrachten. So was gab’s noch nie. Und genau danach suchst du doch, Amanda. Nach einer Story, die ganz allein dir gehört, oder nicht?

Zudem bist du genau diejenige, nach der Pippa sucht. Für einen Privatdetektiv zum Aufspüren des Kindes hat sie kein Budget. Sie braucht deine grandiosen Kontakte in den Sozialbehörden und deine unerschöpfliche Gabe, widerwillige Zeugen zum Reden zu bringen. Wenn du es schaffst, das Kind zu finden, könnte ich übrigens noch etwas für dich aushandeln, pass auf …

Pippas Lebensgefährtin hat ein Unternehmen für Film- und Fernsehproduktionen und ist mit Naga Munchetty zur Schule gegangen. Wenn du das Kind gefunden hast, will Pippa das Unternehmen auf einen Exklusivvertrag festnageln, damit sie nur mit dir – und, unterm Strich, Naga – sprechen, wobei die Ausstrahlung für die Zeit geplant ist, wenn das Buch auf die Ladentische kommt. Ich habe auch schon angeregt, dass du in der Dokumentation als eine der Hauptpersonen interviewt wirst. Natürlich ohne mich darauf festzulegen, dass du dafür zur Verfügung stehst.

Ich will dich nicht zu einer Entscheidung drängen, aber wie Pippa zu Recht sagt, sind wir nicht die Einzigen, bei denen der Geburtstag des Kindes im Kalender steht. Also, je eher wir anfangen können, diese ganzen Beziehungen zu nutzen, desto besser …

Keine tragischen Blondinen. Nur eine schräge Sekte, vier tote, verstümmelte Menschen und ein Geheimnis, das bis heute keiner zufriedenstellend lösen konnte. Du wärst die Erste. Stell dir das mal vor. N x

WhatsApp Nachrichten von mir an Keiron, 9. Juni 2021:

 

Amanda Bailey

Tut mir leid, dass ich das jetzt über WhatsApp mache, aber du bist unterwegs, und ich habe ein neues Projekt, das ich in Angriff nehmen muss, also … Du bist der beste, aufmerksamste Mann, dem ich je begegnet bin, aber ich bleibe lieber Single Offenbar bin ich einfach nicht gemacht für diese – oder überhaupt eine – Beziehung. Dafür hast du mir die Augen geöffnet, darum danke.

 

Amanda Bailey

Und es tut mir leid

E-Mail von meiner Lektorin Pippa Deacon, 10. Juni 2021:

An: Amanda Bailey

Datum: 10. Juni 2021

Betreff: Willkommen!

Von: Pippa Deacon

 

Liebe Amanda,

darf ich Ihnen zunächst sagen, wie sehr es uns freut, dass Sie mit an Bord der Eclipse-Reihe sind. Diese neue Reihe ist sehr wichtig für uns, und es machen so viele aufregende Leute mit. Craig Turner, den Sie, glaube ich, kennen, wird Dennis Nilsens Mordserie als Vorboten der AIDS-Krise in den Achtzigerjahren darstellen. Er hat mit sämtlichen schwulen Celebrities gesprochen und holt den Fall ins 21. Jahrhundert herüber. Die reizende Minnie Davis ist auf höchst schockierende Übereinstimmungen zwischen dem Leben von Myra Hindley und dem von Rose West gestoßen – ein echter Überraschungscoup. Sogar mit Fotos, die zeigen, wie ähnlich die Elternhäuser und Schulen der beiden aussehen, da läuft es einem wirklich eiskalt den Rücken runter! Die Engel von Alperton, das ist eine so düstere, so stark mit Emotionen aufgeladene Geschichte, dass jetzt, wo das Baby von damals achtzehn wird, die Zeit absolut gekommen ist, den Fall noch einmal neu aufzurollen.

Soweit ich weiß, haben Sie einen ›guten Draht‹ zu den Sozialbehörden in der Gegend von Alperton und können herausfinden, wohin das Kind damals gegeben wurde. Sie verstehen sicher, dass unser Budget eng auf Kante genäht ist und uns nicht erlaubt, einen Privatdetektiv einzuschalten, also, wenn Ihnen da eine Abkürzung einfällt … Wir kennen Ihre Beharrlichkeit und Entschlossenheit, wenn Sie hinter einer Story her sind, und vertrauen Ihnen blind, dass Sie das Herz dieses Falls ergreifen, es herausreißen und aufs Papier werfen.

Um zu erfahren, wie viel bereits öffentlich bekannt ist, brauchen Sie bloß zu googeln, dann sind Sie schnell auf dem neuesten Stand. Rufen Sie mich an, sobald Sie wissen, wo das Kind ist. Dann kümmere ich mich um die Fernsehfritzen.

Vielen Dank, Amanda; ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.

Pippa

WUNSCHLISTE INTERVIEWS
DIE ENGEL

Das Kind

Holly*

Jonah*

Gabriel Angelis, derzeitiger Wohnsitz: Strafvollzugsanstalt Tynefield

*nicht die echten Namen

KONTAKTE

(im Verlauf der Wochen erweitert)

RECHT UND GESETZ

Don Makepeace, Detective Chief Superintendent im Ruhestand

Jonathan Childs, Police Constable, hat Singhs Leiche gefunden

Grace Childs, seine Frau

Aileen Forsyth, Police Officer

Mike Dean, Police Chief Inspector

Neil Rose, Police Officer

Fareed Khan, Police Officer

Nikki Sayle, Police Sergeant im Ruhestand

Farrah Parekh, Police Sergeant

GESUNDHEITS- UND SOZIALFÜRSORGE

Sonia Brown, leitende Sozialarbeiterin

Julian Nowak, Sozialarbeiter

Ruth Charalambos, ehemalige Sozialarbeiterin

Sabrina Emanuel, Sozialarbeiterin im Ruhestand

Maggie Keenan, ehemalige diensthabende Leiterin des Willesden Children’s Centre

Penny Latke, Krankenschwester in der Notaufnahme

Caroline Brooks, Kriminalpsychologin

Jideofor Sani, Rettungssanitäter im Ruhestand

MEDIEN ETC.

Phil Priest, Fernsehproduzent

Debbie Condon, Fernsehproduzentin

Louisa Sinclair, ehemalige Reporterin beim Wembley Informer (heute Redakteurin bei WembleyOnline)

Corin Dallah, ehemaliger Pressesprecher des Justizministeriums

Gray Graham, Reporter im Ruhestand

Clive Badham, Autor des unverfilmten Drehbuchs Boten des Himmels

Jess Adesina, Autorin der Reihe Mein Tagebuch als Engel

Mark Dunning, Autor von Weiße Flügel

Judy Teller-Dunning, Autorin, Frau von Mark Dunning

Duncan Seyfried, Mark Dunnings Agent bei Neville, Reed & Partners

MIT DEM FALL BEFASSTE LAIEN

David Polneath, Hobbydetektiv

Cathy-June Lloyd, Vorsitzende des Cold & Unsolved Murder Club

Rob Jolley, Clubmitglied

Dave ›Itchy‹ Kilmore, Moderator des Podcasts Ein frischer Geist

Galen Fletcher, Beratungslehrer, dessen Bruder Harpinder Singh kannte

SONSTIGE

Hochwürden Edmund Barden-Hythe, Gemeindepfarrer der St.Barnabas Church, Sudbury

Jayden Hoyle, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Londoner Feuerwehr

Ross Tate, ehemaliger Gefängnisgenosse von Gabriel Angelis

Diverse mit einer Büroklammer zusammengeheftete Ausdrucke von Onlinenachrichten-Seiten und Ausschnitte aus Tageszeitungen. Alle datieren aus einem dreiwöchigen Zeitraum im Dezember 2003:
DIE STERNE STEHEN GUT

Heute Nacht nähern sich fünf Planeten unseres Sonnensystems einander in einer seltenen astronomischen Konstellation an, die morgen am 10. Dezember ab Beginn der Dämmerung zu sehen sein sollte. Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn reihen sich etwa alle 20 Jahre am Himmel hintereinander auf, doch dieses Mal stehen sich Jupiter und Saturn so nahe wie seit dem 16. Juli 1623 nicht mehr, ein Phänomen, das als Große Konjunktion bekannt ist.

EILMELDUNG

In Alperton im Nordwesten Londons hat die Polizei ein verfallenes Lagerhaus abgesperrt, in dem unbestätigten Berichten zufolge mehrere Leichen entdeckt wurden.

EILMELDUNG

Wie aus Polizeikreisen verlautet, handelt es sich bei dem Zwischenfall in Alperton um einen ›Massenselbstmord‹. Am Tatort befinden sich vier Leichen.

LEICHE MIT ›BLUTBAD‹ IN ZUSAMMENHANG GEBRACHT

Die Polizei geht davon aus, dass eine am Dienstag (9. Dezember) in einer leeren Wohnung aufgefundene Leiche in Zusammenhang mit den drei Männern steht, die einen Tag später in einem in der Nähe gelegenen Lagerhaus offenbar im Rahmen eines Selbstmordpakts ums Leben gekommen sind. Die Polizei wurde zu einer Wohnung im Middlesex House in der Ealing Road, Alperton, gerufen, aus der Nachbarn verdächtige Geräusche gemeldet hatten. PC Jonathan Childs, der als Erster am Tatort war, beschrieb die Leiche als männlich und ›im Zustand der Verwesung begriffen‹. Er bittet die Öffentlichkeit um sachdienliche Hinweise.

