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Ein Abenteuer in der kanadischen Wildnis.
Stefan wird von einem Bekannten in die Kanadische Wildnis eingeladen. Voller Erwartung trifft er dort ein, muss aber schnell erkennen, dass sein Bekannter die angeblichen "Freunde", die er hier in dem Camp um sich versammelt hat, nur gebrauchen will, damit sie ihm eine einträgliche Jagdlodge aufbauen helfen. – Enttäuscht verlässt Stefan das Camp und zieht auf eigene Faust in den Busch.
Schnell gelingt es dem Greenhorn dort, sich dem nicht immer ungefährlichen Leben anzupassen. Eine atemberaubende Floßfahrt, sein Zusammentreffen mit dem Grauen Bären und seine Freundschaft mit diesem allein umherstreifenden Indianer, ja, das ganze volle Leben in noch fast unberührter Natur wird von dem Autor so interessant und authentisch geschildert, als wäre der Leser selbst dabei.
Dennoch zieht es Stefan am Ende des Buches in die Zivilisation zurück, denn der Mensch von heute mag – trotz aller Liebe und Sehnsucht nach dem »ursprünglichen Sein« in freier Natur – nicht auf die Anregungen der höheren Kultur verzichten und auch nicht für immer auf die gewohnten Bequemlichkeiten, wie nur die Zivilisation sie bieten kann.
Für Jugendliche ab 12 Jahre
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Wolfgang Bittner
Die Fährte des
Grauen Bären
Abenteuer-Roman in der kanadischen Wildnis
Neuausgabe
Copyright © by Author/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Claudia Westphal nach Motiven, 2025
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
www.baerenklauexklusiv.de / info.baerenklauexklusiv.de
Die Handlung dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Die Fährte des Grauen Bären
Nach Norden
Ankunft im Busch
Erste Annäherung und kaltes Wasser
Arbeit soll sein
Ein kanadischer Österreicher
Ein Stachelschwein und die Folgen
Jagdpläne
In der Wildnis
Am Feuer
Goose Lake
Beinbruch
In der Ansiedlung
Das Indianerdorf
Entschlüsse
Wieder im Busch
Lindas Abreise
Ein Ausflug
Abschied vom Camp
Das Lager im Wald
Boykott
Der Graue Bär
Auf der Fährte
Die Höhle
Das Zelt wird abgebrochen
Die lange Wanderung
Nach Hause
Worterklärungen
Über den Autor
Ein Abenteuer in der kanadischen Wildnis.
Stefan wird von einem Bekannten in die Kanadische Wildnis eingeladen. Voller Erwartung trifft er dort ein, muss aber schnell erkennen, dass sein Bekannter die angeblichen "Freunde", die er hier in dem Camp um sich versammelt hat, nur gebrauchen will, damit sie ihm eine einträgliche Jagdlodge aufbauen helfen. – Enttäuscht verlässt Stefan das Camp und zieht auf eigene Faust in den Busch.
Schnell gelingt es dem Greenhorn dort, sich dem nicht immer ungefährlichen Leben anzupassen. Eine atemberaubende Floßfahrt, sein Zusammentreffen mit dem Grauen Bären und seine Freundschaft mit diesem allein umherstreifenden Indianer, ja, das ganze volle Leben in noch fast unberührter Natur wird von dem Autor so interessant und authentisch geschildert, als wäre der Leser selbst dabei.
Dennoch zieht es Stefan am Ende des Buches in die Zivilisation zurück, denn der Mensch von heute mag – trotz aller Liebe und Sehnsucht nach dem »ursprünglichen Sein« in freier Natur – nicht auf die Anregungen der höheren Kultur verzichten und auch nicht für immer auf die gewohnten Bequemlichkeiten, wie nur die Zivilisation sie bieten kann.
Geschenkausstattung in Halbleinen
Für Jugendliche ab 12 Jahre
***
Deutschland, ein kleiner bunter Fleck auf der Weltkarte, tausende von Kilometern entfernt. Das Gefühl, vollkommen auf sich allein gestellt zu sein, war ungewohnt, geradezu beängstigend. Stefan lehnte sich in die Polster des Überlandbusses zurück, um ein wenig zu schlafen. Der Platz neben ihm war frei geblieben, sodass er es sich bequem machen konnte. Doch die innere Unruhe wollte nicht nachlassen.
