Die geerbte Leiche - Gabriela Hofer - E-Book

Die geerbte Leiche E-Book

Gabriela Hofer

0,0

Beschreibung

Felicitas ist sehr beschäftigt mit ihrem Job als Tierärztin. Ihre Arbeit läuft gut, ihr Liebesleben nicht. Als ihre Hunde eine Leiche aufspüren, wird sie schon wieder in einen Mordfall hineingezogen. Dieses Mal erhält sie Unterstützung von ihrer Grossmutter und deren Kakadu. Felicitas und ihre Freunde müssen sich erneut unter Beweis stellen - stets mit der Hilfe ihrer tierischen Gefährten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die geerbte Leiche

ImpressumRosemund DooleyNicht schon wiederErmittlungenNeue Freunde für RosemundEin Toter mehrDie Frauen mischen mitEifersuchtFelicitas ErkenntnisRosemunds EinsatzGefahrRettung oder nichtDie nächsten Tage

Impressum

Copyright: © 2017 Gabriela Hofer

Herstellung und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www. epubli.de

Printed in Germany

Rosemund Dooley

Petra Walcher zog fröstelnd die Strickjacke fester um ihren Körper. Es war empfindlich kühl - na ja - April eben. Der macht bekanntlich, was er will. Vor zwei Tagen strahlte die Sonne vom Himmel, und nun dieses trübe nasskalte Wetter. Der Bahnhofskiosk bot leider nicht genügend Schutz. Petras Blick wanderte gedankenverloren zum Gleis rüber. Gerade war die S26 nach Bauma eingefahren. Diese Situation holte sie aus ihren Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Schnell ordnete sie die letzten noch herumliegenden Zeitschriften ein. Bereit für die Kundschaft. Es kam allerdings nur einer: Ein junger Mann. Er kaufte ein Sportheft, bedankte sich und ging. Petra seufzte. Noch einmal glitt ihr Blick zum Perron und überrascht von dem, was sie dort sah, blieb ihr der Mund offen. Auf dem sonst verlassenen Perron stand die seltsamste Person, die Petra je gesehen hatte. Petra blinzelte, schloss die Augen, dachte, sie hätte dies nur geträumt. Doch nein: Die alte Frau dort war real. Sie hätte besser ins letzte Jahrhundert gepasst.  Sie sah aus wie eine süsse kleine rundliche Oma um 1900.  Der lange, bis auf den Boden reichende braune Rock war aus gutem, festem Stoff. Die weisse gestärkte und mit Rüschen verzierte Bluse war fleckenlos. Eine wunderschöne Kamee-Brosche zierte das oberste Knopfloch. Um die Schultern trug sie ein langes gehäkeltes Dreiecktuch. Ihre Haare strahlten mit der weissen Bluse um die Wette. Sie waren zu einem festen Knoten zusammengefasst. Den Abschluss bildete ein mit falschen Früchten geschmückter Strohhut. Er sass keck auf dieser Haarpracht. Nun griff die Oma mit einer energischen Geste nach dem Koffer an ihrer Seite. Auch der schien schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben. Mit der anderen Hand griff sie nach einem Transportkäfig. Der war allerdings neueren Datums. Was darin war, konnte Petra nicht sehen, denn die Öffnung zeigte zur Seite des Perrons. Petra tippte auf Katze oder Hund. Ups: Nun kam die Frau doch tatsächlich zu ihr an den Kiosk. Mit ihren festen altmodischen Schuhen trippelte sie mit kleinen Schritten heran. Petra lächelte sie an: "Hallo, was hätten sie gerne?"  Die alte Dame lächelte zurück. Ja, eine Dame schien sie wirklich zu sein, denn ihre Stimme war leise, sehr artikuliert und ausgesprochen liebenswert: "Guten Tag. Ich suche die Tierarztpraxis von Dr. Felicitas Moser. Können Sie mir da eine Auskunft geben?" Die Stimme der alten Frau hatte einen leichten Akzent. Englisch vermutete Petra. Ihr Blick fiel auf den Transportkäfig, als sie erwiderte: „Felicitas Moser? Ja, sicher kann ich Ihnen da helfen. Ich hoffe, dem Patienten geht es nicht allzu schlecht?" Ein amüsiertes Glitzern erschien in den grünen Augen hinter der Nickelbrille, als die Frau antwortete: „Ach nein, Poppey ist nicht krank. Das war er noch nie."  Petra runzelte leicht irritiert die Stirn. An wen erinnerten sie diese Augen nur, und was war das für ein komischer Name für einen Hund oder eine Katze? Nun: Das war nicht ihr Problem. Und so informierte sie die Frau über den Weg zur Klinik. Diese bedankte sich sehr höflich, kaufte noch schnell einen Mars-Schokoriegel, nahm den Koffer und den Transportkäfig und trippelte in die angezeigte Richtung davon. Dieses Mal zeigte die Öffnung des Käfigs zu Petra hin. Diese lachte auf. Deshalb der Name Poppey! Kein Hund, auch keine Katze sass in der Transportbox. Nein: Ein wunderschöner Gelbhaubenkakadu war es.