VERBINDUNG DER ›ENGEL‹ ZU ÖRTLICHER KIRCHE

Sektenmitglieder der sogenannten ›Engel von Alperton‹ waren in der St.Barnabas Church in Sudbury bekannt. Drei Männer und zwei Jugendliche, die sich für Engel in Menschengestalt hielten, besuchten gelegentlich die Sonntagsmesse, was die Frage aufwirft, ob die Kirche es versäumt hat, ihrer Verantwortung für Schutzbefohlene nachzukommen.

LEICHE IN WOHNUNG IDENTIFIZIERT

Die Polizei hat den letzte Woche tot im Middlesex House aufgefundenen Mann als Harpinder Singh, 22, Kellner im Restaurant Punjab Junction in Southall, identifiziert. Polizeiangaben zufolge war er vorübergehend im Middlesex House untergebracht, wurde allerdings in einer anderen als der ihm zugewiesenen Wohnung aufgefunden. Die Polizei geht von einem Zusammenhang zwischen seinem Tod und den Engeln von Alperton aus, kann dazu jedoch keine näheren Angaben machen, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden. Jeder, der sachdienliche Hinweise geben kann, wird dringend gebeten, sich an Crimestoppers zu wenden.

1. Vorlage für formelle E-Mails, verschickt ab dem 10. Juni 2021:

Sehr geehrte/r …,

mein Name ist Amanda Bailey. Ich bin die Autorin der True-Crime-Bestseller Auf der Schwelle, Gemeinsame Interessen und Der Krawattenknoten und arbeite gegenwärtig für Kronos Books an einem Buch über die Engel von Alperton. Meinen Informationen zufolge waren Sie damals …. Um eine falsche Darstellung Ihrer Organisation/Rolle/Abteilung zu vermeiden, würde ich gerne so bald wie möglich ein persönliches oder telefonisches Interview mit Ihnen vereinbaren.

Ich besitze eine lange Erfahrung in der Berichterstattung über Kriminalfälle und persönliche Schicksale. Mir ist bewusst, dass dieser Fall auch nach achtzehn Jahren noch eine gewisse Diskretion verlangt; wenn Sie also lieber anonym mit mir sprechen wollen, ist das selbstverständlich kein Problem. Ihre Mitarbeit an diesem Projekt würde dazu beitragen, dass sich ein derart schockierendes Versagen all unserer Sicherheitsnetze nicht noch einmal wiederholt.

Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,

2. Vorlage für informelle E-Mails, verschickt ab dem 10. Juni 2021:

Hallo!

Wie geht’s, wie steht’s? Ist schon wieder so lang her, seit …. Wie geht’s/war/ist den Kindern/die Hochzeit/der Ruhestand/der neue Job usf.? Ganz im Ernst, die Zeit fliegt nur so dahin.

Erinnerst du dich noch an den Fall der Engel von Alperton? Ich bin gerade dabei, was darüber zu schreiben. Das ist soooo lang her, und ich muss mich ranhalten, um auf den aktuellen Stand der Dinge zu kommen. Hast du noch Aufzeichnungen, die bis 2003 zurückreichen? Dürfte ich dich für Hintergrundinformationen über die damalige Zeit bei den Sozialbehörden/der Polizei/den Medien anzapfen? Dafür wäre ich dir ewig dankbar!

Freue mich auf ein Wiedersehen, sei es abends bei einem Drink oder tagsüber bei einem Kaffee.

Liebe Grüße,

WhatsApp-Nachrichten zwischen True-Crime-Autorin Minnie Davis und mir, 11. Juni 2021:

Minnie Davis

Hallo, Supergirl! Hab ja seit JAHREN nichts mehr von dir gesehen oder gehört. Und jetzt sagt Pippa, du arbeitest für sie an einem Projekt. Volltreffer! Wie geht’s?

Amanda Bailey

Die Engel von Alperton. Damals wurde so viel unter Verschluss gehalten, weil die Opfer noch minderjährig waren, und seither hat sich keiner gemeldet, der ihre Geschichten erzählen will. Weder, was die Jugendlichen (die jetzt Mitte 30 sein müssten), noch, was das Kind betrifft (fast 18). Alles noch geheimnisumwittert. Woran kannst du dich erinnern?

Minnie Davis

Ich meinte, wie’s DIR geht, nicht der Arbeit. Das war doch was mit Engeln und Teufeln, oder?

Amanda Bailey

Das war eine kleine Sekte, ein paar Männer, die alle ums Leben gekommen sind, plus einem Teenagerpärchen und deren Baby, die überlebt haben. Ein schauriger Massensuizid – über den es noch keinen Tatsachenbericht gibt. Hab nur ein paar Romane gefunden

Minnie Davis

Es gab mindestens zwei Fernsehproduktionen.

Amanda Bailey

Muss ganz schön komisch sein für die Betroffenen.

Minnie Davis

Ob das Kind wohl weiß, dass es das Kind aus dem Fall der Engel von Alperton ist?

Amanda Bailey

Bald schon.

Minnie Davis

Vielleicht hat es was darüber im Fernsehen gesehen oder gelesen, ohne zu wissen, dass es um die eigene Person geht.

Amanda Bailey

Du hast mich auf eine Idee gebracht. Der Typ, der den Fall schon bald danach fiktionalisiert hat, könnte durchaus nützlich sein. Mark Dunning hat einen Roman mit dem Titel Weiße Flügel geschrieben. Darin dankt er allen, ›die am Fall der Engel von Alperton beteiligt‹ waren und ihm ›geholfen‹ haben – das Buch ist achtzehn Monate danach erschienen. Hat die Leiche nicht mal richtig kalt werden lassen.

Amanda Bailey

Die Leichen.

Minnie Davis

Ich bin mit meinem Auftrag auf eine wahre Goldgrube gestoßen. Die meisten Menschen, die was mit den Moormorden zu tun hatten, sind tot, und die Verwandten der Wests sprechen schon seit Jahren nicht mehr mit den Medien. Keine Interviews, Gott sei Dank.

Amanda Bailey

Du Glückspilz

Minnie Davis

Und das ist nicht mal das Beste. Hab eine junge Frau kennengelernt, die eine feministische Dissertation über Mörderinnen verfasst hat. Hat mir den Abschnitt über Rose und Myra geschickt – brillant geschrieben; Fotos, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, Mandy. Sie meinte, verwenden Sie, was immer Sie wollen, erwähnen Sie mich halt in der Danksagung. Mein ganzes Buch baut darauf auf.

Amanda Bailey

Und damit ist sie einverstanden?

Minnie Davis

Absolut. Frauen helfen Frauen, das ist ihr Ding.

Amanda Bailey

Ich weiß nicht. Bei Laien muss man auf der Hut sein.

Minnie Davis

War ich ja auch. Bis ich die junge Frau kennengelernt hab.

Amanda Bailey

Die werden anhänglich, fangen an, Forderungen zu stellen, werden nachtragend und wollen sich schließlich rächen

Minnie Davis

ABER dafür legen sie sich ins Zeug und reißen sich den A… auf, um in einem Buch über ihren Lieblingsmord erwähnt zu werden. Außerdem kriegen sie eher einen Draht zu Leuten, die Journalisten von Natur aus nicht trauen. Diese junge Frau ist aufgeweckt und so unkompliziert. Wie auch immer, du, ich und Craig sollten uns mal auf einen Drink treffen.

Amanda Bailey

Muss noch so viel für das Projekt machen. Hab die ganze Nacht gelesen, den ersten Schwung E-Mails verschickt. Muss jetzt gezielt bestimmte Leute anschreiben, Interviews vereinbaren, Kontakt zu den Schreiberlingen von diesem ganzen fiktionalen Kram aufnehmen. Grmbl! Ich muss, muss, muss das Kind finden!

Bücher zu Recherchezwecken, bestellt bei Waterstones, 11. Juni 2021 (Kassenbons für Steuererklärung):

Cultish von Amanda Montell (vorbestellt, erscheint am 22. Juli)

Mein Tagebuch als Engel, Band 1–4 von Jess Adesina

Cults That Kill von Wendy Joan Biddlecombe Agsar

Cults Uncovered von Emily G. Thompson

Weiße Flügel von Mark Dunning

Terror, Love and Brainwashing von Alexandra Stein

E-Mail an die Sozialarbeiterin Sonia Brown, 11. Juni 2021:

An: Sonia Brown

Datum: 11. Juni 2021

Betreff: Ein Gefallen

Von: Amanda Bailey

 

Hallo, Sonia,

ich schreibe gerade über den Fall der Engel von Alperton. Muss Kontakt zu den Jugendlichen Holly und Jonah aufnehmen, vor allem aber zu dem Kind, das sie gerettet haben. Was ist mit ihm passiert? Und wo lebt es heute? Wenn es 2003 geboren wurde, wird es dieses Jahr achtzehn, Sie sollten also in der Lage sein, herauszufinden, wo es zuletzt untergebracht war – insbesondere, wenn es adoptiert wurde.

