Die verflixte dritte Leiche - Gabriela Hofer - E-Book

Die verflixte dritte Leiche E-Book

Gabriela Hofer

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Beschreibung

Als ihre Hunde einen Leichenfund ausgraben wird die Tierärztin Felicitas Moser erneut in einen Mordfall verstrickt.

Das E-Book Die verflixte dritte Leiche wird angeboten von epubli und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Krimi, Bulldogge, Komödie, Hunde, Pinscher, Schweiz, Tösstal

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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Die verflixte dritte Leiche

ImpressumEin Déjà-VuBitte nicht!Wiedersehen mit DornenAlibi, Alibi, Alibi…Eine VerhaftungWutDie Jagd beginntEine Detektivin mehrSalomon mischt mitGefährlicher SpaziergangEine weitere LeicheZweifelErpressung kann tödlich endenDie Lage spitzt sich zuWieder ein FehlschlagGibt es noch Rettung?

Impressum

Copyright: © 2014 Gabriela Hofer

Herstellung und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www. epubli.de

Printed in Germany

Ein Déjà-Vu

„Na wenn das nicht Felicitas Moser ist!“ Erschrocken wirbelte Felicitas herum. Einen Moment schien sie überlegen zu müssen, wen sie da vor sich hatte. Dann: „Julia? Mensch! Wo kommst du denn her?“ Erfreut umarmte Felicitas die Frau in ihrem Alter. Diese erwiderte die Umarmung: „Ja, mich hat es aufs Land verschlagen. Ich habe soeben eine neue Anwaltspraxis in Winterthur-Seen eröffnet. Als ich dann von dieser neuen Überbauung hörte, liess ich mir die Pläne zustellen und voilà: Ich werde Ende dieses Jahr hier eine 3 ½-Zimmer-Wohnung beziehen.“ Felicitas lachte laut auf: „Du und aufs Land ziehen? Julia, der Stadtmensch? Kaum denkbar!“ Achselzuckend meinte Julia lapidar: „Wir werden alle älter. Doch sag mal, warst du das, die letztes Jahr half diesen Mordfall hier in der Gemeinde aufzuklären?“ Ein Schatten zog über Felicitas Gesicht: „Erinnere mich bitte nicht daran! Es war eine Katastrophe. Ich trat von einem Fettnäpfchen ins nächste und wurde beinahe ermordet. Hätten meine beiden Vierbeiner nicht so gut auf mich geschaut, wer weiss…“ Suchend sah sie sich um: „Wohin sind diese beiden Racker eigentlich wieder verschwunden?“ Laut rief sie nach Romeo und Moon. Julia schaute sich ebenfalls um: „Du hast zwei Hunde? Nun ja, als Tierärztin ist das sicher nichts Aussergewöhnliches.“ Sich wieder Julia zuwendend meinte Feli: „Nein, nein, mir gehört nur die Englische Bulldogge Romeo. Moon, die deutsche Pinscher-Hündin gehört meiner Freundin Maria.“ Da Felicitas wusste, dass die beiden Hunde sicher nicht davon laufen würden,  fachsimpelte sie noch ein bisschen mit Julia über Hunde allgemein. Was sie nicht wissen konnte, war, dass die beiden Racker schon wieder auf dem Weg waren, sie in ein neues Abenteuer zu verstricken.  Moon hatte nämlich vor ein paar Minuten einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Sie tänzelte zu Romeo hin, der gerade sein Bein hob, um die Duftmarke seines grössten Feindes - einem Boxerrüden - zu überpinkeln. „Romeo!“,  rief Moon mit deprimierter Stimme: „Du glaubst nicht, was ich erschnüffelt habe!“ Romeo, nicht sehr erfreut über die Störung bei dieser sehr wichtigen Aktion, scharrte noch einmal ausgiebig die Erde auf und widmete dann seine ganze Aufmerksamkeit der kapriziösen Pinscherdame: „Was ist denn, Moon? Hast Du etwa wieder eine Leiche erschnüffelt?“ Dies war scherzend gemeint, doch am Gesichtsausdruck von Moon erkannte er, dass er ungewollt ins Schwarze getroffen hatte. Sein hässliches, jedoch interessantes Gesicht legte sich noch mehr in Falten, als er resigniert meinte: „Nein! Tu mir das nicht an! Nicht wieder eine Leiche!“ Moon setzte sich neben ihn auf ihr Hinterteil und sagte leise: „Nein, Romeo, es ist noch viel schlimmer, ich rieche mindestens drei Leichen!“ Das war nun auch für Romeo zu viel. Er liess sich ins Gras plumpsen: „Drei!! Ach du heilige Häufchen! Können wir nicht einfach vergessen, dass du diese Leichen gerochen hast?“ Empört schüttelte Moon den Kopf: „Das habe ich nicht gehört, mein kleiner Faulpelz. Es ist zwar ärgerlich, vor allem für unsere Freundin Felicitas, doch es ist auch gleichzeitig eine Chance, diesen wirklich tollen Mann von der Polizei wieder mit ihr zu vereinen. Komm jetzt, wir müssen diese Leichen ausbuddeln gehen.“ Mit diesen Worten drehte sie Romeo schwungvoll ihr Hintereil zu und lief, immer die Nase am Boden, auf das Abbruchhaus zu. Resigniert seufzend stemmte sich Romeo vom Boden hoch, kratzte sich noch einmal ausgiebig hinter dem rechten Ohr und trabte dann völlig lustlos hinter seiner Freundin her.

