Die Gefangene des Ritters - Connie Mason - E-Book
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Die Gefangene des Ritters E-Book

Connie Mason

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Beschreibung

Er ist ein Krieger, doch wird ihre Liebe ihn bezwingen? Der historische Liebesroman »Die Gefangene des Ritters« von Bestseller-Autorin Connie Mason als eBook bei dotbooks. England im 11. Jahrhundert: Als Lord Lyon seinem König in der Schlacht das Leben rettet, verspricht ihm dieser zum Dank die Grafschaft Cragmere und die Hand der schönen Erbin. Als Lyon sie zum ersten Mal sieht, weiß er sofort: Er muss das Herz der stolzen Schöne für sich gewinnen. Doch Ariana ist ebenso eisern entschlossen, sich dem Krieger niemals zu ergeben. Als die beiden in eine gefährliche Verschwörung im Kampf um den Thron verwickelt werden, müssen sie allerdings an einem Strang ziehen. Wird das wilde Begehren, das zwischen ihnen entbrennt, womöglich stärker sein als ihr Stolz? Kann aus ärgster Feindschaft Liebe werden? Lyon muss sich entscheiden, ob er für Ariana sogar die Treue zu seinem König brechen wird … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantische Mittelalter-Roman »Die Gefangene des Ritters« von Historical-Romance-Queen Connie Mason. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 584

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Über dieses Buch:

England im 11. Jahrhundert: Als Lord Lyon seinem König in der Schlacht das Leben rettet, verspricht ihm dieser zum Dank die Grafschaft Cragmere und die Hand der schönen Erbin. Als Lyon sie zum ersten Mal sieht, weiß er sofort: Er muss das Herz der stolzen Schöne für sich gewinnen. Doch Ariana ist ebenso eisern entschlossen, sich dem Krieger niemals zu ergeben. Als die beiden in eine gefährliche Verschwörung im Kampf um den Thron verwickelt werden, müssen sie allerdings an einem Strang ziehen. Wird das wilde Begehren, das zwischen ihnen entbrennt, womöglich stärker sein als ihr Stolz? Kann aus ärgster Feindschaft Liebe werden? Lyon muss sich entscheiden, ob er für Ariana sogar die Treue zu seinem König brechen wird …

Über die Autorin:

Connie Mason hat früh ihre Leidenschaft für das Lesen und Schreiben entdeckt. 1984 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Im Jahr 1990 wurde die Amerikanerin vom »Romantic Times Magazine« zur »Erzählerin des Jahres« gekürt. Die Bestsellerautorin hat bereits mehr als 50 historische Liebesromane erfolgreich veröffentlicht. Heute lebt Connie Mason mit ihrem Mann in Florida. Sie hat drei Kinder und neun Enkel.

Bei dotbooks veröffentlichte Connie Mason bereits ihre Romane »In den Armen des Lords«, »In den Armen des Marquis«, »Rebell meines Herzens«, »Die Liebe des Outlaws«, »Die Leidenschaft des Outlaws«, »Das Verlangen des Outlaws«, »In den Fängen des Wikingers«, »Das Herz des Schwarzen Ritters«, »In den Armen des Ritters«, »Die Gefangene des Lairds«, »Der Rebell und die Schöne«, »In den Armen des Rebellen« und »Ein unwiderstehlicher Rebell«.

Die letzten drei Romane sind auch im Sammelband »Die Liebe der Rebellen« erhältlich.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2019

Dieses Buch erschien bereits 2007 unter dem Titel »Rivalen der Liebe« bei Lübbe.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by Connie Mason

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel »The Lion's Bride« bei Leisure, New York.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

By arrangement with Natasha Kern Literary Agency

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur, Hamburg/Berlin.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/Marjan Apostolovic, Daniel_Kay, Kanea, Oleksandr Zamuruiev

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-863-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Connie Mason

Die Gefangene des Ritters

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Moreno

dotbooks.

Prolog

Northumbria, England, 1067

Unheilvoll krochen die blassen Finger der Morgenröte über den noch dunklen Himmel und kündigten einen neuen Tag voll drohender Gefahren an. Ariana von Cragmere hatte es in einer Vision gesehen. Auch wenn der Bote dieses Bastards William nicht eingetroffen wäre, hätte sie also sehr wohl gewusst, was zu erwarten war.

Sie stand nun auf dem Wehrgang der Burg ihres Vaters, eine winzige, einsame Silhouette, die sich vor der scharlachroten Morgendämmerung abhob. Nyle of Cragmere, ihr Vater, der ein sehr vorausschauender Mann gewesen war, hatte eine Festung nach französischer Bauweise auf seinem Land errichtet, mit Erdhügelburg und Burghof, statt eines bloßen Herrenhauses wie so viele andere englische Barone. Diese Bastion, eine der wenigen in England, erwies sich als eine wirkungsvolle Abschreckung gegen Angreifer in den höchst explosiven Grenzgebieten von Northumbria.

Ariana starrte aufmerksam und mit grimmigem Gesicht in die Dämmerung und wartete. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde, als sie vom Tod ihres Vaters und ihrer drei Brüder in der Schlacht von Hastings erfahren hatte. William der Eroberer hatte nach seinem Sieg sehr schnell gehandelt, hatte englische Edelleute von ihrem Land vertrieben und sie durch normannische Ritter ersetzt, die an seiner Seite gekämpft und ihm die Treue gehalten hatten. Ariana war sonnenklar gewesen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis dieser Schurke seinen Blick nach Norden wandte, zu den reichen Gütern in Northumbria, und auch diese in seinen Besitz brachte.

»Er kommt! Der Löwe kommt!« Der Warnruf kam von Keane, Arianas Seneschall, der ganz in ihrer Nähe Wache hielt.

Ariana fuhr so schnell herum, dass ihr silberblondes Haar in schimmernden Kaskaden über ihre schmalen Schultern fiel. Als sie ihre grünen Augen vor der blutroten Morgenröte verengte, sah sie wie auf wundersame Weise den normannischen Löwen in dem Brachland auftauchen, wo der Horizont sich mit der fruchtbaren Erde Northumbrias vereinte. Er saß auf einem riesigen schwarzen Hengst und näherte sich langsam Cragmere. Und. plötzlich brach auch die Sonne durch die Wolken, und ein Strahl ihres gleißend hellen Lichtes vergoldete den bronzenen Helm des Reiters. Der Widerschein war so grell, dass er sie blendete.

»Seht nur, er hat seine ganze Armee dabei!«

Ariana runzelte die Stirn. Ihr treuer Seneschall hatte nicht übertrieben. Ein wahres Heer von Söldnern und Trabanten folgte dem Löwen, alle bewaffnet und angetan mit Rüstungen und Kettenpanzern. Ein leiser Laut des Abscheus und der Empörung kam über Ananas Lippen. Der Löwe der Normandie erwartete doch wohl keinen Widerstand von einem vierzehnjährigen Mädchen, das nur von einer Hand voll Ritter und Hausgehilfen beschützt wurde?

Wild pochenden Herzens verfolgte sie, wie er näher kam, dieser stolze Krieger, den William der Eroberer offenbar genügend schätzte, um ihn mit dem fruchtbarsten Grundbesitz des ganzen Landes zu belohnen. Sein bronzener Helm war festgeschnallt, sein Nasenschutz verbarg das Gesicht dahinter. über seiner ledernen Tunika trug er einen langen Mantel aus schuppenförmigen Kettengliedern, die ihn sofort als einen der berüchtigten normannischen »Fischmänner« auswiesen. In der linken Hand trug er einen etwa ein Meter fünfzig langen, ovalen Eisenschild, der so schwer und unhandlich war, dass er zumindest einen Teil seines Gewichtes mit Hilfe eines breiten, um seine Schulter geschlungenen Ledergurtes tragen musste. Zwei lange Lanzen mit eisernen Spitzen steckten aufrecht in einer Art Köcher an der Flanke seines Pferdes, und in der rechten Hand hielt er ein Kampfschwert, eine lange, doppelschneidige Waffe, die –nur ein so barbarischer Riese von einem Mann bedienen konnte. Seine Zurschaustellung von Stärke war ebenso unnötig wie ärgerlich.

»Er sieht Furcht erregend und gefährlich aus, nicht wahr, Mylady?« Ariana schnappte verblüfft nach Luft, als Nadia plötzlich neben ihr erschien. »Es heißt, er sei ein Bastard wie sein Herr, der König. Und er ist noch jung. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren soll er schon ein ebenso stolzer Krieger sein wie William und genauso tapfer. Ich hörte, er habe seinem König auf dem Schlachtfeld das Leben gerettet, als er gerade achtzehn war. Der Löwe der Normandie hat sich seinen Titel mit Heldentaten verdient, zu denen nur sehr wenige Männer den Mut aufbringen würden.«

»Umso bedauerlicher, dass er nicht auch auf dem Schlachtfeld umgekommen ist«, erwiderte Ariana gehässig. »Cragmere gehört mir. William hat kein Recht, es mir zu nehmen und es einfach jemand anderem zu geben.«

»Ihr seid noch ein Kind, Ariana, Ihr könnt Euren Besitz nicht vor Eroberern aus dem Norden schützen. Der schottische König liebäugelt schon lange mit Northumbria, heißt es. Malcolm würde nicht zögern, Cragmere einem wehrlosen jungen Mädchen gewaltsam abzunehmen.«

Ariana warf Nadia einen verärgerten Blick zu. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Nadia? Und was tust du hier? Ich erinnere mich nicht, dich aus deiner Hütte im Wald gerufen zu haben. Vielleicht wird der große Lord Lyon aus der Normandie auch gar nicht dulden, dass eine Hexe auf seinen neu erworbenen Ländereien lebt.«

Ariana biss sich auf die Lippen. Sie hatte die alte Frau nicht kränken wollen, doch sie konnte ihre impulsiven Worte auch nicht ungeschehen machen. Sie hatte schon immer gewusst, dass Nadia eine Hexe war, die draußen in den Wäldern vor der Festung lebte und sich ungehindert zwischen Wald und Burg bewegte. Frauen zogen sie zu Rate, wenn sie keine Kinder empfangen konnten oder wenn sie zu früh nach einem Kind wieder guter Hoffnung waren und diese Schwangerschaft beenden wollten. Es ging das Gerücht, dass Nadia sich nicht nur mit weißer, sondern auch mit schwarzer Magie auskannte und Zaubersprüche beherrschte, die Menschen in ewige Dunkelheit versetzen konnten.