Derzeit durchforste ich die Medienberichte von damals, aber nirgends wird etwas über die Jugendlichen preisgegeben. Keine Namen, Bilder, Geburtsorte – alles geschwärzt, ›aus rechtlichen Gründen‹. Wenn Holly in der Lage war, sich um ihr Kind zu kümmern, wurden sie doch vermutlich zusammen untergebracht? Oder aber man hat das Kind von ihr getrennt in Pflege gegeben. Wie auch immer, zuerst und am dringlichsten möchte ich jedenfalls das Kind finden, dann die Jugendlichen.

Amanda

SMS zwischen Sonia Brown und mir, 11. Juni 2021:

Sonia Brown

Der Zugang zu den Archiven wurde gesperrt.

Amanda Bailey

Aber es gibt doch bestimmt Schwachstellen im System.

Sonia Brown

Wir müssen eine Erlaubnis beantragen, auf Genehmigung warten und später einen Bericht darüber schreiben, welche Relevanz die Akteneinsicht für einen laufenden Fall hatte. Zwischen dem Fall damals und den Fällen, die ich zurzeit bearbeite, gibt’s keine Verbindung. Tut mir leid, aber diesmal geht’s einfach nicht.

Amanda Bailey

Gibt es vielleicht eine andere Möglichkeit, wie ich an die Informationen kommen kann? Irgendjemand, der sich erinnert oder Zugang zu den Akten hat? Eine andere Dienststelle? Irgendwas?

SMS zwischen mir und Sabrina Emanuel, Sozialarbeiterin im Ruhestand, 11. Juni 2021:

 

Amanda Bailey

Hallo, Sabrina du fehlst mir!

Sabrina Emanuel

Hallo, Süße, na, wie geht’s?

Amanda Bailey

Kurze Frage. Der Fall mit den Engeln von Alperton, warst du dabei damals? Kannst du dich noch daran erinnern?

Sabrina Emanuel

Oh ja. Ja, ich erinnere mich.

Amanda Bailey

Es ist so lang her, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Lass uns ein Treffen ausmachen, so bald wie möglich! Wann bist du hier in der Gegend?

Sabrina Emanuel

Oktober.

Amanda Bailey

Ich dachte da eher an nächste Woche.

Sabrina Emanuel

Bin gerade in Faro gelandet. Die Algarve, Süße! Ich melde mich, sobald ich mein Häuschen bezogen hab.

Antwort von Louisa Sinclair auf meine Mailvorlage. Louisa und ich haben vor Jahren zusammen als Lokalreporterinnen beim Wembley Informer angefangen. Gegenwärtig ist sie Redakteurin bei WembleyOnline:

An: Amanda Bailey

Datum: 12. Juni 2021

Betreff: Aw: Die Engel von Alperton

Von: Louisa Sinclair

 

Hi, Mandy,

an diesen Fall kann ich mich noch gut erinnern. Hab grade mal gegoogelt, und da sind einige von unseren Schlagzeilen aufgepoppt. Das waren andere Zeiten, heute würden wir damit nicht mehr durchkommen. Tja, damals haben wir die pikanteren Details wohl ziemlich ausgeschlachtet. Wobei, wenn ich mich recht erinnere, gab’s auch nicht besonders viele Fakten zum Berichten, was erwarten die denn dann von uns?

Nüchtern betrachtet haben sämtliche Sicherungssysteme auf der ganzen beschissenen Linie versagt. Wenn du so was wie eine ›Lehre‹ aus der Geschichte ziehen willst, hätten wir damals wohl hinter die Fassaden schauen und das gesamte System infrage stellen sollen. Aber was weiß ich schon.

Lass mir ein bisschen Zeit, ich grab mal meine alten Unterlagen raus. Vielleicht hab ich noch was, womit du was anfangen kannst. Und ja, ein Wiedersehen wäre toll.

Liebe Grüße,

Louisa Sinclair

Redakteurin, WembleyOnline

E-Mail von Hochwürden Edmund Barden-Hythe, Gemeindepfarrer der St.Barnabas Church, Sudbury, 12. Juni 2021:

An: Amanda Bailey

Datum: 12. Juni 2021

Betreff: Aw: Die Engel von Alperton

Von: Edmund Barden-Hythe

 

Sehr geehrte Miss Bailey,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich bin seit nunmehr zweiundzwanzig Jahren der Pfarrer von St.Barnabas in Sudbury, also ja, ich war vor Ort, als in den Nachrichten über die Engel von Alperton berichtet wurde. Die beiden Jugendlichen erwähnten in ihren Aussagen unsere Gemeinde, woraufhin die Medien sich auf uns stürzten, und in der Folge sind wir nun auf ewig mit dem Fall verbunden.

Wir können uns gern treffen, wenn Sie der Meinung sind, dass ich Ihnen behilflich sein kann. Dienstags und mittwochs würde es mir am besten passen.

Mit freundlichen Grüßen

R.D. Edmund Barden-Hythe

WhatsApp-Nachrichten zwischen meiner Lektorin Pippa Deacon und mir, 12. Juni 2021:

Pippa Deacon

Hallo, Mandy Kurze Frage: Haben Sie das Kind schon gefunden?

Amanda Bailey

Hallo, Pippa. Ich bin grad mal zwei Tage an der Sache dran.

Pippa Deacon

Sind Sie ihm denn auf der Spur?

Amanda Bailey

Ich habe die Fühler zu meinen zwei besten Kontakten bei den Sozialbehörden ausgestreckt, also 

Pippa Deacon

Wie lang wird das dauern? Grob geschätzt?

Amanda Bailey

Der Fall ist 18 Jahre her, das heißt

Pippa Deacon

Ist nur, weil mir die Produzentin im Nacken sitzt wegen der Zeitplanung. Sie kennen doch die Fernsehfritzen. Ein ewiger Konkurrenzkampf. Bitte setzen Sie alle Hebel in Bewegung. Je eher wir die Exklusivrechte auf dieses Kind eingetütet haben, desto besser.

Amanda Bailey

Hm, da gibt’s ein paar Autoren, die sich damals recht zeitnah von der Geschichte inspirieren ließen. Vielleicht erinnern die sich ja noch an Namen usw.

Pippa Deacon

Gute Idee! Halten Sie mich auf dem Laufenden.

Twitter-Nachrichten zwischen mir und der Jugendbuchautorin Jess Adesina, 12. Juni 2021:

Amanda Bailey

Hi, Jess, ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich mich per Direktnachricht auf Twitter an Sie wende. Ich habe Mein Tagebuch als Engel gelesen, und, großer Gott, was für ein FANTASTISCHES Buch. Jeder Preis, den es gewonnen hat, ist mehr als verdient. Soweit ich weiß, wurde die Geschichte von den Engeln von Alperton inspiriert. Gerade recherchiere ich für ein True-Crime-Buch über den Fall und möchte im Vorwort über fiktionale Werke schreiben, die sich auf Details von damals beziehen. Ihr Buch soll darin natürlich eine besonders positive Erwähnung finden. Darf ich fragen, ob Sie während des Schreibens mit jemandem gesprochen haben, der in den Fall verwickelt war?

Jess Adesina

Nein.

Amanda Bailey

Ich frage nur, weil Sie 2011 in einem Interview mit dem Magazin Grazia ziemlich explizit andeuteten, mit einer der damaligen Schlüsselfiguren gesprochen zu haben. Das war vermutlich Holly? Offensichtlich haben Sie die Figur der Tilly auf ihr aufgebaut.

Jess Adesina

[SIEWURDENVONDIESEMACCOUNTGEBLOCKT]

E-Mail-Verkehr zwischen mir und Neville, Reed & Partners, der amerikanischen Agentur des Autors Mark Dunning, 12./13. Juni 2021:

An: [email protected]

Datum: 12. Juni 2021

Betreff: Mark Dunning

Von: Amanda Bailey

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

meines Wissens sind Sie die Vertreter von Mark Dunning, dem Autor des Romans Weiße Flügel. Wären Sie bitte so freundlich, ihm folgende Nachricht weiterzuleiten.

 

Sehr geehrter Mr Dunning,

ich habe gerade Weiße Flügel gelesen und war absolut gefesselt, von der ersten bis zur letzten Seite. Was für eine mitreißende Geschichte, die, soweit ich weiß, zudem von Ereignissen inspiriert wurde, die sich hier in Großbritannien zugetragen haben – mittlerweile bekannt als der Fall der Engel von Alperton. Ich bereite derzeit ein True-Crime-Buch über diesen Fall vor und habe mich gefragt, ob Sie und ich uns vielleicht einmal über Zoom oder FaceTime unterhalten könnten? Es würde mich interessieren, mehr über Ihre Recherchen zu erfahren – in der Danksagung sprechen Sie kurz darüber. Wenn man den Erscheinungstermin Ihres Buches berücksichtigt, müssen Sie recht bald nach den als ›Die Versammlung‹ bekannt gewordenen Geschehnissen mit Schlüsselpersonen von damals gesprochen haben. Sie verstehen sicher, dass es für mich ungleich schwerer ist, verlässliche Quellen zu finden – seither ist so viel Zeit verstrichen. Ich würde gern etwas über Ihre Gespräche mit denjenigen erfahren, die sich damals persönlicher Kontakte zu den unmittelbar in die Begebenheiten verstrickten Personen rühmen konnten.

Über eine baldige Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen.