Hanna Peter, der gute Geist am Empfang der Tierarztklinik von Felicitas Moser, band soeben ihre langen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Die Eingangstüre öffnete sich. Hanna blickte hoch. Sie erwartete den nächsten Patienten: Ein Meerschweinchen, das zum Abschleifen der Vorderzähne kam. Doch nun erging es ihr wie ihrer Freundin Petra. Es blieb ihr buchstäblich der Mund offenstehen. Auch sie hatte keinen Blick in den Transportkäfig, erinnerte sich aber an ihre Professionalität und fragte, die alte Frau anlächelnd: "Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen? Handelt es sich um einen Notfall?" Die unbekannte Frau stellte ihre Utensilien ab. Sie hatte Mühe, über den hohen Tresen zu sehen: "Guten Tag. Ich habe keinen Notfall. Ich suche Felicitas Moser." Ihr Schweizerdeutsch klang irgendwie drollig. Aus dem Transportkäfig krächzte es plötzlich: "Poppey kein Notfall! Schöner Poppey!" "Ja, ja, du bist kein Notfall. Aber darum geht es jetzt nicht, Poppey." sagte die alte Frau beruhigend. Hanna kam schnell hinter dem Tresen hervor, so dass sie in den Käfig sehen konnte. Begeistert klatschte sie in die Hände: "Ach, ein Gelbhaubenkakadu!" Der Vogel trippelte hin und her, legte den Kopf schief. Dann säuselte er: "Ich Kakadu."  Er stiess einen Pfiff aus: "Hübsches Mädchen". Hanna lachte lauthals heraus. Zu der Frau sagte sie: "Er ist sehr sprachbegabt!" Die Oma bestätigte: "Das ist er wirklich. Er beherrscht über 200 Wörter." Hanna war sehr beeindruckt: "Das ist wirklich selten. Doch zurück zu ihrem Anliegen. Wen soll ich denn Felicitas melden?"  Die alte Frau antwortete: "Mein Name ist Rosemund Dooley." Ein seltsamer Name, dachte Hanna. Laut sagte sie: "Setzen Sie sich doch in den Warteraum. Ich werde Sie gleich melden. Es kann allerdings noch etwas dauern, bis sie Zeit für Sie hat. Wir erwarten gleich den nächsten Patienten." Rosemund Dooley nickte freundlich, nahm ihre sieben Sachen und setzte sich auf einen der leeren Stühle beim Warteraum. Bevor Hanna auch nur einen Schritt Richtung Behandlungszimmer machen konnte, ging die Eingangstüre erneut auf. Dieses mal war es das erwartete Meerschweinchen. Auch Frau Tischler, die Besitzerin dieses Tierchens, musste sich noch gedulden und nahm ebenfalls im Warteraum Platz. In diesem Moment öffnete sich die Türe zum Behandlungszimmer. Heraus trat Felicitas Moser, unterdessen in ganz Rikon bekannt. Schon zwei Mordfälle wurden dank ihrer Hilfe aufgeklärt. Felicitas war eine eher kleine Frau mit karottenroten, schulterlangen Locken und grünen grossen Augen. Ihre Rundungen lagen an den richtigen Stellen. Gerade gab sie einer älteren Frau die Hand: "Keine Angst, Frau Müller, Jack kommt schon wieder auf die Beine. Wir sehen uns in einer Woche wieder.