Allerdings wusste Ariana, dass die meisten dieser Gerüchte erfunden waren, und sie mochte die alte Frau, die mit ihren Kenntnissen über Kräuter und Pflanzen schon viele Kranke in Cragmere geheilt hatte. Im Laufe ihres jungen Lebens hatte Ariana viel von ihr gelernt. Zudem war Nadia auch einer der sehr wenigen Menschen, die von Ananas eigenen seherischen Fähigkeiten wussten.

Ananas Gabe, Dinge »vorherzusehen«, hatte sich bereits in sehr jungem Alter gezeigt, aber nur wenige Menschen hatten Kenntnis davon. Nadia schon, aber die schien ja ohnehin alles zu wissen. Ananas Mutter hatte es natürlich auch gewusst und ihrer Tochter, bevor sie starb, geraten, das Geheimnis ihrer Gabe sehr gut zu behüten, da es so manch einen gab, der sie sonst vielleicht als Hexe bezeichnen würde.

»Der große Lord Lyon aus der Normandie fürchtet niemanden, und am allerwenigsten die Hexe von Cragmere«, antwortete Nadia. »Nein, Ariana, ich bin hergekommen, um Euch vor diesem prachtvollen Raubtier zu beschützen. Seht doch nur ...« Mit einem knochigen Finger deutete sie auf die sich rasch nähernden Reiter. »Der Name passt doch wirklich hervorragend zu ihm, nicht wahr?«

Ariana betrachtete ihren Feind mit wachsender Beklemmung. Er ähnelte in der Tat dem Raubtier, dessen Namen er sich angeeignet hatte. Stolz saß er im Sattel und schien nahezu unbesiegbar in voller Rüstung. Trotz des Nasenschutzes, hinter dem er sein Gesicht verbarg, konnte Ariana sich sehr gut sein finsteres, grimmiges, vielleicht sogar von Narben früherer Schlachten gezeichnetes Gesicht vorstellen.

Lyon lenkte sein Pferd bis direkt vor das Tor von Cragmere und hielt dann inne, um anerkennend zu der Festung aufzuschauen, die nach dem Recht des Eroberers nun die seine war. Die auf einem Erdwall errichtete Burg war von einem breiten Wassergraben umgeben und wurde von einem Torvorwerk bewacht. Es war die erste Festung dieser Art, die er in England zu sehen bekam, obwohl solche Burgen in der Normandie recht weit verbreitet waren. Es war eine wirklich fürstliche Belohnung, die zu besitzen er sich nicht einmal hätte erträumen dürfen, wenn er William aus der Normandie nicht bei einem seiner frühen Feldzüge in Maine das Leben gerettet hätte.

Als landloser, illegitimer Sohn hatte Lyon eigentlich nur wenig Aussicht gehabt, eine reiche Erbin zu ehelichen, geschweige denn, zudem auch noch der Besitzer eines so beeindruckenden Landsitzes zu werden. Der ihm hartnäckig anhaftende Makel seiner unehelichen Geburt war ihm tief ins Bewusstsein eingedrungen und hatte ihn verbittert und hart gemacht.

Zufrieden sah Lyon schon auf den ersten Blick, dass die Burg hervorragend befestigt und erbaut war, um Plünderer aus dem Norden abzuschrecken. Cragmere lag in einem weiten, flachen Tal, durch das der Humber River floss. Der Hauptturm wurde geschützt von einer Zugbrücke und Wehrgängen unterhalb der Zinnen, während kleinere, rechteckige Türme mit Schießscharten an allen Ecken sein neues Heim zu einer veritablen Festung machten. Als Lyon vorher durch das nahe Dorf geritten war, hatte er festgestellt, dass sogar die Leibeigenen und Freien, die zu diesem Lehen gehörten, einen gewissen Wohlstand erreicht zu haben schienen.

Er erhob den Blick, und seine Augen wurden schmal, als er ein kleines, blasses Gesicht entdeckte, das von der Brustwehr über dem Hauptturm zu ihm hinunterspähte. Sein Schlachtross tänzelte unruhig unter ihm, als er eine Verbeugung andeutete, und Lyon verfolgte amüsiert, wie die zierliche Gestalt sich hastig duckte und hinter der Brüstung außer Sicht verschwand. Darauf wendete er abrupt sein Pferd, sprengte in Richtung Zugbrücke und schnallte seinen Helm ab, während er darauf wartete, dass die Brücke hinuntergelassen wurde. Das Glitzern der Sonne auf seinem glänzenden schwarzen Haar war fast so blendend, wie es vorher schon auf seinem Helm gewesen war.

Keane, Ananas Burgverwalter, wandte sich ihr mit fragend erhobenen Augenbrauen zu. »Mylady?«

»Schon gut«, bejahte Ariana mürrisch, »du kannst die Zugbrücke herunterlassen. Ich werde in den Hof hinuntergehen und den neuen Herrn von Cragmere begrüßen – obwohl ich es vorziehen würde, ihm einen Dolch ins Herz zu stoßen!«

»Seid vorsichtig, Ariana, und hütet Eure Zunge«, warnte Nadia. »Der Löwe ist weder Euer Vater noch Eure Brüder, die Euch schätzten und liebten. Er ist der Gefolgsmann William des Eroberers, vergesst das nie, und der Löwe wird seinem König in allen Dingen Folge leisten. Also verärgert ihn nicht.«

»Ich werde tun, was ich muss«, sagte Ariana mit einer über ihr junges Alter weit hinausgehenden Besonnenheit. »Ich werde Cragmere verlassen und zu meinem Verlobten Edric von Blackheath gehen.«

Ariana stand schon wartend im inneren Burghof, als Lyon über die Zugbrücke ritt und das inzwischen hochgezogene Fallgitter passierte. Nervös tänzelnd blieb sein Schlachtross vor Ariana stehen, und Lyon saß ab, hängte seinen Schild über den Sattelknauf und steckte sein Schwert in eine am Sattel angebrachte Scheide. Mit gespielter Förmlichkeit verbeugte er sich dann, mehr als nur ein bisschen überrascht, ein so zierliches junges Mädchen zu erblicken, dessen schlanke Figur nicht einmal zur Weiblichkeit herangereift war. William hatte ihm nicht gesagt, dass diese reiche Erbin noch so jung war.

Lyon sprach in einem verständlichen, wenn auch von einem französischen Akzent geprägten Englisch. »Man sagte mir, Ihr wärt noch jung, Lady Ariana, aber ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, ein halbes Kind hier anzutreffen.«

»Ich bin alt genug, um einen Feind zu erkennen, wenn er vor mir steht, Lord Lyon«, gab Ariana scharf zurück. »Ihr seid hierher gekommen, um mein Land zu stehlen.«

Lyon starrte sie an und begann augenblicklich zu begreifen, dass dieses junge Mädchen einmal eine große Schönheit voller Leidenschaftlichkeit und Glut sein würde. Ja, eines Tages würde Ariana von Cragmere eine sehr reizvolle Figur besitzen und eine Schönheit, derer sich nur wenige Frauen rühmen durften. Im Moment jedoch war sie kaum mehr als ein aufsässiges Kind, dessen schöne grüne Augen vor Hass und Abscheu funkelten.

»Nein, Mademoiselle, ich bin weder ein Feind noch ein Usurpator. Ich verspreche Euch, Eure Festung vor Eroberern zu beschützen. In ebendiesem Augenblick, während wir hier miteinander sprechen, versammeln sich bereits Schotten an den Grenzen, um Eure Ländereien zu erobern. König William ist ein kluger Mann. Er weiß, dass ein junges Mädchen wie Ihr keinen so wertvollen Besitz wie Cragmere schützen kann. Er war deshalb so großzügig, mir Cragmere zum Geschenk zu machen und mir auch die volle Verantwortung für seinen Schutz zu übertragen. Es ist eine große Ehre, die mein König mir damit erweist.«

»Es waren normannische Invasoren, die meinen Vater und meine Brüder töteten«, erwiderte Ariana kalt. »Der Eroberer ist Euer König, nicht der meine. Und was, bitte schön, gedenkt er eigentlich mit mir zu tun? Mich aus meiner eigenen Burg hinauszuwerfen, damit ich fortan bei den Leibeigenen lebe?«

»Seid auf der Hut, Ariana«, flüsterte Nadia, als sie neben das wütende Mädchen trat, »wenn Ihr Euch nicht wehrlos in den Fängen des Löwen wiederfinden wollt.«

Aber Ariana beachtete die Alte nicht, sondern funkelte Lyon nur weiter böse an. Sie war viel zu aufgebracht darüber, ihr Heim und Erbe zu verlieren, um auch nur zu bemerken, was für ein gut aussehender junger Mann Lyon war mit seinem rabenschwarzen Haar und den blauen Augen, die so hell und klar waren wie ein wolkenloser Himmel. Er hatte fein geschnittene Gesichtszüge von nahezu klassischer Schönheit, die aber auch hart und streng erschienen. Jahre des Krieges und des Kampfes hatten seinem Gesicht die Weichheit der Jugend genommen. Und mit dem Makel leben zu müssen, ein uneheliches Kind zu sein, hatte höchstens noch dazu beigetragen, seine kämpferischen Fähigkeiten zu verfeinern.