So erreichten die beiden schliesslich den Plattenweg, der um das Abbruchhaus herum in einen ungepflegten Garten führte. Der Arbeiter, der neben dem Haus an einem Elektrokasten hantierte, schaute den beiden verblüfft nach. Schnell  liess er sein Werkzeug sinken und lief den beiden Vierbeinern hinterher. Moon und Romeo liessen sich nicht stören, und zielgenau steuerte Moon den hintersten Teil des Gartens an. Dort begann sie ausgiebig zu buddeln. Romeo folgte ihrem Beispiel, allerdings nicht ganz so begeistert. „He! Wollt ihr wohl damit aufhören, ihr beiden?“ Der Elektriker - das war er wohl, sonst hätte er nicht am Elektrikerkasten hantiert - versuchte, die beiden Hunde zu verscheuchen, jedoch ohne Erfolg. Diese beiden liessen sich nicht vertreiben. So machte er sich auf, das Frauchen oder Herrchen der beiden ausfindig zu machen. Er lief auf die Tösstalstrasse raus und tatsächlich, dort standen doch zwei Frauen. Der Mann schüttelte den Kopf. Er war sich sicher, dass eine oder sogar beide zu diesen  Hunden gehörten. Zu ihnen hin tretend meinte er: „Entschuldigen Sie, aber vermisst eine von ihnen zwei Hunde?“ Beide Frauen drehten sich zu ihm um, wobei die rothaarige sich suchend umsah: „Ja, haben die beiden was angestellt?“ Freundlich lächelnd schaute sie den jungen Mann an. Dieser war gross, mit sportlicher Figur, trug eine Brille, hatte  kurze dunkelbraune, sich schon lichtende Haare und strahlte eine angenehme Ruhe und Freundlichkeit aus. Er wandte sich an Felicitas: „Sind beide Ihnen? Ja, beide sind einfach an mir vorbeigelaufen und buddeln nun den ganzen hinteren Garten um. Es ist zwar ein Abbruchgelände, aber alles umkrempeln sollten sie trotzdem nicht.“ „Oje!“ rief Felicitas und lief los. Der Mann und Julia folgten ihr auf dem Fusse. Es bot sich ihnen ein wahrhaft schreckliches Bild. Ein richtiges Schlachtfeld tat sich den Dreien auf. Romeo sass völlig erschöpft, mit heraushängender, total verdreckter Zunge und Pfoten mitten im Dreck. Moon, die überhaupt noch nicht müde wirkte, aber nicht minder dreckig, zog soeben mit Vehemenz an einem Knochen, der eine eigenartige Form aufwies. Felicitas, die Katastrophen aller Art gewöhnt war, erholte sich zuerst von dem Schrecken und lief zu den Hunden hin. „Moon, Romeo, was soll denn das! SOFORT, hört ihr, sofort kommt ihr her! Fuss!“ Die Fäuste in die Hüften gestemmt, gab Felicitas diesen Befehl. Romeo gehorchte auch sogleich, doch Moon zögerte. Sie wollte auf keinen Fall diesen brisanten Fund aus der Schnauze lassen. Sie hatte nämlich recht behalten. Hier lagen Leichen, mehrere. Der junge Mann war unterdessen ebenfalls näher getreten, stutzte und bückte sich zu Moon hinunter. Laut zog er die Luft ein und winkte Felicitas und Julia heran. „Sehen Sie, was dieser Hund in der Schnauze hat, ist kein normaler Knochen. Es ist eine Hand.“ Sekundenlang hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören, so still war es. Dann fiel Felicitas neben Moon auf die Knie, zog ihr dann ganz vorsichtig den Fund aus der Schnauze und stöhnte laut auf: „Bitte nicht schon wieder! Warum geschehen immer mir solche Dinge?