Draußen flogen die unermesslich weiten Fichtenwälder vorüber. Manchmal tauchten Holzhäuser mit Schuppen und Stallungen auf, Kühe, Pferde, ein Hund, ein paar Schafe. Vorn die asphaltierte Fahrbahn des Highway, der sich oft kilometerweit schnurgerade durch die kaum besiedelte Landschaft zog.
In der Nacht hatte der Busfahrer mehrmals gehupt, weil Wild die Straße blockierte. Einmal sei es ein Schwarzbär gewesen, hatte ein Mitreisender behauptet. Am Vormittag war der Bus lange durch kahles, hügeliges Gelände gefahren, das erst vor kurzem abgebrannt sein musste. So weit das Auge reichte, waren nur verkohlte Baumreste übrig geblieben. Dann wieder Seen, Felsbrocken, ein tief eingeschnittener Fluss, Wald und abermals Wald. Unglaublich, diese Weite.
Er zog erneut den Brief mit der Einladung aus der Tasche. »Seit zwei Wochen bin ich zusammen mit einigen Freunden wieder in der kanadischen Wildnis«, schrieb Berthold. »Von Edmonton aus sind wir mit einem Mietwagen über Whitecourt, Grande Prairie und Dawson Creek in den Norden gefahren. Ende April brach die Eisdecke auf, sodass uns ein Wasserflugzeug Anfang Mai auf unserem See absetzen konnte. Ein herrliches Gefühl, unabhängig zu sein, die Zivilisation hinter sich gelassen zu haben. Wir sind dabei, das Blockhaus herzurichten, alle helfen mit. Meterlange Hechte und Seeforellen schwimmen fast vor unserer Nase. Auf dem See gibt es Enten und Gänse, im Wald Hühner, Stachelschweine, Hasen, Elche, Karibus und Bären. Das einzig Störende in diesem Paradies sind die Mücken. Wenn du Lust hast, komme mich doch besuchen. Meine Einladung gilt nach wie vor. Grüße bitte deinen Onkel. Das von ihm an den Verlag vermittelte Buch über meine Erlebnisse war bei meiner Abreise bereits im Druck und wird, so hoffe ich, inzwischen erschienen sein. Ich gehe davon aus, dass es Erfolg haben wird. Vielleicht kann dein Onkel eine Besprechung für den Rundfunk oder eine Zeitung schreiben, worüber ich mich freuen würde. Frage ihn doch einmal danach. Herzlich, dein Berthold.«
Er wird staunen, wenn ich plötzlich vor ihm stehe, dachte Stefan. Berthold war für ihn einer der letzten wirklichen Abenteurer, ein von Geheimnissen umwittertes Idol. Wenn er von aufregenden Flussfahrten und gefährlichen Bärenjagden erzählte, wünschte man sich nichts sehnlicher, als wenigstens einmal dabei sein zu können. Stefan hatte ihn erst im vergangenen Winter kennen gelernt, aber Berthold war sehr freundlich gewesen und hatte ihn schon damals zu sich nach Kanada eingeladen. Sein Diavortrag in einem Saal der Stadthalle war ausverkauft gewesen und hatte für Stefan den Ausschlag gegeben. Ein nahezu unüberwindliches Problem war dann die Finanzierung der Reise gewesen. Doch im April hatte er das Geld endlich beisammen gehabt und den Flug buchen können. Jetzt war er unterwegs, er hatte es doch noch geschafft.
Ein kleiner Ort tauchte auf. Rechts und links der Straße standen Holzhäuser mit Fernsehantennen, in den Einfahrten parkten Autos. Manche dieser Häuser besaßen Räder oder Achsen, sodass man sie nach Bedarf weitertransportieren konnte. Gärten waren selten. Der Ort wirkte unansehnlich wie die meisten anderen, durch die der Bus schon gefahren war. Vor einer Imbissstube standen einige Indianer, die offensichtlich betrunken waren. Weiter hinten qualmte der Schornstein einer Fabrik, um die herum riesige Stapel von Baumstämmen lagerten. Dann fuhr der Bus wieder durch Fichtenwälder und Gebirge und vorbei an Seen, in deren klarem Wasser sich das Blau des wolkenlosen Himmels spiegelte.