»Für jemanden, der noch so jung ist, habt Ihr eine scharfe Zunge, Mademoiselle. Viele gute Männer fielen in Hastings. Glaubt Ihr etwa, William trauerte nicht um all die Toten?«

Ariana bedachte ihn mit einem hasserfüllten Blick. »William ist eine niederträchtige normannische Bestie und Ihr sein Welpe.«

Ihre Worte erbosten Lyon. Sie hätte es niemals gewagt, ihn derart zu brüskieren, wenn ihr sein unbeherrschtes Naturell bekannt gewesen wäre. Und wenn sie nicht noch ein Kind gewesen wäre, hätte sie ihre Worte vermutlich nicht mal überlebt. Er kannte nur sehr wenige Männer, die es gewagt hätten, ihn so herauszufordern. Statt zu antworten, fuhr er abrupt herum und wandte sich an seinen Hauptmann. »Wo ist der Priester? Bringt ihn her.«

Beltane der Kühne, ein gut aussehender junger Ritter und Lyons treuster Mann, wendete sein Pferd und ritt davon, um den Priester zu suchen, der sie auf der Herreise von London begleitet hatte.

»Wenn Ihr einen Priester braucht, dann haben wir einen hier auf Cragmere«, sagte Ariana. »Ich werde ihn rufen lassen.«

»Nein, Mademoiselle, William hat mir seinen eigenen Priester für diesen Anlass mitgegeben.«

Ein ungutes Gefühl beschlich Ariana. »Und was, bitte, soll dieser Anlass sein?«

»Unsere Heirat, Lady Ariana«, sagte Lyon milde.

Ariana schnappte entsetzt nach Luft und war so schockiert, dass sie bis unter die Haarwurzeln errötete. Von einer Verlobung oder gar Hochzeit hatte Williams Bote nichts erwähnt. Er hatte sie lediglich darüber unterrichtet, dass Cragmere dem Löwen der Normandie, einem loyalen normannischen Ritter, als Belohnung für seine treuen Dienste übergeben worden war, und dass dieser tapfere Krieger schon bald erscheinen würde.

»Oh nein, nein, nein, ich bin schon mit Edric von Blackheath verlobt! Wir werden gleich nach meinem sechzehnten Geburtstag heiraten.«

»Der Eroberer hat beschlossen, diese Verlobung außer Kraft zu setzen und Euch mir als Braut zu geben, obwohl ich ehrlich gesagt wenig Verwendung für eine Gemahlin habe, weder jetzt noch überhaupt. Doch William möchte, dass wir heiraten, und deshalb werden wir es tun.«

Alle Farbe wich nun aus Ananas Zügen. »Nein.« Das Wort war kaum mehr als ein leises, unsicheres Wispern. Sie hatte ihr Leben lang gewusst, dass sie Edric heiraten würde, und war sogar recht angetan von dem Gedanken. Edric war ein feiner junger Mann, den sie als Freund sehr schätzte, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie mit der Zeit auch lernen würde, ihn zu lieben. »Ich heirate Edric, den Herrn von Blackheath, dessen Vater ebenfalls in Hastings fiel.«

»Edric von Blackheath hat William den Treueeid geleistet«, erklärte Lyon und begann einen gänzlich ungewohnten Anflug von Anteilnahme für dieses zarte junge Mädchen zu verspüren, dessen Leben William der Eroberer so durcheinander gebracht hatte. »Er wird William nicht widersprechen. Nur wenige Männer wagen das. Als Belohnung dafür, dass er sich dem Eroberer unterwarf, durfte Lord Edric seine Ländereien behalten.«

Ananas aufrichtige Bestürzung überraschte Lyon. Wusste die Kleine denn nicht, dass reiche Erbinnen nichts als Schachfiguren waren in Williams politischen Plänen, englische Landbesitzer durch königstreue Normannen zu ersetzen? Sie hätte auch einem älteren, in zu vielen Jahren in Williams Diensten hart gewordenen Mann zugesprochen werden können, der sie womöglich gar misshandeln würde. Als seine, Lyons, Ehefrau hingegen würde es ihr freistehen, zu tun und zu lassen, was sie wollte, da er nicht einmal oft genug daheim sein würde, um ihr Leben in irgendeiner Form zu stören. »Edric hat keinerlei Einwände erhoben gegen Williams Wunsch, uns verheiratet zu sehen.«

Ananas grüne Augen weiteten sich ungläubig. »Ihr lügt!«

»Nein. Lord Edric hat William Lehnstreue geschworen, wie ich bereits sagte. Wo bleibt denn nun der Priester?«

»Hier bin ich, Mylord. Habt Ihr es der jungen Dame schon gesagt? Ist sie mit der Hochzeit einverstanden?«

Der rundliche, von Kopf bis Fuß in Braun gekleidete Priester warf Ariana einen Blick zu und runzelte die Stirn, als er ihre aufsässige Miene sah.

»Sie hat keine andere Wahl, Pater. Wir werden in einer Stunde in der Kapelle heiraten.«

Ariana wich entsetzt zurück. »Nein!«

»Oh doch. Bis in einer Stunde also.« Lyon ging an Ariana vorbei in Richtung Burg und rief nach dem Seneschall, um sich von ihm das Schlafzimmer des Burgherrn zeigen zu lassen. Wer ihm in der Burg begegnete, beeilte sich, ihm aus dem Weg zu gehen, denn keiner war tapfer oder dumm genug, den Zorn des Löwen der Normandie herauszufordern.

»Was soll ich denn jetzt nur tun, Nadia?«, fragte Ariana mit zitternder Stimme, als sie Lyon im Inneren der Burg verschwinden sah.

Als Nadia nichts erwiderte, drehte Ariana sich nach ihr um und stellte verwundert fest, dass die alte Frau sich in einer Art von Trance zu befinden schien. Nach langem Schweigen erst öffnete Nadia die wässrigen alten Augen und sagte mit einer tonlosen Stimme, die von irgendeinem weit entfernten Ort zu kommen schien: »Hüte dich vor dem Löwen, Ariana. Falls es dir gelingen sollte, ihn zu zähmen, musst du auf dein Herz Acht geben. Ich sehe dunkle Tage und auch dunkle Jahre vor dir liegen. Aber heiraten musst du ihn. Denn deine Zukunft liegt bei ihm.«

Ein leiser Protestschrei entrang sich Ananas Lippen, als sie sich abwandte, um sich in die Höhle des Löwen zu begeben, bei dem, wie die alte Nadia behauptete, ihr Schicksal lag.

Die Trauung war eine Farce. Als Ariana sich weigerte, ihre Gelübde abzulegen, sprach Lyon an ihrer Stelle, und sie konnte nichts dagegen tun. William hatte ihr befohlen, den Löwen zu heiraten, und William war der König und sie seine Vasallin. Sie bezog eine nur sehr geringfügige Genugtuung aus der Tatsache, dass sie es abgelehnt hatte, sich für die Heirat umzuziehen, und in einer abgetragenen Tunika und einer Überjacke, die schon bessere Tage gesehen hatte, in der Burgkapelle erschienen war.

Es kümmerte sie absolut nicht, dass auch Lyon darauf verzichtet hatte, etwas dem Anlass Entsprechenderes anzuziehen, und der größeren Bequemlichkeit wegen nur seinen Kettenpanzer abgelegt hatte. Er sah wirklich jeder Zoll wie der sprichwörtliche stolze Krieger aus, dachte Ariana. Das weiche Leder seiner Tunika straffte sich über seinen breiten Schultern und seinem kräftigen Oberkörper, und seine Beine waren so lang, dass die Tunika an den Seiten Schlitze hatte, um ihm eine etwas größere Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.

Seine eng anliegenden Beinlinge aus ungebleichter Wolle offenbarten lange, muskulöse Oberschenkel; seine kräftigen Waden steckten in knielangen normannischen Pedules oder Schlupfstiefeln. Sein kurzer, vorne nicht geschlossener Umhang aus grober schwarzer Wolle, der von einer auffallenden Brosche aus Gold und Edelsteinen zusammengehalten wurde, ließ seine muskulösen Arme frei. Um die Taille trug er einen breiten Ledergürtel, in dem ein Dolch aus feinstem Stahl mit gebogener Klinge und juwelenbesetztem Heft steckte. Dieser Dolch und die reich verzierte Brosche waren die einzigen Schmuckstücke, die Lyon trug. Beide waren Geschenke von William.

