Die Erben des Lichtervolks - Sabrina Schluer - E-Book

Die Erben des Lichtervolks E-Book

Sabrina Schluer

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Beschreibung

Lange führen Jason und seine Siedlerfamilie ein friedliches Leben - frei von den technischen Fesseln des Zentrums, das die Gedanken der Menschen unter Kontrolle hält. Doch als sie einen Soldaten des Zentrums im Wald aufgreifen, beginnt das Idyll zu wanken …

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Seitenzahl: 801

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Zitat 3

Widmung 4

Lichtwesen 5

Erwartungen 7

Unvorbereitet 10

Vorfreude 12

Unruhe 28

Spurensuche 39

Befürchtungen 51

Bestätigung 57

Schmerzen 66

Gewissheit 75

Ungeduld 89

Optionen 95

Wut 102

Entscheidungen 109

Hoffnung 113

Fragen 125

Vorbereitungen 135

Puzzleteile 144

Geduldsspiel 166

Zweifel 177

Erkenntnis 189

Zusammenhalt 200

Gebannt 214

Versprechen 225

Gefahr 234

Angriff 242

Trauer 249

Erinnerungen 258

Aufbruch 264

Allein 275

Hoffnung 284

Vermutungen 293

Forschungen 305

Verbindungen 320

Pläne 336

Umbruch 343

Erfahrung 355

Illusionen 367

Unbehagen 385

Müde 394

Gefühlschaos 404

Verdacht 416

Geschichten 422

Zorn 431

Legenden 442

Ablenkungen 456

Offenbarung 465

Geblendet 471

Überredet 482

Geheimnisse 490

Verloren 498

Endlich 505

Danke 509

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021Vindobona Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-949263-12-5

ISBN e-book: 978-3-949263-13-2

Lektorat: Lucas Drebenstedt

Umschlagfoto: Eko Pramono, Evgeniy Gorbunov | Dreamstime.com; Sabrina Schluer

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: Vindobona Verlag

www.vindobonaverlag.com

Zitat

„Wildgänse rauschen durch die Nacht

Mit schrillem Schrei nach Norden –

Unstäte Fahrt! Habt acht, habt acht!

Die Welt ist voller Morden.“

Altdeutsches Volkslied

Widmung

Für mich,

weil es mein Traum war.

Für euch,

weil ihr mein Licht seid.

Lichtwesen

Von Anbeginn der Welt existierte das Volk der Lichtwesen. Und in ihren Reihen lebte die Wächterin. Sie hatte den höchsten Stand im Volk, denn sie konnte die Lichtwesen unter den Menschen erkennen und sie auf ihrem Weg anleiten. Es waren immer Mädchen, die das Licht in sich trugen, und die Wächterin half ihnen, ihre vielen guten Gaben zu ergründen, zu entfalten und zum Wohl des Menschenvolkes einzusetzen. Ab einem gewissen Zeitpunkt in ihrer Entwicklung strahlten sie ein besonderes Licht aus, das aus ihnen selbst zu kommen schien. Es umgab sie, wie eine Aura. Deshalb nannten die Menschen sie die Auren oder auch das Lichtervolk. Das Licht, das als sanfter Schein von ihnen ausging, spiegelte die Reinheit ihrer Seelen wider und konnte selbst an den dunkelsten Orten Hoffnung spenden. Der Wächterin oblag es außerdem, die Partner der erwählten Auren zu erkennen und diese auf die Suche nach ihnen zu schicken. Denn die ganze Macht der Auren entfaltete sich erst vollends, wenn sie und ihre Partner vereint waren. Doch nur wenige Lichtwesen waren Erwählte und nur ihnen wurde ein Partner zuteil.

Die Menschen verehrten sie, waren sie Erwählte oder nicht, denn die Auren spendeten ihnen bereitwillig und großzügig ihre Gaben: Frieden, Liebe, Glück und Harmonie.

Niemals drängten die Auren sich den Menschen auf. Solange die Menschen an ihre wunderbaren Gaben glaubten und ihnen vertrauten, halfen sie ihnen im täglichen Leben. Kam es zu Zank, Streit und Missgunst untereinander und das Volk erbat von den Auren den Frieden, so schenkten sie diesen.

Die Alten gaben das Wissen um das Lichtervolk an ihre Kinder und Kindeskinder weiter. Sie lehrten die nachfolgenden Generationen mit Ehrfurcht auf die Wächterin und ihr Volk zu schauen und ihnen zu vertrauen. Aus Dankbarkeit und um die Lichtwesen zu ehren, feierten die Menschen in jedem Jahr ein Aurenfest. An diesem besonderen Tag wurden Windspiele an jedem Haus aufgehängt, die Menschen schmückten sich selbst sowie ihre Häuser mit bunten Blumen und besonders farbenfrohen Kleidern und sie kamen zusammen, um zu singen, zu essen und zu feiern. Bei der großen Lichterzeremonie am Abend wurden Kerzen entzündet und auf den Fluss gesetzt. Mit ihnen sandten die Menschen ihre Segensgrüße an die Auren und erbaten gleichzeitig ihre Gnade und ihr Wohlwollen für die vielen kleinen und großen Wünsche. Die Auren ließen, wenn die Lichter sie erreichten, mit der Hilfe ihrer mentalen Gaben die Windspiele erklingen, zum Zeichen, dass das Bitten erhört würde. Der Klang der Windspiele brachte Heilung, Hoffnung und Zuversicht zu den Menschen.

So lebte das Volk in Wohlstand und Freiheit. Die Menschen konnten ihre Stärken ausleben, sich entwickeln und die Technologie für sich entdecken. Doch unter ihnen leben seit jeher Hass, Zweifel, Gier und Zorn. Und der Wohlstand nährte den Machthunger einiger. Diese machten sich die Technologie und den Fortschritt zunutze. Und mit der Gier nach Reichtum und Macht hielt das Böse Einzug in ihre Herzen und Gemüter. Diese Menschen nutzten die fortschreitende Technik, um das Volk geschickt zu manipulieren, damit sie der Wächterin und den Lichtwesen keine Beachtung mehr schenkten. So vergaßen die Menschen nach und nach die Auren und dass sie einst dafür gesorgt hatten, dass es ihnen immer gut ging. Ihre Werte, sowie sie selbst, verschwanden aus der Welt und ließen das Menschenvolk in der lichtlosen Dunkelheit, in der die Macht des Bösen regierte, zurück.

Aber einige wenige hatten sich das Wissen um die Auren bewahrt …

Erwartungen

Tief in Gedanken versunken, zog er an seiner Zigarre und inhalierte den heißen Qualm. Er wusste, dass man das eigentlich nicht machte, aber was kümmerten ihn veraltete gesellschaftliche Konventionen? Er hatte weit wichtigere Dinge im Kopf als das korrekte Paffen von teuren Zigarren. Schließlich musste er das große Ganze im Auge behalten, die Bewegungen in den Landen beobachten, um jederzeit die Kontrolle zu behalten und seinem großen Ziel endlich näherzukommen.

Seit einigen Wochen schon herrschten in ihm nervöse Spannung und freudige Erregung. Er wartete jeden Tag auf die ersehnte Nachricht und hoffte, dass er an alles gedacht, alle Eventualitäten in Betracht gezogen hatte. Der Plan durfte nicht scheitern. So viele Hürden hatte er bereits genommen, so lange Zeit hatte er gewartet. Es durfte nicht umsonst gewesen sein. Auf keinen Fall durfte auch nur ein winziges Detail schiefgehen.

Einen weiteren tiefen Zug nehmend, drehte er sich mit seinem bequemen Lederstuhl zum großen Panoramafenster seines geräumigen Arbeitszimmers um. Mancher hätte den riesigen, ovalen, in weiß und schwarz eingerichteten Raum als extravagant bezeichnet, wenn es demjenigen gestattet war, seine Meinung frei zu äußern. Er hingegen hielt sein Arbeitszimmer für schlicht und elegant, einem Machthaber würdig. Doch jetzt schaute er auf die Stadt herab, die sich rund um den großen Turm, das Zentrum, erstreckte. Es war eine prächtige Stadt, dachte er voller Stolz. Niemals herrschte Stillstand und das System war stabiler denn je.

Zwischen den Hochhäusern hindurch spähte er zum Horizont, wo er, nur dank des Zwölfers in seinem Gehirn, so gerade eben noch die in der Luft flackernden grauen Bauten der Vorstadt erkennen konnte. Er hatte seinen Blick in letzter Zeit sehr oft in diese Richtung schweifen lassen. Öfter noch als in den vielen Jahren des Wartens, die sich nun endlich auszuzahlen schienen.

Die Sonne schickte sich an unterzugehen und eine zarte Röte zeichnete sich zwischen den Schleierwolken ab. Er mochte diesen Anblick. Der Sonnenuntergang hatte immer die besten Ereignisse mit sich gebracht. Als es, ein paar Minuten später als verabredet, an der Tür klopfte, hoffte er, dass auch dieser Abend einen guten Abschluss finden würde.

„Herein!“, blaffte er und drehte sich rasch zu seinem Schreibtisch um. Das wurde aber auch Zeit, dachte er, die Zigarre im großen Aschenbecher aus Kristallglas ausdrückend, als sich schon die Tür öffnete. Ejon Carter, sein Oberster Diener und wie immer die personifizierte Diskretion, trat herein.