“ Der kniende Mann neben ihr betrachtete sie genauer und erkannte sie: „Meine Güte! Sie sind die Frau, die im letzten Jahr diesen Mordfall aufklären half, nicht wahr? Es freut mich riesig, Ihre Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Christian Hunziker, und ich bin ein totaler Krimifan.“ Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie mit ausgemachter Freude. Mit schiefem Grinsen im Gesicht erwiuHunHun      derte Felicitas das Händeschütteln: „Es freut mich ebenfalls, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin Felicitas Moser und dies…“, sie zeigte auf Julia, „ist meine Freundin Julia Gerber.“ Die beiden schüttelten sich ebenfalls die Hände. Doch die Aufmerksamkeit von Christian Hunziker richtete sich sofort wieder auf den Knochenfund. „Am besten rufen wir jetzt die Polizei.“ Er stand auf und zog sein Handy aus der Innentasche seiner Arbeitsjacke. Nach kurzem Zögern hielt er es aber dann Felicitas hin. „Ich glaube, es ist besser, wenn sie anrufen. Schliesslich kennen Sie den Vorgang besser als ich.“ Widerstrebend nahm Felicitas das Handy entgegen, stemmte sich vom Boden hoch und tippte die Nummer des nächst gelegenen Polizeipostens ein. Beinahe sofort meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung und Felicitas sagte völlig resigniert: „Hallo, hier spricht Felicitas Moser. Ich habe einen Knochenfund zu melden… Ja, diese Felicitas Moser…! Nein, dieses mal liege ich nicht darauf! Ha, ha! Sehr lustig. Ich habe wirklich Knochen gefunden, respektive meine Hunde. An der alten Tösstalstrasse, gleich neben dem Spielplatz in Rämismühle. Kommen Sie bitte gleich. Danke!“ Felicitas beendete das Gespräch und gab das Handy an den jungen Arbeiter zurück.. Er nahm es entgegen. „Was meinten Sie mit … ‚dieses Mal nicht darauf liegen‘?“ Eine leichte Röte hatte Felicitas Wangen überzogen. Verlegen sagte sie leise: „Das ist eine lange Geschichte und gehört nicht hierher. Am besten, ich bringe die Hunde in den Wagen.“ An Julia gewandt: „Es tut mir so leid, Julia. Du musst aber nicht unbedingt hier bleiben. Wir erzählen der Polizei einfach nichts von Deinem Hiersein, nicht wahr, Herr Hunziker?“ Dieser war einverstanden. Julia jedoch schüttelte den Kopf. Ihre Augen leuchteten. Obwohl sie bis jetzt noch nichts gesagt hatte, schien sie die Situation zu geniessen. „Jetzt nach Hause fahren? Kommt überhaupt nicht in Frage! Ich bleibe!“ Felicitas zuckte die Schultern, rief den Hunden und ging mit ihnen zum Wagen zurück. Sie öffnete die hintere Klappe, zog ein Handtuch unter einer Kiste hervor und versuchte mehr schlecht als recht den Dreck von den beiden Schwerenötern abzuwischen. Dann verfrachtete sie Moon und Romeo ins Auto. „Ihr habt mir was Schönes eingebrockt, ihr beiden. Hättet ihr diese Leichen nicht einfach dort lassen können?“ Sie schloss die Klappe und ging zu den beiden anderen zurück. „Siehst Du“, meinte Romeo empört, „Frauchen ist ziemlich sauer auf uns. Wir hätten doch die Pfoten von dieser Sache lassen sollen. Eine Schweinerei war es ausserdem! Wie wir aussehen!