Und dann war es auch schon vorbei. Kaum hatte der Priester sie zu Mann und Frau erklärt, wandte Lyon sich Ariana zu und verbeugte sich ein wenig steif vor ihr. »Es ist getan, Mylady«, sagte er und bot ihr seinen Arm an. »Ich werde Euch jetzt zu Euren Gemächern begleiten.«

Nadia, die während der Zeremonie unauffällig in einer Ecke gestanden hatte, stürzte plötzlich vor und vertrat Lyon den Weg.

»Nein, Mylord, Ihr könnt ihr nicht beiwohnen! Das schickt sich nicht. Sie entwickelt sich sehr langsam und hatte bisher nicht einmal ihre monatliche Blutung. Ihr könnt noch keinen Erben mit ihr zeugen.«

Ariana wünschte, der Boden möge sich unter ihren Füßen auftun und sie verschlingen. Sie fühlte sich so gedemütigt und beschämt, dass ihr eine heiße Röte in die blassen Wangen stieg.

Lyon maß Nadia mit einem Blick, der grenzenlosen Abscheu ausdrückte. »Glaubst du, ich würde mit einem Kind das Bett teilen? Nein, Alte, ich begleite meine Gemahlin nur zu ihren Gemächern, damit sie ihre Sachen packen kann.«

»Packen?« Ariana war so verwirrt, dass sie nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand. »Wozu? Wo wollt Ihr mit mir hin?«

»Ich muss auf schnellstem Weg nach London zurück. William wird bald in die Normandie zurückkehren, um seine Frau und seine Kinder abzuholen, und ich soll ihn auf der Reise begleiten. Ihr werdet bei den Nonnen im Kloster von St. Claire bleiben, wo die guten Schwestern Euch hoffentlich Bescheidenheit und Gehorsam lehren werden. Ihr werdet sehr gut aufgehoben sein bei ihnen.«

»Nein.« Ananas Stimme bebte vor Bestürzung. »Ich kann nicht in einem Kloster leben. Ich würde dort vor Langeweile sterben! Ich bleibe hier auf Cragmere und kümmere mich in Eurer Abwesenheit um die Verwaltung.«

»Die Verantwortung für Cragmere werde ich während meiner Abwesenheit Sir Guy, meinem eigenen Gefolgsmann, übertragen und es werden auch genügend Soldaten auf der Burg zurückbleiben, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Ich habe bereits mit Eurem Seneschall gesprochen, und er hat mir versichert, dass alles so weiterlaufen wird wie immer. Wenn William meinen Schwertarm nicht mehr braucht, werde ich zurückkehren, um meinen Platz als Herr von Cragmere einzunehmen.«

»Und ich?«

Er warf . ihr einen abschätzenden Blick zu. »Irgendwann werde ich wohl eine Ehefrau benötigen. Bis dahin werdet Ihr im Kloster warten.«

»Normannischer Bastard!«, fuhr Ariana ihn mit wutblitzenden Augen an. »Bestie! Lieber verrotte ich in einem Kloster, als Eure Ehefrau zu werden.«

Und damit warf sie ihr silberblondes Haar zurück und eilte hoch erhobenen Kopfes an ihm vorbei zu der Wendeltreppe, die zu ihren Gemächern im Nordturm führte. Lyons scharfer Blick folgte ihr die Treppe hinauf, und ein nachdenklicher Ausdruck trat auf sein Gesicht. Eines Tages, dachte er, wird dieses vorlaute kleine Mädchen eine heißblütige junge Frau sein, die sich nur allzu gern von mir nehmen lassen wird. Er hoffte nur, dass er derjenige sein würde, der die in ihr schlummernden Leidenschaften weckte und entfesselte, wenn der Augenblick dafür gekommen war.

Denn der bloße Gedanke, ein anderer Mann als er könnte sie in die Freuden der körperlichen Liebe einführen, weckte eine rasende Eifersucht in ihm und Besitzansprüche, die er bei jemandem von seiner Veranlagung und Berufung bisher nicht für möglich gehalten hätte. Er verspürte mit einem Mal ein ihm völlig unerklärliches Bedürfnis, die Zeit vorzustellen zu dem Tag, an dem seine unschuldige junge Braut bereit sein würde, das Lager mit ihrem Mann zu teilen.

1. Kapitel

William's Tower, London, 1072

Gleich nach seinem siegreichen Einzug in London im Jahre 1066 hatte William der Eroberer seine Zitadelle erbauen lassen. Sie war aus Erde und massivem Eichenholz errichtet und befand sich an der südöstlichen Ecke der alten römischen Stadtmauer. Der König brauchte sie, um sowohl die Themse wie auch die Stadt zu kontrollieren und seine besiegten Untertanen im Auge behalten zu können.

Der Löwe der Normandie beobachtete den Eroberer, der auf eine Art und Weise mit den Fingern auf den Tisch trommelte, die seine innere Erregung nur allzu deutlich offenbarte. Lyon hatte keine Ahnung, warum der König ihn hatte rufen lassen, vermutete aber, dass er wieder einmal seine Männer und seine Waffen brauchte, um einen weiteren Aufstand niederzuschlagen. Im Jahre 1068 hatte William eine Revolte unzufriedener Angelsachsen im westlichen und südwestlichen England unterdrückt, die mit dem Überfall und der Ermordung von dreitausend in York stationierten Normannen begonnen hatte. William hatte schnell gehandelt. Er war unverzüglich in York eingefallen und hatte das ganze Land bis hin zur Küste nahezu vollständig verwüstet.

Wie immer war Lyon an Williams Seite geritten und hatte grausame Vergeltung geübt mit seinem Schwert. Nach der Niederschlagung der Revolte hatte William sich wieder auf das Erbauen von Burgen und Befestigungen konzentriert und über Mittel und Wege nachgedacht, das von ihm eroberte Land gegen Eindringlinge zu verteidigen, während Lyon auch weiterhin durchs Land geritten war, um überall dort, wo er gebraucht wurde, einzugreifen und die Interessen seines Königs zu vertreten.

William nickte Lyon zu und winkte ihn zu sich hinüber. Offenbar hatte er etwas Dringendes mit ihm zu besprechen. »Es wird Zeit, dass der Löwe in seine Höhle zurückkehrt. Ich brauche Euch in Cragmere. Meine Spione berichten, König Malcolm von Schottland konspiriere mit enteigneten angelsächsischen Baronen. Malcolm ist machthungrig und begierig, seine Grenzen bis hinein nach England auszuweiten, und es gibt so manche innerhalb des Königreiches, die auf Verrat sinnen und sich mit ihm verschwören.«

Lyon betrachtete William aufmerksam. Der Eroberer war dieser Tage oft sehr nachdenklich, da ihm ständig bewusst war, dass sein Heer auf feindlichem Territorium verweilte und es das Volk nur durch an strategisch wichtigen Standpunkten verteilte Burgen niederhielt. Der angelsächsische Widerstand war schwer zu brechen.

»Ihr möchtet, dass ich mich auf Cragmere niederlasse? Ihr braucht mein Wappen und mein Schwert nicht mehr?«

»Ich weiß, wo sich Euer Wappen und Euer Schwert befinden, falls ich sie brauchen sollte, Lyon. Aber Ihr werdet mir auf Cragmere mehr von Nutzen sein. Es wird Zeit, dass Ihr einen Erben zeugt, um Northumbria für England zu bewahren, wenn wir beide einmal nicht mehr sind. Habt Ihr Eure Braut noch einmal gesehen, nachdem Ihr sie in das Kloster brachtet? Oder Euch zumindest hin und wieder mal nach ihr erkundigt?«

»Nein«, sagte Lyon schroff, der sich nur allzu gut an das widerspenstige Kind erinnerte, das zu heiraten der König ihm befohlen hatte. »Ihr habt mich mit reichen Ländereien beschenkt, Sire, mir aber ein Kind zur Braut gegeben. Ich teile mein Bett nicht mit Kindern.«

»Ich hatte keine Ahnung, dass die Erbin von Cragmere noch so jung war. Aber Männer heiraten manchmal sogar Mädchen, die noch jünger sind als sie.«

»Nicht ich. Ich ziehe es vor, mit Frauen zu schlafen, die wissen, was sie tun.«

»Frauen wie Lady Zabrina? Es wird Zeit, dass Ihr aufhört, Eure Manneskraft an Eure Mätresse zu vergeuden, und dass Ihr einen Erben zeugt für Cragmere. Keiner Eurer Bastarde ist erbberechtigt, und Ihr wisst, wie sehr ich eheliche Untreue missbillige. Eure Braut ist neunzehn Jahre alt und damit reif genug, um Euer Lager zu teilen. Tatsächlich wären einige sogar der Meinung, dass sie ihre besten Jahre bereits überschritten hat.«

Lyon lachte schroff. »Ich habe keine Bastarde. Ich bin immer sehr darauf bedacht gewesen, keine Kinder in die Welt zu setzen. Ich würde nicht wollen, dass sie unter den gleichen grausamen Vorurteilen zu leiden hätten, die Ihr und ich als Bastarde erfuhren. Und was meine Gemahlin angeht, so hasst sie mich. Ihre angelsächsischen Wurzeln gehen tief.«

»Dennoch ist sie Eure Gattin und die einzige Frau, die Euch legitime Erben gebären kann Brauche ich noch mehr zu sagen?«

»Ich werde tun, was Ihr befehlt, Majestät, wenn auch nicht ohne Bedenken. Meine wilde englische Rose hat scharfe Dornen und eine spitze Zunge. Obwohl sie damals bei unserer Heirat erst vierzehn war, ließ sie mich vom ersten Moment unserer Begegnung an ihren boshaften, rebellischen Charakter spüren. Ich hoffe nur, die Nonnen haben ihr impulsives Naturell gebändigt und sie die einer Ehefrau gebührende Bescheidenheit und Gefügigkeit gelehrt.«

William unterdrückte ein Lächeln. Obwohl Lyon erst siebenundzwanzig war, galt er schon als ein außergewöhnlicher, vom Feind sehr gefürchteter und respektierter Kämpfer. Mit seiner hoch gewachsenen, kräftigen Gestalt und den markanten Zügen war er ein ausgesprochen gut aussehender Mann, der seit ihrer Ankunft an englischen Gestaden unter vielen angelsächsischen Frauen hatte wählen können. Doch William hatte ihn noch nie zuvor so reagieren sehen, wie er gerade auf die Erwähnung seiner eigenen Gattin reagiert hatte.