„Sehen Sie mich an, Ejon“, forderte er den hochgewachsenen, hageren jungen Mann auf. Carter gehorchte unverzüglich und ein beinahe triumphierender Ausdruck lag in seinen grauen, ungewöhnlich alten Augen.

„Es ist so weit, Sir. Landon hat sich entschieden“, raunte der Oberste Diener mit seiner knarzigen Stimme, ein sanftes, zufriedenes Lächeln auf den schmalen, blassen Lippen.

„Hervorragend.“ Ein Gefühl des Triumphs durchströmte ihn. Er hatte sich nicht geirrt, wie könnte er auch? „Und der Helfer?“, erkundigte er sich, die freudige Erregung in seiner Stimme unterdrückend.

„In Gewahrsam, Sir, wie befohlen“, schnarrte Ejon. „Wir können die Exekution –“

„Nein“, unterbrach er ihn barsch, einer Eingebung folgend. „Lassen sie ihn vorerst am Leben, Ejon. Ich habe da eine andere Idee.“ Er dachte an die Unterhaltung mit seinem Chefentwickler am Morgen dieses Tages und ein boshaftes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Ein wenig perplex, doch professionell genug, um es zu verbergen, neigte Ejon den Kopf. „Wie Sie wünschen, Sir. Gibt es noch Anweisungen?“

„Heute nicht mehr.“

Ejon, der wusste, dass er damit entlassen war, verneigte sich knapp und zog sich dann zurück.

Mit einem rückversichernden Blick auf die Tür überzeugte er sich davon, dass er allein war. Ejon hatte sie so leise geschlossen, dass er sich nicht sicher war. Der unauffällige junge Mann war wirklich ein guter Oberster Diener, auch wenn er sich bisweilen täuschte, was die Pläne seines Herrn anging.

Diesem gelang es nicht, das Lachen, das sich als zischendes Kichern ankündigte, länger zurückzuhalten. Er drehte sich erneut zum Fenster um, lehnte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zurück und genoss die Genugtuung über seine geglückte Vorhersage. Er hatte Recht behalten und das lange Warten hatte sich endlich ausgezahlt.

Alles verlief nach Plan.

Unvorbereitet

Starr vor Entsetzen und fassungslos darüber, dass er noch am Leben war, stand Jason auf dem schmalen, felsigen Plateau, oberhalb dessen, was bis vor wenigen Stunden sein Zuhause gewesen war. Mit Tränen in den Augen blickte er auf die rauchenden, schwelenden Trümmer, sah wie die Überlebenden mit ernsten und traurigen Mienen die letzten kleineren Feuer löschten. Es war nichts mehr übrig geblieben, keine der Hütten hatte den Angriff überstanden. Jason musste sich hinhocken und den Blick abwenden. Er schaute zum See, in dem Holzsplitter, Glasscherben und herabgestürzte Trümmerteile trieben. Der Anblick versetzte seinem Herzen einen bitteren Stich. Die treibenden Splitter und das glitzernde Funkeln der Glasscherben im hellen Sonnenlicht erinnerten ihn auf schmerzliche und groteske Weise an schwimmende Kerzen und die Zeremonie … Er dachte an die Wünsche, die er, so kurz bevor seine Welt zusammengebrochen war, an jene ausgesandt hatte, deren Schutz sie verlassen zu haben schien. Es war ohnehin nie mehr als ein alberner Glaube gewesen, doch Jason musste sich eingestehen, dass er in den letzten Tagen ins Straucheln geraten war. Er quälte sich selbst mit dem Wissen, dass er versagt hatte, sah in seiner Erinnerung, wie seine Familie vor den feindlichen Soldaten geflohen war, hörte noch immer ihre Schreie und fühlte ihren Schmerz. Der Verlust, die Trauer und die Wut vermischten sich mit Scham und dem schrecklichen Gefühl, verraten und betrogen worden zu sein. Die Augen zusammenkneifend, beobachtete er, wie seine Tochter Seite an Seite mitdiesemMannüber den verwüsteten alten Marktplatz ging. Er ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte es sein? Was hatte das alles zu bedeuten?

Jason hatte es immer für unmöglich gehalten, dass er einmal so verunsichert sein könnte, nur wegen eines einzigen Menschen. Und hatte er es nicht zugelassen, dass dieser Mensch sich sein Vertrauen erschlichen hatte? Hatte Jason nicht zugelassen, dass diese verfluchten Soldaten seine Familie hatten umbringen können? Er hatte versagt, hatte es kommen sehen und sich einfach zurückgelehnt und ein Fest gefeiert. Ein Fest zu Ehren derjenigen, die sie in dieser Nacht im Stich gelassen hatten. Er hatte es zugelassen, sich in der falschen Sicherheit eines alten, törichten Glaubens zu wiegen, und damit seiner Familie die Freiheit genommen. Ab sofort würden sie ein Leben auf der Flucht führen müssen.

Und weil Jason einen Hang zur Selbstbestrafung hatte, ließ er die Ereignisse dieser letzten Woche, die zu diesem schrecklichsten aller Tage seines Lebens geführt hatten, noch einmal klar und scharf umrissen vor seinem inneren Auge Revue passieren. Dabei suchte er nach dem entscheidenden Fehler, den er im Wettlauf mit dem Schicksal gemacht haben musste.

Vorfreude

Es sah ganz danach aus, als sollte es erneut ein schöner Tag in der Siedlung werden. Die Sonne kroch eben über den Horizont und wurde von den Bäumen des umliegenden Waldes verdeckt, sodass Jasons Umgebung in ein sanftes bläuliches Zwielicht ge-taucht wurde. Ein paar Wolken zogen langsam über den noch dunklen Himmel. Die kühle Morgenluft roch angenehm frisch und ein Hauch des nahenden Sommers lag bereits darin. Schon seit Mitte Februar hatte es keinen Bodenfrost mehr gegeben. Ungewöhnlich für diese Gegend, aber keiner der Siedler wäre auf den Gedanken gekommen, sich darüber zu beschweren. Sie konnten eine ertragreiche Ernte wirklich gut brauchen. Die letzten Jahre waren doch sehr beschwerlich und entbehrungsreich gewesen. Dieses nun schien deutlich besser zu werden, dachte Jason, während er sich von seiner kleinen Veranda aus in der Siedlung umsah. Da es sehr früh am Morgen war, regte sich noch keine Menschenseele und alles war ruhig und friedlich. Bis zur Mittagszeit würde der erdige Platz, um den herum die kleinen Hütten und Schuppen gebaut waren und den sie scherzhaft ihren Marktplatz nannten, von Leben und Licht erfüllt sein.

Jason stand gerne auf seiner Veranda und blickte auf diese, teilweise etwas windschiefe, Ansammlung von Holzbauten, welche im Laufe der Jahre die Siedlung gebildet hatten. Weit abgeschieden auf einer großzügigen Lichtung lag sie, versteckt in einer Senke des hügeligen Waldlandes, entlang eines annähernd zwei Meter breiten Bergflusses. Er endete in einem kleinen See am südwestlichen Rand der Lichtung. Schon alleine die günstige geografische Lage bot den Bewohnern Schutz vor der feindlichen Welt, in der sie ihr kleines unabhängiges Reich gegründet hatten. Die darüber hinaus gehenden Schutzmaßnahmen waren ebenso lebensnotwendig wie lästig, schränkten sie doch die kostbare Freiheit, für die sich der Überlebenskampf jeden Tag aufs Neue lohnte, stark ein.

Jasons Hand fuhr hoch zu seinem linken Ohr, in dem er den Stecker schon lange nicht mehr wahrnahm. Er dachte, wie so oft, über die Ironie dahinter nach. Der Stecker war Produkt und Teil des Systems, dem sie alle entkommen wollten. Doch ohne ihn wären sie dem System schutzlos ausgeliefert gewesen. Jeder Bewohner trug so einen Stecker. Und nur mit ihm konnten sie die Siedlung überhaupt erst betreten oder verlassen. Billy Junior, der von allen nur BJ genannt wurde, war ein absolutes Genie, was diese ganze Technik anging. Jason war unendlich froh, dass der ehrgeizige Junge einen Weg gefunden hatte, die Stecker so zu programmieren, dass sie keine Signale mehr ins Zentrum schicken konnten. Vorher hatten sie nie so genau gewusst, ob ihre Stecker bei den monatlichen Updates Daten an die großen Zentralserver der Stadt lieferten. Damals rechneten sie noch jederzeit mit Anschlägen, heute konnten sie sich zumindest sicher sein, dass sie unentdeckt blieben. Natürlich nur dann, wenn sich alle an die Sicherheitsbestimmungen hielten. Aber da musste Jason sich sehr wenig Sorgen machen, er wusste, dass er sich auf seine Leute hundertprozentig verlassen konnte. Er war so stolz auf diese Siedlung und auf das, was ihre Bewohner in den letzten, nun schon beinahe zwanzig, Jahren geschafft hatten. Fast unbehelligt lebten sie, auf zweifellos primitivem Niveau, frei von den Ketten der Sklaverei, die ihnen als Anhänger der alten Welt drohten, sollten sie jemals den fremdgesteuerten Marionetten des Zentrums in die Hände fallen.