“ Während sie dem Zwergpinscher über den Kopf strich, sagte sie zu Hanna: "Würdest du bitte mit Frau Müller in etwa einer Woche einen Termin abmachen? Danke, Hanna." Hanna bat Frau Müller, schonmal an den Tresen vorzugehen. Dann flüsterte sie Felicitas zu: "Da drüben sitzt eine alte Frau, eine Rosemund Dooley. Sie sucht dich." Besorgt sah sie Felicitas an. Diese hatte ein wenig abgenommen und man sah deutlich dunkle Ringe unter ihren intensiven grün leuchtenden Augen. Hoffentlich machte diese Frau Feli keinen Ärger. Sie hatte im Moment genug davon, dank diesem unmöglichen Marius Rötlin. Innerlich kochte Hanna immer noch vor Wut, wenn sie an ihn dachte. So ein Filou! Der letzte Fall hatte so schön für die beiden geendet. Endlich waren sie ein Paar. Doch Treue schien für diesen Kerl ein Fremdwort zu sein. Da hatte es Jessica mit Roland besser. Hanna war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie völlig von Felicitas Reaktion überrumpelt wurde. Diese hatte einen Freudenschrei ausgestossen, war zu der alten Dame gestürzt und umarmte diese nun überschwänglich, wobei sie voller Freude in der Stimme rief: "Omi! Was in aller Welt machst du denn hier?! Ich dachte, du bist in Schottland!" Felicitas Grossmutter erwiderte die herzliche Umarmung: "Ach mein Liebes, wie habe ich dich vermisst! Ich bleibe jetzt hier." Die Begrüssung wurde durch ein leises Räuspern unterbrochen. Hanna stand hinter Felicitas und deutete mit dem Daumen auf die noch immer auf dem Stuhl sitzende Frau Tischler. Mit vor Verlegenheit rotem Kopf sagte Felicitas entschuldigend zu ihr: "Oh Frau Tischler, bitte entschuldigen sie. Ich habe meine Grossmutter seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Frau Peter führt Sie gleich ins Behandlungszimmer, und ich komme sofort." Verständnisvoll lächelnd erhob sich Frau Tischler und begab sich in Begleitung von Hanna ins Behandlungszimmer. Felicitas zog ihre Oma vom Stuhl hoch, klaubte ihren Hausschlüssel aus der Hosentasche und drückte ihn ihr in die runzlige Hand: "Wie du siehst, Omi, habe ich vor dem Mittag noch eine Kundin. Meine Wohnung ist gleich neben der Praxis. Warte dort doch auf mich. Es wird nicht mehr lange dauern. Ich koche uns dann etwas Feines." Als sie einen Schritt zur Seite trat, stolperte sie beinahe über die Transportbox von Poppey: "Hoppla! Wen haben wir denn da. Du bist aber ein hübscher Kerl. Seit wann hast du ihn?"  "Man sieht, du verstehst etwas von Tieren und hast gleich erkannt, dass es ein Er ist. Sein Name ist Poppey. Er ist mir zugeflogen, vor etwa 3 Jahren. Jetzt geh aber zu deinem oder deiner Patientin. Ich erzähl dir später mehr."  "Du hast recht, Omi, wie immer. Ich freu mich riesig, dass du hier bist." Sie gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand im Behandlungszimmer, wo Hanna die Stellung hielt.