Amanda Bailey

 

An: Amanda Bailey

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Aw: Mark Dunning

Von: Duncan Seyfried

 

Sehr geehrte Miss Bailey,

ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unser Autor Mark Dunning letzte Nacht gestorben ist. Im Moment sind wir alle sehr erschüttert und können Ihnen nicht mit weiteren Details behilflich sein.

Duncan Seyfried

Neville, Reed & Partners

 

An: Duncan Seyfried

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Aw: Mark Dunning

Von: Amanda Bailey

 

Sehr geehrter Mr Seyfried,

gerade habe ich es in den Nachrichten gehört. Anscheinend hatte er den Unfall zu fast derselben Zeit, als ich meine E-Mail losgeschickt habe. Wie tragisch. Hiermit möchte ich Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen.

Den Nachrufen habe ich entnommen, dass er mit Judy Teller verheiratet war. Wären Sie bitte so freundlich, meine Nachricht an Mrs Teller weiterzuleiten, sobald sie den ersten Schock überwunden hat? Sie ist ebenfalls Autorin, und ich bin mir sicher, dass sie Verständnis dafür hat.

Mit freundlichen Grüßen,

Amanda Bailey

E-Mails von mir an zwei Produzenten, die vor zehn Jahren an zwei verschiedenen TV-Serien über den Fall der Engel von Alperton arbeiteten, 13. Juni 2021:

An: Phil Priest

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Die Versammlung

Von: Amanda Bailey

 

Hallo, Phil, ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen. Ich arbeite derzeit an einem Buch über die Engel von Alperton und habe gerade an einem Stück sämtliche Folgen Ihrer großartigen Serie Die Versammlung von 2011 geschaut, die sich mit dem Fall befasst. Soweit ich mich erinnere, gab es zwei auf denselben Ereignissen basierende Serien, die im Abstand von nur wenigen Wochen gesendet wurden; meiner Meinung nach allerdings war Ihre bei Weitem besser. Ein Zirkel infamer, perverser Männer trug die Verantwortung für das, was geschehen ist, also war es nur folgerichtig, sich auf diesen Aspekt der Geschichte zu konzentrieren.

Darf ich fragen, ob Sie oder eine der anderen an der Produktion beteiligten Personen im Rahmen der Recherche mit den Opfern gesprochen haben?

Herzliche Grüße,

Amanda Bailey

 

An: Debbie Condon

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Versäumte Pflichten

Von: Amanda Bailey

 

Hallo, Debbie, ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen. Ich arbeite derzeit an einem Buch über die Engel von Alperton und habe gerade an einem Stück sämtliche Folgen Ihrer großartigen Serie Versäumte Pflichten von 2011 geschaut, die sich mit dem Fall befasst. Soweit ich mich erinnere, gab es zwei auf denselben Ereignissen basierende Serien, die im Abstand von nur wenigen Wochen gesendet wurden; meiner Meinung nach allerdings war Ihre bei Weitem besser. Die Unterfinanzierung der Sozialbehörden durch eine gleichgültige Regierung und das Versagen der Führungskräfte in den Ämtern trugen die Verantwortung für das, was geschehen ist, also war es nur folgerichtig, sich auf diesen Aspekt der Geschichte zu konzentrieren.

Darf ich fragen, ob Sie oder eine der anderen an der Produktion beteiligten Personen im Rahmen der Recherche mit den Opfern gesprochen haben?

Herzliche Grüße,

Amanda Bailey

E-Mail-Verkehr zwischen mir und Clive Badham, einem aufstrebenden Drehbuchautor, 13. Juni 2021:

An: Clive Badham

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Die Engel von Alperton

Von: Amanda Bailey

 

Lieber Clive Badham,

als Autorin, die gerade für ihr nächstes Buch recherchiert, habe ich mich gefragt, ob Sie mir vielleicht weiterhelfen können. Im Internet habe ich gesehen, dass Sie 2005 einen Preis für einen auf dem Fall der Engel von Alperton basierenden Film gewonnen haben. Im Rahmen meiner breit angelegten Nachforschungen zu den Langzeitfolgen dieses Falls würde ich mir den Film gern ansehen, kann ihn aber nirgends finden. Ist er vielleicht über einen bestimmten Streamingdienst oder auf DVD erhältlich? Und haben Sie im Rahmen Ihrer Recherchen mit jemandem gesprochen, der mit dem Fall zu tun hatte?

Beste Grüße,

Amanda Bailey

 

An: Amanda Bailey

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Aw: Die Engel von Alperton

Von: Clive Badham

 

Hallo, Amanda,

Ihr Name kam mir gleich bekannt vor, dann wurde mir klar: Ich habe Gemeinsame Interessen gelesen, Ihr Buch über den Fall Rachel Nickell. Und jetzt wenden Sie sich an mich! Natürlich möchte ich Ihnen bei Ihren Recherchen helfen.

Yep, mein Fantasy-Action-Abenteuer-Drehbuch Boten des Himmels ist tatsächlich inspiriert vom Fall der Engel von Alperton. 2005 hat es bei den London Film Academy Awards den Preis für das beste unverfilmte Drehbuch gewonnen. Hab mit keinem der Beteiligten gesprochen, weil ich damals alles darüber gelesen hatte. Außerdem beschäftige ich mich in meiner Freizeit mit Okkultismus, sodass mein Basiswissen darüber als Quelle ausgereicht hat. Überhaupt habe ich mich weniger dafür interessiert, was wirklich geschehen ist, als für den Grundgedanken, dass Dämonen in menschlicher Gestalt unter uns weilen. Ist doch echt cool, oder? Und das hat mich inspiriert.

Sie können Boten des Himmels nirgendwo sehen – noch nicht. Es gab keine Finanzierung, weshalb das Buch nie verfilmt wurde. Aber ich habe es an sämtliche Produzenten und Produzentinnen geschickt, deren E-Mail-Adressen ich habhaft werden konnte, und ein Haufen von denen meinte, es wäre Spitze. Erst letzten Monat hat sich eine bei mir gemeldet und gesagt, dass sie in den nächsten zwei Jahren zwar noch ein großes Projekt laufen hat, aber wenn das in trockenen Tüchern ist, will sie das Drehbuch auf alle Fälle lesen! Drücken Sie mir die Daumen. Vielleicht lässt Ihr Buch das Interesse an dem Fall ja wieder aufleben.

Suchen Sie eventuell nach einem Drehbuchautor, der Ihre Bücher für die Leinwand adaptiert? Ich arbeite nur Teilzeit in einem Callcenter und unterrichte einen Schreibkurs an einer Abendschule. Da kann ich problemlos noch ein Drehbuch zwischenschieben. Ich habe keinen Agenten, falls Sie also interessiert sind, lassen Sie es mich bitte direkt wissen.

Clive Badham

SMS zwischen mir und Clive Badham, 13. Juni 2021:

Amanda Bailey

Vielen Dank, Clive, dürfte ich Ihr Drehbuch für Boten des Himmels trotzdem lesen? Ich finde es faszinierend, wie viele fiktionale Projekte von diesem Fall inspiriert wurden. Auch wenn Ihr Film bislang nicht gedreht wurde, ist er doch ein Beispiel für ein zeitgenössisches fiktionales Projekt, das auf dem Fall basiert. Wenn ich ihn in meinem Buch erwähne, nenne ich natürlich gern Ihren Namen

Clive Badham

Heikle Sache. Dabei würde ich mich nicht wohlfühlen. Sie sind selbst Autorin, da verstehen Sie das bestimmt. Buchstäblich jeder könnte den Namen auf dem Titelblatt austauschen und das Drehbuch als seins ausgeben. Aber wenn Sie jemanden brauchen, der eins für Sie schreibt, geben Sie mir Bescheid.

E-Mail, die an die Kontaktadresse meiner Website amanda-bailey.co.uk geschickt wurde, 13. Juni 2021:

An: Amanda Bailey

Datum: 13. Juni 2021

Betreff: Ein kleiner Gefallen

Von: Cathy-June Lloyd

 

Sehr geehrte Miss Bailey,

ich schreibe Ihnen als Vorsitzende eines kleinen Clubs hier in Guildford namens Cold & Unsolved, der sich mit ungelösten Mordfällen befasst. Wir treffen uns einmal im Monat und diskutieren unaufgeklärte Verbrechen und Todesfälle – nur so, zu unserem Vergnügen, aber ich bin mir sicher, dass wir wenigstens ab und zu durchaus mit einer interessanten neuen Theorie aufwarten können!

So haben wir uns auch mit dem Fall Jill Dando beschäftigt, und einige von uns haben dazu Ihr Buch Auf der Schwelle gelesen. Eine atemberaubende Lektüre, die ihre Leserinnen und Leser unserer Meinung nach direkt ins Herz dieses Falls hineinführt. Wissen Sie eigentlich, ob die Polizei überhaupt sämtliche Nachbarn vollumfänglich ausschließen konnte? Immerhin waren sie sehr schnell am Tatort, und der Umstand, dass jeder bzw. jede Einzelne die Straße beobachtet und die Pistole abgefeuert haben und dann zurück ins eigene Haus geschlüpft sein könnte, machte sie alle zu unseren Hauptverdächtigen. Wir haben sogar ein Motiv: Der oder die Schuldige wollte Dandos Haus kaufen, und zwar mit einem ›Mordhaus-Rabatt‹. Diese Theorie würde auch erklären, weshalb kein einziger glaubwürdiger Zeuge jemanden wegrennen sah. Ein paar von uns haben sich gefragt, ob Sie, indem Sie Ihr Buch Auf der Schwelle nannten, subtil auf eine Theorie hindeuten wollten, die Sie aus rechtlichen Gründen nicht offen äußern konnten.