Es war vorgekommen, dass sie den einen oder anderen Soldaten hatten töten müssen, der sich auf einem Kontrollgang zu nahe an sie herangewagt hatte. Vor allem seitdem das vermaledeite Land- und Forstwirtschaftliche Arbeitslager vor ein paar Jahren eingerichtet worden war, hatte sich die Zahl der Patrouillen beinahe verdoppelt. Das LFA, wie das Lager abgekürzt wurde, lag nur etwa zwei Tagesmärsche von ihrem Standort entfernt. Es diente, wie beinahe alle Zentrumseinrichtungen in der Umgebung, der zusätzlichen Versorgung der immer größer werdenden Vorstadt. Diese lag in nordwestlicher Richtung, etwa acht Tagesmärsche entfernt.

Das Lager war Fluch und Segen zugleich, denn es verschaffte den Siedlern einige neue Möglichkeiten, an Rohstoffe und Nahrungsmittel heranzukommen, die sie Zuhause nicht anbauen oder herstellen konnten. Und es lieferte zusätzlich genetisch modifiziertes Saatgut, mit dem sie ihre knappen Vorräte effizient und zeitsparend aufstocken konnten. Der größte Vorteil jedoch war, dass es in diesem Arbeitslager eine Krankenstation gab. Chris und Tobi war es doch tatsächlich gelungen, die Einzelteile für einen ausrangierten Operations-Roboter zu ergaunern. Das freute insbesondere die Mutter der beiden, Sigrid, welche die Ärztin der Siedlung war und die nun auch kleinere Operationen durchführen konnte. BJ und sein Vater Mike hatten es geschafft, das Ding wieder zusammenzusetzen, jedoch konnten sie die ursprünglichen Funktionen nicht vollends wiederherstellen. Der Roboter und die zusätzlichen Medikamente, die sie erbeuteten, reichten aber aus, um eine sehr passable medizinische Grundversorgung der Siedler zu gewährleisten. Nicht nur in Jasons Augen war das ihr wertvollstes Gut.

Trotz der offensichtlichen Vorteile waren viele neue Vorsichtsmaßnahmen nötig gewesen, um das Leben in der Siedlung an die Gefahr, die von dem Lager ausging, anzupassen. Seither durften die Bewohner die Siedlung nicht mehr alleine, ausschließlich nach vorheriger Absprache und auch nur mit entsprechender Sicherheitsausrüstung verlassen. Hier mussten sie sich wohl oder übel ebenfalls der Technik bedienen. Zur vorgeschriebenen Ausrüstung gehörten unter anderem die Safetys. Das waren schwarze Scanner mit klaren Visieren, die wie Brillen getragen wurden und mit denen man seine etwa einen Quadratkilometer umfassende Umgebung überwachen konnte. Darüber hinaus musste eines der beiden Obwatches, die sie in der Siedlung hatten, bei allen Versorgungs- und Beutetouren mitgeführt werden. Diese Radarscanner sahen aus wie Helme mit einem hellgrünen durchsichtigen Visier. Mit ihnen ließ sich ein weiter Umkreis von mehreren Quadratkilometern überblicken und potenzielle Ziele sowie feindliche Aktivitäten konnten gespeichert, markiert und verfolgt werden. Natürlich musste jeder, der vorhatte in den Wald zu gehen, zusätzlich eine Schusswaffe und ein Messer mitnehmen. Das ansehnliche Arsenal gut erhaltener und von den Zentrumsleuten ausrangierter Waffen, das sich in den letzten Jahren angesammelt hatte, war Jasons größter Triumph. Aber das Lob dafür durfte er nicht für sich allein beanspruchen. Wenn Chris nicht wäre, dann hätten sie einen Großteil der Schusswaffen niemals erbeuten, geschweige denn wieder gängig machen können. Dieser unglaubliche junge Mann hatte ein untrügliches Gespür dafür, so als ob er sie förmlich riechen könnte. Und was er nicht irgendwo fand oder wieder instand setzen konnte, das baute er einfach selbst.

Etwas, das Jason sehr schade fand, war, dass sie seit der Öffnung des LFA endgültig auf größere Versammlungen auf ihrem Dorfplatz verzichten mussten. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war allgegenwärtig und dass die Siedlung so verhältnismäßig groß war, barg ein umso höheres Risiko, dem Feind aufzufallen. Diese Regel war wohl der ausschlaggebende Grund, warum sie kaum noch Anlässe für eine Feier gefunden hatten. Schließlich verfügten die Gegner ebenfalls über Obwatches – wobei Jason sich nicht sicher war, ob die modernen Scanner noch so genannt wurden – und man wollte ihnen keinen Anlass bieten, neugierig zu werden und Nachforschungen anzustellen.

Umso mehr freute es Jason, dass es in diesem Jahr endlich einmal wieder ein richtiges Fest am Aurentag geben würde. Nach langem Zögern und vielen Überlegungen – und im Hinblick darauf, dass es nun seit drei Jahren keine Überfälle, Entführungen oder rätselhafte Todesfälle mehr gegeben hatte – waren die Siedler zu dem Entschluss gelangt, dass sie das Risiko eingehen konnten, den gesamten Festtag als Gruppe zu verbringen. Sie würden die Haupthütte nutzen, darin fanden alle Platz.

Jason erinnerte sich noch dumpf an das letzte echte Aurenfest, dass er als kleiner Junge erlebt hatte. Er musste noch sehr klein gewesen sein, denn er konnte sich nur noch an die vielen bunten Farben, die schönen Klänge der Windspiele und den Schein der kleinen Öllämpchen auf dem Wasser erinnern. Auch konnte er sich noch daran erinnern, dass die Feste von einem Jahr auf das andere aufgehört hatten. Zum Glück hatte er ein paar handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen seiner Mutter retten können, aus denen er wusste, wie der Aurentag der ursprünglichen Tradition entsprechend begangen wurde.

Dieses Jahr konnten sie endlich wieder ein richtiges Festmahl veranstalten. In den letzten Jahren hatte es für ein ausschweifendes Essen, von dem alle hätten satt werden können, einfach nicht gereicht. Das waren eher ganz normale Mahlzeiten gewesen, die sie teilweise getrennt voneinander zu sich genommen hatten. Dieses Jahr würden sie alle gemeinsam mal so richtig schlemmen. Jason lief schon bei dem Gedanken an Janoshs Brathähnchen das Wasser im Mund zusammen. Sie würden sogar die Windspiele in der Siedlung aufhängen, das hatten sie nun schon seit mindestens fünf Jahren nicht mehr gewagt. BJ hatte es geschafft, Lautsprecher zu basteln und Audiofilter zu programmieren, welche nun rund um die Siedlung verteilt waren und die nach außen dringenden Geräusche verzerrten.

Und da war ja noch die Sache mit den Wasserfässern. Die einzige Tradition, die sie in keinem Jahr ausgelassen hatten, weil die Lichterzeremonie das Kernelement des Aurenfestes darstellte. Janosh und Anita hatten immer schon unter gewissen Vorkehrungen darauf bestanden, die Kerzen auf den See zu setzen, und jedes Mal hatte Jason eine Menge Nerven dabei opfern müssen. Es war eine sehr riskante und heikle Aktion gewesen, die Kerzen rechtzeitig wieder abzufischen oder zu überspülen, damit sie den Fluss nicht erreichen und in nördliche Richtung, zum Zentrum, treiben konnten. Die Lösung mit den Wasserfässern war Majas Idee gewesen und sie hatte damit Jasons Leben mit Sicherheit um Jahre verlängert. Für seine ehemals rotbraunen Haare war es da schon zu spät gewesen, die waren schon lange grau.

Wenn Jason an seine Tochter dachte, wurde es ihm immer warm ums Herz. Maja hatte immer so gute Ideen, brachte Leben und Freude in jede Situation und sie war das schlagende Herz und die singende Seele der Siedlung. Es war erstaunlich, was für ein unglaubliches Mädchen aus ihr geworden war, bedachte man die Art und Weise, wie sie auf die Welt gekommen war. Wenn Jasondarandenken musste, verzog sich jegliche Wärme aus seinem Herz. Es war grausam gewesen, wie diese arme, misshandelte junge Frau, Majas Mutter, vor beinahe zweiundzwanzig Jahren auf die Lichtung gekrochen war. Sie war vollkommen orientierungslos gewesen. Jason konnte sich an jede Einzelheit klar erinnern, als wäre es gestern erst geschehen. Ihr geschwollener Bauch schleifte über den von kleinen Steinen, Ästen und Blättern übersäten Boden, während sie sich auf allen Vieren vorwärtsschleppte. Jason hatte erst wenige Monate zuvor zwei alte Hütten im Wald entdeckt und war gerade dabei gewesen, eine der beiden notdürftig zu renovieren. Er sah die Frau, als er die Bretter zur Ausbesserung der Eingangstür bearbeitete, und eilte ihr entgegen. Er trug die Frau, die trotz der Schwangerschaft viel zu wenig wog, in die Hütte, legte sie auf das alte, modrige Bett, welches er mit Laub und trockenem Gras aufgefüllt hatte, und tat für sie, was in seiner Macht stand. Sie war vollkommen apathisch, hatte hohes Fieber und überlebte die Geburt, zwei Tage nachdem Jason sie aufgenommen hatte, nicht. Nur ein einziges Wort hatte sie geflüstert, als die Krämpfe aufgehört hatten. „Maja“, der Name ihrer Tochter. Und so stand Jason in einer zerstörten und grausamen Welt und mit dem Winter vor Augen, vor der Aufgabe, ein neugeborenes Baby großzuziehen. Es war bereits Herbst, die Nächte waren schon ziemlich kalt und seine Vorräte reichten kaum für eine Person.

