Die Felsenburg - Karl May - E-Book

Die Felsenburg E-Book

Karl May

4,9

Beschreibung

Die Felsenburg liegt hoch droben in den Bergen der Sonora von Mexiko und birgt ein grausiges Geheimnis, das einem deutschen Auswandererzug zum Verderben werden soll. Old Shatterhand nimmt mit seinem Blutsbruder Winnetou den Kampf gegen den skrupellosen Verbrecher Harry Melton und seinen Bruder Thomas auf. Die vorliegende Erzählung spielt Ende der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts. "Die Felsenburg" ist der erste Teil der Trilogie "Satan und Ischariot". Weitere Teile sind: 1.) Krüger Bei (Band 21) 3.) Satan und Ischariot (Band 22)

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 20

DIE FELSENBURG

Satan und Ischariot

Erster Band

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1950 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1520-8

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

1. Der Mormone

Sollte jemand mich fragen, welches wohl der traurigste und langweiligste Ort der Erde ist, so würde ich, ohne mich lang zu besinnen, antworten: Guaymas in Sonora, dem nordwestlichen Staat der Republik Mexiko. Diese Meinung ist allerdings nur eine rein persönliche, ein anderer würde sie vielleicht bestreiten. Ich aber habe in dieser Stadt die inhaltslosesten zwei Wochen meines Lebens verfaulenzt und verspielt.

Die im östlichen Teil von Sonora aufragenden Berge enthalten reiche Lagerstätten von edlen Metallen, Kupfer und Blei, und fast alle Wasserläufe führen Waschgold mit sich. Aber die Ausbeute war damals nur gering, weil die Gebiete von den Indianern unsicher gemacht wurden und man sich nur in starker Gesellschaft hinauf an Ort und Stelle getraute. Wo aber eine so zahlreiche Belegschaft hernehmen? Der Mexikaner ist alles andere, nur kein Arbeiter. Dem Indianer fällt es nicht ein, für andere gegen Tagelohn die Schätze auszugraben, die er noch heutigen Tags für sein rechtmäßiges Eigentum hält. Chinesische Kulis könnte man genug bekommen, doch mag man sie nicht, denn wer diese Geister beschwört, der wird sie nicht wieder los.

Aber die Gambusinos, die Prospektors, wird man sagen: das sind doch die eigentlichen Goldsucher und Minenarbeiter, weshalb dingte man sie nicht? Sehr einfach darum, weil damals keine zu haben waren. Sie waren alle hinüber nach Arizona, wo das Gold in hellen Haufen liegen sollte. Darum waren die Gebiete von Sonora in jener Zeit verödet, aber auch lange Jahre später, weil nicht nur der Bergbau, sondern auch die Viehzucht des Landes unter der Furcht vor den wilden Indianern darniederlag.

Auch ich hatte nach Arizona gewollt, doch nicht etwa weil ich am Goldfieber litt, sondern aus Teilnahme für das eigenartige Leben, das in den Diggins herrschte. Da aber kam die plötzliche Erhebung des mexikanischen Generals Jargas. Ich wurde vom Herausgeber einer Zeitung in San Francisco gefragt, ob ich für sein Blatt nach dem Schauplatz der Empörung gehen wolle, Berichte zu schreiben, und ich ergriff mit Freuden diese Gelegenheit, eine Gegend kennenzulernen, die ich sonst wohl nie zu sehen bekommen hätte. Jargas hatte kein Glück. Er wurde besiegt und erschossen, und ich ging, nachdem mein letzter Bericht abgesandt worden war, über die Sierra Madre zurück, um Guaymas zu erreichen. Dort hoffte ich eine Schiffsgelegenheit nach einem nördlicheren Ort des kalifornischen Golfes zu finden; denn ich wollte nach dem Rio Gila, wohin ich mich mit meinem Freund, dem Apatschenhäuptling Winnetou, verabredet hatte.

Leider ging meine Rückkehr nicht so schnell vonstatten, wie es in meinem Wunsch lag. Als ich mich noch in der einsamen Sierra befand, hatte ich das Unglück, dass mein Pferd stolperte und einen Vorderfuß brach. Ich musste es erschießen und den Weg dann unter die eigenen Füße nehmen. Tagelang sah ich keinen Menschen, am allerwenigsten einen, dem ich ein Pferd oder Maultier hätte abkaufen können. Vor einer Begegnung mit Bravosindianern hütete ich mich, weil dabei nur zu verlieren und nichts zu gewinnen war. Es war eine lange und anstrengende Wanderung, und so atmete ich froh auf, als ich endlich in den Trachytkessel niederstieg, worin das Hafenstädtchen Guaymas liegt.

Obgleich ich mich nun am ersehnten Ziel befand, war ich doch keineswegs entzückt über den Anblick, den die Stadt bot. Sie hatte damals kaum zweitausend Einwohner und bestand aus Häusern, die aus Luftziegeln erbaut waren und keine Fenster besaßen. Rings von hohen, kahlen Felsen eingefasst, lag der Ort wie eine ausgedörrte Leiche in erdrückender Sonnenglut da.