“ Moon leckte an ihrer linken Pfote. Sie war noch etwas ausser Atem. Schliesslich hatte sie am meisten Arbeit gehabt. Dementsprechend war ihre Antwort ziemlich kurz: „Ach, du bist ein Miesepeter, Romeo.  Jetzt sei ruhig und leg dich hin!“ Was er dann auch beleidigt tat. Kurze Zeit später hörte man ihn laut schnarchen. Moon rollte sich ebenfalls zusammen und döste vor sich hin. Kurze Zeit später vernahm man die Sirenen, welche immer näher kamen, und schon fuhr  ein Polizeiauto um die Kurve. Er hielt am Strassenrand vor den beiden Wagen von Felicitas und Julia. Zwei uniformierte Männer stiegen aus. Felicitas Laune wurde noch ein bisschen schlechter, als sie einen der beiden Polizisten wieder erkannte. Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen. „Hallo, wir kennen uns schon, glaube ich. Leider habe ich Ihren Namen vergessen.“ Lächelnd ergriff der angesprochene ihre Hand. „Sie haben mich noch erkannt? Ich heisse Maier und der Kollege hier heisst Schoch.“ Wieder wurden Hände geschüttelt. Auch Christian Hunziker und Julia Gerber stellten sich vor. Dann meinte Polizist Maier: „Dann wollen wir mal diese Knochen genauer ansehen. Gehen Sie bitte vor?“ Unterdessen hatten sich einige Schaulustige eingefunden, die von der Sirene aufgescheucht worden waren und nun sehen wollten, was hier los war. Polizist Schoch war zurück geblieben, um die Leute zurück zu halten. Als die kleine Gruppe den hinteren Garten erreicht hatte, zeigte sich der Polizist völlig unberührt von dem ganzen Chaos. Felicitas zeigte ihm den von Moon ausgebuddelten Knochen. Er zog Handschuhe an und nahm ihn vom Boden hoch. Seine Miene war ernst, als er zu den anwesenden Findern sagte: „Eindeutig eine menschliche Hand. Frau Moser, Sie kennen ja das Prozedere. Die Spurensicherung muss her. Dieses Haus ist zum Abbruch bereit?“ Diese Frage stellte er Christian Hunziker. „Ja,  eigentlich hätte es übermorgen abgebrochen werden sollen. Doch das wird nun wohl nicht möglich sein, nehme ich an.“ „Ja, da haben Sie recht. Bis die Spurensicherung hier durch ist, geht ‘s eine Weile. Und je nach weiteren Funden, verzögert sich das ganze noch mehr. Einen Moment bitte, ich muss nur meinen Kollegen informieren, dass er die Spurensicherung anfordert.“ Er lief nach vorne, zog seinen Kollegen etwas von den Leuten weg und flüsterte: „Es sind menschliche Knochen. Bitte fordere die Spurensicherung an. Ich muss zurück. Schicke die Leute weg und warte hier, bis unsere  Leute kommen. Danke.“ Polizist Maier lief schnell wieder an den Tatort zurück. „So, nun erzählen Sie mir doch mal, wie Sie auf diese Knochen gestossen sind. Die Hunde von Ihnen, Dr. Moser, waren daran beteiligt?“ Felicitas nickte und erzählte von Moons Aktivität. Auch die beiden anderen gaben ihren Teil an diesem Abenteuer bekannt. Es verging keine halbe Stunde, bis die Spurensicherung eintraf. Für Julia und Christian war es sehr interessant, dieses Spektakel zu verfolgen. Felicitas hingegen hätte gut darauf verzichten können.