Halten Sie eigentlich mitunter Vorträge in so kleinen Clubs wie dem unsrigen? Wir sind ein Häuflein begeisterter Hobbydetektive und würden uns sehr darüber freuen, Sie empfangen zu dürfen. Es wäre uns eine Ehre! Wir haben kein großes Budget, aber wenn Sie es einrichten könnten, garantiere ich Ihnen höchstpersönlich, dass Sie Amazon-Gutscheine im Wert von £ 40 sowie einen Blumenstrauß überreicht bekommen.

Doch auch wenn Sie zu beschäftigt sind, um uns einmal zu besuchen, erwarten wir mit Spannung Ihr nächstes Buch!

Cathy-June Lloyd

E-Mail von Dave ›Itchy‹ Kilmore vom Podcast Ein frischer Geist, 14. Juni 2021:

An: Amanda Bailey

Datum: 14. Juni 2021

Betreff: Der Frische Geist kehrt zurück!

Von: David Kilmore

 

Hey, Mandy!

Bahn frei für die neue Staffel! Jawohl, der Podcast Ein frischer Geist ist zurück für eine zwölfte Staffel, und ausnahmsweise will ich mir diesmal rechtzeitig eine Liste mit Gästen zusammenstellen. Darf ich Sie wieder vormerken? Beim letzten Mal haben Sie regelrechte Beifallsstürme entfacht. Wir können gern über ein Thema Ihrer Wahl sprechen und ein bisschen Schleichwerbung für Ihre Bücher machen: alte, neue und geplante (woran arbeiten Sie gerade?), während wir plaudern. Themen, die ich mir einstweilen mal notiert habe, wären zum Beispiel:

 

Vorgetäuschter Selbstmord: Der Heilige Gral des Mörders.

Mordanschläge: Warum passiert das nicht öfter?

Psychopathen, die nicht morden: Warum nicht, zum Teufel?

 

Bin offen für weitere Ideen. Geben Sie mir einfach Bescheid …

 

Dave ›Itchy‹ Kilmore

WhatsApp-Nachrichten zwischen Don Makepeace, DCS im Ruhestand, und mir, 14. Juni 2021:

 

Don Makepeace

Liebe Amanda, vielen Dank für Ihre Mail. Ich kann mich noch gut an jene Ereignisse erinnern. Würde mich über ein gemeinsames Mittagessen freuen, dann können wir uns unterhalten. Wissen Sie eigentlich, dass noch jemand ein Buch über denselben Fall schreibt? Oliver Menzies. Hat mich vor einer Weile angerufen. Er will aus der Perspektive des Kindes berichten. Wir können uns jederzeit treffen. Don.

Amanda Bailey

Oliver Menzies? AUSGESCHLOSSEN. Was genau hat er gesagt, Don? Hat er mit dem Kind gesprochen?

 

Don Makepeace

Das weiß ich nicht mehr. Wir haben im Quaglino’s zusammen zu Mittag gegessen. Köstliches Brot und Biobutter. Don.

WhatsApp-Nachrichten zwischen mir und meiner Lektorin Pippa Deacon, 14. Juni 2021:

Amanda Bailey

Hallo, Pippa, mir ist der perfekte Titel für mein Buch über die Engel von Alperton eingefallen: BOTENDESHIMMELS. Was halten Sie davon? Ich muss Ihnen was sagen, das ich selbst gerade erst erfahren habe: Oliver Menzies schreibt über denselben Fall, und nach allem, was man hört, will auch er das Kind in den Mittelpunkt stellen. Sehen Sie darin ein ebenso großes Problem wie ich? Sollte ich meinen Ansatz vielleicht überdenken, bevor ich weitermache?

Pippa Deacon

Wer soll das sein? Kennen Sie den? Titel übrigens genial.

Amanda Bailey

Ja, ich kenne ihn. Aus einem anderen Leben. Wir haben beide bei einer Lokalzeitung angefangen, in einem Trainee-Programm Ende der Neunziger. Ich bin vorzeitig abgesprungen, und er ist gleich nach dem Programm weitergezogen.

Pippa Deacon

Ich lese hier, dass er als Co-Autor für die Erinnerungen eines Polizeibeamten namens Frank und als Ghostwriter für einen Soldaten gearbeitet hat, dem Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden. Kann er denn was?

Amanda Bailey

Wir haben uns aus den Augen verloren. Soweit ich weiß, war er erst bei einem Radiosender, dann bei einem Magazin fürs Bauwesen, und mein letzter Stand ist, dass er als schicker PR-Fritze in irgendeinem Unternehmen arbeitet. Ist jetzt wohl unter die Freiberufler gegangen.

Pippa Deacon

Nun, wir wussten ja, dass über kurz oder lang auch andere anfangen würden, ihre Nasen in den Fall zu stecken. Aber er hat nicht Ihre Kontakte, wir werden ihm also immer ein Stück voraus sein. Solange wir das Kind zuerst kriegen und uns die Exklusivrechte sichern können. Wie weit sind Sie?

SMS zwischen mir und Sozialarbeiterin Sonia Brown, 14. Juni 2021:

Amanda Bailey

Was die Suche nach dem Kind aus dem Fall der Engel von Alperton betrifft. Ich brauche bloß ein paar Namen, Daten und Adressen. Den Rest erledige ich. Oder Sie sagen mir, wie ich auf den Server zugreifen kann, dann suche ich mir die Infos selbst raus.

Sonia Brown

Wie bereits gesagt, das System ist mittlerweile komplett anders. Zugriff ausgeschlossen.

Amanda Bailey

Sonia, bitte, denken Sie sich was aus. Das ist das Mindeste, was Sie für mich tun können, nachdem ich das Leak im Three Beeches Fall für mich behalten habe.

Sonia Brown

Leak? Damals habe ich IHNEN geholfen. Hören Sie, wenn ich meinen Job verliere, nütze ich Ihnen gar nichts mehr, oder?

Amanda Bailey

Sie würden nicht nur Ihren Job verlieren. Sie haben auf eigene Faust gehandelt. Ihre Kompetenzen überschritten. Nach allem, was passiert ist, käme es ziemlich sicher zu einer Strafanzeige.

Sonia Brown

Echt jetzt, Mandy, nach allem, was ich für Sie getan hab?

WhatsApp-Nachrichten zwischen mir und meinem ehemaligen Kollegen Oliver Menzies, 14. Juni 2021:

Amanda Bailey

Arghhhhh! Dann musstest du im Gherkin Tower wohl doch zu hart arbeiten für dein sechsstelliges Gehalt? Du hast es ja nicht mal ein Jahr ausgehalten, bist du Idiot etwa süchtig nach Jobwechseln? Ein echter Rekord, selbst für dich! Was ist passiert, hast du in die Portokasse gegriffen? Bei einer Presseveranstaltung deinen Schwanz rausgeholt?

Oliver Menzies

Mein Vater ist gestorben. Ich war nicht unbedingt in der Verfassung, mich richtig in den Job reinzuhängen. Bin in beiderseitigem Einvernehmen gegangen.

Amanda Bailey

Oh. Tut mir leid, das zu hören.

Oliver Menzies

So ist das Leben.

Amanda Bailey

Hab erfahren, dass du über die Engel von Alperton schreibst. Für wen?

Oliver Menzies

Stimmt ja. Du bist’s. Ich WUSSTE, dass jemand versucht, meine Kontakte anzuzapfen. Benutzt du echt immer noch E-Mail-Vorlagen, als wär’s 2001?

Amanda Bailey

Geht schnell und ist effizient.

Oliver Menzies

Die persönliche Note macht’s. Qualität vor Quantität, immer und überall. Mein Buch ist für Green Street und deins, nehme ich an, für Pippa Deacons neue Reihe.

Amanda Bailey

Ist True Crime überhaupt dein Ding? Der Oliver Menzies, den ich kannte, hielt kommerzielle Verlage immer für unter seiner Würde

Oliver Menzies

Ich betrachte den Fall von der Perspektive des Kindes aus.

Amanda Bailey

Genau wie ich. Genau so lautet mein Auftrag. Weiß Green Street davon?

Oliver Menzies

Du kommst zu spät, Mandy. Ich arbeite schon seit Wochen dran.

Amanda Bailey

Hast du schon mit dem Kind gesprochen?

Oliver Menzies

Es gibt haufenweise andere Möglichkeiten, wie du das Thema anpacken kannst.

Amanda Bailey

Hast du schon mit dem Kind gesprochen?

Oliver Menzies

Nicht direkt. Stehe aber kurz davor. Du?

Amanda Bailey

Ja. Es will mit uns zusammenarbeiten und hat gerade einen Exklusivvertrag unterzeichnet, du verschwendest also besser keine Zeit mehr damit. Aber keine Sorge. Es gibt haufenweise andere Möglichkeiten, wie du das Thema anpacken kannst.

