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Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Führung und Personal - Sonstiges, Note: 2,3, Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: Unsere Gesellschaft stellt an die Ware Arbeitskraft neue Herausforderungen, dem die alten industriesoziologischen Leitbilder nicht mehr gerecht werden. Individuelle Kundenanforderungen und -wünsche, wachstumsorientierte Shareholderansprüche, steigende Rohstoffpreise sowie ein zunehmender Konkurrenzdruck auf den Märkten stellen an Unternehmen und Beschäftigte wachsende Anforderungen. Durch den steigenden Kosten- und Konkurrenzdruck kommt es bei den Unternehmen immer wieder zu Reorganisationsmaßnahmen. Gleichzeitig durchlaufen die Beschäftigten seit Mitte der siebziger Jahre einen generellen Wertewandel, wodurch die Arbeitskräfte eine Individualisierung und Subjektivierung erfahren. Eine insgesamt zunehmende Liberalisierung der Märkte sowie liberalisierte Politikansätze bilden die Rahmenbedingungen für die Aufweichung der bis dahin festgeschriebenen Grenzen uns bekannter Erwerbsarbeit. Der eingesetzte Prozess findet sich in der Literatur unter Begriffserklärungen wie „Arbeitskraftunternehmer“, „Subjektivierung von Arbeit“ oder „Mitarbeiter-Unternehmer“. In diesen Konzepten und Beobachtungen wird eine Entwicklung beschrieben, in denen sich die Grenzen uns bekannter „Normalarbeit“ zu verschieben scheinen, was anhand verschiedener Bereiche festgemacht werden kann. An erster Stelle stehen die nationalen und europäischen Politikansätze, nach denen die Rahmenbedingungen des Marktes gestaltet werden. Zweitens entstehen durch die Internationalisierung des Marktes bzw. stärkeren Ausrichtung am Markt neue Kooperations- und Koordinationsbeziehungen. Drittens kommt es durch die unterschiedliche Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie zunehmender Frauenerwerbsarbeit zum Angebot und Nachfrage atypischer Beschäftigungsformen. Hierzu zählen geringfügige Beschäftigungen, befristete Tätigkeiten und Scheinselbständige. Infolgedessen kommt es viertens zu einer Flexibilisierung von Dauer, Lage und Verteilung von Arbeitszeit sowie fünftens zur Steigerung der räumlichen Mobilität. Letzteres geschieht zum Beispiel durch eine stärkere Kundenausrichtung, projektförmiges Arbeiten sowie Telearbeitsarbeitskonzepte, in denen die Beschäftigten einen Teil ihrer Arbeit von Zuhause aus erledigen. Insgesamt stellt die damit verbundene Leitidee der Selbstorganisation neue Herausforderungen, welche zu einer Neuausrichtung von Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit führen kann).
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Veröffentlichungsjahr: 2006
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Fachhochschule für Wirtschaft Berlin
Die fortschreitende Entgrenzung der Arbeitskraft Selbstorganisation in der Versicherungsbranche und Informationswirtschaft
Wissenschaftliche Diplomarbeit
Studiengang Wirtschaftswissenschaften (Abendform)
10. Fachsemester
Verfasser
Matag, Matthias
1. Auflage August 2006 2., überarbeitete Auflage
Eidesstattliche Erklärung
Die Arbeit wurde selbstständig und nur mit Hilfe der angegebenen Literatur erstellt. Die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde nach wissenschaftlichen Kriterien gefertigt.
Berlin, 13.11.2006
Matthias Matag
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Unsere Gesellschaft stellt an die Ware Arbeitskraft neue Herausforderungen, dem die alten industriesoziologischen Leitbilder nicht mehr gerecht werden. Individuelle Kun-denanforderungen und -wünsche, wachstumsorientierte Shareholderansprüche, steigende Rohstoffpreise sowie ein zunehmender Konkurrenzdruck auf den Märkten stellen an Unternehmen und Beschäftigte wachsende Anforderungen. Durch den steigenden Kosten- und Konkurrenzdruck kommt es bei den Unternehmen immer wieder zu Reorganisationsmaßnahmen. Gleichzeitig durchlaufen die Beschäftigten seit Mitte der siebziger Jahre einen generellen Wertewandel, wodurch die Arbeitskräfte eine Individualisierung und Subjektivierung erfahren. Eine insgesamt zunehmende Liberalisierung der Märkte sowie liberalisierte Politikansätze bilden die Rahmenbedingungen für die Aufweichung der bis dahin festgeschriebenen Grenzen uns bekannter Erwerbsarbeit (vgl. Voß 2001: 10).
