Die Erfindung der Formel 1 - Lutz Spilker - E-Book

Die Erfindung der Formel 1 E-Book

Lutz Spilker

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Beschreibung

Wie wurde aus ein paar wilden Straßenrennen das spektakulärste Motorsport-Spektakel der Welt? ›Die Erfindung der Formel 1‹ nimmt Sie mit auf eine temporeiche Reise zu den Wurzeln des schnellsten Sports der Welt. Lange bevor sich Millionen Fans auf der ganzen Welt dem Rausch der Geschwindigkeit hingaben, herrschte auf den Rennstrecken vor allem eines: Durcheinander. Unterschiedliche Regeln, improvisierte Strecken, kaum Vergleichbarkeit – höchste Zeit für ein einheitliches Reglement. Mit dem Startschuss 1950 in Silverstone begann eine Ära, die Technik, Präzision und Adrenalin miteinander verschmolz. Dieses Buch erzählt, wie aus Notwendigkeit ein Mythos wurde – wie das berühmte ›Formel‹-Regelwerk entstand, warum die ›1‹ mehr bedeutet als nur eine Nummer, und was das alles mit dem ewigen Traum vom Sieg zu tun hat. Ob Legenden am Steuer, visionäre Ingenieure oder Strecken, die Geschichte geschrieben haben – dieses Buch liefert die Hintergründe, die Geschichten und die Begeisterung, die den Motorsport bis heute antreiben. Sachlich fundiert, lebendig erzählt, mit Benzin im Blut und klarem Blick auf die Fakten. Ein Muss für alle, die wissen wollen, wie aus einer Formel eine Welt wurde.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Eine Betrachtung

von

Lutz Spilker

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE ERFINDUNG DER FORMEL 1 – RENNEN, TEMPO UND POKALE

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Texte: © Copyright by Lutz Spilker

Umschlaggestaltung: © Copyright by Lutz Spilker

 

Verlag:

Lutz Spilker

Römerstraße 54

56130 Bad Ems

info@webbstar.de

 

Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: produktsicherheit@epubli.com

 

Die im Buch verwendeten Grafiken entsprechen den

Nutzungsbestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen (CC).

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der

Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.

 

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Inhalt

 

Inhalt

Das Prinzip der Erfindung

Vorwort / Einleitung

Das Chaos davor

Motorsport vor 1950 – Eine rasante Welt ohne Ordnung

Eine rasante Geburt auf vier Rädern

Uneinigkeit auf ganzer Linie

Von Glanz und Tragödie

Nationale Interessen und politische Einflüsse

Der langsame Ruf nach Struktur

Die Suche nach Ordnung

Der Ruf nach einem Reglement

Zwischen Genie und Gesetzlosigkeit

Der Geist der Nachkriegszeit

Der Weg zur ›Formel A‹

Widerstände und Skepsis

Was ein Reglement wirklich bedeutet

Die Rolle des Automobil-Weltverbands FIA

Wie ein Verband zum Regisseur einer globalen Bühne wurde

Die Geburt eines Weltverbands

Ordnungsstifter in unruhigen Zeiten

Vom Ideenlieferant zum Entscheidungsträger

Autorität mit Ambivalenz

Innovation durch Regulation

Mehr als nur Motorsport

Die Entstehung des Formel-Reglements

Von Freiheit zur Formel: Wie Regeln den Motorsport zur Weltmarke machten

Warum ›Formel 1‹? Die Namensgebung erklärt

Was in einem Namen steckt: Die Formel hinter der Formel

Silverstone 1950: Der Start der neuen Ära

Ein Fest der Geschwindigkeit: Wie Silverstone zum Auftakt einer neuen Motorsport-Ära wurde

Die Teams der ersten Stunde

Pioniere der Geschwindigkeit: Die Wegbereiter der modernen Formel 1

Alfa Romeo – Die Dominatoren der Anfangszeit

Ferrari – Der hungrige Herausforderer

Maserati – Die wendige Konkurrenz

Talbot-Lago – Die Standhaften aus Frankreich

ERA – Der britische Stolz

Privatteams und Einzelstarter – Die wahren Abenteurer

Mehr als Maschinen

Die Technik der frühen Jahre

Zwischen Handwerkskunst und Pioniergeist: Wie Technik die ersten Formel-1-Rennen prägte

Das Chassis – Schlank, stabil und leicht

Motoren – Kompressor vs. Saugmotor

Getriebe und Kupplung – Zwischen Gefühl und Gewalt

Aufhängung und Fahrwerk – Vom Straßenauto zur Rennmaschine

Bremsen – Mut statt ABS

Sicherheitsaspekte – Zwischen Wagemut und Wahnsinn

Technik als Charakterfrage

Fahrerlegenden der Anfangszeit

Helden ohne Knautschzone: Die Männer, die die Formel 1 unsterblich machten

Giuseppe Nino Farina – Der Aristokrat am Limit

Juan Manuel Fangio – Der große Meister aus Balcarce

Alberto Ascari – Der Mann der Linie

Luigi Villoresi – Der Gentleman der Strecke

José Froilán González – Der ›Stier von Pampas‹

Mike Hawthorn – Der englische Champion

Ein Vermächtnis aus Mut und Menschlichkeit

Rennstrecken mit Signalwirkung

Asphalt gewordene Visionen: Die Pionierbahnen der Formel 1

Silverstone – Geburt auf rauem Boden

Monza – Der Tempel der Geschwindigkeit

Spa-Francorchamps – Der Naturgewalt ausgeliefert

Monte Carlo – Die Bühne der Eleganz

Der Nürburgring – Die Grüne Hölle

Strecken als Spiegel der Formel 1

Ein bleibender Abdruck im Asphalt

Sicherheitsfragen in den Anfangsjahren

Zwischen Ruhm und Risiko: Die Formel 1 auf dem schmalen Grat des Lebens

Gefährlicher Minimalismus: Technik ohne Rücksicht

Strecken als Risikoarchitektur

Die Opfer der Geschwindigkeit

Langsame Einsicht, zögernde Reformen

Fahrer gegen das Risiko – aber für den Sport

Das Vermächtnis der Verwundbarkeit

Der Aufstieg der italienischen Rennställe

Motoren, Mythos und Leidenschaft: Wie Italien zur Wiege der Formel-1-Dominanz wurde

Alfa Romeo – Das Maß der Dinge

Ferrari – Der Herausforderer mit Vision

Maserati – Die elegante Alternative

Technik trifft Temperament

Nationalstolz auf Rädern

Italien als Seele der Formel 1

Wie sich das Punktesystem entwickelte

Zahlen, Taktik und Titel: Das Ringen um Gerechtigkeit auf dem Weg zur Meisterschaft

Formel 2, Formel 3 und andere Klassen

Kaderschmiede, Kontrast und Kontinuität: Die Bedeutung der kleinen Formeln für die große Bühne

Die Rolle der Medien in der Frühzeit

Zwischen Funkrauschen und Zeitungsdruck: Wie die Formel 1 durch Worte und Bilder Fahrt aufnahm

Technologische Sprünge

Vom Front- zum Mittelmotor: Wie ein radikaler Perspektivwechsel die Formel 1 revolutionierte

Aerodynamik und ihre Revolution

Widerstand, Abtrieb, Windkanal: Wie die Formel 1 das Unsichtbare nutzbar machte

Die Geburt der Konstrukteurswertung

Vom Fahrer zur Fabrik: Wie die Teamleistung offiziell anerkannt wurde

Die Expansion über Europa hinaus

Von Monaco bis Marrakesch: Wie die Formel 1 zur globalen Bühne wurde

Die Formel 1 im Kalten Krieg

Zwischen Ideologie und Ignition: Motorsport auf der politischen Weltbühne

Sicherheitsreformen nach schweren Unfällen

Wenn Stillstand keine Option ist: Wie Tragödien die Formel 1 veränderten

Bernie Ecclestone und die Kommerzialisierung

Vom Fahrerlager zur Chefetage: Wie ein britischer Unternehmer die Formel 1 in ein globales Medienimperium verwandelte

TV, Sponsoren und das große Geld

Wie aus Geschwindigkeit ein Milliardenmarkt wurde

Die Entstehung der Boxenstopp-Strategien

Der Sekundenkrieg: Wie der Boxenstopp zum taktischen Herzschlag der Formel 1 wurde

Computereinsatz und Telemetrie im Rennbetrieb

Die digitale Revolution auf vier Rädern: Wie Daten die Formel 1 eroberten

Die Einführung von Hybridtechnologien

Energie im Wandel: Wie die Hybridtechnik die Formel 1 neu erfand

Regeländerungen als Antwort auf Krisen

Wenn Gefahr zum Lehrmeister wird: Wie die Formel 1 aus Katastrophen lernte

Die Formel 1 im digitalen Zeitalter

Virtuelle Geschwindigkeit: Wie Bits und Bildschirme die Formel 1 verändern

Nachhaltigkeit und der Weg zur CO₂-Neutralität

Zwischen Geschwindigkeit und Verantwortung: Wie die Formel 1 grün werden will

Was bleibt? Die Formel 1 als kulturelles Phänomen

Mehr als ein Rennen: Wie die Formel 1 zu einem globalen Mythos wurde

Über den Autor

In dieser Reihe sind bisher erschienen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich habe es satt, blöd im Kreis herumzufahren.

 

Niki Lauda

(1979 nach seinem Rücktritt beim GP in Kanada)

 

Andreas Nikolaus ›Niki‹ Lauda (* 22. Februar 1949 in Wien; † 20. Mai 2019 in Zürich) war ein österreichischer Automobilrennfahrer, Unternehmer und Pilot. Er startete zwischen 1971 und 1985 in der Formel 1 und wurde dreimal Weltmeister.

Das Prinzip der Erfindung

 

 

 

 

 

 

Eine Erfindung ist etwas Erdachtes.

Jemand denkt sich etwas aus und stellt es zunächst erzählend vor. Das Erfundene lässt sich nicht anfassen, es existiert also nicht real – es ist ein Hirngespinst. Man kann es aufschreiben, wodurch es jedoch nicht real wird, sondern lediglich den Anschein von Realität erweckt.

Vor etwa 20.000 Jahren begann der Mensch sesshaft zu werden. Der Homo sapiens überlebte seine eigene Evolution allein durch zwei grundlegende Bedürfnisse: Nahrung und Paarung. Alle anderen, mittlerweile existierenden Bedürfnisse, Umstände und Institutionen sind Erfindungen – also etwas Erdachtes.

Auf dieser Prämisse basiert die Lesereihe ›Die Erfindung …‹ und sollte in diesem Sinne verstanden werden.

 

 

 

 

Vorwort / Einleitung

 

Die Geschichte der Formel 1 beginnt nicht mit dem Klang röhrender Motoren oder dem Duft von verbranntem Gummi. Sie beginnt auch nicht mit Ruhm, Glanz oder Weltmeistertiteln. Sie beginnt mit einer Notwendigkeit – der Notwendigkeit, Ordnung in ein faszinierendes, aber chaotisches Spektakel zu bringen, das bereits lange vor der offiziellen Gründung der Formel 1 Menschen in seinen Bann gezogen hatte.

 

Rennsport war keine neue Erfindung, als 1950 das erste offizielle Formel-1-Rennen im englischen Silverstone ausgetragen wurde. Im Gegenteil: Autorennen hatten sich längst auf der ganzen Welt etabliert. Überall wurde gefahren – mit Leidenschaft, mit Risiko, mit kaum beherrschbarer Geschwindigkeit. Was jedoch fehlte, war Einigkeit. Während Fahrer um Siege kämpften, kämpften Veranstalter und Verbände um Deutungshoheit. Leistungsklassen, Gewichtslimits, technische Vorschriften – all das war uneinheitlich, oft willkürlich. Jeder fuhr nach eigenen Regeln.

 

Und so wurde ›Formel 1‹ nicht erfunden wie ein neues Produkt oder ein revolutionäres Gerät – sie wurde vielmehr erschaffen als Antwort auf das Bedürfnis nach Klarheit, Struktur und Vergleichbarkeit. Die ›Formel‹, die dem Namen zugrunde liegt, ist nichts anderes als ein Regelwerk: ein technisches und sportliches Gerüst, das definierte, wer antreten darf, womit er fahren darf – und unter welchen Bedingungen. Die ›1‹ bezeichnete dabei die Königsklasse der Einsitzer mit offenem Rad.

 

Dieses Buch spürt dem nach, was man durchaus als eine der größten sportlichen Ordnungsleistungen des 20. Jahrhunderts bezeichnen kann. Es erzählt davon, wie aus dem wilden, romantischen Chaos früher Rennveranstaltungen ein geordnetes, weltumspannendes Spektakel wurde – eine Show der Superlative, getrieben von technischer Innovation, menschlicher Risikobereitschaft und einem unstillbaren Hunger nach Geschwindigkeit.

 

Die Formel 1 ist seit ihrer Gründung weit mehr als nur ein Sport. Sie ist Bühne, Labor, Mythos und Geschäft zugleich. Sie bringt Helden hervor – und Tragödien. Sie bewegt Milliarden – nicht nur auf den Rennstrecken, sondern auch emotional: von aufloderndem Jubel bis zu tiefem Entsetzen.

 

In der vorliegenden Erzählung geht es nicht bloß um Zahlen, Fakten und Titel. Es geht um das Werden einer Institution. Um die Kräfte, die sie geformt haben. Um die Menschen, die sie geprägt haben – und um jene, die für sie alles riskiert haben. Dieses Buch widmet sich der Erfindung der Formel 1 in einem umfassenden Sinn: als technisches Regelwerk, als kulturelles Phänomen, als Spiegel unserer Begeisterung für Wettbewerb, Tempo und Triumph.

 

Wenn Sie sich auf diese Reise einlassen, werden Sie feststellen: Die Formel 1 ist mehr als ein Sport. Sie ist eine Idee, die zur Bewegung wurde. Willkommen zu ihrer Geschichte.

Das Chaos davor

Motorsport vor 1950 – Eine rasante Welt ohne Ordnung

 

Wenn man die Formel 1 verstehen will, muss man zurückblicken in eine Zeit, in der alles erlaubt schien – und kaum etwas geregelt war. Jahrzehnte vor jenem sonnigen Maitag im Jahr 1950, an dem in Silverstone das erste Rennen der modernen Formel 1 über die Bühne ging, existierte der Motorsport bereits – wild, international, glühend populär und zugleich von atemberaubender Unordnung geprägt.

 

Man nannte es ›Autorennen‹, und was sich dabei auf staubigen Landstraßen, kopfsteingepflasterten Stadtstrecken oder improvisierten Ovalen abspielte, war für viele eine Mischung aus technischer Leistungsschau, todesmutiger Unterhaltung und – im besten Fall – nationalem Stolz.

 

Eine rasante Geburt auf vier Rädern

Die Wiege des Motorsports steht zweifellos in Frankreich. Schon Ende des 19. Jahrhunderts fanden dort erste Wettbewerbe statt, bei denen sich motorisierte Kutschen über Feldwege und Landstraßen duellierten. Das erste offizielle Autorennen der Geschichte – von Paris nach Rouen im Jahr 1894 – war ein Wettbewerb zwischen Dampf, Benzin und elektrischem Antrieb. Doch so faszinierend diese Anfänge waren, sie fanden in einem Regelkorsett statt, das kaum über das Prinzip ›Wer zuerst ankommt, gewinnt‹ hinausging.

 

Mit dem technischen Fortschritt nahm auch das Tempo zu – und damit das Chaos. Immer schnellere Fahrzeuge, immer waghalsigere Streckenführungen, aber kaum Sicherheitsvorkehrungen, weder für Fahrer noch für Zuschauer. Der Motorsport war ein Spektakel, das ebenso gefeiert wie gefürchtet wurde. Rennveranstaltungen waren selten standardisiert – weder in der Länge noch in der Wertung. Mal ging es um Zeit, mal um Strecke, mal um Durchschnittsgeschwindigkeit.

 

Uneinigkeit auf ganzer Linie

Was heute unvorstellbar erscheint, war damals Standard: Jeder baute, was er wollte. Manche Fahrzeuge wogen über zwei Tonnen, andere nicht einmal halb so viel. Die einen setzten auf PS-Monster mit riesigen Hubräumen, die anderen auf wendige Leichtgewichte. Reifen, Materialien, Motorenkonzepte – alles war erlaubt. Es gab keine klaren Fahrzeugklassen, keine Gewichtsvorgaben, kein einheitliches technisches Regelwerk.

 

Auch die Fahrer konnten nicht auf eine professionelle Ausbildung oder sportliche Struktur zurückgreifen. Es gab keine Superlizenz, keine Nachwuchsformate, keine verbindlichen Gesundheitschecks. Wer das Geld und den Mut hatte, sich in ein Cockpit zu setzen, war dabei. Manche Fahrer stiegen direkt von der Werkbank ins Rennen – andere kamen aus dem Militär, aus Adelskreisen oder dem Fabrikantentum.

 

Die Rennen selbst unterschieden sich je nach Land, Region oder Veranstalter dramatisch. Der Grand Prix von Frankreich hatte andere Regeln als die Mille Miglia in Italien oder das 500-Meilen-Rennen in Indianapolis. Oft wurde erst am Renntag festgelegt, wie viele Runden zu fahren seien oder wie viele Fahrer zugelassen wurden. Proteste, technische Streitigkeiten und nachträgliche Disqualifikationen waren an der Tagesordnung.

 

Von Glanz und Tragödie

Trotz – oder gerade wegen – dieses anarchischen Charakters übte der Motorsport eine fast mythische Anziehungskraft aus. Männer wie Tazio Nuvolari, Rudolf Caracciola oder Bernd Rosemeyer wurden zu Nationalhelden, obwohl oder gerade weil sie mit jedem Rennen ihr Leben aufs Spiel setzten.

 

Doch der Preis war hoch. Tote Fahrer, schwer verletzte Zuschauer, brennende Fahrzeuge – das gehörte zum traurigen Standard. Zwischen 1900 und 1949 verloren Hunderte Menschen ihr Leben bei Rennveranstaltungen. Die Fahrzeuge waren ungeschützt, Helme waren oft nichts weiter als dünne Lederhauben, und Sicherheitsgurte galten als gefährlich, weil sie den Fahrer im brennenden Auto halten könnten.

 

Dennoch schien die Begeisterung ungebrochen. Mit jedem Jahr wurde die Technik schneller, lauter, aggressiver. Der Motorsport wurde zu einem Spielplatz der Nationen, ein Ort, an dem sich Länder mit Technik und Mut messen konnten – auch und besonders in den aufgeladenen politischen Jahrzehnten zwischen den beiden Weltkriegen.

 

 

Nationale Interessen und politische Einflüsse

In den 1930er Jahren traten politische Interessen stärker in den Vordergrund. Die deutsche Auto Union und Mercedes-Benz wurden massiv vom NS-Regime gefördert und setzten sich zum Ziel, die ›Silberpfeile‹ als Symbol deutscher Überlegenheit in Szene zu setzen. Gleichzeitig positionierte sich Italien mit Alfa Romeo und Maserati, Frankreich mit Bugatti – jedes Land wollte den Beweis antreten, technologisch und sportlich führend zu sein.

 

Aber auch hier: keine Einheit. Jedes Land hatte seine eigene Liga, seine eigenen Regeln. Zwar gab es den Begriff ›Grand Prix‹, doch was dieser bedeutete, variierte gewaltig. Manche Rennen waren nationale Meisterschaften, andere Einzelveranstaltungen. Eine internationale, verbindliche Meisterschaft? Undenkbar – noch.

 

Der langsame Ruf nach Struktur

Trotz der Leidenschaft, trotz der technischen Brillanz – am Ende des Zweiten Weltkriegs war der Motorsport erschöpft. Viele Strecken waren zerstört, Fahrer gefallen, Fabriken umgestellt auf Rüstung oder stillgelegt. Doch gleichzeitig war da auch ein neues Verlangen: nach Stabilität, Vergleichbarkeit, Wiederaufbau.

 

In der FIA, dem internationalen Automobilverband, reifte der Plan, eine internationale Rennserie aufzustellen – eine, die klare Regeln vorgibt, in der sich die besten Fahrer und Konstrukteure der Welt unter vergleichbaren Bedingungen messen können. Nicht mehr jeder gegen jeden, sondern unter einer gemeinsamen Formel.

 

Und so wurde aus dem Chaos der vergangenen Jahrzehnte der Keim für etwas völlig Neues gelegt – für eine geordnete, weltumspannende Bühne des Motorsports.

 

Nicht als Abkehr von der Vergangenheit, sondern als Konsequenz daraus.

 

Die Formel 1 war bereit, das Steuer zu übernehmen.

Die Suche nach Ordnung

Der Ruf nach einem Reglement

 

Als der Zweite Weltkrieg Europa verwüstet zurückließ, lagen auch die Überreste des Motorsports in Trümmern – buchstäblich und ideell. Rennstrecken waren zerbombt oder zu Truppenübungsplätzen verkommen, Rennwagen verrosteten in Werkshallen, viele der besten Fahrer hatten ihr Leben verloren – sei es im Krieg, sei es auf der Strecke zuvor. Was jedoch blieb, war die ungebrochene Faszination für Geschwindigkeit. Sie hatte Kriege, Krisen und Chaos überdauert. Doch mit der Rückkehr des Friedens wuchs nicht nur der Wunsch, den Motorsport wiederzubeleben – sondern auch, ihn endlich zu ordnen.

 

Denn die Rennszene vor 1950 war, bei aller Leidenschaft, ein buntes Durcheinander aus widersprüchlichen Regeln, nationalen Eigenarten und persönlichen Interessen. Es gab keine zentrale Instanz, die darüber wachte, wer unter welchen Bedingungen fahren durfte. Die Rennen glichen eher ad hoc inszenierten Kraftproben als einem strukturierten sportlichen Wettbewerb. Wer mehr Geld hatte, mehr Technik, mehr Beziehungen – der konnte gewinnen, oder zumindest mitfahren. In diesem Vakuum entstand nun ein neues Bedürfnis: nach Klarheit, Fairness und Vergleichbarkeit.

 

 

 

Zwischen Genie und Gesetzlosigkeit

Die Rückschau auf die Vorkriegszeit zeigte eindrucksvoll, was passiert, wenn Technikbegeisterung auf mangelnde Struktur trifft: Innovationen gerieten außer Kontrolle, Sicherheitsvorgaben wurden ignoriert, Rennwagen entwickelten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit – allerdings in völlig unterschiedliche Richtungen. Ein einheitliches Reglement existierte allenfalls auf dem Papier, war aber weder umfassend durchdacht noch international bindend. Die FIA – damals noch AIACR genannt (Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus) – hatte zwar in den 1920er und 1930er Jahren einige Regeln formuliert, doch deren Umsetzung lag meist in den Händen der lokalen Veranstalter.

 

Die Folge: ein Nebeneinander verschiedenster Hubraumklassen, Gewichtsgrenzen, Zulassungsbedingungen und Punktesysteme. Man konnte ein Rennen mit einem 8-Zylinder-Frontmotor gewinnen, das nächste mit einem 12-Zylinder-Mittelmotor – je nachdem, was die jeweilige Regelung zuließ. Auch das Startverfahren, die Zeitmessung oder das Verhalten bei einem Rennabbruch wurden unterschiedlich gehandhabt. Die Rennsportwelt war ein Flickenteppich aus Ambitionen und Improvisation.

 



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