Meine Vorlagen für Phishing-Anrufe, 14. Juni 2021:

›Hallo, hier spricht Sergeant Jones von der Londoner Polizei, Abteilung Kinder- und Jugendschutz. Ich bearbeite gerade einen heiklen Fall aus der Vergangenheit. Könnten Sie mir anhand Ihrer Akten eventuell bestätigen, wann genau drei bestimmte Kinder bei Ihnen in der Pflegeeinrichtung waren?‹

 

›Das dürfen Sie nicht? Oh. Tja, das ist enttäuschend, immerhin benötige ich lediglich eine Bestätigung der Daten. Das könnte das Leben einiger sehr tapferer Menschen verändern. Sie wissen bestimmt, wie schwierig diese Fälle aus der Vergangenheit sind. Die Opfer finden endlich den Mut, sich zu melden, manche erst, nachdem sie viele Jahre mit dem Trauma gelebt haben, und dann zerbröselt einem der Fall unter den Fingern, nur weil eine winzige Information fehlt. Eine ganz kurze Bestätigung – zum Beispiel, wann genau drei bestimmte Kinder in Ihrer Obhut waren – könnte wirklich ENTSCHEIDEND sein.‹

 

›Das ist großartig, vielen Dank. Es geht um das Jahr 2003, und ich spreche von den Minderjährigen im Fall der Engel von Alperton. Zwei Siebzehnjährige und ein Baby, das damals wenige Monate alt war. Eine sachdienliche Information für einen davon völlig unabhängigen Fall, den ich bearbeite.‹

HAB’S GEFUNDEN!

Willesden Children’s Service Centre

Neasden Road, NW10

WhatsApp-Nachrichten zwischen mir und meiner ehemaligen Assistentin Ellie Cooper, 14. Juni 2021:

Amanda Bailey

Hi, Ellie. Nimmst du eigentlich immer noch Transkriptionsaufträge an? Interviews mit zwei Teilnehmern, wie gewohnt, zum üblichen Preis? Beginn diesen Dienstag. Ich arbeite an einer ›Strandlektüre‹ für Kronos.

Ellie Cooper

EC steht in den Startlöchern!

Treffen mit Don Makepeace, DCS im Ruhestand, im Bluebird, Fulham, 17. Juni 2021. Transkribiert von Ellie Cooper.

AB: Danke, Don, dass wir uns treffen können.

DM: Ist mir ein Vergnügen. Sie sehen gut aus, Mandy. Wie geht’s eigentlich Ihrer reizenden Assistentin? (Die läuft gerade rot an und verachtet sich dafür, dass sie Wert auf die Anerkennung eines Mannes legt. EC)

AB: Sie ist nicht mehr meine Assistentin. Verfolgt ihren eigenen Weg und macht gerade ihren Doktor. (Ich überspringe mal den ganzen langweiligen Small Talk und mache da weiter, wo ihr aufs Thema zu sprechen kommt. EC) Don, Sie waren 2003 doch Chief Inspector von Wembley Central, als sich der Fall der Engel von Alperton ereignete. Woran können Sie sich diesbezüglich noch erinnern?

DM: An ihn erinnere ich mich noch sehr gut.

AB: Gabriel.

DM:[Er lacht. EC] Ja. Na ja, den Namen hat er sich selbst gegeben, an einem gewissen Punkt. Bevor er zu Gott fand, hieß er schlicht und einfach Peter Duffy. Ich weiß noch, dass wir ihn mal wegen Betrugs verhaftet haben, kurz nachdem ich zur Truppe gestoßen war. Das war Jahre vor dieser ganzen Alperton-Geschichte. Damals hatte er noch keine Bedenken, gegen das siebte Gebot zu verstoßen! [Du sollst nicht stehlen. EC]

AB: Was war er für ein Mensch?

DM: Sie kennen uns Polizisten, Mandy. Wir beobachten die Leute, immer. Die Schuldigen, die Unschuldigen. Die, die zwar etwas verbrochen haben, aber nicht das, was man denkt. Die ein Geheimnis bewahren oder loswerden wollen. Sie sind alle gleich. Aber er …

AB: Was war denn das Besondere an ihm?

DM: Ich habe mir alle Vernehmungen von ihm angesehen. Manche davon viele Male. Und habe es nicht herausbekommen.

AB: Ob er schuldig ist?

DM: Ob er die Wahrheit sagt.

AB: Logisch, wenn jemand seine eigenen Lügen glaubt, seid ihr mit eurem sechsten Polizistensinn aufgeschmissen.

DM: So ungefähr. Haben Sie vor, mit ihm zu sprechen?

AB: Zumindest stelle ich einen Antrag beim Leiter der Anstalt. Aber ich rechne eigentlich nicht mit Erfolg.

DM: Ich habe noch nie gehört, dass er ein Interview gegeben hätte. Behauptet, er könne sich nicht daran erinnern, was in jener Nacht und den Monaten davor passiert ist. Beharrt aber trotzdem auf seiner Unschuld. Tja, wenn er sich nicht erinnert, wie kann er sich dessen dann so sicher sein? [Er kichert. EC] Der Klassiker.

AB: Was ist mit den Jugendlichen? Holly und Jonah.

DM: Das sind auch nicht ihre richtigen Namen.

AB: Können Sie sich an die richtigen Namen erinnern?

DM: Nein.

AB: Wie waren die so?

DM: Unterschiedlich wie Tag und Nacht. Sie war aufgeweckt; er schüchtern, leicht zu beeinflussen. Er fast noch ein Kind, sie fast schon erwachsen. Trotzdem – [Den Rest kann ich nicht verstehen. EC]

AB: Haben Sie je rausgekriegt, wer der Vater von dem Kind ist, Gabriel oder Jonah?

DM: Das war Sache der Sozialbehörden. Wir haben uns auf den Mord konzentriert.

AB: Harpinder Singh. Ich habe alles über den Fall gelesen, was ich in die Finger kriegen konnte, und, na ja …

DM: Was?

AB: Die Beweise, die Gabriel hinter Gitter gebracht haben, kann man doch bestenfalls als fadenscheinig bezeichnen.

DM: Soll das heißen, dass er’s nicht war?

AB: Nein.

DM: Seine Fingerabdrücke wurden in dieser verwahrlosten Wohnung gefunden, neben der Leiche, oder nicht?

AB: Der Teil eines Fingerabdrucks, auf einer Broschüre am Fußboden.

DM: Genau. Er war zwar schlau genug, während der Tat Fingerabdrücke zu vermeiden, aber dann hat er an irgendeinem Punkt die Broschüre aus dem Briefkastenschlitz gezogen. Wahrscheinlich ein unwillkürlicher Reflex beim Verlassen der Wohnung, als der Adrenalinspiegel wieder nach unten ging.

AB: Singh war ein mittelloser Kellner, der vierzehn Stunden am Tag gearbeitet hat. Nichts deutet darauf hin, dass er ein Mitglied der Sekte geworden wäre, selbst wenn er Zeit dafür gehabt hätte. Warum sollten sie ihn ermordet haben?

DM: Warum machen solche Leute überhaupt irgendwas?

AB: War das ein Ritualmord? [Hierauf antwortet DM offenbar nicht. Jetzt wird euer Essen gebracht. Eure Unterhaltung mit der Bedienung und das Gespräch übers Essen überspringe ich. Geschwärzter Kabeljau. Klingt, als hätten sie ihn in der Pfanne vergessen. EC]

DM: … Darüber hinaus hatten wir nicht viel damit zu tun.

AB: Gabriel wird also wegen Mordes verurteilt sowie wegen Verstümmelung der Leichen der drei anderen Engel. Holly und Jonah erklären in ihrer Zeugenaussage, wie er sie in die Sekte gelockt hat, und er bekommt lebenslänglich. Aber die beiden Jugendlichen sind nie zur Verantwortung gezogen worden.

DM: Unter Berücksichtigung dessen, was sie durchgemacht hatten, wollte niemand Anklage gegen sie erheben. Ob nun zu Recht oder zu Unrecht. Sind Siebzehnjährige verantwortlich für ihre Taten? Wenn man bedenkt, wie ungeheuer schutzlos sie waren? Wir haben uns auf ihn konzentriert. Er war der einzige erwachsene Engel, der überlebt hat.

AB: Aber sie hätten doch …

DM: Das war ein heikler Fall. Sie waren beide Opfer, wurden in eine Sekte gelockt und ausgenutzt. Aber sie haben sich selbst daraus befreit und einen Säugling gerettet. Die Staatsanwaltschaft hatte Bedenken, sie zu beschuldigen. Vor allem, solange Gabriel quicklebendig und fidel war.

AB: Und nicht zuletzt waren sie minderjährig.

DM: Hm-mhm. Auch wenn sie schon siebzehn waren … Nach dem Gesetz schuldfähig, also … Wenn Erwachsene sich ihre eigene Fantasiewelt errichten und darin leben wollen … [Er beendet den Satz nicht. EC] Ihre war nun mal völlig abgedreht, aber das ist nicht verboten.