Abtei St. Claire, 1072

Ariana schlüpfte lautlos aus der Tür in die das Kloster einhüllende Dunkelheit hinaus. Es war eine mondlose Nacht, deren Finsternis durch nichts gemildert wurde. Niemand rührte sich in dem tristen gelben Steingebäude. Die Nonnen, die sich abends früh zurückzogen und sich morgens ebenso früh wieder erhoben, führten ein asketisches Leben ohne jegliche Einflüsse von außen.

Ariana tastete sich vorsichtig an der Wand entlang zum Gartentor, wo eine kleine, von Weinreben überwucherte Gittertür zur Außenwelt hinausführte. Leider hatte Ariana keinen Schlüssel zu dieser Tür, und es war ihr bisher auch noch nicht gelungen, sich einen zu beschaffen. Dennoch war sie froh und glücklich über diese kleine Verbindung zur Außenwelt. Denn ohne sie wäre sie verrückt geworden. Und ohne Edric, der diese nur selten benutzte kleine Pforte entdeckt hatte, wäre sie hinter den hohen Klostermauern vollkommen abgeschlossen von den wichtigen Ereignissen der Welt.

Der Gedanke an Edric zauberte ein Lächeln auf Ananas volle Lippen. Edric hatte eine junge Frau gefunden, die Tochter eines Freien, die im Kloster arbeitete und bereit war, Ariana gegen ein wenig Geld Botschaften zu überbringen. Schon kurz nach ihrer Ankunft in der Abtei war Ariana mehr als nur ein bisschen überrascht gewesen, als eine Dienstmagd aus dem Dorf ihr ein Stückchen Pergament in die Hand gedrückt hatte. Da sie zusammen mit ihren Brüdern Lesen gelernt hatte, war Ariana sogleich in ihre winzige Zelle zurückgeschlüpft, um Edrics Botschaft rasch zu überfliegen. Er hatte sie gebeten, sie in jener Nacht, wenn der Mond am höchsten stand, am Gartentörchen zu erwarten.

Das erste Treffen war nur kurz gewesen. Ariana war jedoch überglücklich, dass Edric sie nicht im Stich gelassen hatte und sie immer noch zur Frau haben wollte. Er hatte ihr erzählt, dass er sich heimlich mit einigen der Barone aus dem Norden verschworen hatte, die bei König Malcolm in Schottland Zuflucht gesucht hatten. Ihr gemeinsames Ziel war, England von der Herrschaft der Normannen zu befreien. Und obwohl Edric William Treue geschworen hatte, fand er kein Problem dabei, den Eid zu brechen, um England zu befreien und Ariana zurückzugewinnen. Zur Belohnung, dass er sich König Malcolm anschloss, hatte dieser ihm versprochen, Arianas Heirat mit Lyon durch seine Bischöfe für ungültig erklären zu lassen, damit sie Edrics Frau werden konnte. All das erfuhr Ariana bei späteren Besuchen Edrics. Für Ariana waren diese Besuche ungeheuer kostbar und erfolgten leider nur zu selten. Normalerweise verstrichen viele Monate zwischen Edrics Besuchen.

Ganz besonders interessiert war Ariana an Edrics Erzählungen über die Tätigkeiten des Eroberers und die wagemutigen Heldentaten, die ihrem Gatten zugeschrieben wurden. Dabei war es keineswegs so, als kümmerte es sie, was aus Lyon wurde. Ganz im Gegenteil sogar. Diese Bestie ließ sie im Kloster schmachten. Soweit sie wusste, hatte er sich in all der Zeit nicht ein einziges. Mal nach ihrem Wohlergehen erkundigt. Lyon nie wieder zu sehen, wäre ihr nur allzu recht gewesen. Edric hatte ihr einiges von dem Klatsch berichtet, der Lyon mit einer reichen jungen Witwe namens Lady Zabrina aus York in Verbindung brachte. Danach hatte Ariana geradezu geschäumt vor Wut. Von ihr aus konnte sich der Löwe der Normandie ein ganzes Dutzend Mätressen halten und sogar noch mehr Bastarde mit ihnen zeugen! Wenn ihm nichts an ihr gelegen war, so war bei Edric das genaue Gegenteil der Fall, und das bewies er ihr, indem er geduldig auf sie wartete, obwohl er längst eine andere Frau hätte ehelichen können.

»Bist du es, Ariana? Dem Himmel sei Dank, dass du meine Nachricht. erhalten hast. Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Zu ihrer Erleichterung hatte Ariana das Gartentor ohne Zwischenfälle erreicht. Edric wartete dort schon auf sie und hatte ihren leichten Schritt gehört. Vorsichtig schob sie die Weinranken beiseite und spähte durch das Gitter.

»Ich bin hier, Edric. Warum warst du so lange nicht mehr hier? Ich hatte schon Angst, du hättest mich vergessen.«

»Nein, Ariana, eine so holde Maid wie dich würde ich nie vergessen. Ich war in Edinburgh, um mich mit König Malcolm zu beraten. Wenn alles gut geht, wirst du bald schon frei sein, und wir können heiraten, wie unsere Väter es sich für uns wünschten.«

»Bringst du Neuigkeiten von irgendeinem Aufstand mit? Ich höre überhaupt nichts hinter diesen Mauern. Ich hasse das. Die Äbtissin sagt, ich sei eigensinnig und ungehorsam. Meine Knie sind wund von den Stunden der Buße, die ich tun muss, um meine Sünden wieder gutzumachen, und mein Rücken ist schon ganz blau und schwarz von Stockschlägen. Ich verfluche den Tag, an dem ich hierher gebracht wurde, und ich hasse den Mann, der mich in diese Hölle verbannt hat.«

»Der Löwe ist in England ein mächtiger Mann geworden«, sagte Edric. »William bewundert seine Fähigkeiten. Er lässt seinen treuesten Gefolgsmann kaum von seiner Seite weichen. Du bist seine Gräfin, aber er bekennt sich nicht zu dir. Er ist ein arroganter Bastard, dieser Lyon.«

»Ich bin sein Eigentum – jetzt, wo er meinen Besitz hat, kann er es sich erlauben, mich zu ignorieren. Ich wünschte, ich wäre ihn los.«

»Amen«, pflichtete Edric ihr mit feierlicher Miene bei. Dann ergriff er durch das Gitter ihre Finger. »Ich habe dich immer geliebt, Ariana. Deshalb bin ich sofort gekommen, als ich hörte, dass Lord Lyon ...«

Er verstummte, weil eine strenge Frauenstimme in der Dunkelheit erklang. Ariana trat erschrocken zurück, als der Schein einer Fackel auf die Weinreben fiel. »Geh weg, Edric, schnell!«, flüsterte sie. »Sie haben uns entdeckt!«

Edric verschmolz mit der Dunkelheit, verärgert, dass sie gestört worden waren, bevor er Ariana sagen konnte, dass ihr Ehemann unterwegs war, um sie abzuholen.

»Mit wem sprichst du da, du unartiges Mädchen?« Ein unheilvoller Ton klang in der Stimme der Äbtissin mit, der nichts Gutes ahnen ließ für Ariana.

»Mit niemandem«, log Ariana und atmete erleichtert auf, als sie einen Blick durchs Gitter warf und sah, dass Edric bereits verschwunden war. »Ich konnte nicht schlafen, und deshalb bin ich hinausgegangen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen.«

»Lügnerin!« Die Äbtissin holte aus und schlug Ariana ins Gesicht. Es war ein so harter Schlag, dass Ariana taumelte. »Ich habe deutlich die Stimme eines Mannes gehört. Wie lange geht das eigentlich schon so? Du bist ein verdorbenes kleines Flittchen.«

»Da war kein Mann«, gab Ariana mit trotzig vorgeschobenem Kinn zurück. »Ich treffe mich mit niemandem.«

Die Äbtissin umfasste mit beiden Händen die Fackel und stieß sie hart in Ananas Richtung. Ariana wich zurück, bis sie den kalten Stein der Gartenmauer im Rücken spürte.