Unterdessen war es beinahe Mittag geworden, und Felicitas informierte Melissa per SMS, dass es später werden könnte. Gut hatte an diesen Samstag die Praxis nicht offen. Jetzt im Mai war es doch schon sehr warm. Und so holte Felicitas die Hunde wieder aus dem Wagen, doch nun an der Leine. Felicitas, Julia und Christian setzten sich in die Wiese neben dem Haus und warteten, bis die Spurensicherungsleute fertig waren. Sie wollten wissen, was genau dort vergraben war.

Zwei Stunden später wussten sie es. Es kamen insgesamt Knochen von mindestens drei Toten zu Tage. Zwei waren sicher schon längere Zeit dort vergraben. Bei der dritten Leiche, nun, dazu äusserte sich Polizist Maier nicht näher. Es wäre noch zu früh, mehr darüber zu sagen. Er schickte die drei, nicht vollkommen zufrieden informierten Beteiligten nach Hause. Felicitas und Julia waren Christian Hunziker näher gekommen und hatten zum Du gewechselt. Sie versprachen sich, bald mal ein Treffen zu organisieren, tauschten Telefonnummern und Mailadressen, und dann ging jeder seines Weges.

Bitte nicht!

„Setzen Sie sich, meine  Damen und Herren!“ Der momentane Koordinator der Aufgabenverteilung der Kantonspolizei Zürich wurde bis in die hintersten Reihen des Zimmers gehört. Sofort verstummten die lauten, zum Teil lachenden Stimmen. Man hörte Stühle rucken, und dann hatte der Koordinator die volle Aufmerksamkeit der Ermittler. Gerade wollte der Chef mit der Vergabe der zu lösenden Fälle beginnen. Da wurde die Türe aufgestossen, und der eintretende Mann löste einiges Getuschel aus. Gross, mit stahlblauen Augen stand er einen Augenblick still, liess diese umwerfenden Augen durch den Raum gleiten und setzte sich wieder in Bewegung, sobald er die Person gefunden hatte, die er gesucht hatte. Der Stuhl neben Roland Pfeiffer war wie durch Vorsehung noch frei. Marius Rötlin liess sich erschöpft darauf fallen. Roland sah ihn von der Seite an, die Augenbrauen hoch gezogen. „Hallo Fremdling! Die Nase voll von Amerika?“ In diesem Moment wurde es Marius klar, wie sehr er seinen Partner vermisst hatte, diesen liebenswerten Sarkasmus, diese Ruhe, und er begann lauthals zu lachen. Erst ein Stoss des Polizisten in seine rechte Seite von seinem anderen Sitznachbarn liess ihn wieder verstummen. Er stand noch einmal auf, richtete seinen Blick auf den Koordinator und meinte: „Entschuldigen Sie diesen unformellen Eintritt, Chef, doch mein Flugzeug hatte leider Verspätung. Ich bin direkt aus Amerika gekommen.“ „Dann sind Sie entschuldigt, Herr Rötlin. Willkommen zu Hause. Setzen Sie sich bitte.“ Sehr gerne kam Marius diesem Befehl nach, denn er war hundemüde. Mit den Lippen machte er Roland das Zeichen „später“ und setzte sich so bequem auf dem harten Stuhl zurecht, wie es einem Mann mit dieser Grösse möglich war. Einige Zeit hörte er der Zuteilung noch zu, dann forderte der Jetlag seinen Tribut, und ihm fielen die Augen zu. Doch plötzlich durchdrang  etwas sein Unterbewusstsein und er schrak auf. Roland neben ihm schaute ihn grinsend an. „Hat der Amerika-Aufenthalt es doch tatsächlich nicht geschafft, dich diesen Namen vergessen zu lassen?