AB: Aber wenn eine Sekte ihre Mitglieder dazu bringt, Selbstmord zu begehen –

DM: Haben Sie die Berichte des Gerichtsmediziners gelesen? Jeder Engel starb an einem einzigen Schnitt durch die Kehle. Den er sich selbst zugefügt hatte. [Schweigen, während du – und jetzt ich – uns dieses grausige Bild vorstellen. EC]

AB: Eine lebenslange Haftstrafe ist ungewöhnlich, wenn jemand nur eines Mordes für schuldig befunden wird. Ich frage mich, ob der Richter wohl den Verdacht hatte, Gabriel könnte auch die anderen umgebracht haben?

DM: Allerdings, sehen Sie sich doch nur mal die Umstände an, Amanda. Auch wenn Gabriel nicht eigenhändig das Messer geschwungen hat, brachte er diese Männer doch dazu, sich selbst zu töten, wonach er ihre Leichen ausgeweidet und in einen Kreis mit Satanssymbolen gelegt hat. Er ist verrückt, und ja, man konnte in der Tat davon ausgehen, dass er auch für die anderen Tode verantwortlich war, weshalb …

AB: Merkwürdiger Fall.

DM: Mmmm. Durchgeknallt.

AB: Aber wie passt Harpinder Singh da rein?

DM:[Er spricht mit vollem Mund, igitt. Kann den ersten Teil seines Satzes nicht verstehen. EC] … heldenhaftes Ende.

AB: Nicht für Harpinder Singh.

DM: Natürlich, ich meine, dass die Bösewichte tot sind oder geschnappt wurden und das Kind überlebt hat.

AB: Im poetischen Sinne, vielleicht. Kennen Sie einen Police Constable namens Jonathan Childs?

DM: Nein, ich glaube nicht.

AB: Sein Name ist in einem Onlineartikel von damals aufgetaucht. Er hat Singhs Leiche in der leeren Wohnung gefunden. Irgendwie komme ich nicht an ihn ran.

DM: Ich kann mich ja mal umhören.

AB: Normalerweise habe ich bei Polizisten immer Glück, Don. Sie scheinen sich alle zu kennen.

DM:[Lacht. EC] Das ist die M40-Linie.

AB: Die was?

DM: Die Autobahn M40 verbindet sämtliche Gebiete im Westen von London bis runter ins Themsetal miteinander, und die Beamten, die in dieser Gegend leben und arbeiten, wechseln im Lauf ihrer Karriere häufig zwischen den Revieren dort. Ich frage mal rum. Irgendjemand kennt ihn bestimmt.

AB: Danke, Don. [Kaugeräusche und Gläserklirren. EC]

DM: Es überrascht mich nach wie vor, wie dieser Fall selbst heute noch die Fantasie der Menschen anregt. Vor Kurzem lief eine Folge von irgend so einer Serie im Fernsehen.

AB:Inside No. 9. Hab ich gesehen. Großartig. [Ich bin vor Angst fast durchgedreht. EC]

DM: Genau, so hieß sie. Schaurig! Gruselig. Aber so war das damals überhaupt nicht. Das war nur einer von zahllosen Fällen, bei denen miese Gauner schutzlose Menschen ausnutzen und Vorteile aus den Schwächen des Systems ziehen wollen. Zieht man das Gefasel von Engeln und Dämonen ab, bleibt nur ein äußerst deprimierendes, gleichwohl ganz alltägliches Verbrechen übrig.

AB: Was wurde aus dem Kind?

DM: Ah! Da fällt mir was ein. Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten. Connor überlegt sich nämlich, ob er Journalist werden soll. Ich habe ihm versprochen, nach einem liebenswürdigen Mitglied der schreibenden Zunft Ausschau zu halten, das er um Rat fragen kann. Würden Sie mal mit ihm darüber sprechen?

AB: Na klar.

DM: Vielen Dank. Haben Sie Lust, Sonntag zum Mittagessen zu kommen?

AB: Schrecklich gern. [Kurze Pause, während ihr beide kaut und schluckt. EC] Was wurde aus dem Kind, das aus den Klauen der Engel von Alperton gerettet wurde?

DM: Keine Ahnung. [Kurzes Zögern, angespannte Stimme. Weiß er Bescheid? EC]

AB: Wurde es wieder mit Holly zusammengeführt, oder kam es in eine Pflegefamilie?

DM:[Murmelt irgendwas. EC]

AB: Ganz unter uns? [Lange Pause. EC]

DM: Ganz unter uns, das war irgendwie komisch. Die vollständige Geschichte müssen Sie bei den Sozialbehörden erfragen, aber ich erinnere mich, dass plötzlich Leute aufgetaucht sind und behauptet haben, sie gehörten zur Familie. Großeltern, eine Tante, so jemand. Die haben vermutlich die Vormundschaft beantragt.

AB: Wenn es von der Familie adoptiert wurde, konnte Holly es vielleicht mit großziehen. Ein Happy End.

DM:[Murmelt irgendwas. Dann etwas, das klingt wie … EC] Komisch, je näher man kommt, desto weiter entfernt man sich.

AB: Was ist daran komisch?

DM: Nichts.

AB: Sie sagten, es wäre irgendwie komisch gewesen.

DM:[Klingt, als würde er kauen. Um Zeit zu schinden? EC] Schauen Sie, Mandy, ich denke nun mal wie ein Polizist. Mein erster Gedanke ist, wenn sie schon nicht für Holly sorgen konnten, warum sollte man ihnen dann ein Baby anvertrauen? Das ist nicht komisch, es ist bloß, na ja, Sozialarbeiter sehen die Welt auf ihre Weise und die Polizei auf eine andere. [Es folgt ein Gespräch über einen gemeinsamen Freund, Oliver Mingis. Du bittest DM darum, herauszufinden, ›wie weit er gekommen ist‹, und es dir dann zu sagen. Wichtig für das Interview? EC]

AB: Gibt es denn jemanden aus der Zeit, der bereit wäre, zu sprechen?

DM: Und mit ›bereit, zu sprechen‹ meinen Sie …?

AB: Bereit, alles zu enthüllen, was er oder sie damals für falsch hielt.

DM: Ich denke drüber nach, Mandy, aber eins will ich Ihnen noch sagen.

AB: Okay.

DM: Unter uns. Passen Sie auf sich auf.

[Ab da kommt nur noch langweiliger Small Talk. EC]

SMS zwischen mir und Sozialarbeiterin Sonia Brown, 17. Juni 2021:

Amanda Bailey

Das Kind wurde von einem Familienmitglied des minderjährigen Mädchens aufgenommen.

Sonia Brown

Wer hat Ihnen das erzählt?

Amanda Bailey

Jemand, der damals dabei war. Zunächst wurden sie alle ins Willesden Children’s Service Centre gebracht.

Sonia Brown

Ich hör mich um.

Treffen mit Hochwürden Edmund Barden-Hythe in der St.Barnabas Church, Sudbury, 18. Juni 2021. Transkribiert von Ellie Cooper.

AB: Vielen Dank [Dieses Echo! Ich krieg ne Gänsehaut. EC]

EBH: Kommen Sie, setzen wir uns in die vordere Bankreihe. Da können wir das Buntglasfenster sehen. Es ist von 1290. Vor den Engeln von Alperton war das unser Touristenmagnet.

AB: Wunderschön. Die kräftigen Farben. Darf ich ein wenig näher rangehen, um mir die Einzelheiten anzuschauen? Auf diesem Auge habe ich nur eine verminderte Sehfähigkeit.

EBH: Selbstverständlich, stellen Sie sich ruhig direkt davor. Sehen Sie, das ist alles noch original verbleit.

AB: Wow. Erzählt das Fenster eine Geschichte?

EBH: Die Belagerung von Samaria. Eine Episode aus dem Buch der Könige. Ben-Hadad, die Figur dort drüben, hat die Stadt vom Nachschub mit Lebensmitteln abgeschnitten. Der König, sehen Sie ihn da an der Wand? Er geht zu seinem hungernden Volk, hier. Diese Frau hält ihn auf und sagt: ›Eure Hoheit, gebt uns Euren Sohn, damit wir ihn essen können. Dann werden wir morgen meinen Sohn essen.‹ Also lässt der König seinen Sohn töten und essen. Am nächsten Tag hungern die Menschen erneut. Der König geht zu der Frau, muss aber erkennen, dass sie ihren Sohn versteckt hat. Da ist sie, sie weigert sich, das Opfer zu bringen, das sie von ihm verlangt hat, und er kann nichts dagegen tun. [Ganz schön makaber. EC]

AB: Jetzt aus der Nähe kann ich erkennen, dass es doch nicht so schön ist wie, äh … ist das …?

EBH: Der gesottene Kopf des Prinzen, ja. Die Geschichte wird manchmal als Pakt zwischen zwei Müttern interpretiert anstelle eines Pakts zwischen König und Untertanin. So oder so ist es eine ernüchternde Geschichte über Vertrauen und Glauben in seine Mitmenschen. Ganz zu schweigen von dem, was Menschen tun und sagen, um zu überleben. In der Version mit dem König ist es auch eine Lektion über die Opferbereitschaft und Verantwortung, die mit einer Führungsposition einhergehen. Mögen Sie einen Tee?

AB: Ja, bitte. [Geschirrgeklapper und Geplätscher beim Einschenken sowie ein paar öde Worte über die Becher. EC]

AB: Sie sind der erste Mensch, den ich spreche, der die Engel tatsächlich kennengelernt hat. [Darüber lacht er, aber es klingt reichlich unfroh. EC] Wann sind sie Ihnen das erste Mal aufgefallen?