Der eingesetzte Prozess findet sich in der Literatur unter Begriffserklärungen wie „Arbeitskraftunternehmer“ (vgl. Voß 2001), „Subjektivierung von Arbeit“ (vgl. Moldaschl/Sauer 2000) oder „Mitarbeiter-Unternehmer“ (vgl. Deutschmann et al. 1995: 445). In diesen Konzepten und Beobachtungen wird eine Entwicklung beschrieben, in denen sich die Grenzen uns bekannter „Normalarbeit“ zu verschieben scheinen, was anhand verschiedener Bereiche festgemacht werden kann. An erster Stelle stehen die nationalen und europäischen Politikansätze, nach denen die Rahmenbedingungen des Marktes gestaltet werden. Zweitens entstehen durch die Internationalisierung des Marktes bzw. stärkeren Ausrichtung am Markt neue Kooperations- und Koordinationsbeziehungen. Drittens kommt es durch die unterschiedliche Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie zunehmender Frauenerwerbsarbeit zum Angebot und Nachfrage atypischer Be-schäftigungsformen. Hierzu zählen geringfügige Beschäftigungen, befristete Tätigkeiten und Scheinselbständige. Infolgedessen kommt es viertens zu einer Flexibilisierung von Dauer, Lage und Verteilung von Arbeitszeit sowie fünftens zur Steigerung der räumlichen Mobilität. Letzteres geschieht zum Beispiel durch eine stärkere Kundenausrichtung, projektförmiges Arbeiten sowie Telearbeitsarbeitskonzepte, in denen die Beschäftigten einen Teil ihrer Arbeit von Zuhause aus erledigen. Insgesamt stellt die damit ver-bundene Leitidee der Selbstorganisation neue Herausforderungen, welche zu einer Neuausrichtung von Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit führen kann (vgl. Mayer-Ahuja/Wolf 2002: 197 f).
Die fortschreitende Entgrenzung der Arbeitskraft beschreibt jedoch nicht die Auflösung der Unternehmensorganisation, sondern die Neuausrichtung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverhältnisses. Insofern erhoffen sich die Arbeitgeber durch die Abgabe von Planung und Kontrolle an die Beschäftigten sowohl ein besseres Strategieverständnis als auch eine Erschließung bisher nicht erbrachter Arbeitspotenziale. Gleichzeitig finden wir in der Arbeitswelt immer mehr Hochqualifizierte und individuell ausgeprägte Arbeitskräfte, die sich mit rein ausführenden Tätigkeiten nicht mehr zufrieden geben. Zwar bringt das Konzept der Selbstorganisation mehr Freiheiten aber auch neue Gefahren, die sich in einer Vernachlässigung von Familie und Freizeit sowie individueller
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Überlastung bemerkbar machen können. Dagegen verlieren die Unternehmer einen Teil ihrer Kontrolle, welche sich nie sicher sein können, dass die Beschäftigten auch tatsächlich ihr Handeln im Interesse des Unternehmens gestalten. Es stellt sich somit die Frage, was die Beschäftigten und Arbeitgeber veranlasst, den Veränderungen der Erwerbsarbeit zu folgen.
Die Diplomarbeit wird sich mit der Frage befassen, inwieweit die Entgrenzung der Arbeitskraft das Interessenhandeln von Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärkt und wo es zu Diskrepanzen kommt. Zweitens wird auf das Problem eingegangen, woran sich die neuen Grenzziehungen des Erwerbslebens bestimmen lassen. Die Arbeit wird diese Fragen anhand der Versicherungsbranche und Informationswirtschaft analysieren, weil diese beiden Branchen einen wesentlichen Bestandteil unserer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft ausmachen. Dazu wird erstens auf die traditionelle Erwerbsarbeit eingegangen, welche zugleich die Referenzfolie zur fortschreitenden Entgrenzung der Arbeitskraft darstellt. Im dritten Kapitel werden die im Umbruch befindenden Branchen sowie deren Entwicklung genauer thematisiert, worauf dann auf die Erscheinungen selbstorganisierter Arbeit eingegangen werden kann. Im Anschluss kann man im fünften Kapitel die neuen Grenzziehungen anhand spezifischer Bereiche erläutern. Zum Schluss wird mit den heutigen und zukünftigen Auswirkungen und Veränderungen einer fortschreitenden Entgrenzung in den untersuchten Branchen abgeschlossen.