Glücklicherweise hatte Jason zu dieser Zeit bereits einen alten und offenbar verlassenen Bauernhof ausfindig gemacht. Dieser lag nur etwa einen halben Tagesmarsch in südöstlicher Richtung von seiner Hütte entfernt. Also band Jason sich die Kleine vor die Brust, einen Rucksack auf den Rücken und marschierte, wann immer es möglich war, los. Eine Kuh graste auf der noch immer umzäunten Weide und ein paar Hühner wollten ihren Stall wohl auch nicht verlassen, obwohl ihnen der Weg in die Freiheit offen gestanden hätte. Die Tiere verschafften ihm Milch, Eier und dann und wann einen Bissen Fleisch, wenn eines der Hühner sich in den Wald verirrte und erfror. Jason war ein guter Jäger und ein hinreichend begabter Fallensteller, daher konnte er getrost darauf verzichten, die Hühner zu schlachten. Getreide für Brot gab es überall. Die Natur hatte sich schon seit Langem ihren Platz zurückerobert. Wenn man sich ein wenig auskannte, fand man alles, was man zum Überleben brauchte, im Wald. Wobei es zugegebenermaßen auf dem Gelände, welches ja schon seit Langem der Nahrungsbeschaffung gedient hatte, nicht besonders schwer gewesen war, etwas Essbares zu finden. Schwerer war es da schon gewesen, unentdeckt zu bleiben, insbesondere mit einem Baby vor der Brust. Aber Maja war immer ein ungewöhnlich ruhiges Kind gewesen. Niemals hatte sie während der Jagd ihre Sicherheit gefährdet und bereits sehr früh ein Gespür für drohende Gefahren entwickelt. Sie schien von der ersten Sekunde ihres Lebens an zu verstehen, dass sie in eine feindliche Welt hineingeboren war.

In der ersten Zeit, als die Technik bereits fortgeschritten war, hatten die Mächtigen die Menschen verführt, ihnen und ihren Machenschaften zu vertrauen. Dumm, wie es die Menschen im Allgemeinen sind, hatten die Machthaber damit großen Erfolg. Jason hatte sich oft gefragt, wie es überhaupt erst soweit hatte kommen können, dass die Leute ihr Vertrauen in die Technik legten. Dingen, die nicht selbst denken können, sollte man einfach nicht vertrauen, davon war er stets überzeugt gewesen. Natürlich waren nicht alle so verblendet, sich dem Zentrum freiwillig auszuliefern und ihnen ihre vielen schönen Lügenmärchen von unbegrenztem Wohlstand und Macht zu glauben. Als die Widerstände des Volkes zu massiv wurden, zeigten die Ältesten, wie die Mächtigen genannt wurden, dann ihr wahres Gesicht und es brachen sehr dunkle Zeiten an. Es kam zu Unruhen und Protesten, die brutal niedergeschlagen wurden. Die Truppen des Zentrums drangen in jede Stadt, jedes noch so kleine Dorf ein, trieben die Menschen zusammen und zwangsimplantierten den verängstigten Massen die Ohrstecker.

Dem Wohnhaus des Bauernhofs konnte sich Jason natürlich nicht nähern, man konnte schließlich nie ganz sicher sein, dass es nicht vermint war oder überwacht wurde. Es gab auch Fallen in den Häusern, oder die Häuser selbst waren die Falle. Geriet man hinein, war man gefangen und fortan für den Rest seines Lebens Eigentum des Zentrums; ein fremdgesteuerter entrechteter Sklave. Auf diesem Wege hatten sie in den ersten Jahren, laut den Berichten, die meisten Sklaven bekommen und ihre Schreckensherrschaft ausgebaut. Jason, der in der Vorstadt aufgewachsen war und diese Machtausübung als junger Mann erlebte, hatte im richtigen Moment die Beine in die Hand genommen und war in die Wildnis geflohen. Seine Eltern gehörten zu jenen, die noch an die Auren geglaubt hatten. Sie waren so überzeugt davon gewesen, dass diese mystischen Wesen sie vor den Soldaten beschützen würden, dass sie sich noch nicht mal gewehrt hatten, als man sie wie Tiere in große Lastwagen einpferchte und zur Hinrichtung abtransportierte. In Jasons Magen bildete sich jedes Mal ein steinerner Kloß, wenn er an seine Eltern dachte. Sie wollten ihm immer wieder einreden, es brächte nichts, mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren. Heute – er war bereits älter, als seine Eltern es je geworden waren – wusste er natürlich, dass sie Recht gehabt hatten. Doch es hatte ihnen weder ihre Freiheit noch ihr Leben gesichert, an ihren alten Werten festzuhalten. Jason jedoch, der für seinen Geschmack alle guten Werte zu oft hatte in den Wind schlagen müssen, hatte sie beide überlebt und das bestätigte ihm, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Es bestätigte sich genau genommen jeden Tag aufs Neue. Er hatte diese Hütten gefunden und renoviert. Sie lagen so unheimlich geschickt versteckt in diesem Wald, an einem kleinen See, der durch einen natürlichen seichten Wasserfall des Flusses, der ihn bildete, entstanden war, dass er glaubte, den idealen Ort für ein Leben als Aussteiger gefunden zu haben. Der Wasserfall erzeugte eine ausreichende Strömung für ein Wasserrad. Wie Jason feststellte, hatte bereits jemand vor ihm diesen Gedanken gehabt, denn er entdeckte schon nach wenigen Tagen ein halb fertig gestelltes Wasserrad und weiteres Material dafür etwa dreißig Meter von der Hütte entfernt im Gebüsch. Das Holz war an einigen Stellen schon zum Teil verrottet, aber Jason konnte es mit ein paar Restaurationsarbeiten fertig stellen und in Gang bringen. Es trieb ein uraltes Hauswasserwerk an, das die größere der beiden Hütten mit fließendem Wasser und sogar ein wenig Strom versorgte. Zumindest reichte es für eine einzelne Glühbirne in der Küche, sie war lange die einzige, die funktionierte.

Jason hatte natürlich den Ursprung der Quelle ausfindig gemacht und war dann dem im See mündenden Fluss gefolgt. Dabei hatte er festgestellt, dass er tatsächlich den idealen Ort zum Leben unter dem Radar gefunden hatte. Der Fluss verfügte über eine Vielzahl von Ausläufern und Abzweigungen, die ins Nichts führten. Nur seinem guten Orientierungssinn hatte Jason es zu verdanken, dass er in den ersten Monaten stets den Weg zurück in sein Versteck gefunden hatte. In einer Entfernung von mindestens fünf Tagesmärschen hatte es keinerlei Zentrumseinrichtungen gegeben und die Wildnis bot, wenn man ein paar grundlegende Techniken beherrschte, alles, was man für ein halbwegs annehmbares Leben brauchte. Und beinahealleswar annehmbar, wenn man die Alternative bedachte.

In der ersten Zeit nach seiner Flucht hatte Jason sich oft Vorwürfe gemacht, dass er einfach abgehauen war. Er hatte niemandem aus seiner kleinen Widerstandsgruppe etwas gesagt, weil er schlicht nicht gewusst hatte, wem er vertrauen konnte. Aber im Laufe der Jahre, und mit Maja, hatte er seine Selbstzweifel über Bord geworfen. Dieses Kind musste in Freiheit aufwachsen, soviel war Jason von der ersten Minute an klar gewesen. Maja durfte auf keinen Fall in die Fänge des Zentrums geraten. Etwas war anders an diesem Mädchen und es konnte nicht ohne Grund geschehen sein, dass seine Mutter all die Strapazen auf sich genommen hatte, um es in die Freiheit zu bringen. Sie war von außergewöhnlicher Reinheit und Unschuld und alles, was Jason seither aufgebaut hatte, diente in erster Linie der Sicherheit dieses besonderen Kindes.

Es hatte einige Jahre gedauert, bis die Siedlung entstanden war, sie würde genau genommen wohl niemals fertig werden. Aber Jason bezweifelte doch stark, dass weitere Bewohner hinzukämen. Im Laufe der Zeit waren sie mal mehr, mal weniger, doch sie waren niemals mehr als zwanzig Personen gewesen. Manche hatten ihr Glück auf dem weiteren Weg suchen wollen und waren nur einige Monate geblieben, um sich Vorräte anzulegen und Ausrüstung herzustellen. Andere hatten sie an das Zentrum verloren. Jason dachte oft an die armen Seelen, die hoffentlich kein allzu qualvolles Ende gefunden hatten. Er hoffte vor allem, dass sie tatsächlich tot waren und nicht der Sklaverei anheimgefallen.