“ Verschlafen rieb sich Marius die Augen. “Welchen Namen?“ Sein Hirn hatte noch nicht ganz von Schlafen auf Wach umgestellt. Doch plötzlich erfasste er den Sinn von Rolands Worten. “Du meinst doch nicht etwa…?“ Immer noch grinsend legte Roland den Zeigefinger auf die Lippen und bewegte den Kopf Richtung Rednerpult. „… Felicitas Moser und Christian Hunziker.“ Der Chef wandte sich an Roland und Marius. „Da Sie beide schon einmal mit dieser Felicitas Moser zu tun hatten, Pfeiffer und Rötlin, übergebe ich den Fall Ihnen beiden.“ Man konnte Marius Gesicht ansehen, dass er absolut nicht begeistert darüber war. Kommentarlos erhoben sich die beiden Männer beinahe gleichzeitig, holten sich die Unterlagen beim Chef ab und verliessen das Zimmer. Leise zog Marius die Tür hinter sich ins Schloss. Dann: „Was in drei Teufels Namen hat diese ….  dieser Nagel zu meinem Sarg jetzt wieder angestellt? Ich habe leider nichts gehört, der Jetlag macht sich bemerkbar.“ Roland sah ihn von der Seite spitzbübisch an. „Dieser Nagel zu Deinem Sarg hat gar nichts angestellt. Es waren die beiden Hunde. Sie haben in Rämismühle, du erinnerst dich an diesen Ort…?“ Marius runzelte einen Moment die Stirn, dann nickte er. Roland fuhr weiter: „Also die beiden vierbeinigen  Schnüffler haben doch tatsächlich im Garten eines Abbruchhauses nicht nur eine, nein gleich drei Leichen ausgebuddelt. Zwei davon sind schon älteren Datums, laut unserem Forensiker.  Die dritte Leiche allerdings, nun, die ist erst zwei Jahre alt und… jetzt kommt der Clou, es ist  der Ex-Mann von Hanna Peter. Du erinnerst Dich sicher noch an sie. Sie ist die Tierarzthelferin von…“ Marius beendete den Satz für Roland: „… unserer Nervensäge Felicitas Moser. Scheisse!“ Er liess sich erschlagen auf den nächsten Stuhl fallen, die überall im Gang in gewissen Abständen an der Wand standen. Amüsiert betrachtete Roland den völlig erschlagenen Partner. Ihm gefiel es, dass sie wieder mit den Rikoner-Frauen zu tun haben würden. So sah er diese umwerfende Jessica Tobler wieder einmal. Irgendwie ging ihm diese Frau unter die Haut, hatte er doch seit dem letzten Mordfall keine andere Frau mehr attraktiv gefunden. Er zog Marius am Arm vom Stuhl hoch und sagte fröhlich: „Du gehst jetzt nach Hause und schläfst dich aus. Ich werde unterdessen die Akten noch einmal durchgehen und hole dich dann am Nachmittag um 15 Uhr ab. Dann statten wir unseren Damen einen Besuch ab. Mal sehen, ob sie auch so froh sind, uns wieder zu sehen…“ Marius nickte ergeben, er war wirklich hundemüde. Die paar Stunden Schlaf würden ihm gut tun. Zusammen verliessen sie das Gebäude.