Bevor man sich aber mit den Wirkungen entgrenzter Erwerbsarbeit sowie dessen Motiven und Interessen seitens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer befassen kann, ist es wichtig zu klären, an welchen Faktoren sich die Übergänge alter traditioneller und neuer flexibilisierter Erwerbsformen feststellen lassen. Der traditionelle Arbeitnehmer ist durch den Fordismus oder Taylorismus des 20. Jahrhunderts bestimmt, dessen Grenzziehungen sich anscheinend verschieben bzw. gar auflösen. Voß beschreibt diesen Übergang von einem „verberuflichten Arbeitnehmer“ zu einem „verbetrieblichten Arbeitskraftunternehmer“, wodurch betriebliche Fremdkontrolle durch individuelle Selbstkontrolle abgelöst wird. So wird dem Arbeitnehmer die bereits zugeordnete Fähigkeit, sich selber zu disziplinieren und in den Betrieb zu integrieren, zu einer zentralen Anforderung zukünftiger Erwerbsarbeit (vgl. Voß 2001: 5 ff, Voß/Egbringhoff 2004: 4 f). Als erstes ist also die Frage zu klären, was versteht man unter fordistisch-tayloristischer Erwerbsarbeit und worin besteht der Unterschied zur heutigen Ware Arbeitskraft. Gibt es überhaupt einen?
Bei der heutigen wissenschaftlichen und politischen Diskussion, die sich mit den Veränderungen der Erwerbsarbeit befassen und durch ein neoliberales Denken geprägt sind, werden oft Verallgemeinerungen ökonomischer Natur in den Vordergrund gestellt, wobei politische Motive und Verteilungskämpfe vernachlässigt werden (vgl. Flecker 2000: 269). Andererseits sind die künftigen Entwicklungen nicht durch eine grundlegende Globalisierung der Märkte vorherbestimmt, sondern werden vielmehr durch gesellschaftliche Institutionen der Beschäftigungssysteme sowie der familiären Arbeitsteilung
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gebildet (vgl. Bosch 2000: 266). Zu den Ursachen organisatorischer Flexibilisierungsstrategien gehören somit nicht nur ökonomische Reorganisationsmaßnahmen, sondern auch die Wirkungen aus den Veränderungen des Geschlechtervertrags zwischen Mann und Frau sowie den entsprechenden nationalen Beschäftigungs- und Sicherungssysteme. Bei der Qualität der Reorganisationsentwicklung der Unternehmenswelt kann man von einer „ökonomischen Dezentralisierung“ sprechen, welche durch Dezentralisierung und Vermarktlichung der Unternehmensorganisation gekennzeichnet ist (vgl. Moldaschl/Sauer 2000: 207). Zweitens regulieren und intervenieren der Staat sowie staatliche Institutionen den Warencharakter der Arbeitskraft. Dies geschieht zum Beispiel durch Festlegung von Tarifverträgen, Besteuerung von Vollzeit- und Teilzeitarbeit, Kündigungsschutzfristen aber auch die Einrichtung von staatlichen Kindertagestätten oder die Absicherung durch das gesetzliche Krankenversicherungssystem (vgl. Flecker 2000: 273). Beim dritten Aspekt geht es um den Geschlechtervertrag zwischen Mann und Frau sowie die Neuausrichtung von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit. So kam es in den letzten Jahrzehnten zur Auflösung des traditionellen Geschlechtervertrags, wonach die Frau dem Mann durch die Bewirtschaftung und Pflege von Haus und Familie zugearbeitet hat, um diesen im Berufsleben zu entlasten (vgl. Flecker 2000: 280 ff).