Momentan lebten sechzehn Erwachsene und zwei, bald drei Kinder in der Siedlung und alle waren sich einig, dass mehr Bewohner auch mehr Gefahr bedeuteten. Früher hatten sie noch nach neuen Siedlern Ausschau gehalten. Mehr blieb ihnen nicht übrig, denn sie konnten niemals einen Weg finden, die versklavten Menschen aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Daher hatten sie diejenigen, die auf welche Weise auch immer hatten fliehen können, eingeladen, bei ihnen zu leben. Und einige waren geblieben, immer unter der Voraussetzung, dass sie denMaja-Testbestanden hatten. Es war Jason schon sehr früh aufgefallen, dass Maja ein besonderes Gespür für den Charakter anderer Menschen hatte. Wenn sie jemandem nicht über den Weg traute, dann tat man besser daran, ihrem Urteil zu trauen.

Nachdem jedoch zu viele Bewohner nicht mehr von ihren Streifzügen in die Siedlung zurückkehrten, hatten sie vor einigen Jahren beschlossen, dass es für alle sicherer war, nicht mehr nach Geflüchteten zu suchen. Außerdem hatten sie nicht mehr viele Ohrstecker zur Verfügung. Und diese waren für die Sicherheit der Menschen an diesem kostbaren Flecken Erde von entscheidender Bedeutung.

Er selbst, Jason, hatte die Siedlung seit über einem Jahr nicht mehr verlassen können. Ein zurückschnellender Draht, der sich beim missglückten Aufstellen einer Falle im Wald um seinen rechten Oberschenkel geschlungen hatte, trug dafür die Verantwortung. Er hatte dabei eine tiefe Wunde und schließlich eine große, schmerzhafte Narbe hinterlassen. Die Narbe hatte sich stark verhärtet und verhinderte, dass Jason schnell genug laufen konnte, um mit auf die Jagd oder auf Beutezüge zu gehen. Dass er sich bei einem Sturz drei Wochen nach dem Drahtunfall das Becken gezerrt hatte, war ebenso nicht gerade förderlich gewesen. Die Unbarmherzigkeit des Alterns kam erschwerend hinzu. Sie machte einfach vor niemandem Halt, auch wenn man sich noch so sehr bemühte. Jason hinkte seither und das verlangsamte seine Schritte noch weiter. Und so kam es, dass Ben, der ein wahrer Künstler war, einen Gehstock für Jason anfertigte, auf den er sich bei Bedarf aufstützen und ausruhen konnte.

Es war so ärgerlich. Jedes Mal, wenn seine Leute da draußen waren, stand Jason Ängste aus, während er hier festsaß und Feuerholz aufstapelte. Manchmal half er Chris bei der Herstellung der Munition, bastelte mit Ben Angelhaken oder er machte sich auf dem Feld nützlich. Zwar hatten Sigrid und Anita alles in ihrer Macht stehende getan, doch sie verfügten trotz der Ausrüstung aus dem LFA nicht über die medizinischen Mittel, die notwendig gewesen wären, um einen bleibenden Schaden zu verhindern. So hatten sie keine Medikamente, die dafür sorgten, dass es nicht zur Narbenbildung kam, weil darauf im Arbeitslager kein Wert gelegt wurde. Ebenso hatten sie keine Möglichkeit, den Draht aufzulösen, wie es mit den modernen Methoden passiert wäre. Sie hatten ihn aufschneiden und damit Jasons Bein zusätzlich verletzen müssen. Aber sie hatten es geschafft, dass er sein Bein nicht verloren hatte, und das war alles, was zählte.

Inzwischen war die Sonne vollends aufgegangen und Leben regte sich, wohin er seinen Blick auch schweifen ließ. Die Siedlung erwachte. Jason genoss diese ruhige Stunde am frühen Morgen immer. Es war für ihn der Zeitpunkt, kurz bevor alle aufstanden, in dem er ganz in Ruhe seinen Gedanken nachhängen konnte. Nicht jedes Mal ging es ihm dabei so gut wie heute Morgen. Oft plagten ihn Sorgen um die Zukunft, die Versorgung und die Sicherheit seiner Familie. Denn so sahen sich die verbliebenen Siedler, als große Familie. Und er, Jason, trug die Verantwortung für sie alle. Das bereitete ihm oft Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte. Zwar war er nie offiziell zum Anführer gewählt worden und in der Siedlung arbeiteten alle Hand in Hand, doch war Jason es gewesen, der sie alle aufgenommen und ihnen angeboten hatte zu bleiben. Und er hatte sie alle in sein altes, vernarbtes Herz geschlossen. Sie hatten es mehr als nur verdient, dass sich endlich einmal alles positiv entwickelte. Wie oft hatten sie in den Jahren Hunger und Kälte aushalten müssen, wie viele Ängste ausstehen? Allein bei dem Gedanken an die langen, dunklen und kalten Winter, die er und seine Lieben oft nur knapp überlebt hatten, schnürte es Jason die Kehle zu.

Bei der Jagd im letzten Herbst waren die Jungs sehr erfolgreich gewesen. Auch die Beutezüge in diesem noch jungen Jahr hatten sich gelohnt. Jason konnte den Gedanken, dass Maja sich den Jungs immer öfter anschloss, noch weniger ertragen als die Tatsache, dass sie selbst gingen. Er war kein Macho, er wusste, dass sie, genau wie jede andere Frau in der Siedlung, es durchaus mit der Wildnis und den lauernden Gefahren aufnehmen konnte. Dennoch war er ganz froh, dass Brina ihrer Tochter verboten hatte, mit auf die Jagd zu gehen. Er selbst hätte gerne ebenfalls diese Möglichkeit gehabt. Aber natürlich konnte er Maja inzwischen keine solchen Vorschriften mehr machen. Und letztlich waren ihre untrügliche Intuition und ihre großartigen Fähigkeiten im Umgang mit allen möglichen Waffen, Jagd- und Kampftechniken eine Bereicherung für jede Jagdgesellschaft.

Die Vorräte waren dank des milden Winters nicht wie üblich bereits Anfang Februar verbraucht und in etwa um diese Zeit hatte es auch den letzten Schnee des Jahres gegeben. Dieser hatte sich in diesem Winter insgesamt sehr zurückhaltend gezeigt. Normalerweise lag in ihrer Gegend bis in den März hinein Schnee und die Temperaturen kratzten nur hier und da mal am Nullpunkt. Inzwischen war es Mitte März und seit ein paar Tagen erstaunlich warm. Jason stand in einem Leinenhemd und langen Lederhosen auf der Veranda. Die Sonne hatte die Bäume inzwischen unter sich zurückgelassen und wärmte sein Gesicht. Einen Moment lang schloss er die Augen und genoss einfach das herrliche, leicht prickelnde Gefühl auf seiner Haut.

Als er sie wieder aufschlug, entdeckte er Anita, die eben aus ihrer Hütte getreten war und mit einem Eimer in der einen und ihrer Mistgabel in der anderen Hand auf den Hühnerstall zueilte. Sie hatte einen leicht gebeugten, aber sehr zügigen Gang und schaute nur kurz auf, um Jason im Vorbeigehen einen Morgengruß zuzurufen. Er erwiderte den Gruß mit einem Winken und einem Lächeln, das allerdings auch auf Anitas heutiger Kleiderwahl beruhte. Sie trug einen weiten, ausgebeulten und etwa wadenlangen blauen Wollrock mit großen hellrosa Seitentaschen. Der war noch das schlichteste an ihr, denn kombiniert hatte sie ihn mit grünen Leggins unter ihren knallroten Gummistiefeln, einer lilafarbenen Bluse mit aufgerollten Ärmeln und darüber einem bunten, selbstgestrickten Poncho mit vielfarbigen Bommeln und einer spitz zulaufenden Kapuze. Anita lebte frei nach der Devise:Wenn die Welt grau ist, musst du eben bunt sein.

Jason bewunderte sie für ihre besonnene und unkomplizierte Art, das Leben zu nehmen. Es hatte auch damit zu tun, dass Anita eine wahre Expertin darin war, die schönsten und am hellsten leuchtenden Farben, welche die Natur zu bieten hatte, zu finden und zu verarbeiten. Sie konnte alles färben und bemalen. Als waschechte Lebenskünstlerin sorgte sie mit ihrer unerschöpflichen Kreativität und ihrem Einfallsreichtum immer dafür, dass alle Siedler ordentliche, den Witterungen angepasste Kleidung und Schuhe hatten. Natürlich achtete sie darauf, dass die Kleider für die Jagd und die Beutezüge robuster waren und über eine entsprechende Tarnung verfügten. Jason war immer wieder erstaunt über die praktischen und bequemen Sachen sowie die wunderschönen Farben, die er selbst nie in der Natur entdeckte und die Anita einfach herstellte. Sie war die mit weitem Abstand geschickteste Handarbeiterin, die Jason sich vorstellen konnte, und sie hatte ein derart enormes Wissen über die Natur und ihre nutzbaren Dinge, dass sie von unschätzbarem Wert für die Siedlergemeinschaft war. Das Einzige, das an Anita grau war, waren ihre langen Haare, die sie nicht wie üblich zu einem lockeren Dutt auf dem Kopf zusammengesteckt hatte. Mit sehr ausgelassenem und fröhlichem Gackern wurde sie von der Hühnerschar begrüßt.