»Ich war in der Nähe und sah, wie Tersa dir eine Nachricht zusteckte. Und da war mir klar, dass ich dich nicht mehr aus den Augen lassen durfte.« Die Nonne schnaubte angewidert. »Tersa ist ein einfaches Mädchen und gar nicht in der Lage, einer strengen Befragung standzuhalten. Sie hat alles verraten. Sie sagte, du stündest in Verbindung mit einem Mann, seit du in dieses Kloster kamst. Tersa kennt den Namen des Mannes nicht, gab aber dennoch zu, dass sie dir für ein bisschen Geld die eine oder andere Nachricht überbrachte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Mann nicht dein Gemahl ist.«

»Nein«, beharrte Ariana. »Vielleicht hat das arme Mädchen nur aus Furcht gesprochen und Euch erzählt, was Ihr zu hören wünschtet.«

»Und vielleicht sagt sie ja auch die Wahrheit. Aber keine Angst, die kleine Tersa ist nicht mehr im Kloster. Sie wurde hart bestraft und in die Hütte ihres Vaters zurückgeschickt. Er hat versprochen, sie mit einem strengen Witwer mit sechs Kindern zu verheiraten, die dringend eine Mutter brauchen.«

Ariana hatte gleich ein schlechtes Gewissen, das arme Mädchen in eine solche Lage gebracht zu haben. »Das Mädchen hat nichts Unrechtes getan. Und auch ich habe mir nichts vorzuwerfen.«

»Du bist mit einem großen Mann verheiratet, oder hast du die Gelübde, die du vor einem Priester abgelegt hast, schon vergessen?«

»Oh ja, ich bin die rechtmäßig angetraute Frau des Löwen, aber gegen meinen Willen.«

»Das geht allen Frauen so. Sie heiraten, wenn es ihnen befohlen wird, ungeachtet dessen, was sie selber wollen. Warum, glaubst du, ziehen viele Frauen ein Leben in klösterlicher Abgeschiedenheit der Ehe vor? Nein, Ariana, dir geht es nicht anders als Hunderten anderer junger Frauen in unserem Land. Dein Ehemann scheint dich jedenfalls nicht sehr zu schätzen. Wenn er es täte, hätte er dich nicht unserer Obhut anvertraut und dich dann prompt vergessen. Du bist nur eine Gräfin von geringerer Bedeutung. Du musst unsere Regeln befolgen oder aber die Konsequenzen tragen.«

Ariana versteifte sich. »Ich habe den Rohrstock schon oft genug zu spüren bekommen.«

Die Äbtissin versetzte ihr einen brutalen Stoß. »Geh in deine Zelle und bete um die Vergebung deiner Sünden. Deine Bestrafung wird gleich nach der Frühandacht erfolgen, vor versammelter Kongregation. In der gesamten Geschichte von St. Claire gab es noch nie eine derart unfolgsame Person in unserem Orden. Wenn dein Gemahl von deinem beschämenden Benehmen erfährt, wird er dich streng bestrafen. Aber ich denke, ich werde ihm die Mühe ersparen.«

Ariana fuhr herum und flüchtete sich in das winzige Kämmerchen, das seit fünf langen Jahren ihr Gefängnis war. Sie hätte wenig Gnade von Lyon zu erwarten, wenn er hier wäre. Aber er war nicht hier. Er hatte Cragmere, einen Titel und eine Mätresse; er brauchte Ariana nicht.

Kurz nach der Frühandacht näherte Lyon sich dem Kloster von St. Claire. Die Kirchenglocke hallte noch vom letzten hellen Läuten. Er betätigte die Türglocke am Eingangstor und wartete dann darauf, dass ihm Einlass gewährt wurde.

In der nur schwach beleuchteten Kapelle kniete Ariana vor dem Altar, den Rücken gekrümmt, die Arme schützend über dem gesenkten Kopf erhoben. Die Äbtissin stand über ihr und schwang den Rohrstock, während mehrere düster dreinblickende Nonnen mit unbewegten Mienen zusahen.

Ariana unterdrückte einen Schmerzensschrei, als ein besonders harter Schlag sie zwischen den Schulterblättern traf. Sie wäre lieber gestorben, als der Äbtissin die Genugtuung zu geben, sie aufschreien zu hören. Jeder Schlag diente nur dazu, Arians Hass auf den Mann, der sie in diese Hölle gebracht hatte, noch zu vertiefen. Irgendwo in der Abtei hörte sie eine Glocke bimmeln, doch das Geräusch drang kaum in ihr Bewusstsein. Sie fühlte sich viel zu elend, um über den nächsten Schlag hinauszudenken.

Lyon klopfte ungeduldig gegen die Eingangspforte der Abtei und zog bereits ernsthaft in Betracht, die Tür einzutreten, um seine ihm rechtmäßig angetraute Ehefrau herauszuholen, falls es nötig war. Ehefrau ... Er hatte bisher kaum einen Gedanken an das temperamentvolle kleine Mädchen verschwendet, das er vor fünf Jahren in diesem Kloster abgeliefert hatte. Nun lächelte er bei der Erinnerung an sie. Ihre scharfe Zunge hatte ihn auf ihrer Reise zur Abtei den letzten Nerv gekostet, und er war sehr erleichtert gewesen, sie den fähigen Händen der strengen Äbtissin überlassen zu können. Er hoffte aufrichtig, dass fünf Jahre rigoroser Kontrolle und entsprechender Führung das unbeherrschte Naturell seiner kindlichen Braut ein wenig gedämpft hatten. Er war restlos überzeugt, eine ganz und gar veränderte Ariana von Cragmere vorzufinden. Statt einer scharfzüngigen Furie hoffte er eine sittsame, sanftmütige, gehorsame Ehefrau mit heim zu nehmen.

Gerade als Lyon mit seiner Geduld am Ende war, schwang das Tor an rostigen Angeln quietschend auf. Eine dürre, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Frau erschien in der Tür und duckte sich ängstlich vor dem hünenhaften Ritter, der in voller Rüstung vor ihr stand.

»Männer dürfen das Kloster nicht betreten«, sagte sie mit schriller Stimme, die deutlich ihre Angst verriet.

»Ich bin Lyon von Cragmere. Ich bin gekommen, um meine Frau zu holen«, sagte Lyon und stieß das Tor noch weiter auf. Die scheue kleine Nonne quiekte erschrocken und wich zurück. »Ich möchte die Äbtissin sehen.«

Die Nonne blickte voller Unbehagen über ihre Schulter und schluckte nervös. »Die Äbtissin ist im Augenblick ... nicht zu sprechen.«

»Dann werde ich eben drinnen auf sie warten.«

Die Nonne schielte misstrauisch zu dem halben Dutzend Bewaffneter, die Lyon begleiteten, und trat beiseite. »Wie Ihr wünscht, Mylord. Ich werde Euch in den Empfangsraum führen, wo Ihr warten mögt. Allein«, fügte sie hinzu. »Eure Männer dürfen Euch nicht begleiten.«

»Meine Männer werden draußen warten.«

Lyon ließ die Nonne vorausgehen und folgte ihr dann in das Kloster. Die Gänge waren still und verlassen; nirgends war jemand zu sehen, was Lyon äußerst merkwürdig erschien. Doch da er keine Ahnung hatte, wie Nonnen in einem Kloster lebten, schüttelte er seine Bedenken ab. Die Nonne führte ihn mit etwas übertriebener Eile an der Kapelle vorbei. Lyon, der dicht hinter ihr ging, verlangsamte ganz unwillkürlich seine Schritte. Die seltsamen Laute, die aus der Kapelle kamen, waren irgendwie beunruhigend. Und plötzlich dämmerte es ihm. Die klatschenden Geräusche, die er hörte, waren mehr als eindeutig für jemanden, der sich mit allen möglichen Instrumenten der Bestrafung auskannte. Offenbar wurde hier irgendein unglückliches Geschöpf geschlagen, und das anscheinend sogar sehr brutal. Lyon konnte sich nicht vorstellen, dass irgendeine dieser frommen Frauen etwas tat, das sündhaft genug wäre, um eine solch strenge Züchtigung zu verdienen. Seine Neugier gewann die Oberhand, und er blieb abrupt vor der Kapelle stehen.

»Nein! Ihr dürft nicht dort hineingehen.« Lyons Begleiterin hatte ihn vor der Kapelle zögern sehen und versuchte nun, ihn abzulenken. Doch ihr vehementer Widerspruch bestärkte Lyon nur noch in seiner Entschlossenheit.

»Das ist doch die Kapelle, nicht?«, sagte er und zog fragend eine Augenbraue hoch. »Vielleicht möchte ich ja beten.«

»Vi-vielleicht«, stammelte die Nonne. »Aber im Moment würde ich Euch nicht empfehlen, einzutreten.«

Ohne die Frau zu beachten, betrat Lyon das kleine Gotteshaus. Vielleicht hundert flackernde Kerzen erleuchteten den Altar. Die Szene, die sich Lyons Augen bot, war ein Bild geradewegs aus der Hölle. Die schwarz gekleideten Nonnen, deren weiße Hauben flügelähnliche Schatten auf die dunklen Wände warfen, sahen aus wie Geier, die ihr Opfer umzingelten. Das Opfer, sah Lyon, war eine kleine, in tristes Grau gekleidete Frau, deren Kopf ein weißes Tuch bedeckte. Sie kniete vor dem Altar und krümmte den Rücken unter den heftigen Schlägen der Äbtissin, die mit unübersehbarer Schadenfreude einen dicken Rohrstock schwenkte. Die kleine Frau schrie nicht ein einziges Mal auf während der Bestrafung, und Lyon wurde von tiefem Mitgefühl für das bedauernswerte Geschöpf erfasst. Er fragte sich, was für eine schreckliche Sünde sie begangen haben mochte, um eine solch grausame Bestrafung zu verdienen.