Stefan stellte die Lehne seines Sitzes zurück und schloss die Augen. Er versuchte sich zu entspannen. Mehr als zwanzig Stunden dauerte die Fahrt nun schon, nur unterbrochen von einem zweistündigen Aufenthalt in Dawson Creek, wo er auf den Anschlussbus warten musste und gegessen hatte. Inzwischen begann sein Magen schon wieder zu knurren. Er aß etwas Schokolade. Danach las er in einem Buch, das Hinweise für das Leben in der Wildnis gab. Mühsam kämpfte er sich von Seite zu Seite. Das eintönige Summen des Motors schläferte ihn schließlich ein und er wachte erst wieder auf, als der Bus in einer Ortschaft anhielt und der Fahrer zum Aussteigen aufforderte. Die erste Etappe seiner Reise lag hinter ihm.
Nachdem Stefan seinen Rucksack in Empfang genommen hatte, wandte er sich einem Hotel zu, das sich in unmittelbarer Nähe der Haltestelle befand. Es war ein zweistöckiger, gepflegt aussehender Holzbau. Dort erkundigte er sich nach dem Flying-Service, den Berthold in seinem Brief als Adresse angegeben hatte. Von hier aus würde er fliegen müssen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Obwohl es schon auf den Abend zuging, wollte er sich gleich auf den Weg machen.
Er hatte Glück. Das Büro der Fluggesellschaft liege außerhalb der Ortschaft, erklärte die Frau am Hotelempfang. »Fragen Sie den Fahrer des Lieferwagens«, empfahl sie ihm und zeigte auf einen Mann, der vor der Tür Pakete einlud. »Er will gerade hinüberfahren und kann Sie vielleicht mitnehmen.«
»Steig schon ein«, antwortete der Fahrer auf Stefans Frage, »es geht gleich los.«
Die Fahrt dauerte nicht lange. Ein größerer See tauchte zwischen den Bäumen auf, am Ufer ein Landesteg, vor dem zwei Wasserflugzeuge verankert lagen. Die Niederlassung der Gesellschaft bestand lediglich aus einer Baracke und mehreren Lagerschuppen. »Der Chef ist da«, sagte der Fahrer, »ich habe eben noch mit ihm telefoniert.« Stefan warf sich den Rucksack über die Schulter und ging in das Büro.
Ein kleiner magerer Mann, der hinter einem Schreibtisch saß, musterte ihn kurz und fragte nach seinen Wünschen. Er komme aus Deutschland, erklärte Stefan umständlich, und wolle einen Freund besuchen, der in seinem Brief die Adresse des Flying-Service angegeben habe und in einem Blockhaus irgendwo in der Nähe an einem See wohne. Der Mann hinter dem Schreibtisch schob seine Brille auf die Stirn und blinzelte Stefan verblüfft an, der ihm Bertholds Briefumschlag reichte. »Blockhäuser und Seen haben wir hier genug«, grinste er. »Wollen mal sehen.« Er studierte die Absenderangabe. »Ach so, Berthold ist gemeint!«, lachte er plötzlich. »Den kenne ich, der ist vor einigen Wochen mit seinen Leuten von mir rausgeflogen worden.«
»Ist es sehr weit dorthin?«
»Luftlinie etwa 150 Kilometer. Wir haben von Berthold übrigens per Funk einen Auftrag bekommen; in den nächsten Tagen müssen wir Material hinbringen.«
»Wann wird das sein?«, fragte Stefan und hielt den Atem an.
»Die Sachen liegen drüben im Schuppen und eine Transportmaschine ist frei. Wenn Sie mir beim Einladen helfen würden, ginge es schon morgen früh.«
»Gut«, erwiderte Stefan. Am liebsten wäre er vor Freude in die Luft gesprungen. »Dann helfe ich Ihnen morgen und fliege mit.«
Auf seine Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit deutete der Pilot auf einen am Ufer stehenden Schuppen. »Wenn Sie keine großen Ansprüche stellen und einen Schlafsack haben, können Sie sich dort ausstrecken. Es gibt hier zwar einige Ratten, aber die werden Sie nicht gleich anknabbern.«
Ob er eventuell zu Berthold über Funk Verbindung aufnehmen könne, um sich anzumelden, fragte Stefan. Das lasse sich einrichten, meinte der Pilot. Er drehte mehrere Knöpfe an dem Funkgerät, das vor ihm auf dem Schreibtisch stand, und sprach immer wieder aufs Neue in ein Mikrofon. Längere Zeit rührte sich nichts, bis auf einmal Bertholds Stimme aus dem Lautsprecher kam, etwas verzerrt, aber deutlich vernehmbar. Er schien außerordentlich überrascht zu sein, als ihm die Ankunft Stefans angekündigt wurde, und ließ sich den Namen wiederholen, als sei er ihm fremd.