Nur Sekunden später öffnete sich die Tür nebenan erneut und Janosh kam heraus. Der älteste Siedler blinzelte in den hellen Sonnenschein und ein sehr zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Seine Haare waren weiß, nicht so lang wie Anitas und deutlich zotteliger. Außerdem trug er einen dichten, buschigen und beinahe schneeweißen Vollbart, dessen umsichtige und gründliche Pflege sein liebstes Morgenritual war. Er schloss die Tür und entdeckte Jason. Bereits im Gehen hob er die Hand und grüßte mit einem angedeuteten Salut, während er in großen Schritten den Marktplatz überquerte. Hätte man nicht anhand der Haare und der faltigen Haut gesehen, dass Janosh bereits ein alter Mann war, man hätte es angesichts seiner strammen und aufrechten Art, sich zu bewegen, nicht erahnt. Er war hochgewachsen und stämmig, mit seinen einundachtzig Jahren bei bester Gesundheit und darüber hinaus Jasons bester Freund und wertvollster Berater. Es hatte sich so eingebürgert, dass die beiden Männer morgens ein kleines Treffen abhielten, um das Neueste vom Tag auszutauschen.

„Wie immer schon wach, mein Lieber“, sagte Janosh, als er die drei Stufen heraufstieg und sich von Jason in die kleine Wohnküche führen ließ. Er und Anita waren damals die ersten gewesen, die sich Jason und Maja angeschlossen hatten.

„Dir auch einen guten Morgen, Janosh“, sagte Jason grinsend und füllte einen weiteren Becher Tee.

Sie setzten sich an den großen, runden Eichentisch, um den herum vier Bänke, auf denen man jeweils zu zweit sitzen konnte, und ein paar Baumstümpfe standen. Maja hatte vor ein paar Jahren Sitzkissen genäht, es war sozusagen ihre Abschlussprüfung in Anitas Schneiderlehre gewesen. Dafür war einiges an Baumwolle und Schaumstoff verarbeitet worden, was die Rohstoffe waren, die neben wenigen anderen am schwersten zu beschaffen waren. Aber die Gemeinschaft war sich einig gewesen, dass diese Kissen allen zugutekommen würden.

Hier in der Hütte hielten sie ihre seltenen Versammlungen ab und hier wurden die viel zu wenigen Feste gefeiert. Es war, verhältnismäßig gesehen, die größte Hütte in der Siedlung. Sie bestand aus einem großen Wohnraum mit Küche und drei kleineren Zimmern, die Jason und Maja als Schlafzimmer sowie als Vorratskammer dienten. Sie beide lebten alleine hier, während viele andere Bewohner sich ihre Schlafzimmer teilen mussten und oft nur einen gemeinsamen Wohn- und Küchenraum besaßen. Die Bewohner hatten sich stets gegen Jasons ständiges Vorhaben, mit Maja in eine kleinere Hütte zu ziehen und diese hier als Gemeindehaus zur freien Verfügung zu stellen, ausgesprochen. Für sie hatten Jason und Maja einen beinahe königlichen Status, insbesondere Maja, die allen das Gefühl gab, ein echtes Zuhause zu haben. Jason wusste, dass Maja es nicht leiden konnte, eine Sonderbehandlung zu bekommen, und dass sie alles dafür tat, damit es ihr nicht besser ging als den anderen Siedlern. Er selbst teilte diese Einstellung bis zu einem gewissen Punkt, aber er war doch auch sehr froh darüber, dass er und Maja ihr eigenes kleines Reich für sich hatten, dass Maja ein eigenes Zimmer haben konnte und dass es ihr an nichts mangelte. Deswegen hatte er sich nie richtig gegen die liebenswerten Proteste seiner Mitmenschen gewehrt. Jedenfalls gab es nichts, das Maja vermisste. Das hatte sie Jason immer wieder beteuert. Er liebte sie, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut.

„Ich habe mitbekommen, dass Maja und Tobi in diesem Jahr Himbeerschnaps für das Fest brennen konnten?“, fragte Janosh mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme. Seine Augen funkelten bei der Vorstellung, dass seine Vermutung richtig war.

Jason konnte ein verräterisches Schmunzeln nicht unterdrücken. „Ja, ich glaube, das könnte … eventuell … richtig sein“, antwortete er gedehnt und in gespielt nachdenklichem Ton.

„Ich kann es, ehrlich gesagt, kaum erwarten. Wir hatten schon so lange keine wirkliche Gelegenheit mehr zum Feiern“, meinte Janosh und sein Lächeln verlor sich, aber nur für einen Augenblick.

„Ich weiß, was du meinst, mein Freund“, sagte Jason wohlig seufzend. „Ich kann es auch kaum erwarten, den Schnaps zu probieren. Ich hab Maja gesagt, sie soll versuchen ihn ein bisschen süßer zu machen als beim letzten Versuch.“

Vor etwa vier Jahren hatte die gute Elenor bei einem ihrer ausgiebigeren Streifzüge eine alte Destille in den Ruinen eines leerstehenden Wohnhauses entdeckt. Es war eine Herausforderung und sehr heikle Prozedur gewesen, das Ding in die Siedlung zu bringen, nachdem Elenor von ihrer Entdeckung berichtet hatte. Aber sie hatten es geschafft und seither hatten es sich Maja und Tobi zur Aufgabe gemacht, einen vernünftigen Schnaps herzustellen. Janosh hatte ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden, denn er konnte einiges Fachwissen zum Prozess beitragen. Doch es hatte viele Versuche und noch mehr Fehlschläge erfordert, bis man von einem trinkbaren Ergebnis sprechen konnte. Nun ging es vor allem darum, aus dem Trinkbar einGenießbarzu machen. In drei Tagen also endlich sollte das große Fest stattfinden und es würde für alle genug zu essen geben. Es würdeAlkoholgeben, der die Sorgen wenigstens für diesen einen Tag aus den Köpfen der Leute vertreiben würde.

„Oh, das wird wunderbar“, sagte Janosh nun träumerisch, lehnte sich ein wenig zurück und schloss seine Augen. Dabei trat ein verklärter Ausdruck auf sein Gesicht, als würde er einen besonders köstlichen Happen genießen.

„Weißt du, was uns hier wirklich fehlt?“, sagte er nun, ein Auge auf Jason gerichtet, das andere noch immer geschlossen. „Kaffee!“, rief er, ohne eine Antwort abzuwarten, und fing dann an, laut und dröhnend zu lachen. Jason stimmte sofort in sein Lachen ein.

„Ja, da hast du wohl recht“, pflichtete er ihm von Herzen bei. Endlich stöhnten sie mal auf ganz hohem Niveau. Eine schöne Abwechslung.

Unruhe

Maja erwachte viel zu früh für ihren Geschmack. Geweckt hatte sie ein kleiner Lichtfleck, der durch ein Loch drang, das ungünstiger Weise in ihrem Fensterladen war. Genau auf Augenhöhe. Links. Es war wirklich ärgerlich. Sie hatte in dieser Woche nicht gut geschlafen. Auch gestern Nacht hatte sie sich stundenlang hin und her gewälzt, bevor sie endlich eingeschlafen war. Und dann wurde man in aller Frühe von der verdammten Sonne geweckt.Momentmal, dachte sie,verdammte Sonne?Woher kam dieser Unmut schon wieder?

In letzter Zeit war Maja irgendwie nicht sie selbst. Zwar gehörte sie zu den Menschen, die nochmal einschlafen können, wenn sie einmal aufgewacht sind, aber dieser kleine Lichtfleck machte es ihr unmöglich, einfach liegen zu bleiben. Seit wann war dieses Loch da? Bei genauerer Betrachtung handelte es sich eher um einen Spalt, der einfach zwischen den Brettern entstanden war. Holz arbeitet eben auch. Hier, in einem Holzhaus, machte sich das natürlich immer wieder aufs Neue bemerkbar. Es war normalerweise gar kein Problem für Maja, dass sie früh aufwachte. Sie schlief gerne, aber es wäre ihr sonst nicht in den Sinn gekommen, wegen so einer Kleinigkeit gleich angefressen zu sein. Sie hätte einfach den Fensterladen abmontiert, wäre zu Chris in die Werkstatt gegangen, hätte ihn repariert und dann wieder lichtfleckfrei geschlafen.

Maja stieg aus dem Bett, welches Jason ihr gebaut hatte als sie noch ganz klein gewesen war. Damals war es ihr riesig vorgekommen. Und es war wunderbar weich, denn es hatte eine richtige Matratze. Maja hatte immer leichte Gewissensbisse, weil die Bewohner der Siedlung sie so offenkundig liebten und für sie auf eigenen Luxus verzichteten. Allerdings war die Matratze die einzige Ausnahme. Sie schlief wirklich gerne. Und in einem bequemen Bett ging das einfach viel besser als auf einer Strohmatratze. Das wusste sie, weil bis vor ungefähr sechs Jahren auch in diesem Bett eine solche Matratze gelegen hatte. Wobei das Schlafen im Stroh, wenn es offen lag, ebenfalls seinen Reiz hatte.