Eine Stunde später sassen Felicitas und ihre Grossmutter am Esstisch bei Felicitas zu Hause. Poppey thronte, sich völlig frei bewegend, auf der Stuhllehne neben Rosemund. Seine gelbe Haube war aufgestellt. Mit schräg geneigtem Kopf schaute er auf den missgestimmten Romeo, den Hund.  Dieser dachte: "Was ist denn das für ein lautes etwas? Führt sich hier auf, als wäre es sein zu Hause. Vielleicht sollte ich ihn beissen? Der alte Mensch hier hingegen ist sehr nett. Es ist die Omi von meinem Frauchen. Also muss sie ja lieb sein."  Das war wohl eher eine rein hündische Überlegung. Nun krächzte doch dieser Vogel auch noch: "Komischer Hund, hässlich, ha, ha!" Empört stand Romeo auf, drehte dem Kakadu sein breites Hinterteil zu und stolzierte beleidigt von dannen. Felicitas lachte laut auf: "Hoppla, jetzt hat Poppey Romeo aber sehr beleidigt. Es passt so schön, wie er davonstolziert ist. Als ob er ihn verstanden hätte." Rosemund Dooleys Stimme klang leicht belustigt, als sie verschmitzt meinte: "Vielleicht hat er das ja auch? Wenn ich daran denke, dass ich nie gedacht hätte, dass ein Vogel so intelligent sein kann, würde es mich nicht wundern, wenn Hunde ebenfalls mehr verstehen, als wir annehmen." Und zu Poppey gewandt: "Das war nicht sehr höflich von dir, Poppey. Du bist hier Gast, also benimm dich." Poppey reagierte mit einem Heben der Flügel. Dann versteckte er kurz seinen Kopf darunter. Schliesslich begann er, sich ausgiebig zu putzen. Rosemund lächelte amüsiert, streichelte ihm kurz über den Kopf, wandte sich dann aber ernst an die perplexe Felicitas. Sie legte ihre Hand sanft auf die linke von Felicitas. Sie sagte ruhig: "So, nun genug von den Tieren. Ich sehe, du bist hier in Rikon beliebt, führst deine Praxis vorbildlich, und deine Tochter Melissa entwickelt sich auch zu einer tollen jungen Dame. Warum um alles in der Welt siehst du dann so übernächtigt aus? Du hast sehr starke Augenringe und bist extrem blass. Schläfst du nicht gut?" Bei den Worten ihrer Grossmutter zuckte Feli zusammen. Sie wollte nicht schon wieder an Marius denken. Leider kannte sie Rosemund zu gut und wusste, dass sie um eine Antwort nicht herumkam. So sagte sie zögernd: "Ja weisst du Omi, es gibt da einen Mann…" Sie schwieg kurz. Ihre Grossmutter zog die Augenbrauen hoch, neigte sich nach vorn und ein erfreutes "Oh!" erklang. Ein trauriger Ausdruck erschien in Felicitas Augen: "Freu dich lieber nicht zu früh. Marius Rötlin ist Ermittler bei der Kantonspolizei. Wir haben uns unter etwas - nun sagen wir mal - seltsamen Bedingungen kennengelernt. Das war, als ich die erste Tote fand." Nun setzte sich Rosemund steif auf ihrem Stuhl auf: "Wie bitte?! Davon hast du mir nie geschrieben! Erzähl mir alles!" Was Felicitas auch tat. Sie erzählte vom Finden der Leiche, den peinlichen Begegnungen mit den Fahndern, dass sie mit diesem Marius einfach nicht zurechtkam und sie schliesslich - nach Aufklärung des zweiten Falles - ein Paar wurden. Nachdem Felicitas geendet hatte, war es einen Moment sehr still. Ihre Grossmutter schien das Gehörte zuerst einmal verdauen zu müssen. Schliesslich fragte sie leise: "So seid ihr noch nicht lange zusammen, nicht wahr?  