Da Lyon allerdings auch bewusst war, dass er nicht das Recht besaß, sich einzumischen, wandte er sich zum Gehen. Doch er zögerte einen Moment zu lange. In dieser winzigen Zeitspanne rutschte das weiße Tuch vom Kopf des Opfers, und Lyon schnappte unwillkürlich scharf nach Luft. Nur bei einer einzigen anderen Gelegenheit hatte er solch ungewöhnlich hellblondes Haar gesehen. Es war nicht wirklich blond, sondern mehr wie gesponnenes Silber, so fein und glänzend, dass es ihn beinahe blendete. Die Frau wandte ihm nun das Gesicht zu, und er wurde kreidebleich. Dieses energische kleine Kinn, diese hohen Wangenknochen kannte er.

Ariana von Cragmere.

Fünf Jahre waren vergangen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, und mit einem Mal erinnerte er sich wieder an jede Einzelheit ihrer Erscheinung. An den eigensinnigen Schwung ihrer geraden kleinen Nase, an diese hohen Wangenknochen, ihre vollen Lippen, die noch üppiger und roter waren, als er sie in Erinnerung hatte, die smaragdgrünen Augen und dieses wundervolle Haar. Bei Gott und allen Heiligen – was ging hier vor?

»Haltet ein!« Die Äbtissin, die ihren Arm schon zu einem weiteren Schlag erhoben hatte, hielt mitten in der Bewegung inne. Aller Augen richteten sich auf Lyon, als er kühn auf Ariana und die Äbtissin zuging.

»Lord Lyon!«, sagte die Äbtissin mit einem Anflug von Furcht in ihrer Stimme. Der Löwe der Normandie war ein mächtiger Großgrundbesitzer, den König William sehr verehrte. Es war ungemein bedauerlich, dass er ausgerechnet diesen Augenblick gewählt hatte, um das Kloster zu besuchen. »Was führt Euch in unsere bescheidene Abtei, Mylord? Ihr hättet im Empfangsraum auf mich warten sollen. Ich bin gleich hier fertig. Es war sehr nachlässig von der Pförtnerin, Euch einzulassen.«

»Grundgütiger Gott, Madam, was tut Ihr meiner Frau Gemahlin an?«

Ariana, die noch immer auf den Knien lag, warf einen Blick über die Schulter, aber sie war viel zu benommen, um die Bedeutung von Lyons Erscheinen zu erfassen. In ihrer Qual und Verwirrung erschien er ihr wie ein grandioser Retter, von Kopf bis Fuß in Silber und in Gold gehüllt, der in Furcht einflößendem Zorn vor ihr stand. Sie schloss die Augen und spürte, wie sie schwankte. Ihre hellseherische Gabe, die seit ihrem Eintritt in das Kloster nur noch selten aufgetreten war, überkam sie plötzlich wieder. Sie zitterte, als die dunkle Aura, die Lyon umgab, alles und jeden in der Kapelle auszulöschen schien. Sie nahm ihn wie ein verheerendes Unwetter wahr, das sich zusammensetzte aus allen Elementen eines Sturmes – Wind, Regen, Blitz und Donner – und wild und unerbittlich war in seiner Heftigkeit. Sie wusste sofort, dass eine so überwältigende Kraft imstande sein würde, alles zu zerstören, was in ihrem Weg lag.

Lyon sah Ariana gefährlich schwanken und hob sie Sekunden, bevor sie auf dem harten Steinboden zusammenbrach, auf seine Arme. Sie schrie einmal auf, als ihr wunder Rücken mit seinem Kettenpanzer in Berührung kam, und dann hörte sie auf, sich zu bewegen. Ihre Augen wurden glasig. Dunkelheit umgab Lyon wie ein unsichtbarer Vorhang, und Ariana sah sich in diese Dunkelheit hineingezogen und an ihr ersticken. Dann erschien das Schreckgespenst des Todes und grinste sie an, und das war das Letzte, was sie sah.

»Um Gottes willen, Ihr habt sie umgebracht!«, rief Lyon entsetzt. »Ihre Augen sind vollkommen verdreht, und ihre Haut ist eisig wie der Tod. Sie liegt reglos wie ein Stein in meinen Armen.«

»Das ist nichts, Mylord«, sagte die Äbtissin und tat Lyons Angst mit einer gleichgültigen Handbewegung ab. »Das ist nur eine Marotte von ihr, nichts weiter. Es ist schon des Öfteren vorgekommen, und sie kommt danach immer sehr schnell wieder zu sich.«

»Ist Ariana krank?« Aufrichtige Reue ließ Lyons harte Züge weicher werden. Er hatte geglaubt, das Kloster von St. Claire wäre ein sicherer Zufluchtsort für ein junges Mädchen, das Führung brauchte, denn sonst hätte er bestimmt einen anderen Ort für seine junge Braut gefunden. »Wieso wurde ich nicht darüber informiert?«

»Ach was, Mylord, Eure Frau Gemahlin erfreut sich bester Gesundheit. Wie ich schon sagte, es ist nichts als eine Marotte.«

»Ich werde sie in ihr Zimmer bringen, damit sie sich noch ein wenig ausruhen kann, bevor wir abreisen.«

Die Äbtissin bedeutete Lyon, ihr zu folgen. »Hier entlang, Mylord.« Lyon trug Ariana durch mehrere schmale Gänge, bevor die Äbtissin vor einem der vielen Kämmerchen stehen blieb, die den Korridor säumten. Als sie die Tür öffnete, blickte Lyon sich angewidert in der kargen Zelle um.

»Ist es das, wofür ich gutes Geld bezahle? Eine dunkle Zelle mit nichts als einer Pritsche, einem Stuhl und einem winzigen Fenster?« Er stieß eine ganze Serie von Flüchen aus, welche die Nonne so erschreckten, dass sie leichenblass wurde und sich bekreuzigte.

Lyon ging zu der Pritsche und legte Ariana behutsam auf den Bauch. Sie stöhnte leise, erwachte aber nicht. Mit grimmiger Entschlossenheit griff er in den Ausschnitt ihrer fadenscheinigen Tunika und riss sie einfach in der Mitte durch.

»Mylord! Was tut Ihr da?«

Das Gesicht der Äbtissin glühte förmlich vor Empörung, als sie zu Lyon hinübereilte.

»Ich möchte sehen, was Ihr meiner Frau Gemahlin angetan habt. Sie muss behandelt werden, wenn sie morgen reisen soll.«

Die Äbtissin runzelte die Stirn. Ariana von Cragmere zu verlieren würde einen beträchtlichen Einkommensverlust für sie bedeuten. »Ihr nehmt sie mit? Ich dachte, Ihr hättet sie für immer zu uns gebracht. Schließlich habt Ihr im Laufe der Jahre sehr großzügig zu ihrem Unterhalt beigetragen.«

»Ich nehme Lady Ariana mit heim nach Cragmere.« Ohne die lästige Präsenz der Nonne noch weiter zu beachten, löste Lyon vorsichtig die Ränder des zerrissenen Gewands von Ananas Haut und entblößte ihren wunden Rücken. Das Licht einer einzelnen Kerze fiel auf das Bett und offenbarte ihm das ganze Ausmaß der ihr zugefügten Schläge. »Jesus!«, zischte er.

Die Prellungen auf Ananas Rücken hatten sich schon dunkelrot gefärbt. Die Äbtissin musste sehr genau gewusst haben, wie hart sie zuschlagen konnte, denn sie hatte nirgendwo die zarte Haut verletzt. Doch Arianas Rücken war übersät mit Striemen, von ihren Schultern bis zum Ende ihres Rückens, wo ihr Po begann. Lyon bemerkte natürlich auch die anderen, schon gelben Striemen, die von früheren Schlägen herzurühren schienen.

Mit täuschender Gelassenheit wandte er sich zu der Äbtissin um. »Was hat sie getan, um eine so strenge Bestrafung zu verdienen?«

»Eure Frau Gemahlin ist ungehorsam und respektlos. Sie erkennt weder unsere Autorität noch Führung an. Sie ist eigensinnig und verbohrt, was genau die Charaktereigenschaften sind, die Euch damals so bekümmerten, als Ihr sie zu uns brachtet. Ihr hattet uns gebeten, ihr diese unschönen Eigenschaften abzugewöhnen und ihren Charakter völlig neu zu formen. Doch leider sind diese nur die geringfügigsten ihrer Sünden.«

Herrisch straffte die Schwester Oberin die Schultern und blickte auf die bewusstlose Ariana herab. Ihre nächsten Worte trieften förmlich vor Selbstgerechtigkeit und Widerwillen. »Mylord Lyon, es bekümmert mich zutiefst, Euch mitteilen zu müssen, dass Eure Frau Gemahlin sich heimlich im Schutz der Nacht mit einem Mann getroffen hat.«

Lyons Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Hat dieser Mann einen Namen? Und wie ist es überhaupt möglich, dass sie ihn getroffen hat? Ich dachte, die Klostertore wären des Nachts verschlossen.«

Die Äbtissin zuckte mit den Schultern. »Das sind sie auch, Mylord. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass Lady Ariana das Klostergelände verlassen hat oder ob dieser Mann es je betreten hat, doch sie hat sich auf jeden Fall mit ihm getroffen. Eines der Mädchen aus dem Dorf hat Botschaften zwischen diesem Mann und Ariana überbracht. Was seinen Namen betrifft, so werdet Ihr Eure Frau Gemahlin danach fragen müssen. Sie wollte ihn mir nicht sagen.« Die Äbtissin wandte sich zum Gehen. »Und nun werde ich Euch eine Salbe für ihren Rücken bringen lassen.«

Ariana bewegte sich und stöhnte. Ihr Rücken brannte, als ob er in Flammen stünde. Es waren die schlimmsten Hiebe, die sie in den fünf Jahren in St. Claire erhalten hatte. Waren ihre Verfehlungen so schwer wiegend gewesen?