Maja zog sich rasch eine weite graue Stoffhose an und eine hellblaue Bluse über das weiße Top, dann ging sie in das kleine Badezimmer. Es hatte keine Toilette – die befand sich in einem Häuschen hinter dem Haus – und bestand genau genommen nur aus einem alten Waschbecken und einem Spiegel in einer abgetrennten Nische ihres Zimmers. Aber es war immerhin ein Waschbecken mit fließendem Wasser, das in einen Eimer abfloss, wenn es gebraucht worden war. Ihr Haus, in dem sie gemeinsam mit ihrem Vater wohnte, war neben der Krankenhütte das einzige, welches über ein Hauswasserwerk verfügte. Allerdings gab es kein richtiges Abwassersystem, weswegen sie ihr Schmutzwasser auffingen. Das Wasser wurde abgekocht und dann für andere Zwecke verwendet, außer zum Trinken oder Kochen. Neben dem Spiegel waren auf Kopfhöhe zwei Haken an der Wand, die Maja für ein Handtuch und die Halskette ihrer Mutter nutzte. Sie war das einzige Erbstück, das sie von ihr hatte, und sie trug sie jeden Tag. Der filigrane silberne Anhänger bildete ein V aus Ranken und Blüten. Er war wunderschön und jedes Mal, wenn Maja ihn betrachtete oder gedankenverloren damit spielte, versuchte sie sich vorzustellen, wie ihre Mutter wohl ausgesehen haben mochte. Jason hatte ihr erzählt, dass sie hinter den, von offenbar vielen Qualen, verzerrten Gesichtszügen, eine Schönheit gewesen sein musste. Die Wut, die Maja eben noch beschäftigt hatte, war nun, da sie an ihre Mutter dachte, verraucht, doch machte sie einem anderen Gefühl Platz. Einem unangenehmen Gefühl, das Maja in den letzten Tagen mehr und mehr beschäftigt hatte.

Sie versuchte es abzuschütteln, indem sie sich die Zähne putzte. Maja hatte eine Zahnbürste, jedoch keine Zahnpasta. Das war kein Übel, wie sie fand, denn sie mochte keine Zahnpasta. Diese komische Konsistenz und dann der Schaum im Mund – einfach ekelig. Außerdem war Zahnpasta scharf. Es war Maja ein echtes Rätsel, dass es Menschen gab, die scharf gewürztes Essen mochten. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen Maja Zahnpasta benutzt hatte, musste sie gegen den Würgereiz ankämpfen, der sich durch diesen verdammten Schaum einstellte. Sie fand es nicht schlimm, dass sich nur äußerst selten welche auftreiben ließ, und sie verzichtete gerne. Ihre Zähne waren auch ohne dieses widerliche Zeug gesund, stark und weiß. Man musste nur ordentlich schrubben. Es gab außerdem ein Stück Seife und etwas in einem kleinen Glastöpfchen, das ihr Kim vor ein paar Jahren geschenkt hatte.

„Das ist Make-up, Maja. Damit können wir uns schöner machen. Es ist angeblich eine Frauen-Wunder-Waffe“, hatte ihre beste Freundin erklärt und dabei geklungen wie jemand, der nicht recht glaubte, was er sagte. Kim hielt eigentlich nichts von solchen Sachen.Mädchenkram, wie sie es nannte, doch Maja vermutete schon lange, dass das eigentlich nicht so ganz stimmte. Jetzt, da Kim schwanger war, zeigte sie ihre Gefühle viel offener. Vielleicht lag das an den Hormonen. Aber Maja, die sich von Kim hatte aufklären lassen, was es mit diesem Make-up auf sich hatte, fand den Gedanken ganz nett, sich ein bisschen hübscher machen zu können. Damals war sie fünfzehn gewesen. Kim hatte ihr den kindischen Gedanken wohl angesehen, deswegen hatte sie Maja ja auch eines der Töpfchen, die sie wie durch ein Wunder bei einem äußerst gefährlichen Manöver in der Vorstadt hatte erbeuten können, geschenkt.

„Dir ist aber schon klar, dass du das nicht nötig hast, oder Schatz?“, hatte sie gesagt und Maja den Tiegel in die Hand gedrückt. „Könntest es Jason aber mal empfehlen“, hatte sie noch mit ihrer üblichen spitzen Zunge hinzugefügt. Maja hatte das Zeug noch nie benutzt und wahrscheinlich war es schon längst steinhart.

Auch jetzt schenkte Maja der Frauen-Wunder-Waffe keine Beachtung, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und eilte dann durch die Wohnküche nach draußen und in das Toilettenhäuschen. Sie wusste selbst nicht genau, woher ihre Unruhe schon wieder kam und warum sie es auf einmal so eilig hatte, zu frühstücken und raus aufs Feld zu gehen. Eigentlich war heute einer der wenigen Tage, an denen es die Siedler lieber mal etwas langsamer angingen. Das beschlossen sie manchmal, wenn alles gut lief.

Als Maja in die Hütte zurückkehrte, erschrak sie beinahe, als sie Jason und Janosh zusammen am Tisch sitzen sah. Die beiden schauten sie fragend und belustigt zugleich an und Maja schaute ebenso fragend, jedoch nicht belustigt zurück.

„Habt ihr grade schon hier gesessen?“, fragte sie verwirrt und schon brachen die beiden Männer wieder in prustendes Lachen aus. Maja zog die Brauen hoch.Was war bitteschön so witzig?

„Ja, wir haben allerdings schon hier gesessen und uns gefragt, ob du dir vielleicht den Magen verdorben hast?“ Jasons Stimme zitterte, denn er versuchte angesichts von Majas Miene ein erneutes Lachen zu unterdrücken. Janosh hielt sich eine Hand vor den Mund, um sein Grinsen zu verbergen, aber seine Augen hüpften beinahe vor Vergnügen. Maja schüttelte kurz den Kopf, um die erneute Wut über die beiden albernen Männer zu verscheuchen und rannte dann beinahe in ihr Zimmer, um sich ihre Arbeitssachen anzuziehen. Dabei handelte es sich um eine robuste schwarze Jeans und ein beiges Leinenhemd, das sie über ein schlichtes weißes Top zog. Die blaue Bluse hatte sie achtlos fallen lassen, was sie normalerweise niemals tun würde. Stoffe waren wertvoll und mussten schonend behandelt werden, doch Maja fehlte heute Morgen ihre normalerweise übliche Struktur.

Sie hatte ein schönes Zimmer mit einem großen Kleiderschrank, der allerdings nur knapp zur Hälfte gefüllt war, einem Bücherregal, auf das und auf dessen Inhalt Maja besonders stolz war, und nicht zuletzt einer kleinen Sitzecke inklusive Tisch. Die Möbel waren, wie eigentlich alles in der Siedlung, aus Holz gefertigt. Den niedrigen Tisch hatte sie erst vor drei Wochen gemeinsam mit Tobi und BJ restauriert. Chris hatte dafür sogar einen Schuss seines wertvollen Sonnenblumenöls gesponsert. Das nutzte er eigentlich nur für seine Waffen.

Als Maja sich angezogen hatte, setzte sie sich auf ihr Bett und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. Sie wusste, dass ihr Auftritt eben in der Küche seltsam gewesen war. Wie sie wohl auf die beiden Männer gewirkt hatte? Sicher hatte Onkel Josh schon bemerkt, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Auch wenn er sich offenbar prächtig amüsiert hatte, er nahm meistens mehr wahr, als es den Anschein hatte. Und Jason konnte sie noch nie etwas vormachen, er kannte sie, wie kein anderer. Sie atmete ein paarmal tief ein und aus, dann ging sie zurück in die Küche, vermied den Blick auf ihren Vater und begrüßte endlich Janosh. Er war aufgestanden, offenbar wollte er aufbrechen, um nach den Kühen zu sehen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn einmal kurz und fest an sich zu drücken, dann trat sie einen Schritt zurück und schaute ihm in die Augen. Wie sie befürchtet hatte, lachte er nun nicht mehr, sondern erwiderte ihren Blick aus trüben hellblauen Augen fragend und ein wenig besorgt.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Kleines? Du siehst aus, als würdest du verfolgt.“

„Ich weiß auch nicht, Onkel Josh, ich glaube, ich will einfach schnell in die Sonne und das schöne Wetter genießen“, sagte sie und ihre Stimme klang dabei kaum aufgesetzt fröhlich, wie sie zufrieden feststellte. Janosh strich ihr liebevoll über die Wange und lächelte ihr zwinkernd zu.

„Du warst schon immer eine echte Sonnenanbeterin“, schmunzelte er, dann verabschiedete er sich von beiden.

Aber Jason konnte Maja nichts vom schönen Wetter erzählen. Er betrachtete sie mit seinen stahlgrauen Adleraugen aufmerksam und beobachtete genau, wie Maja sich verhielt, das wusste sie.

„Etwas beschäftigt dich.“ Er musste nicht fragen.

Maja schnitt sich eine Scheibe Brot ab und bestrich sie dünn mit Butter. Dann goss sie sich eine Tasse Tee ein, setzte sich und antwortete mit betont ruhiger Stimme.

„Ich weiß auch nicht, was es ist. Ich glaube, ich bin einfach aufgeregt. Wegen des Festes … und die Jungs müssten auch bald mal wiederkommen. Sie sind schon seit zwei Tagen weg.“

Sie machte sich tatsächlich Sorgen um Chris und Tobi. Aber Mike und Billy waren bei ihnen und sie mussten nicht in gefährliches Gebiet, beruhigte sich Maja selbst.