Was hat dieser tolle Typ denn getan, dass du ihn zum Teufel geschickt hast?" Mit einem bitteren Klang in der Stimme antwortete Felicitas: "Na was wohl. Das Übliche. Er konnte die Finger nicht von einer Kollegin lassen. Ich wollte ihn im Revier besuchen und traf ihn in den Armen dieses Vampirs an. Sie klebte buchstäblich an seinen Lippen. Widerlich!"  "Oje", entfuhr es der Grossmutter. Sie zog ein betrübtes Gesicht, als sie fragte: "Was hat er zu seiner Entschuldigung hervorgebracht?" Felicitas zuckte mit den Schultern: "Oh, eine sehr originelle Entschuldigung. Er behauptete, sie habe sich an ihn herangemacht und sie habe ihn geküsst, nicht umgekehrt. Er sei so verblüfft gewesen, dass er zuerst nicht reagiert habe. So ein Blödsinn! Für wie blöde hält er mich eigentlich?" Nun klang ihre Stimme wütend. Ihr bekanntes Temperament kam wieder hoch. Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Dann sagte sie entschieden: "So und nun genug von diesem Widerling. Es ist vorbei. Du hast mir noch nicht mitgeteilt, weshalb du dein geliebtes Schottland verlassen hast, Liebes." Rosemund traten Tränen in die Augen. Der Tod ihrer besten Freundin Hilde war noch zu frisch. Seufzend berichtete sie: "Vor zwei Monaten ist Hilde gestorben. Sie hatte Krebs." Felicitas sprang auf und umarmte ihre Grossmutter. Voller Mitleid sagte sie: "Ach Omi: Das ist ja schrecklich!" Sie drückte Rosemund noch einmal ganz fest, setzte sich aber dann sofort wieder hin. Rosemund erzählte weiter: "Sie fehlt mir so sehr. Seit dein Grossvater vor acht Jahren starb und Hilde mich mit nach Schottland nahm, waren wir nie mehr getrennt. Es machte so viel Spass, mit ihr durch dieses wundervolle Land zu reisen. Unser Cottage habe ich jetzt verkauft. Ich hätte dort nicht mehr wohnen können. Ausserdem hat Hilde mir ihr Haus hier in Rikon vererbt. Sie hatte keine Nachkommen. Darum bin ich hier. Ich will meinen Lebensabend bei meinen Liebsten verbringen. Hildes Tod hat mir gezeigt, wie schnell der Tod zuschlagen kann. Sie hat mir auch ihr ganzes Vermögen vermacht. Eine beträchtliche Summe. Davon kann ich meinen Lebensabend in aller Ruhe geniessen, zusammen mit dir und Melissa." Gerührt strich Feli ihr über die Hand. Ihre Stimme zitterte vor Freude, als sie sagte: "Ich freu mich ja so! Du bleibst für immer hier. Wo befindet sich denn dieses Haus?" Die Grossmutter griff nach ihrer Handtasche, öffnete sie, nahm eine Karte vom Tösstal heraus und zeigte auf einen mit Kugelschreiber eingezeichneten Kreis. Felicitas wusste, wo dieses Haus war: "Das ist nicht weit von hier, gleich beim Fussballplatz. Morgen habe ich meine Praxis geschlossen, da ich Jessica in ein Brautgeschäft begleite. Sie heiratet im August den Partner von Marius, Roland Pfeiffer. Er ist ein sehr lieber Kerl. Die beiden passen hervorragend zusammen. Wer Jessica ist, weisst du ja jetzt. Am Nachmittag können wir dieses Haus ansehen. Es steht seit etwa einem Monat leer. Ich nehme an, das hat noch deine Freundin veranlasst. Du schläfst selbstverständlich in Melissas Bett. Sie kommt erst in zwei Wochen zurück. Ihre Klasse hat bei einem Wettbewerb gewonnen und kann nun zwei Wochen in einem Hotel in der Lenzerheide verbringen." Mit Freuden stimmte die Grossmutter zu. Nach einem Kaffee und Kuchen ging sie schlafen. Poppey flog ihr auf die Schulter und beide verschwanden in Melissas Zimmer. Felicitas drehte mit Romeo noch eine letzte kleine Runde. Danach ging auch sie zu Bett.