Der Fahrer des Lieferwagens war mit dem Abladen fertig und nahm den Piloten mit in die Ortschaft. Hinter dem See zeichneten sich die Höhenzüge eines Gebirges scharf gegen die Sonne ab, als stünden die Gipfel in Flammen. Aber Stefan hatte keinen Blick für seine Umgebung. Er ging hinüber zum Schuppen, dessen Tor offen stand, und breitete in einer Ecke seinen Schlafsack aus. Nachdem er einige Kekse gegessen hatte, legte er sich gleich hin. Seine innere Spannung hatte nachgelassen, sodass er sicherlich sofort eingeschlafen wäre, hätten ihn nicht hunderte von Mücken umschwirrt. Er versuchte sie abzuwehren, doch das war sinnlos. Schließlich verbarg er sein Gesicht im Schlafsack und zog die Kapuze so weit zusammen, dass nur noch eine kleine Öffnung freiblieb, aus der sein Haarschopf hervorschaute. Sein Schlaf war tief und traumlos.
In der Nacht erwachte er plötzlich, schwer atmend und in Schweiß gebadet. Etwas hatte ihn geweckt, ein Geräusch, eine Berührung. Er lag bewegungslos und lauschte, sein Herz hämmerte. Er war nicht mehr allein in dem Schuppen, das spürte er ganz deutlich, jemand betastete am Fußende seinen Schlafsack. Mit Mühe unterdrückte er die Angst, die ihn befallen hatte. Die Berührungen waren nur flüchtig gewesen, jetzt hatten sie aufgehört.
Vorsichtig zog er die Kapuze auf, öffnete ein wenig den Reißverschluss und griff nach seinem Messer. Etwas huschte von ihm weg, in einer Ecke raschelte es. Ratten! Angewidert fuhr er hoch und murmelte einige Schimpfworte. Die grauen Körper mit den langen kahlen Schwänzen verschwanden zwischen den Kisten und Benzinfässern. Durch die Ritzen der Bretterwände drang das Dämmerlicht des beginnenden Tages. Stefan ekelte sich vor den Tieren, er konnte nicht wieder einschlafen.
Der Flug über die kanadische Wildnis hatte nur eine Stunde gedauert. Langsam drehte das Wasserflugzeug vom Ufer ab zur offenen Fläche des Sees hin. Stefan sah, wie der Pilot noch einmal winkte. Dann dröhnte der Motor, die Beaver-Maschine wurde immer schneller und hob schon nach etwa hundert Metern leicht wie ein Vogel vom Wasser ab. »Sie hat kaum Fracht«, sagte Berthold, »unsere paar Briefe wiegen nicht viel.«
Stefan betrachtete ihn. Berthold trug ein grün-schwarz kariertes Flanellhemd und abgeschabte, vielfach geflickte Jeans, die in derben Schnürschuhen steckten, deren oberste Haken er offen gelassen hatte. Am Gürtel hingen ein Jagdmesser und eine kleine Ledertasche. Mit seinen langen Haaren und dem wuchernden Vollbart sah er aus wie einer jener Waldläufer in den Romanen von James Fenimore Cooper oder Friedrich Gerstäcker.
Sie standen auf dem Anleger aus schwimmenden Baumstämmen und darüber genagelten Brettern, neben dem ein Kanu auf dem Wasser schaukelte. Das Flugzeug zog jetzt eine weite Schleife über dem See, kam donnernd wieder auf sie zu und verschwand kurz darauf hinter den Wipfeln der Bäume in dem lang gestreckten Tal hinter dem Blockhaus. Allmählich verebbte das Motorengeräusch in der Ferne.
Am Ufer stapelten sich Kisten, Kartons und mehrere Fässer. Berthold überprüfte die Vorräte und Materialien noch einmal. »Es scheint alles mitgekommen zu sein«, meinte er. Dann fügte er grinsend hinzu: »Dass du mit einem einzigen Rucksack auskommst, gefällt mir. Weißt du, die meisten schleppen viel zu viel überflüssigen Kram mit in die Wildnis.« Als die Hunde sich an einem Karton zu schaffen machten, vertrieb er sie durch einen scharfen Zuruf. »Die Lebensmittel in der Apfelsinenkiste dort drüben gehören mir auch noch«, erwiderte Stefan. Aber Berthold hatte sich bereits abgewandt.
Sie gingen an einem Feuerplatz vorbei auf das Haus zu, das aus dicken geschälten Fichtenstämmen zusammengefügt war und dessen oberer Teil sich noch im Entstehen befand. Ein beeindruckendes Bauwerk, das fiel Stefan jetzt erst auf. Es bestand aus einem Hauptgebäude, an das sich ein viereckiger, ebenfalls aus Baumstämmen errichteter Turm anschloss. »Wie du siehst«, sagte Berthold, »sind wir noch lange nicht fertig. Der Turm soll acht bis neun Meter hoch werden.« Auch ein Dach fehlte noch und die Fenster und die Tür waren lediglich aus der Wand herausgesägte Öffnungen.
Der Hochwald war um das Blockhaus herum gelichtet worden und die Balken leuchteten hell in der Sonne. In der Nähe lag eine größere Anzahl von Fichtenstämmen, daneben weidete eine Ziege mit ihren zwei Kitzen. Weiter hinten sah Stefan eine Bretterhütte, die auf hohen Pfosten stand. Berthold, der seinem erstaunten Blick gefolgt war, erklärte: »Das ist unser Bearhouse, darin bewahren wir die Vorräte auf.« »Habt ihr hier Bären gesehen?«, fragte Stefan. Berthold nickte. »Schwarzbären. Ich habe kurz nach unserer Ankunft auch eine Grizzlyfährte gefunden. Aber die Viecher gehen den Menschen aus dem Wege, wenigstens im Sommer, und haben sich bestimmt längst zurückgezogen.«
Dunkelgrün und dicht umschloss sie der Wald, den die Einheimischen Busch nannten. Eine treffende Bezeichnung, fand Stefan. Seine Umgebung erschien ihm auf einmal höchst unwirklich, als befände er sich in einem Traum. Verstärkt wurde dieser Zustand noch durch ein Gefühl von Leichtigkeit – er spürte kaum seinen Körper –, hervorgerufen wahrscheinlich durch Mangel an Schlaf und Nahrung sowie die körperlichen Anstrengungen der letzten Tage. Nur die Mückenplage war höchst real.
Die anderen standen vor der Tür und blickten ihnen neugierig entgegen. »Das ist Stefan«, stellte Berthold ihn vor. »Er will einige Zeit hier bleiben und uns bei der Arbeit helfen.« Während Stefan herumging, Hände schüttelte und Namen hörte, überlegte er, was Berthold damit gemeint haben mochte: » …und uns bei der Arbeit helfen.« Davon war in dem Brief nicht die Rede gewesen, sondern von einem Besuch. Aber andererseits, warum sollte er nicht ein bisschen helfen, wenn er schon hier war.
Harry, Maurice, Gordon, Linda, Manfred und Struppi. Die Gesichter konnte er kaum auseinanderhalten, sie waren bärtig, bis auf das von Linda natürlich, die hatte rote Backen und lange braune Locken. Sie und Gordon sprachen Englisch, die anderen Deutsch. Die beiden Hunde, ein hübscher schwarz-weißer Husky und eine dunkelgraue Malamute, hießen Nanook und Sitka.
»Wir schlafen im Wald in unseren Zelten«, erklärte ihm Berthold. »Du kannst dir dort hinten, am besten in der Nähe des Seeufers, einen Platz suchen. Wenn es Essen gibt, hörst du den Gong.« Er deutete auf eine Eisenpfanne, die beim Feuerplatz an einem Baum hing. Daneben standen ein Tisch, zwei Bänke und mehrere Kisten, überspannt von einer großen Plane, die zwischen den Bäumen befestigt war. Und dahinter lag ein kleiner Garten, in dem allerlei Grünzeug wuchs.
Hinter dem Haus begann eine Motorsäge zu knattern, von oben dröhnten Hammerschläge. Stefan hievte sich den Rucksack auf die Schulter und ging, einem Trampelpfad folgend, in den Wald hinein, bis die Geräusche etwas leiser wurden. Aber sofort umgab ihn eine Wolke von Mücken, die ihm heftig zusetzten; nie zuvor hatte er so viele Mücken beieinander gesehen. Ekelhaft, fast zum Verrücktwerden. Sie setzten sich auf die Hände, auf Gesicht und Nacken; sie ließen sich nicht abwehren, man musste aufpassen, sie nicht einzuatmen. Er rieb sich erst einmal mit Muskol ein, das er vorsorglich in die Jackentasche gesteckt hatte. Das half, die Quälgeister hielten einen gehörigen Abstand.
Hier und da standen zwischen den Bäumen die Zelte der anderen. Rindenstücke bewiesen, dass in diesem Teil des Waldes im Frühjahr Holz geschlagen worden war. Den Boden bedeckten dicke Moospolster und Blaubeerbüsche, die schon Blüten angesetzt hatten. Obwohl das hohe Dach des Waldes nur wenig Sonne durchließ, war es sehr warm. Der Rucksack hing auf dem Rücken wie ein Bleigewicht.
Vor einem Windbruch machte Stefan in Ufernähe Halt. Ihm kamen Zweifel, ob er in der Lage sein würde, das schwere Gepäck kilometerweit durch so einen Urwald zu schleppen, wenn es nicht einmal einen Pfad gab. Unter den hohen Fichten und Pappeln ebnete er zuerst eine zwei mal drei Meter große Fläche, wozu er sein Handbeil benutzte. Dann begann er das Zelt aufzubauen. Als es endlich stand, lief ihm der Schweiß den Rücken hinunter. Er packte seinen Rucksack aus und hängte die Lebensmittel in einem Plastikbeutel zwischen zwei Bäume. Als Nächstes blies er die Luftmatratze auf und rollte den Schlafsack aus. Am liebsten wäre er jetzt gleich ins Zelt gekrochen, denn er hatte in der letzten Zeit nur wenig geschlafen. Aber ihm war zu warm und die Neugier trieb ihn zurück zu den anderen.
Die Gespräche mit Berthold vom vergangenen Winter und der Inhalt seines letzten Briefes gingen Stefan durch den Kopf. Mehrere Monate hatte er in der Fabrik arbeiten müssen, um das Geld für diese Reise zusammenzubringen. Aber Berthold schien lange nicht so erfreut, wie Stefan erwartet hatte. Das war ihm schon während des Funkgesprächs aufgefallen. Nun gut. Wenn es Probleme gab, würde er sich absetzen, seiner eigenen Wege gehen. Die kanadische Wildnis war groß genug und ausreichend Grundnahrungsmittel hatte er bei sich.
Doch zunächst wollte er im Camp bleiben. Berthold würde ihm sicherlich beibringen, was es zu lernen gab, um mit dem Leben hier draußen vertraut zu werden. Das hatte er schließlich oft genug versprochen.
Er ging am Ufer entlang auf den Anleger zu. Einer der Männer kam ihm entgegen, eine zusammengeschobene Angel unter dem Arm. An seinen Namen konnte sich Stefan beim besten Willen nicht mehr erinnern. »Wollen Sie angeln gehen?«, fragte er überflüssigerweise, nur um etwas zu sagen. Das bärtige Gesicht des anderen verzog sich zu einem Lachen. »Ja, ich will auf die Halbinsel dort drüben, da stehen einige kapitale Hechte.« Er deutete auf eine weit in den See ragende Landzunge, kaum fünfhundert Meter entfernt. »Übrigens duzen wir uns hier alle, ich heiße Harry – falls du es vergessen hast.«
Harry nahm den Hut ab und wischte sich mit einem großen bunten Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er schien etwas älter zu sein als die anderen, Mitte vierzig etwa. Sein Bart war von einzelnen grauen Strähnen durchzogen, das Haupthaar begann sich zu lichten. »Wie alt bist du eigentlich?«, fragte Harry unvermittelt, schon im Weggehen. »Neunzehn«, erwiderte Stefan. Er schaute ihm nach, wie er sich mit der geschulterten Angel geschickt durch die Büsche schlug, sumpfige Stellen oder Dornengestrüpp umging und manchmal in den Hochwald, an anderen Stellen auf die im flachen Wasser liegenden Steine auswich.
Sein Blick ging weiter auf den See hinaus und hinüber zu den bewaldeten Hängen, hinter denen in der klaren Luft die Konturen eines entfernten Gebirgszuges den Horizont abschlossen. Ein Bild, das man wahrscheinlich großartig oder auch wunderschön nennen konnte. Aber ihm war, als sei dieser Anblick eher selbstverständlich, jedenfalls nichts Ungewöhnliches, und ihm schon seit langem bekannt, viel länger womöglich, als er sich zu erinnern vermochte.
So gibt es diese Landschaft schon seit Jahrtausenden, musste er plötzlich denken. Sie war hier vorhanden im Wechsel von Winter und Sommer, fast unberührt von Menschen. Und sie wird – wenn es nicht eines Tages einen gewaltigen Knall gibt oder vorher schon alles abstirbt – noch tausende von Jahren weiterexistieren.
In der Bucht schwammen zwei Haubentaucher und ein Trupp Enten flog in geringer Höhe draußen vorbei. Die Sonne hatte nahezu den Zenit erreicht; ihre Helligkeit und Wärme verbreiteten sich in völliger Stille. Nur die beiden Taucher bewegten sich gemächlich über die ruhige Fläche des Wassers. Er stand mehrere Minuten regungslos da und nahm diesen Eindruck in sich auf. »Das ist es also«, sagte er laut.
»Zuerst dachte ich, ein Haifisch hätte angebissen«, berichtete Harry. »Es dauerte eine Viertelstunde, bis ich den Brocken herausziehen konnte.« Er war mit einer riesigen Seeforelle zurückgekommen, die er gleich ausgenommen und filetiert hatte. »Sie kämpfen viel mehr als die Hechte«, sagte Berthold. »Man muss ihnen immer wieder Schnur geben, bis sie müde sind.«
Auf einem Eisenrost standen über dem Feuer, das von Steinen umgeben war, ein Topf mit Reis, der Kaffeekessel und zwei Pfannen, in denen Forellenfilets brieten. Zum Mittagessen saßen acht Personen am Tisch. Berthold präsidierte am Kopfende. Er hatte dort seinen festen Platz, während die anderen sich setzten, wie sie kamen.
Manfred, der heute Küchendienst hatte, stellte eine Schüssel mit grünem Salat auf den Tisch, holte den Reistopf vom Feuer und verteilte den Fisch. Jeder bekam ein Stück, das fast den Teller füllte. »Die Salatköpfe und das Gemüse sind in den letzten zwei Wochen so schnell gewachsen, dass man fast zusehen konnte«, sagte Linda. »Kein Wunder«, meinte Gordon, »wenn es nachts kaum noch dunkel wird.« Manfred goss jedem einen Becher Kaffee ein.
»Es schmeckt wirklich ausgezeichnet«, stellte Stefan fest. »Wo hast du so gut kochen gelernt?« Auch die anderen nickten anerkennend und Manfreds breites Gesicht strahlte. »Ich hatte mal ’ne Gastwirtschaft«, erzählte er, »da hab ich selber gekocht. Das war in Frankfurt, eine gemütliche kleine Kneipe im Ostend.«
»Und warum bist du dann hier?«, fragte Stefan.
Manfred überlegte eine Weile. »Das Finanzamt war hinter mir her«, erwiderte er schließlich. »Außerdem ging mir das Gelaber langsam auf die Nerven; jeden Abend dasselbe und immer Ärger mit Besoffenen. Da hab ich den Laden verkauft und mich Berthold angeschlossen.«
»Das hast du nun davon«, bemerkte Struppi lakonisch und alle lachten.
Berthold wandte sich Stefan zu: »Wir machen der Reihe nach jeder einen Tag Küchendienst. Demnach bist du in sieben Tagen das erste Mal dran.« Stefan nickte. »Und mit der Arbeit läuft es so«, fuhr Berthold fort, »dass morgens nach dem Frühstück eingeteilt wird, was jeder tagsüber zu tun hat.«
Stefan wusste nicht, was er antworten sollte. So hatte er sich seinen Aufenthalt im Busch nicht vorgestellt. Wie sollte er sich verhalten? Der Bau des Blockhauses, noch dazu eines so großen, interessierte ihn eigentlich nicht. Und Nahrungsmittel hatte er genügend mitgebracht. Andererseits musste er sich wohl an den im Lager anfallenden Arbeiten beteiligen, falls er blieb. Aber wollte er überhaupt bleiben? Das war eine Frage, die es noch zu entscheiden galt. »Ich würde mich in den nächsten Tagen gern richtig ausschlafen und anschließend die Gegend kennen lernen«, sagte er zögernd. »Okay«, erwiderte Berthold, »das verstehe ich. Dann kannst du die erste Woche dazu nutzen, dich einzuleben und beginnst erst am Tag nach deinem Küchendienst mit der Arbeit. Schau dich um, geh ein bisschen angeln, fahr mit dem Kanu auf den See hinaus. Wie die Gewehre funktionieren, kann Maurice dir zeigen.«
Maurice hatte lebhafte dunkle Augen und gab sich so, wie man sich einen Indianer vorstellt. Sein langes schwarzes Haar hielt ein Stirnband zusammen, dessen Enden ihm bis auf den Rücken herabhingen. Er trug eine abgewetzte braune Lederhose und an den Füßen echte Mokassins. Bei einem anderen hätte dieser Aufzug wahrscheinlich albern gewirkt, aber zu Maurice passte das. Obwohl er ziemlich klein war, schien er kräftig und ausdauernd zu sein. Stefan freute sich, ihn näher kennen zu lernen.
Nach dem Essen gingen sie zusammen zum Materialzelt hinter dem Blockhaus, wo an einem Pfosten drei Gewehre hingen. »Die Kugelbüchse hier und diese Schrotflinte gehören Berthold«, erklärte Maurice. »Und diese Büchsflinte habe ich mitgebracht. Sie hat einen Schrotlauf und darunter einen kleinkalibrigen Kugellauf.« Er steckte Munition in die Tasche und Stefan folgte ihm in den Wald, wo Maurice ihm den Umgang mit den Waffen genauestens vorführte.
Anschließend gab Stefan aus jedem Gewehr mehrere Schüsse auf ein Brett mit schwarzem Kreis ab, das an einen Baum genagelt war. »Den Rückschlag vom Kleinkaliber spürst du kaum«, erklärte Maurice, »aber die 30-30er und die Flinte musst du fest in die Schulter einziehen, sonst gibt es blaue Flecke. Dasselbe gilt natürlich für die Büchsflinte, wenn du mit Schrot schießt.«
Stefan waren die Waffen unheimlich. Dennoch untersuchte er ihren Mechanismus bis ins Einzelne und prüfte ihre Wirkung. Nach jedem Schuss lief er zum Ziel, um den Einschlag zu suchen. Beim Kleinkaliber war nur ein kleines tiefes Loch in dem vier Zentimeter dicken Brett zu sehen, immerhin ganz in der Nähe des Zentrums. Die anderen Schüsse donnerten so laut, dass die Ohren taub wurden. Die 30-30er-Kugeln waren erheblich größer und glatt durch das Brett hindurchgeschlagen. Der erste Schrotschuss, den er aus geringer Entfernung abgab, ging vorbei; dagegen saß der zweite voll auf dem Brett und ließ es zersplittern – eine furchtbare Wirkung. »Du darfst den Lauf nie auf einen Menschen halten und musst berücksichtigen, dass die 30-30er-Kugeln mehrere hundert Meter weit reichen«, bemerkte Maurice mit ernstem Gesicht. »Struppi ist übrigens neulich aus Versehen ein Schuss losgegangen, der hätte mich beinahe getroffen. Ich stand nur wenige Schritte entfernt und die Schrotladung fuhr direkt neben mir in die Hauswand. Er rührt seitdem kein Gewehr mehr an. Du kannst das Loch noch sehen, das die Schrotkugeln in den Balken gerissen haben.«
»Wer hat ihm eigentlich seinen Spitznamen gegeben?«
»Er sich selber, jedenfalls hier bei uns. So komisch es klingt: Er hat gesagt, er heiße Struppi. Ich weiß nicht einmal seinen richtigen Namen, ich weiß nur, dass er gelernter Schreiner ist. Vielleicht heißt er ja tatsächlich Struppi.«
Die Waffen wurden noch mehrfach geladen, gesichert, entsichert, repetiert und wieder entladen, bis Stefan sämtliche Handgriffe beherrschte. Er fühlte sich dabei hin- und hergerissen. Einerseits bereitete ihm das Schießen Spaß, andererseits spürte er eine innere Sperre. Das waren Tötungsinstrumente, mit denen er hantierte; sie gaben ihrem Benutzer große Macht. Er war sich noch nicht im Klaren, ob er überhaupt auf die Jagd gehen würde. Doch er sagte sich, dass es auf keinen Fall schaden könne, Bescheid zu wissen. Die Verhältnisse im kanadischen Busch waren andere als in Mitteleuropa. Man konnte leicht in Situationen geraten, in denen man auf eine Waffe angewiesen war. Sei es, um Nahrung zu haben, sei es, um sich zu verteidigen. Natürlich würde er niemals auf einen Menschen schießen; aber es gab in der Umgebung Bären, Wölfe, Vielfraße und Luchse, die einem womöglich gefährlich werden konnten.