In der Umgebung traf ich keinen Menschen, und als ich mich zwischen den ersten Häusern befand, schien es, als wären sie ausgestorben. Freilich war der Eindruck, den ich auf oder in Guaymas machen musste, nicht besser als der, den die Stadt auf mich machte, denn ich hatte keineswegs das Aussehen eines Gentleman oder, wie man dort sagt, eines Caballero. Mein Anzug, für den ich vor meiner Abreise in San Francisco achtzig Dollar bezahlt hatte, war nach und nach in eine solche Zerfahrenheit geraten, dass verschiedene Gegenden meiner Person viel sichtbarer waren als der Stoff, dem ich ihre Bedeckung anvertraut hatte. Auch die Fußbekleidung war bei der vollständigen Erschöpfung ihrer Kräfte angelangt. Rechts hatte ich den ganzen Absatz verloren, links war mir der halbe geblieben, und wenn ich vorn die offenherzigen Spitzen betrachtete, so musste ich an aufgesperrte Entenschnäbel denken. Und nun gar der Hut! In glücklicheren Zeiten Sombrero, das heißt Schattenspender genannt, hatte er jetzt verräterischerweise auf diesen Ehrennamen restlos Verzicht geleistet. Die erst so breite Krempe war nach und nach immer abwesender geworden, und das, was mir nun als treues Überbleibsel auf dem Kopf saß, hatte die Form eines türkischen Fes und hätte sich vortrefflich zum Tintenseiher geeignet. Nur der lederne Gürtel, mein langjähriger Begleiter, hatte auch diesmal seine unerschütterliche Charakterfestigkeit bewiesen. Von Haartracht, Hautfarbe und anderen rein persönlichen Angelegenheiten zu sprechen, würde diejenige Achtung verletzten, die man seiner eigenen Person schuldig ist.

Während ich langsam die Straße entlangging und bald nach rechts, bald nach links sah, um ein menschliches Wesen zu entdecken, erblickte ich ein Gebäude, aus dessen niedrigem Dach zwei Stangen ragten, die ein hölzernes Firmenschild trugen. Es zeigte in einst weißen, nun verwitterten Buchstaben auf dunklem Grund die verlockenden Worte,Meson de...‘,das Übrige war nicht mehr zu lesen. Als ich den Rest der Schrift zu entziffern versuchte, hörte ich den Schritt eines Menschen. Ich drehte mich um und sah einen Mann, der an mir vorüber wollte. Ich grüßte höflich und fragte ihn, welches Gasthaus wohl das empfehlenswerteste dieser guten Stadt sei. Er deutete auf das Gebäude, vor dem ich stand.

„Gehen Sie nicht weiter,Señor! Dieses Hotel ist das feinste, das wir haben. Im Schild fehlt zwar jetzt das Wort Madrid, Ihnen aber wird nichts mangeln, wenn Sie sich dem Wirt, Don Geronimo, anvertrauen. Sie dürfen sich auf meine Empfehlung verlassen, denn ich bin der Escribano1 von Guaymas und kenne alle Leute. Vorausgesetzt wird natürlich, dass Sie bezahlen können.“

Er warf sich bei der Nennung seines wichtigen Amtes in die Brust und betrachtete mich dann mit einem Blick, der mir deutlich sagte, was er von mir dachte, nämlich, dass ich wahrscheinlich im Ortsgefängnis besser aufgehoben sei als im Hotel. Dann schritt er in würdevoller Haltung weiter.

Ich wandte mich im Vertrauen auf die Empfehlung einer solchen Berühmtheit nach der offenen Tür des Gasthauses. Da ich müde war und keine Lust hatte, mich der Glut der Mittagssonne auszusetzen, wäre ich auch ohnedies hier eingekehrt.

Das feinste Hotel der Stadt!Meson de Madrid!Gute Zimmer, saubere Betten, schmackhafte Speisen! Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich trat ein und befand mich sofort in–„sämtlichen Räumlichkeiten“. Das soll heißen, dass das Gasthaus nur aus diesem einen Raum bestand. Vorn trat man von der Straße her ein und gegenüber führte eine Tür zum Hof. Andere Öffnungen oder gar Fenster gab es nicht. Neben der Hintertür stand der rußgeschwärzte, steinerne Herd, sodass sich der Rauch dort pfiffigerweise gleich aus dem Staub machen konnte. Hartgeschlagener Lehm bildete den Boden. Einige eingerammte Pfähle mit daraufgenagelten Brettern stellten die Tafeln, Tische und Bänke dar. Stühle gab es nicht. An der Mauer schaukelten Hängematten, die als Gastbetten galten, aber auch sonst von jedermann nach Belieben benutzt werden konnten. An der anderen Wand, rechter Hand, stand der Schenktisch, der allem Anschein nach aus einigen alten Kisten zusammengezimmert worden war.

Daneben gab es wieder Hängematten, die den Buen retiro der Familie des Wirtes bildeten. In einer lagen schlafend drei Jungens, deren Arme und Beine so ineinander verwickelt waren, dass es eines sehr tiefen Studiums bedurft hätte, sagen zu können, welche Glieder zu jedem Körper gehörten. In der zweiten ruhte die Tochter des Wirtes,

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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