Nicht schon wieder

Am nächsten Morgen - die beiden Frauen hatten soeben das Frühstücksgeschirr abgespült - klingelte es an der Türe. Felicitas hängte schnell das Abtrocknungstuch an den Haken und eilte zur Türe. Dabei rief sie über die Schulter: "Das wird Jessica mit Moon sein. Wie abgemacht, setze Poppey auf den Balken dort. Denn Moon liebt es, zu jagen. Sie ist ein Rattler und muss sich erst an Poppey gewöhnen."  Felicitas öffnete die Haustüre und Jessica trat lachend ein. Sie hatte meistens gute Laune, immerhin lebte sie jetzt ein wunderbares und erfülltes Leben. Von einem heruntergekommenen, mit dem Gesetz in Konflikt geratenen und von den Eltern im Stich gelassenen Teenager war eine zufriedene und starke Frau geworden. Dies hatte sie alleine Felicitas zu verdanken. Sie hatte Jessica gewissermassen adoptiert. Jessica durfte bei ihr die Lehre als Tierarztgehilfin absolvieren, welche sie Ende dieses Jahres abschliessen würde. Ausserdem hatte sie ihre grosse Liebe kennengelernt. Deswegen war sie nun hier. Zusammen mit Felicitas wollte sie heute ihr Hochzeitskleid kaufen gehen. Moon weilte bei Jessica, da Maria und ihr Mann die Gelegenheit genutzt hatten - Daniela war in der gleichen Klasse wie Melissa - eine Auszeit zu nehmen. Jessica fiel Felicitas fröhlich um den Hals und rief dabei: "Oh Feli, ich bin ja sooo aufgeregt! Bist du bereit?" Felicitas entwand sich dem klammernden Griff, schloss die Türe und meinte lächelnd: "Ja, ich bin bereit. Doch muss ich dir noch jemanden vorstellen." Sie führte die etwas verdutzte Freundin in die Küche und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Auch Jessica klappte der Mund auf, als sie die seltsam gekleidete Gestalt am Küchentresen stehen sah. Felicitas zeigte mit einer Geste auf ihre Grossmutter: "Dies Jessi, ist Mrs. Rosemund Dooley, meine Grossmutter. Sie ist für immer aus Schottland zurückgekehrt." Rosemund gefiel, was sie sah. Vor ihr stand eine schöne junge Frau ohne jegliche Allüren, ohne eingebildet zu wirken. Ausserdem schien sie Feli sehr gut zu kennen, denn sie hatte ihre Verblüfftheit sehr schnell überwunden. Na ja, sie hatte schliesslich auch schon sehr viel mit Feli erlebt. Jessica trat nun zu Rosemund hin und streckte ihr die Hand entgegen: "Das ist ja toll! Es ist schön, Sie kennenzulernen, Frau Dooley."  "Vollendete Manieren", dachte die Grossmutter. Laut antwortete sie: "Sie sind ganz bezaubernd, Frau Tobler. Nennen Sie mich doch Rosemund, bitte." Erfreut über dieses Angebot strahlte Jessica sie an: "Sehr gerne! Hoppla," irgendetwas hatte sie an den Haaren gezogen. Als sie nach oben schaute, sahen wundervolle blaue Augen in runde, beinahe schwarze Augen. Wieder zeigte Jessica Rosemund, dass diese sich nicht in ihrer Einschätzung geirrt hatte. Jessica zuckte nicht zurück oder schrie. Nein, ihre Stimme klang fröhlich, als sie zu Poppey sagte: "Na wer bist denn du?"  Der Gelbhaubenkakadu gab die Antwort gleich selbst: "Poppey, guter Junge!"Dann tat er etwas, das er sehr selten tat. Er hüpfte vom Balken auf Jessicas Schulter herunter und fing an, an ihren blonden Haaren zu knabbern. Rosemund wollte ihn runternehmen und erklärte Jessica dabei: "Er hat sich bereits selbst vorgestellt. Manchmal ist er etwas frech."Jessica trat einen Schritt zurück: "Ach nein, Rosemund, lass ihn mir noch ein Weilchen. Er ist so drollig. Darf ich ihn streicheln?"   "Aber natürlich." Felicitas Stimme erklang von hinten: "Vorsicht! Moons Ausdruck gefällt mir nicht." Und wirklich: Die Pinscher-Hündin schien zum Sprung bereit. Ihrer Meinung nach waren Vögel zum Jagen da. Punkt. Aus.Nur der Umstand, dass dieses Federvieh bei einem ihrer Frauchen auf der Schulter sass, liess sie noch zögern, dieses freche Ding anzugreifen. Und dann knabberte dieses Vogeltier doch tatsächlich auch noch an Jessicas Haaren! Also dies ging eindeutig zu weit. Sie spannte ihre Muskeln an und - es geschah gar nichts. In diesem Moment trat die kleine seltsame Frau zwischen sie und ihr Opfer der Begierde, bückte sich und strich ihr schmeichelnd über den Kopf. Dabei sagte sie mit eigenartig beschwörender Stimme: "Na, na, meine Schöne. Du wirst dich doch nicht an so einem kleinen Gegner vergreifen? Das ist einer so bezaubernden Dame wirklich nicht würdig." Moon war natürlich so schmeichelnden Worten nicht abwegig. Sie entspannte sich und liess sich auf ihr Hinterteil fallen. Verblüfft sagte Feli: "Na sowas. Wie hast du das denn hingekriegt?"  Rosemund erhob sich etwas mühsam. Ihre Rückenmuskeln hatten doch sehr gelitten im Alter. "Moon ist eine sehr intelligente Hündin. Sie hat mich schon verstanden. Nehmt ihr Romeo und Moon mit, wenn ihr jetzt das Brautkleid aussuchen geht? Ich freue mich so für dich, Jessica. Hoffentlich findet Felicitas auch bald den Mann fürs Leben!" Einen Moment herrschte peinliche Stille. Jessica wusste nicht, dass Felicitas von Marius erzählt hatte. Deshalb überging sie den Einwand von Felicitas Omi: "Das hoffe ich auch - nein ich weiss es!"Feli warf ihr einen missbilligenden Blick zu. Dann sagte sie zur Grossmutter: "Irgendwann werde ich das wohl. Und ja, wir nehmen die beiden gleich mit. Wäre es wärmer, hätten wir sie hiergelassen und erst mitgenommen, wenn wir dich abholen kommen." Zu Jessica gewandt fügte sie klärend hinzu: "Ich habe Omi versprochen, mit ihr nach unserem Einkauf das geerbte Haus anzusehen." Jessica setzte Poppey wieder auf den Balken. "Das wird sicher interessant. Darf ich ebenfalls mitkommen?" Rosemund stimmte lächelnd zu: "Sehr gerne, liebes Kind. Dort werden wir wohl nicht auf eine Leiche stossen, obwohl Moon dabei sein wird." Alle lachten. Nur Romeo erstarrte. Er hatte eine absolute Abneigung zu Leichen entwickelt. Immer noch lachend, verabschiedeten sich Felicitas und Jessica von Rosemund. Sie riefen den Hunden und verliessen das Haus. Erst beinahe beim Brautgeschäft in Wallisellen angekommen, schnitt Jessica das Thema an, bei welchem Felicitas äusserst abwehrend und stur reagierte. Leise begann Jessica: "Feli, Roland sagte mir gestern, Marius sei aus seinem Urlaub zurück. Dieser habe aber nicht viel gebracht, denn er hätte abgenommen und sähe überhaupt nicht erholt aus." Ein zufriedener Ausdruck erschien auf Felis Gesicht. Liebenswürdig antwortete sie: "Schön!" Jessica hielt an einer Ampel. Schnell warf sie einen Blick auf ihre Freundin, bevor sie wieder weiterfuhr. Felicitas sah äusserst zufrieden aus. Jessica schüttelte betrübt den Kopf: "Nun komm schon, Feli. Sei nicht so stur. Vielleicht war wirklich nichts zwischen Marius und diesem Vamp. Laut Roland muss diese Hexe hinter jedem Mann im Revier her sein, ob verheiratet oder nicht. Er meinte, dass sie es bei ihm auch schon versucht habe."  Ein ironischer Zug erschien auf Felicitas Gesicht: "Marius ist ja sooo wehrlos. Er hat keine Ahnung, wie er sich gegen so eine zur Wehr setzen kann. Als ich das Büro betrat, zeigte er auf jeden Fall keinerlei Anzeichen, dass er überfallen worden war. Sein Gesicht hingegen sprach Bände! Das schlechte Gewissen war ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Dieser Mistkerl! Keine zwei Monate nach unserem letzten Fall hat er es mit mir ausgehalten! Na ja, lieber jetzt auf den Boden der Tatsachen prallen, als später. Und nun Schluss mit diesem Thema.  Da vorne ist ja bereits das Brautgeschäft." Jessica biss sich auf die Lippen. Ihr tat Marius leid. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass dieser Mann untreu war. Felicitas hätte wirklich mal mit ihm sprechen können. Manchmal könnte sie diese sture Frau schütteln! Selbstverständlich tat sie es nicht und schwieg. Sie parkierte den Wagen. Ihre Gedanken waren nun beim Hochzeitskleid. Sie betraten das Geschäft.