EBH: Holly, das junge Mädchen, habe ich zuerst bemerkt, denn in dem Alter gehen die wenigsten ohne ihre Eltern in die Kirche. Ich bat eine unserer Damen, sie anzusprechen und nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Holly erzählte ihr, sie sei ein Engel und lebe mit anderen Engeln zusammen. In vollkommen sachlichem Ton, sie war komplett gehirngewaschen. Die Dame aus meiner Gemeinde wurde misstrauisch und schlug vor, dass sie am folgenden Sonntag auch die anderen mitbringen sollte.

AB: Und, sind sie gekommen?

EBH: Gabriel, der Anführer, außerdem ein anderer junger Mann, bei dem es sich, wie ich später erfuhr, um Jonah handelte, und Holly. Ich habe mit Gabriel gesprochen. Er bezeichnete sich als Laienprediger einer kleinen Gemeinde in der Nähe. Sie lebten in dem Glauben, dass alle Menschen Engel seien, die auf der Erde geboren wurden. Bei der Kollekte spendete er dreißig Pfund.

AB: Und das erschien Ihnen plausibel? Ihre Zweifel waren zerstreut?

EBH: Es ist nicht an mir, zu urteilen. Außerdem war es nicht das, was er sagte, sondern wie er es sagte. Menschen, die andere in Fantasiewelten hineinziehen, sind gewinnend. Niemand ist überzeugender als der, der selbst überzeugt ist.

AB: Haben Sie sie noch einmal wiedergesehen?

EBH: Nein. Als dann in den Nachrichten über die Ereignisse berichtet wurde, waren wir alle entsetzt. Die Polizei nahm Zeugenaussagen auf. Reporter waren hier. Wie sie mit uns redeten … Sie warfen uns vor, nicht eher die Polizei benachrichtigt und damit vielleicht den –

AB: Dreifachmord verhindert zu haben?

EBH: Verhindert zu haben, was beinahe mit dem Kind geschehen wäre. Wir warfen uns das selbst vor. [Er klingt am Boden zerstört. EC] Aber woher hätten wir das wissen sollen?

AB: Was empfinden Sie heute bei dem Gedanken, dass Menschen, die die christliche Lehre stark genug verdreht haben, um ein Menschenopfer zu rechtfertigen, diese Kirche besucht haben, Ihre Kirche?

EBH: Der christliche Glaube soll die Menschen inspirieren. Dass er früher oder später auch schlechte Menschen inspiriert, ist unvermeidlich. Oder gute Menschen, aber auf falsche Weise. Ich für meinen Teil denke heute, dass in einem Fall, der sich im Kern um eine kleine, abgeschottete Sekte schutzloser Individuen drehte, dem religiösen Aspekt viel zu viel Bedeutung beigemessen wurde.

AB: Ging es denn wirklich darum? Glaubten tatsächlich alle, sie wären himmlische Geschöpfe? Als Sie mit Gabriel sprachen, war er da …

EBH: Ich glaube … Das klingt jetzt sicher …

AB: Sprechen Sie’s aus. Glaubte Gabriel Ihrer Meinung nach wirklich, er wäre ein Engel?

EBH: Ich … ich weiß es nicht. Aber damals, als ich mit ihm sprach … Ich habe es geglaubt. Und das ist das Erschreckende daran.

[Eure Verabschiedung lasse ich weg. Er klingt traurig. EC]

WhatsApp-Nachrichten zwischen Oliver Menzies und mir, 19. Juni 2021:

Oliver Menzies

Hab mich gestern mit Don getroffen. Du hast Donnerstag mit ihm zu Mittag gegessen.

Oliver Menzies

Angekommen?

Amanda Bailey

Hab deine Nachricht bekommen. Das war die Feststellung einer Tatsache, die nach keiner Antwort verlangte.

Oliver Menzies

Wie auch immer. Worüber habt ihr gesprochen?

Amanda Bailey

Dies und das. Wir kennen uns schon lang, ich und Don.

Oliver Menzies

Verdammt, Mandy, es heißt ›Don und ich‹. Aus der Zeit beim Informer, stimmt’s? Ich auch. Er kennt sogar Frank, meinen freundlichen Polizisten.

Amanda Bailey

Don kennt jeden.

Oliver Menzies

Alte Verbindungen aus der Schulzeit, die Blutsbande der Truppe, die Brüderschaft der Sondereinsatzkräfte und einmal durch die gesamte Londoner Polizei geflutscht.

Amanda Bailey

Wusste gar nicht, dass er bei den Sondereinsatzkräften war.

Oliver Menzies

Flöß ihm einfach mal einen Scotch ein, und schon deutet er an, er wäre der damalige Ant Middletown gewesen. Spricht allerdings nicht über seine Einsätze. Hat also entweder PTBS oder immer nur faul rumgesessen. Allerdings hat er mich als Ghostwriter für diesen durchgeknallten Rambo empfohlen, gut genug vernetzt ist er also immer noch.

Amanda Bailey

Er weiß, wie man Verbindungen aufrechterhält.

Oliver Menzies

Oder, ums anders auszudrücken, er weiß, wie man sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Kosten anderer die Plauze vollfuttert. Ist doch wahr, du hast ihn noch nicht eingeladen, da sitzt er schon am Tisch.

Amanda Bailey

Du hast das Kind also noch nicht gefunden.

Oliver Menzies

Nein. Und ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du es auch noch nicht hast.

Amanda Bailey

Bei den Engeln von Alperton geht’s nicht nur um das Kind. Es geht um die beiden Minderjährigen, das Mädchen und den Jungen, um die Männer, die eine solche Kontrolle über sie ausgeübt haben, und um das System, das versagt hat. Komm schon. Konzentrier dich auf was anderes.

Oliver Menzies

Die Männer haben einfach die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, und im System liefen nur lauter sentimentale Gutmenschen rum. Und die Kids? Mit siebzehn ist man zwar noch jung, aber doch alt genug, um es besser zu wissen.

Amanda Bailey

Weißt du denn noch, wie du mit siebzehn warst?

Oliver Menzies

Ja, und Jugendliche in dem Alter sind nicht auf den Kopf gefallen. Die beiden müssen echt unfassbar dämlich gewesen sein, um auf so einen lächerlichen Quatsch reinzufallen. ODER sie standen vollkommen hinter der Lehre dieser Sekte. Also nein, für DIE interessiere ich mich nicht. Ich interessiere mich für das KIND, denn das ist der einzige unschuldige Mensch in der ganzen Sache.

Oliver Menzies

Angekommen?

Oliver Menzies

Ignorierst du mich jetzt?

Oliver Menzies

Das klingt vielleicht brutal, aber ich frage mich, wie das Kind mit all dem klarkommt. Jetzt, wo es erwachsen ist. Wie lebt man mit der Tatsache, dass man als ›böse‹ stigmatisiert wurde und nur knapp der rituellen Opferung durch eine verrückte Sekte entkommen ist? Das ist ein ziemlicher Haufen Scheiße, mit dem man leben muss. Und für mich ist das nun mal das Interessanteste an der Geschichte.

Oliver Menzies

Schicke ich meine Nachrichten hier ins Nichts?

WhatsApp-Nachrichten zwischen Don Makepeace, DCS im Ruhestand, und mir, 19. Juni 2021:

Don Makepeace

Mittagessen morgen geht klar, Amanda. So gegen ein Uhr. In der Zwischenzeit hier ein paar Leute, die sich vielleicht an die Engel erinnern können: Aileen Forsyth, Mike Dean, Neil Rose, Fareed Khan, Julian Nowak.

Amanda Bailey

Sie sind ein Schatz, Don. Vielen Dank. Bis morgen.

Gespräch mit Connor Makepeace in dessen Zimmer, 20. Juni 2021. Transkribiert von Ellie Cooper.

[Wolltest du das überhaupt aufnehmen? Ich hab’s auf jeden Fall mal transkribiert … EC]

CM: Im September fang ich also an der LSE an …

AB: Echt jetzt! Die London School of Economics. Das ist ja so abgefahren. [Amanda Bailey, verstellst du da etwa deine Stimme und die Aussprache, um cooler zu klingen? EC]

CM: Aber ich denke über die Ausbildung hinaus. Die ist schließlich nur Mittel zum Zweck, stimmt’s?

AB: Mh-mhm.

CM: Ich dachte, ich könnte es mal mit Journalismus versuchen. Ich meine, ich möchte das, was ich mache, auch gern machen. Nachrichten und Aktuelles sind ganz okay, aber ich hab echt keinen Bock auf Überstunden oder darauf, morgens in aller Herrgottsfrühe über den Verkehr auf der M25 zu berichten, wenn Sie verstehen, was ich meine? Ich dachte daher eher an Musikjournalismus, sofern man darauf überhaupt noch eine Karriere aufbauen kann … Amanda?

AB: Wer ist das auf dem Poster da?

CM: Jeff Walker von Carcass. [Jetzt hast du bestimmt komplett verständnislos dreingeschaut. EC] Das ist eine Band.

AB: Heavy Metal?

CM: Carcass sind mehr Grindcore. Hier, die Poster auf dieser Seite: klassisches Death Metal.

AB: