Die Ersatz-Muse - Fred Keller - E-Book

Die Ersatz-Muse E-Book

Fred Keller

4,9

Beschreibung

Vom Flüstern zum Schrei ist alles dabei. Ein Magier, der finanzielle Löcher der Stadt Pforzheim stopft. Karsten Becker, der einen Mord aufklärt. Fantastisches aus Ellys Mittagspause und Daniel Corner, der lernt, mit Kritik umzugehen. Offene Fragen einer Vegetarierin, die Opfer eines Vampirs wird und wie ein Mann von 50 Jahren eine neue Lebensrichtung einschlägt. Seien Sie dabei, wenn aus Irren ist menschlich - Irren ist männlich wird, eine Psychose mit Hilfe von Callas und Mozart verschwindet und ein Kinderbuchautor zum Horrorschreiber mutiert, weil seine Muse sich krank meldet und die Vertretung eine andere Arbeitsauffassung besitzt. Abgerundet wird das Ganze von einem Abschiedsgruß an einen Krebstumor, der Körperverbot erhält. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie zehn außergewöhnliche und abwechslungsreiche Literatur-Ausflüge.

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Seitenzahl: 78

Veröffentlichungsjahr: 2017

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„Es ist völlig egal, wie wir leben, Hauptsache wir lieben.“

Rudolf Meinhard in „Kein Abstellgleis“

Fred Keller

wurde 1971 in Pforzheim geboren. Mit vierzig fing er an zu schreiben.

Seit 2015 ist er Mitglied im Goldstadt-Autoren e.V. Fred Keller hat Texte in mehreren Anthologien des Papierfresserchenverlags veröffentlicht.

Anfang 2016 erschien seine eigene Kurzgeschichtensammlung „Wenn die Sonne bläst“. Im Jahr 2017 folgte „Cynthia Silbersporn – Hexengeschichten“.

Kontakt:

[email protected]

www.goldstadt-autoren.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Fünf für Pforzheim

Avaritia – Habgier

Helianthus

Lob eines Lyrikers

Veggie-Vampy

Rockwater

Irren ist männlich

Sechzehn Stufen

Die Ersatzmuse

Der Antikrebs

Danksagung

Anmerkungen und Veröffentlichungen

Vorwort

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich, Sie in meinem dritten Buch begrüßen zu dürfen.

Eigentlich wollte ich Gute und böse Geschichten als Untertitel nehmen. „Eigentlich ist ein herrliches Wort.

Es lässt so gut wie alle anderen Möglichkeiten zu.“

Das sagte schon Maximilian Maca, weshalb ich mich entschlossen habe, Sie selbst entscheiden zu lassen, welche für Sie gut und welche böse sind.

Ich hatte beim Schreiben wieder einen Heidenspaß und wünsche Ihnen dasselbe beim Lesen.

Ihr Fred Keller

P.S. Wer einen Fehler findet, darf ihn behalten.

Fünf für Pforzheim

Cynthia Silbersporn, voluminös, taff, selbstbewusst, Alter unbekannt, bewohnte mit ihrer Katze Diva ein kleines Häuschen am Rande der Großstadt. Dort gefiel es ihr außerordentlich gut. Kürzlich hatte sie von dem fulminanten Hexenrat ihr Diplom erhalten, was ihre Ausbildung in Weißer Magie bei der übergewichtigen Elfe Pinky beendete und die daraus entstandene Freundschaft besiegelte.

Heute wollten die beiden Damen zusammen mit Lisa, Cynthias Schwester, und den Maca-Brüdern Marius und Maximilian einen Bummel durch Pforzheim machen. Wer gute Ohren hatte und aufmerksam lauschte, konnte ein doppeltes Plopp wahrnehmen. Und wer zufällig hinter die betagte Weide mit ihren bis zum Boden reichenden Ästen geschaut hätte, wäre erstaunt gewesen, was dort gerade geschah: Zwei Frauen materialisierten sich aus dem Nichts.

Zum Glück standen keine fremden Leute herum, die vor Schreck in Ohnmacht hätten fallen können.

Cynthia deutete zur Spitze eines Fahnenmastes.

„Sieh nur, überall flattern weiße Flaggen mit einer schwarzen 250 drauf. Was das wohl bedeutet? Die Stadt muss doch älter sein. Denk nur mal an die Rathausfassade.“

„Viel älter“, antwortete Pinky. „Sie wurde zum ersten Mal im Jahr 1067 erwähnt, aber auch da war Pforzheim nicht neu, sondern schon lange als Portus bekannt und war ein römisches Verwaltungszentrum. Die 250 steht für das Jubiläum der Schmuck- und Uhrenindustrie.“

„1067, das ist lange her“, grummelte Cynthia in ihren fast nicht vorhandenen Bart, der nur aus einem einzigen Haar bestand. „Demnach feiert die Stadt in fünfzig Jahren das 1000-jährige Bestehen. Ob wir das noch erleben?“

„Für mich kein Problem.“

Überrascht sah Cynthia Pinky an und strich ihre langen dunklen Haare aus dem Gesicht.

„Wie meinst du das? Und überhaupt, woher kennst du diese ganzen Fakten und Jahreszahlen? Hast du einen Stadtführer gefrühstückt, oder was?“

„Ich weiß das so genau, weil ich bei der Stadtgründung und auch davor schon immer mal wieder hier war.“

Während Cynthia perplex stehenblieb, marschierte die Elfe los, als hätte sie nicht soeben einen gänzlich unglaublichen Satz von sich gegeben. Sie schaute zurück und fragte: „Kommst du? Worauf wartest du denn?“

Cynthias eisgraue Augen wurden untertassentellergroß, sie stand kurz vor der Schnappatmung.

„Du willst mir jetzt nicht im Ernst erzählen, dass du älter als Pforzheim bist?“

„Naja, was ist schon alt? Die Erde ist zirka 4,6 Milliarden Jahre alt. Was sind im Vergleich dazu mehr oder weniger tausend Jahre?“ Pinky grinste, sichtlich amüsiert über Cynthias verblüfften Gesichtsausdruck.

„Aber du kannst doch nicht das Alter einer Stadt, der Erde und dein eigenes in einen Topf werfen.“

„Ach, was hast du nicht alles schon in einen Topf geworfen? Aber mal ernsthaft. Ich wurde als Elfe geboren, bevor ich zur Dreizehn mutierte, bin also ein magisches Wesen. Weißt du, wie alt wir werden können? Mal vorausgesetzt, man bringt uns nicht um, was wiederum gar nicht so einfach wäre.“

„Nein, das hast du mir nie verraten.“ Cynthia versuchte noch immer, dem Gehörten Glauben zu schenken.

„Du hast nicht gefragt.“ Pinky zwinkerte mit dem rechten Auge.

„Ja, weil ich dachte, wir sind ungefähr gleich alt.“

„Glaubst du, du hättest mich als gleichwertige Freundin, so von Frau zu Frau, behandelt, wenn du gewusst hättest, dass ich ungefähr fünfundzwanzigmal so alt bin wie du?“

„Sicher nicht“, gestand Cynthia.

„Das war mir klar. Zu oft hab ich das schon erlebt. Die Menschen erstarren geradezu in Ehrfurcht vor meinen Jahren. Das nervte so lange, bis ich beschloss, mein Alter nach unten zu korrigieren, wie es Frauen gerne machen. Aber wechseln wir das Thema. Wir sollten uns beeilen, wenn wir pünktlich am verabredeten Ort sein wollen.“

„Wo treffen wir uns?“

„Also, ich war schon länger nicht mehr in der Stadt, aber Maximilian hat den Rathausplatz vorgeschlagen. Er meinte, dort stehe eine goldene Mülltonne, die man gar nicht verfehlen könne.“

Zielstrebig schlug Pinky diese Richtung ein.

„Was du nicht sagst“, grummelte Cynthia. „Nix in der Stadtkasse, aber ‘nen Abfallbehälter aus Edelmetall. Warum nicht gleich einen Porsche vergolden?“

„Weil’s den schon gibt“, erklärte ihre Freundin kurz und knapp.

Cynthia Silbersporn war sprachlos, was durchaus Seltenheitswert besaß.

Beim Überqueren der Enz fiel ihr Blick vom Emiliensteg, der auf jeder Seite von einer Weide begrenzt wurde, ins Wasser. Golden spiegelte sich die Sonne im Fluss. Cynthia wurde regelrecht geblendet. Was konnte das sein?

Sie trat ans Geländer, schaute konzentriert nach unten und wischte sich über die ungläubigen Augen. Mit zitterndem Zeigefinger deutete sie auf eine Stelle zwischen den Steinen, die aussahen, wie Steine eben aussehen. Grau, unförmig, an einer Seite bemoost.

„Spinn ich jetzt, oder siehst du den Goldklumpen auch, Pinky?“

„Sicher, die gibt es momentan an vielen Plätzen. 50 Stück und jeder mindestens 250 Kilo schwer. Dieser ist, mit einem Gewicht von zwei Tonnen, der größte.“

Cynthia kratzte sich am Kopf. „Hm, normal ist das nicht.“

Ihren Gedanken nachhängend folgte sie Pinky, und wenige Minuten später begegneten sie den Herren Maca.

Marius war klein und dick, hatte immer einen Spruch parat, sein Bruder Maximilian, athletisch durchtrainiert, besaß etwas Machohaftes, was eine gewisse Anziehung auf Cynthia ausübte, die sie sich aber nicht so richtig eingestehen wollte.

Von der anderen Seite stürmte Lisa herbei. Die langen schwarzen Haare flatterten hinter ihr her.

„Uff, gerade noch rechtzeitig.“

Pinky grinste. Bei Lisas Flugunterricht hatte diese lebenslängliche Pünktlichkeit geschworen und sich seither auch daran gehalten.

Die Fünf begrüßten sich, und der quirlige Marius ergriff das Wort:

„Die ganze Stadt sieht glänzend aus. Überall Gold. In einem Schaufenster steht sogar ein Gin mit Blattgold. Ich liebe dieses Glitzern.“

„Ja“, gab ihm sein Bruder Maximilian einsilbig Recht.

„Na, ich weiß nicht.“ Cynthia zog Marius am Ärmel, weil sie einen Vorschlag machen wollte, von dem sie wusste, dass er auf seine Zustimmung stoßen würde.

„Ich möchte ins Casal. Der Tag war bis jetzt so aufregend, ich war ewig nicht mehr in der Stadt. Jetzt muss ich meine Nerven beruhigen und meinen Blutzuckerspiegel nach oben treiben.“

„Eine hinreißende Idee. Schokolade entspannt.“

Cynthia schmunzelte unauffällig vor sich hin. Wie gut sie doch ihren Freund kannte.

Nach dem Betreten der Eisdiele wurde die Theke genauestens begutachtet, bevor sie alle an einem runden Tisch Platz nahmen. Der junge Ober, sportlich, tätowiert, mit Pferdeschwanz, bediente aufmerksam und schnell.

Cynthia zwinkerte Marius zu. „Der Typ ist zwar nicht aus Edelmetall, aber trotzdem goldig.“

Maximilian kam auf die Goldklumpen zu sprechen.

„Wäre doch herrlich, wenn wir diese Findlinge echt machen könnten. Die Kassen der Stadt sind leer. In der Zeitung wird regelmäßig davon berichtet. Wir sollten etwas dagegen unternehmen.“

Pinky schüttelte den Kopf. „Jeder ist für seine Fehler selbst verantwortlich und muss sehen, wie er damit klarkommt.“

„Naja, im Leben eines einzelnen Menschen hast du sicher Recht“, antwortete der große Magier. „Aber hier müssen wir an das große Ganze denken. Ein neuer Oberbürgermeister kann nicht bei null anfangen. Ich habe gehört, wie er sagte, dass ‚weiter so‘ nicht sein Stil sei. Der Schlamassel begann schon vor über fünfzehn Jahren, als Frau Nasenkiesel das Ruder im Rathaus übernahm, oder vielleicht noch früher. Wir könnten gemeinsam die fünfzig Steine in Gold verwandeln.“

Cynthia hörte gebannt zu. „Dafür bräuchten wir einen einmaligen Stein, nämlich den der Weisen.“

Der große Maximilian lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und trumpfte auf: „Wer sagt, dass ich ihn nicht habe?“

Der Satz hing über dem Tisch, Stille umgab die Fünf.

Lisa schnappte hörbar nach Luft. „Wie – du hast ihn?“

Vier ungläubige Augenpaare sahen auf den locker dasitzenden Magier.

„Wie ihr wisst, bin ich viel herum gekommen, in dieser und in anderen Welten, und habe überall aufmerksam gelernt.“

Pinky rebellierte, ergriff Partei für die gute Magie.

„Wäre das nicht wieder etwas dunklere Zauberkraft?“

„Ich finde, wenn wir etwas Gutes für die 120.000 Einwohner von Pforzheim kreieren, kann es so schwarz nicht sein“, versuchte Max, seine Freunde zu überzeugen.

„Ich stimme zu“, Cynthia hob die Hand, „und bin dafür.“

Marius folgte ihrem Beispiel und schließlich auch die etwas zaghaftere Lisa.

Als Pinky sah, dass alle einer Meinung waren, gab sie nach. „Gut, probieren wir es. Du übernimmst die Verantwortung. Es ist dein Zauber.“

„Wie so oft. Wir treffen uns um Mitternacht an der goldenen Mülltonne. Ich möchte sie als Symbol nehmen. Wir machen Ordnung, vernichten den alten Dreck und lassen das Goldene Zeitalter wieder auferstehen.“