„Ihnen geht es bestimmt gut. Sie kommen sicher bald zurück. Vielleicht ja heute schon“, sagte Jason betont gelassen.

Maja wusste, dass er sie beruhigen wollte, doch seine Stimme erreichte sie heute nicht richtig. Ihre Ohren hörten, was er sagte, aber ihr Kopf wollte es nicht verarbeiten. Vielleicht lag es auch daran, dass sie hörte, wie besorgt Jason selbst war. Zwar wusste sie, dass er sichimmerSorgen machte, wenn die Jungs unterwegs waren, allerdings war es diesmal etwas ganz anderes, weil sie selbst so beunruhigt war.

„Du hast wahrscheinlich recht“, antwortete sie leise.

„Hab ich das nicht immer?“, sagte Jason mit einem Zwinkern und Maja schaffte es tatsächlich, ein kleines Lächeln für ihn zustande zu bringen. Sehr schnell aß sie dann ihr karges Frühstück auf und Jason schien zu spüren, dass sie nicht in der Stimmung war zu reden.

„Gehst du aufs Feld?“, fragte er, als sie ihren Becher schon abgespült hatte und ihn in den Schrank zurückstellte.

Sie nickte nur und machte sich direkt auf den Weg. Die besorgten Blicke ihres Vaters schienen sie bis in den Geräteschuppen zu verfolgen.

Maja begann damit, den hinteren Teil, auf dem sie nun den Kohl anpflanzen wollten, umzugraben. Die letzten beiden Tage hatten sie und einige der anderen Frauen damit verbracht, das Stück vom Unkraut zu befreien. Sigrid und Brina, BJs Mutter, waren noch nicht da, aber es war ja auch noch früh und Maja wollte einfach etwas zu tun haben. Sie konnte nicht seelenruhig in ihrem Bett liegen bleiben oder ein ausgedehntes Frühstück genießen, wenn sie so unruhig war. So war es ihr noch nie gegangen. Sie war fahrig, kribbelig und unaufmerksam. Das Schlimmste war, dass sie es nicht leiden konnte, wenn sie an einer Situation nichts ändern konnte. Und sie wusste ja noch nicht mal, was das Gefühl ausgelöst hatte, wie also hätte sie dagegen angehen können?

Sie hatte es schon gespürt, ein paar Tage bevor die Jungs aufgebrochen waren. Da war es aber noch nicht so deutlich gewesen. Es hatte sich gesteigert, immer weiter, bis es nun unerträglich geworden war. Maja wusste nicht, was das für ein Gefühl war und was genau sie so sehr beschäftigte. Das verstärkte ihre Unruhe nur noch zusätzlich.

Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, an schöne Dinge zu denken und sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie grub in raschem Tempo, stieß mit voller Kraft den Spaten in die schwere, feuchte Erde. Dabei ließ sie ihren Blick umherwandern. Auf dem Feld sprossen, wo sie auch hinsah, die zarten grünen Triebe und jungen Blätter der verschiedenen Gemüsesorten, die sie in diesem Jahr angepflanzt hatten. Maja entdeckte keine Stellen, an denen die Saat nicht aufgegangen wäre, und der Anblick freute sie. Dieses war ein gutes Jahr. Sie hatten genug zu essen für alle und die Vorbereitungen für das Aurenfest, das in ein paar Tagen stattfinden sollte, liefen ebenfalls besonders gut. Dieser Tag war immer schon mit Majas schönsten Erinnerungen verknüpft und entsprechend freute sie sich jedes Jahr sehr auf das Fest. Trotz des Schweißes, der ihr inzwischen über die Stirn rann, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus, als sie an den Schnaps dachte, der darauf wartete, die diesjährige Feier perfekt zu machen.

Hinter dem Gewächshäuschen auf dem Blumenfeld sah es auch schon wunderschön bunt aus. Dort standen allerlei nützliche Blumen und Kräuter. Anita war ein echtes Genie, was die Heilkünste der Natur anging, und Sigrid wusste die Mixturen effektiv einzusetzen.

Billy, Sigrids Mann, verstand sich auf das Fischen und er pflegte zwei Bienenstöcke. Die Bienen summten über das Blumenfeld und lieferten den Bewohnern eine willkommene Leckerei.

Ben, Kims Mann und werdender Vater einer, wie Maja hoffte, kleinen Tochter, war neben Jason und Chris der Tischler, Klempner und Instandhalter der Siedlung. Er kümmerte sich um praktisch alles und ging zusätzlich mit auf Jagd- und Beutezüge, wenn es sein musste. Aufgrund von Kims Schwangerschaft wurde in letzter Zeit aber darauf verzichtet, ihn zu solchen Ausflügen einzuladen.

Die Obstbäume wurden von allen Bewohnern gepflegt. Sie standen rund um die Siedlung verteilt und trugen bereits viele Knospen. Ein paar Blüten waren auch hier schon aufgesprungen, was wohl an den ungewöhnlich warmen Temperaturen lag. Zwischen den Bäumen und weiter in Richtung Waldrand wucherten allerlei Sträucher und Büsche, die schon bald voller Beeren hängen würden. Eine Vielzahl an Blütenknospen verhieß eine reiche Ernte.

Auf der Weide grasten zwei Kühe, es gab elf Hühner und einen Hahn, zwei Schafe und eine Ziege. Seit ein paar Wochen hatten sie wieder ein kleines Schwein. Wimpy und Dotty hatten im letzten Herbst leider geschlachtet werden müssen, um den Eiweißbedarf der Siedler zu decken. Zwar waren die Jagdausflüge durchaus ergiebig gewesen, aber eben nicht ausreichend. Auf Schweine konnte man am besten verzichten, da sie außer ihrem Fleisch keinen größeren Nutzen wie Eier, Milch oder Wolle brachten. Maja hatte es sehr leidgetan, die beiden zu verlieren, allerdings ehrten sie das Opfer der Tiere, indem sie alles, was diese hatten geben müssen, verwerteten und es einem sinnvollen Nutzen zuführten. Diese Einstellung, die alle Siedler teilten, war schon immer der einzige Grund gewesen, warum Maja das Jagen und Schlachten überhaupt erst erlernt hatte.

Kim hatte das kleine, mutterlose Schweinchen, das nun gemeinsam mit den Kühen und der Ziege im Stall wohnte, entdeckt, eingefangen und mitgenommen, als sie ihren vorerst letzten Streifzug durch die nahegelegenen Wälder unternommen hatte. Vermutlich war es, auf welchem Wege auch immer, aus dem LFA entkommen, wo massenhaft Tiere in erbärmlichen Käfigen und Ställen gehalten und gemästet wurden.

„Oh, guck mal“, hatte sie geflüstert und auf eine moosige Stelle zwischen zwei Büschen gedeutet. Das Schweinchen war ganz dreckig gewesen und Maja hatte es erst auf den zweiten Blick als Tier erkannt. Kim hatte sich vorsichtig angeschlichen und es von hinten gepackt. „Ich nenne es Pips“, hatte sie über das panische Quieken und Majas Lachen hinweg gerufen und über beide Ohren gestrahlt.

Ein paar Katzen und zwei Hunde hatten ebenfalls ihren Weg in die Obhut der Menschen gefunden. Allerdings lebten sie wild und frei, so wie die Menschen, die ihnen dann und wann die spärlichen Essensreste hinwarfen. Es ging ihnen allen gut hier in der Siedlung, in ihrer eigenen kleinen, unabhängigen Welt. Maja konnte im Allgemeinen die vielen Sorgen, die ihr Leben mit sich brachte, gut in Schach halten. Sie vertraute BJ und Mike, die an erster Stelle für die Sicherheit zuständig waren, blind.

Maja war nicht blauäugig. Sie wusste, dass sie niemals wirklich sicher sein würden, nicht solange die Machthaber im Zentrum herrschten und mit ihren immer neuen Technologien Jagd auf jene wenige machten, denen es gelungen war, zu entkommen. Aber sie wusste um BJs Talente im technischen und Mikes Vorzüge im taktischen Bereich. BJ war der erstaunlichste Junge, dem Maja jemals begegnet war. Er hatte bisher auf alle technischen Probleme eine Lösung gefunden und war dabei unheimlich erfinderisch. Mike kannte sich sehr gut mit den Steckern aus und er wusste mehr als jeder andere über dasNetz, das Spionagesystem des Zentrums. Dank einiger erfolgreicher und verdammt gefährlicher Beutezüge in einem der technischen Versorgungslager und in der Vorstadt verfügten sie selbst über ein ansehnliches Sicherheitsnetzwerk und halbwegs moderne Abwehrtechnologien.MitderfreundlichenUnterstützungihresZentrums, dachte Maja ein wenig zynisch. Aber die Technik stammte schließlich von dort. Es handelte sich um deren ausrangierte Gerätschaften. Dank des großen Einfallsreichtums der Forscher und Erfinder in den Zentralen Entwicklungslaboren und des Drucks, den sie zweifellos seitens ihrer Herren bekamen, konnten die Siedlungsbewohner praktisch unaufspürbar und unbehelligt, wenn auch versteckt und ständig auf der Hut, leben.