Der heutige Entgrenzungsansatz ruht auf der Umwälzung tayloristischer Arbeitsstrukturen. Frederik Winslow Taylor (1856-1915) gilt als Pionier der „wissenschaftlichen Betriebsführung“. Aus heutiger Sicht war die damalige Betriebspraxis nicht effizient, weil eine mangelhafte Planung der Abläufe und ein ungenügender Unterhalt der Betriebsmittel zu großen Zeitverlusten führten. Taylor systematisierte und normierte die Abläufe sowie die dazugehörigen betrieblichen Hilfsmittel. Dadurch gelang es, die Effizienz der menschlichen Arbeitsabläufe und die Leistungsfähigkeit der Maschinen zu verbessern. Die damaligen traditionellen „Faustregeln“ der Facharbeiter waren von einem möglichen Produktivitätsoptimum noch sehr weit entfernt, da unter anderem ein „systematisches Bummeln“ zur Tagesordnung gehörte (vgl. Hebeisen 1999: 21, 130). So galt es schon damals als Herausforderung, dass ungenützte Arbeitspotenzial der Beschäftigten durch Kommunikation und Motivation nutzbar zu machen. Dies war allerdings alles andere als leicht, da die damaligen Widerstände bei den Arbeitern von beachtlicher Tragweite waren. Die Systematisierung und Normierung zählt bis heute zur anhaltenden Kritik an der tayloristischen Arbeitsweise, was aber nicht zuletzt auf die außerordentliche Beharrlichkeit Taylors sowie der fehlenden Kommunikationsbereitschaft in den Betrieben zurückzuführen ist. Es kam sogar so weit, dass Taylor 1912 dem Repräsentantenhaus der USA in einem fünftägigen Sonderausschuss Rede und Antwort stehen musste (vgl. Hebeisen 1999: 7). Die heutige Entgrenzung der Arbeitskraft ist folglich die Anknüpfung an die Kritik des Taylorismus, die sich an den konstitutiven Grenzziehungen sowie der Standardisierung und Normierung festmachen lässt. Die Flexibilisierung und Selbstorganisation kann somit als eine Forderung nach stärker wirkenden individuellen Bedürfnissen, individuell geregelten Arbeitszeiten und einer subjektiv erfül-
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lenden beruflichen Tätigkeit definiert werden (vgl. Kratzer 2003: 41). Darüber hinaus spielt speziell das wachsende schulische und berufliche Bildungsniveau eine herausragende Rolle, welches die Verbreitung posttayloristischer Arbeitsformen begünstigt (vgl. Bosch 2000: 265).
Verberuflichter Arbeitnehmer in einem Normalarbeitsverhältnis:
Verwissenschaftliche,strukturelle Kontrolle durch den Arbeitgeber Strukturellehierarchisch geprägte Kooperations- und Koordinationsbeziehungen StandardisierteQualifikationen und Ausbildungen Pflegetraditioneller Arbeitstugenden StrikteTrennung zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit
Verbetrieblichter Arbeitskraftunternehmer in einem entgrenzten Arbeitsverhältnis: Festlegungder Rahmenbedingungen durch den Arbeitgeber Selbstkontrolleder Arbeit durch den Arbeitnehmer HierarchieübergreifendeKooperations- und Koordinationsbeziehungen IndividuelleQualifikationen und permanentes Lernen Vermarktungvon Leistung und Qualifikation Vermischungund Neuausrichtung von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit
Der schärfste Kritikpunkt am Taylorismus ist die Trennung von Kopf- und Handarbeit. Die Kritiker werfen Taylor vor, dass durch die extreme Arbeitsteilung die Arbeiter größtenteils gezwungen waren, wiederholende Tätigkeiten zu verrichten, wodurch man praktisch zum Nichtdenken umerzogen wurde. Durch die Aneignung des Wissens aus den Werkstätten und dessen Sammlung und Konzentration in den Planungsbüros der Betriebe würden die Arbeiter mit einer beherrschenden Arbeitsorganisation konfrontiert, in der Eigeninitiative nicht mehr gefragt sei (vgl. Bosch 2000: 249, Hebeisen 1999: 122, 126). Jedoch war es nicht die „wissenschaftliche Betriebsführung“, die den Arbeitern das Denken verweigerte, sondern das Problem lag vielmehr in einem rückständigen Menschenbild der Betriebsleitung. Nach Taylor war es ausdrücklich erwünscht, dass die Arbeiter ermuntert wurden, Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsabläufe vorzuschlagen. Die Betriebsleitung sollte jede vorgeschlagene Verbesserung sorgfältig prüfen und den relativen Vorteil des neuen Vorschlags gegenüber der alten Norm auswerten. Diese Auswertung sollte nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern anhand praktischer Zeitstudien erprobt werden (vgl. Hebeisen 1999: 122 ff). Somit lässt sich festhalten, dass zwischen dem damaligen Taylorismus und dem heutigen Entgrenzungsansatz der Unterschied in der Teilung der Arbeitsorganisation ruht. Diese unterteilt sich in Planung, Ausführung und Kontrolle der Arbeit (vgl. Hebeisen 1999: 166). Die Planung sowie auch größtenteils die Kontrolle der Arbeit wurden durch die Betriebsleitung bestimmt. Verbesserungsvorschläge waren zwar ausdrücklich erwünscht, wurden aber ohne deren Zustimmung nicht auf alle Mitarbeiter umgesetzt und entsprechend gewürdigt. Heute ist zum Teil die Kontrolle und Planung Angelegenheit der Beschäftigten. Sie mündet in einer Selbstkontrolle der eigenen Arbeitskraft,
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welche sich praktisch selber taylorisieren sollen, um die anstehenden Aufgaben sorgsam zu verrichten. Infolgedessen beschränkt sich die Leitung auf die Festlegung von Rahmenbedingungen, grundlegende Marktstrategien sowie dem Prozess der Zielvereinbarung und -erreichung.
In den Planungsbüros wurde damals das Wissen systematisch organisiert, damit die Meister und Vorarbeiter die Möglichkeit erhielten, die Arbeiter zu lehren, voraus zu denken und mit erprobten Arbeitsabläufen anzuleiten und auszubilden (vgl. Hebeisen 1999: 126). Die Worte „voraus zu denken“ und „anzuleiten“ lassen den Schluss zu, es handle sich bei den Arbeitern um reine Befehlsempfänger anstatt um kooperative Mitarbeiter. Allerdings wären Produktivitätssteigerungen in den Betrieben, ohne Verbesse-rungsvorschläge der Mitarbeiter nie möglich gewesen. Diesbezüglich sollte sich also die Unternehmensleitung mit der Belegschaft gemeinsam um das höchstmögliche Wohlergehen bemühen, welches sie zu Partnern macht (vgl. Hebeisen 1999: 154, 174). Die von Taylor propagierte „wissenschaftliche Betriebsführung“ war somit ein auf Hierarchien basierendes als auch auf kooperativen Beziehungen funktionierendes System. Heutzutage geht man dazu über, die Funktionen der Planungsbüros in hierarchieübergreifende Projektgruppen sowie kooperative Teamarbeit zu implementieren. Taylor selbst hatte vermutlich noch keine Vorstellung darüber, inwiefern Teamarbeit zwischen Experten und Gruppen von Beschäftigten funktionieren könne. Die Teamarbeit hat zum Beispiel den großen Vorteil, die Erarbeitung und Anwendung von Wissen zu stärken und zu fördern (vgl. Hebeisen 1999: 158).
Im Zuge dessen werden an die Beschäftigten auch erweiterte Anforderungen gestellt, die nicht automatisch mit einer beruflichen Ausbildung erworben werden. Die durch die tayloristische Arbeitsweise vermittelten standardisierten Qualifikationen und traditionellen Arbeitstugenden gehen in einen Prozess individuellen Lernens und Weiterbildungsmaßnahmen über (vgl. Voß 2001: 6 f). Zusätzlich rücken soziale und emotionale Kompetenzen in den Vordergrund, welche durch Assessmentcenter sowie Personalführung erkannt und gefördert werden sollen. Dazu zählt auch, individuelle Qualifikationen stärker und aktiver im Unternehmen zu vermarkten, um sich besser gegen interne und externe Konkurrenz zu behaupten. Zusätzlich kommt es durch neuere Arbeitsformen, wie zum Beispiel der Telearbeit, zu Anforderungen, die nicht mehr den hierarchiegeprägten Karriereambitionen zugeordnet werden können. Folglich treten die horizontalen Unternehmensstrukturen gegenüber vertikalen in den Vordergrund. Dagegen war damals noch das vorrangige Ziel, den ungelernten Hilfsarbeitern Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten und sie entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft einzusetzen. Jeder Mann sollte nach den Vorstellungen Taylors solange geschult werden, bis die persönlich höchste Stufe der Effizienz erreicht war. Dazu gehörte auch die Ausbildung zu einer höher qualifizierten Arbeit. Somit konnte theoretisch jeder Mann vom ungelernten Hilfsarbeiter zum Vorarbeiter in der Unternehmenshierarchie aufsteigen (vgl. Hebeisen 1999: 127 f). Insofern fördern verbesserte Qualifikationen, Verbreitung eines höheren Bildungsniveaus und eine breitere Verfügbarkeit von Wissen posttayloristische Arbeits-formen (vgl. Bosch 2000: 265).
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