Wiedersehen mit Dornen

Felicitas  erhob sich aus ihrer gebückten Haltung. Sie rieb sich den schmerzenden Rücken. Die  Untersuchung des Meerschweinchens hatte länger gedauert, als sie gedacht hatte. Jessica, unterdessen im zweiten Lehrjahr, stellte sich immer geschickter an. Sie war von erstaunlich schneller Auffassungsgabe. Nichts deutete mehr auf die herunter gekommene junge Frau hin, die sie mal gewesen war. „Das hast Du sehr gut gemacht, Jessie.“ Diese strahlte sie an, immer erfreut über ein Lob. „Danke, Feli. Es war aber auch nicht schwer, dieses kleine Kerlchen zu halten.“  Das kleine Kerlchen fand nun langsam, es hätte genug still halten müssen und fing an zu zappeln. „Hoppla“, lachte Jessica, „dann wollen wir mal dein Frauchen herein rufen.“  Sie nahm das Meerschweinchen gekonnt auf den Arm und ging Richtung Türe, als diese aufgestossen wurde. Beide Frauen erschraken, als sie Hanna erkannten, die kreidebleich auf sie zu kam. Verstört sagte sie: „Feli, Jessie, es ist etwas ganz schreckliches geschehen. Eine dieser von Romeo und Moon ausgebuddelten Leichen …“ sie stockte einen Moment, „ist mein verschwundener Ex-Mann  Felix und er wurde ermordet!“  Felicitas und Jessica sahen sich überrascht an. Doch bevor eine von beiden etwas sagen konnte, traten die beiden Ermittler ins Sprechzimmer. „Sie!!“ Felicitas schrie es so laut heraus, dass alle Anwesenden erschrocken zusammen zuckten und das arme Meerschweinchen wie von der Tarantel  gestochen  wieder zu strampeln begann. Sein Frauchen war den beiden Fahndern ins Zimmer gefolgt. Besorgt um ihren Liebling,  sagte  sie nun: „Frau Doktor  Moser, was soll dieser Auflauf hier? Was fehlt denn nun meinem Mäxchen?“ Da Felicitas nicht in der Lage war, auch nur ein Wort zu sagen, übernahm Jessica die Regie: „Es fehlt ihm nichts. Er hatte nur zu lange Zähnchen. Wir haben sie abgefeilt. Nun kann er wieder ganz normal fressen. Achten Sie doch bitte darauf, dass er zwischendurch immer wieder mal einen Knabberstengel bekommt.“ Sie übergab den kleinen Kerl an sein Frauchen, welche ihn überglücklich in Empfang nahm und ihn in den extra für Kleintiere gedachten Transportkorb setzte. Mit einem misstrauischen Blick auf die beiden Männer bedankte sie sich bei Feli und Jessica, verabschiedete sich und verliess eilig die Praxis. Marius starrte Felicitas unterdessen mit hartem Blick an. Felis  Augen hingegen sprühten Blitze. Sicherheitshalber übernahm Roland die Regie: „Frau Moser, leider ist es so, wie Frau Peter gesagt hat. Bei einem der Toten handelt es sich um Felix Peter. Wir bearbeiten diesen Fall.“ Ohne den Blick von Marius Rötlin zu nehmen antwortete Felicitas: „Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Herr Pfeiffer. Allerdings sind die Umstände weniger schön.“ Jessica hatte sich währenddessen der völlig verstörten Hanna gewidmet gehabt und fragte nun: „Wie wurde er denn ermordet?“ Rolands Blick glitt bewundernd über Jessicas Gestalt, dann: „Das ist Umstand der Ermittlungen. Sorry, dazu kann ich keine Angaben machen. Der Todeszeitpunkt war nicht mehr genau zu eruieren, doch meinte die Forensik, dass er dort sicher schon zwei Jahre gelegen hat.“ Hanna schaute entsetzt zu den beiden Ermittlern hin. Mit zittriger Stimme sagte sie: „Das ist genau der Zeitpunkt, als er verschwand. Wie Sie sicher wissen, gab ich eine Vermisstenanzeige auf.“ Marius betrachtete sie genau, als er nun die folgenden Worte sagte: „Sie haben sich aber sehr schnell getröstet, Frau Peter. Ein Jahr später waren Sie schon wieder mit jemandem zusammen.“ Hanna trat erschrocken zwei Schritte zurück, denn ihr wurde bewusst, dass ihr Verhalten verdächtig erscheinen musste. Schnell wollte sie eine Erklärung abgeben, doch Felicitas war schützend vor sie getreten. Ihre Stimme klang kälter als Eis, als sie nun Marius anschnauzte: „Natürlich, Herr ‚Alleswisser‘