»Bewegt Euch nicht. Die Äbtissin lässt eine Salbe für Eure Verletzungen bringen.«

Diese Stimme! Ariana erkannte sie sofort. Leise, dunkel und geradezu pulsierend von unbeugsamer Macht. Sie hatte nicht geträumt, dass Lyon hier war; sie hatte ihn sich nicht nur eingebildet. Der Gegenstand ihres Hasses stand vor ihr, mächtiger denn je, größer sogar noch, als sie ihn in Erinnerung hatte ... und schön ... heilige Jungfrau Maria, so schön, dass sie sich erst klar machen musste, dass er der leibhaftige Satan war. Dann aber wurde sie sich der Vision wieder bewusst, die sie von ihm gehabt hatte, und wich angsterfüllt vor ihm zurück.

Sie hatte den Tod gesehen.

Das Bild stand ihr nur allzu lebhaft vor Augen. Ariana hatte keine Ahnung, wessen. Tod sie vorausgesehen hatte, doch das düstere Schreckgespenst war unverwechselbar.

»Warum seid Ihr hier?«

»Um Euch heimzubringen nach Cragmere. William braucht dort einen starken Mann, um die Grenzgebiete vor König Malcolm zu beschützen.«

»Ihr wart ja schon immer sehr begierig, die Wünsche dieses Bastards zu erfüllen.«

Lyon bedachte sie mit einem schiefen Blick. »Und Ihr, Mylady, habt Euch Eure scharfe Zunge offenbar bewahrt. Dem Zustand Eures Rückens nach zu urteilen wage ich zu behaupten, dass die Äbtissin wohl nicht so tolerant war wie ich, was Eure störrische Natur angeht.«

Lyon starrte auf ihren Rücken, und Ariana kam plötzlich zu Bewusstsein, dass er nichts als nackte Haut dort sah. Sie spürte die Hitze seines Blicks und versuchte sich zu einer sitzenden Stellung aufzurichten. Doch die in der Mitte durchgerissene Tunika klaffte sogar noch weiter auf, rutschte über eine Schulter und entblößte die sanfte weiße Rundung einer ihrer Brüste. Falls Lyon sich bis dahin noch immer gefragt hatte, ob Ariana eine erwachsene Frau war, hegte er nun keinen Zweifel mehr daran. Bevor sie ihre Blöße bedecken konnte, erhielt er einen verführerischen Blick auf eine wohl geformte Brust mit einer zarten rosa Knospe.

»Ich bin kein Kind mehr, Mylord. Und ich fürchte, meine Zunge ist sogar noch schärfer geworden mit den Jahren.«

»Mir scheint, Ihr sprecht die Wahrheit. In beiden Punkten«, fügte er hinzu und blickte ganz bewusst auf ihre Brüste. »William hatte Recht. Es wird höchste Zeit, dass ich sesshaft werde und für Cragmere einen Erben zeuge. Doch zunächst einmal, Mylady, wüsste ich gerne, wer der Mann ist, mit dem Ihr Euch nachts trefft.«

Seine Stimme hatte eine Schärfe angenommen,, die Ariana einen kalten Schauder über den Rücken jagte. Sie hätte wissen müssen, dass die Äbtissin entzückt sein würde, Lyon von ihrer furchtbaren Verfehlung zu berichten, obwohl sie sich nicht mehr hatte zu Schulden kommen lassen, als durch die Gittertür mit Edric zu sprechen.

»Die Äbtissin irrt sich. Es gibt keinen solchen Mann.« Sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als Edrics Namen preiszugeben.

Lyon starrte sie an. Sie log. Das war unschwer daran zu erkennen, wie sie es vermied, ihn anzusehen. »Habt Ihr Euch einen Liebhaber genommen?«

Ariana lachte freudlos. »Einen Liebhaber? Es ist äußerst töricht, was Ihr sagt, Mylord. Die Äbtissin ist die Einzige, die den Schlüssel zu den Toren hat. Ich habe nur Probleme einzuschlafen und gehe manchmal nachts spazieren.«

»Es wird sich ja noch zeigen, ob Ihr lügt«, erklärte Lyon. »Sollte ich allerdings erfahren, dass Ihr unsere Gelübde gebrochen habt, dann werdet Ihr Euch so schnell innerhalb dieser Mauern wiederfinden, dass Ihr selbst nicht wisst, wie Euch geschieht.«

»Ich habe niemals Eure Frau sein wollen, Mylord.«

Lyon bedachte sie mit einem verärgerten Blick. »Ihr werdet in jeder nur denkbaren Hinsicht meine Frau sein, Lady Ariana. Ihr werdet das Bett mit mir teilen und meine Kinder gebären; Ihr werdet mir gehorchen und mir Treue schwören. Und Ihr werdet mir auch treu sein, Frau Gemahlin.«

Arianas Augen weiteten sich ängstlich, als ihr zu Bewusstsein kam, was seine Worte zu bedeuten hatten. Er würde sie womöglich gar zwingen, mit ihm das Bett zu teilen und ihm zu gehorchen. Es verstand sich von selbst, dass sie ihre vor einem Priester abgelegten Gelübde nicht brechen würde, doch sie würde auch nie – niemals! – einer normannischen Bestie Treue schwören.

Ihre grünen Augen brachten ihre Gedanken so klar zum Ausdruck, als hätte sie sie ausgesprochen.

»Oh doch, Mylady, es wird alles so geschehen, wie ich sagte.«

»Vielleicht, Mylord«, erwiderte sie mit einem zuckersüßen Lächeln. »Und vielleicht auch nicht.«

2. Kapitel

Ariana saß steif auf ihrem Pferd, als sie am Morgen darauf die Abtei verließen. Ihre Steifheit hatte sie zum Teil den Schlägen zu verdanken, die sie von der Äbtissin erhalten hatte, aber sie rührte natürlich auch daher, dass sie seit vielen Jahren nicht mehr geritten war. Es war lange her, dass sie zuletzt auf einem Pferd gesessen und die Freiheit genossen hatte, die das Reiten ihr gewährte. Allein sich außerhalb der Klostertore zu befinden ließ ihr Herz schon höher schlagen.

Ariana warf einen verstohlenen Blick zu Lyon hinüber, der in einiger Entfernung vor ihr ritt. Er hatte die gestrige Nacht mit seinen Männern draußen vor den Klostermauern verbracht, nachdem er ihre Verletzungen versorgt hatte. Heute Morgen war er dann schon kurz nach der Frühmesse gekommen, um sie abzuholen, und hatte auch gleich das Pferd mitgebracht, auf dem sie nach Cragmere zurückreiten sollte. Nun beobachtete Ariana ihn schweigend und war bestürzt über die verheerende Wirkung, die dieser normannische Eroberer auf sie hatte. Sie hasste ihn, aber sie konnte nicht umhin, vieles an ihm zu bewundern. Er hatte die Geschmeidigkeit einer Raubkatze, und man sah sofort, dass er seinen Körper sehr lange und sehr intensiv trainiert hatte.

Seine Arme waren mit beeindruckenden Muskelsträngen bedeckt, und seine Beine rechts und links seines mächtigen Streitrosses waren stämmig wie die Bäume in einem Wald. Er hätte sie mit einem einzigen Hieb seiner starken Hände töten können, ohne dass irgendjemand auch nur versucht gewesen wäre, ihn daran zu hindern. Ariana sehnte den Tag herbei, an dem dieser Eindringling und seine Kohorten bezwungen werden und England wieder den Angelsachsen gehören würde. Sie hoffte nur, dass dies schon bald geschah.

Der Ausdruck auf Lyons harten Gesichtszügen veränderte sich nicht, als er darauf wartete, dass Ariana zu ihm aufschloss. Die triste graue Tunika, die sie trug, konnte die üppigen Kurven ihres wohl geformten Körpers nicht verbergen, registrierte er. Angewidert verzog er das Gesicht über das makellose weiße Tuch, das ihr wundervolles silberblondes Haar verbarg. Wer hätte gedacht, dass dieser kleine Wildfang, den er vor fünf Jahren in das Kloster von St. Claire gebracht hatte, sich zu einer so bezaubernden Verführerin entwickeln würde?

Düster fragte er sich, ob sie sich wirklich einen Liebhaber genommen hatte oder ob die ganze Geschichte vielleicht nur der Phantasie der Äbtissin entsprungen war. Es schien höchst unwahrscheinlich, dass Ariana sich während ihres Aufenthalts im Kloster auf eine verbotene Liebesaffäre eingelassen hatte. Aber es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass so etwas passierte. Es gab nur einen Weg, es zu erfahren, und bald würde er schon herausfinden, ob Ariana ihre Gelübde gebrochen hatte. Und wenn er dann merkte, dass sie nicht mehr unberührt war, würde er sie ins Kloster zurückschicken, wo sie den Rest ihres Lebens damit verbringen würde, für ihre Fehltritte zu büßen.