Die Gesänge des Raben - Rabe Acht - E-Book

Die Gesänge des Raben E-Book

Rabe Acht

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Beschreibung

Kurzgeschichten aus dem Science-Fiction-Bereich: Abenteuer in fantastischen Welten, die die Helden und Heroinen vor hohe Herausforderungen stellen. Kämpfe mit der Natur fremder Planeten, die Durchführung von Aufträgen gegen den Widerstand feindlich gesinnter Wesen, Überlebenskampf im Weltraum, Widerstand gegen vorgefasste Meinungen, Normen und Traditionen, Kämpfe mit sich selbst, gegen Enttäuschung, Verurteilung und Ausgrenzung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 558

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Gesänge des Raben

Layout und Lektorat:

Helen Warnat

Titelbild und Zeichnungen:

Heide Warnat

Fantastische, romantische Science-Fiction Kurzgeschichten

Rabe Acht

IMPRESSUM

ISBN Softcover: 978-3-384-58574-5

ISBN E-Book: 978-3-384-58575-2

Lektorat von: Helen Warnat

Coverdesign von: Helen WarnatSatz & Layout von: Helen WarnatDruck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH

Heinz-Beusen-Stieg 5

22926 Ahrensburg

Deutschland

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

© 2025 Rabe Acht

Über das Buch

In diesem Buch sind Kurzgeschichten – manchmal auch längere – zusammengefasst, die über einen Zeitraum von 25 Jahren entstanden. Sie sind durchweg in fremden Welten angesiedelt, manche davon fremder als andere. Sie erzählen von Abenteuern, Herausforderungen, Heimtücke, Rettung, Schatzsuchen (wobei es sich nicht immer um Schätze im herkömmlichen Sinne handelt), bizarren Freundschaften, Vergeltung und... von der Liebe. In einigen tauchen Raben – oder zumindest fliegende Geschöpfe – auf. In allen geht es um Ozeane, ob nun aus Wasser, Gas, Sand, der unendlichen Leere oder der Zeit. Es handelt sich um Stoff aus Träumen zum Träumen...

Über den Autor

Rabe Acht ist der Achte dieses Namens und beileibe nicht immer schwarz. Nach den Pflichten des Nestbaus und der Jungenaufzucht war ihm langweilig. Man kann ja nicht immer bloß singen oder Walnüsse vor Autos werfen. Dies ist das Ergebnis seiner Träume von menschlichen oder unmenschlichen Welten. (Ihr kennt die Geschichte vom Menschen, der träumte, er sei ein Schmetterling, der träumte, er sei ein Mensch... hier ist er ein Rabe.)

Ehre den Meistern.

Inhalt

IMPRESSUM

Über das Buch

Über den Autor

An Stelle eines Vorwortes: Schiffe

Wüstenquell

Von Freaks und Monstern

Lieblingsfeind

Gefangene Träume

Die Tiden des Raumes

Auf der Suche nach Engeln

Dämonenfürst

Manchmal geschehen auch gute Dinge

Worterklärungen

An Stelle eines Vorwortes: Schiffe

Hart, nah am Wind

und den Wellen den schneidigen Bug.

hart, nah am Wind

und die Segel gebläht wie zum Flug.

hart, nah am Wind

um uns der Möwen Geschrei.

hart, nah am Wind

und das glitzernde Meer zieht vorbei.

Um uns stieben Nebelfetzen, Wellen steigen schaumgekrönt. Windgebrause, nur das letzte Hafenraunen rasch vertönt.

Sonne küsst des Meeres Weiten, Land taucht schimmernd aus dem Dunst.Männer grüßen, Wellen reitend, Kinder lachen, braun und jung.

Sturmgeheule, Wellenberge, Wellentäler bis zum Grund.Klabautermänner, Unglückszwerge, Segelfetzen – Todesstund.

All dies mindert nicht die Pracht, Majestät von Neptuns Reich.Manches Schiff sinkt in die Nacht – doch wir segeln – sternenweit.

Hart, nah am Wind

und den Wellen den schneidigen Bug.

Hart, nah am Wind

und die Segel gebläht wie zum Flug.

Hart, nah am Wind

um uns der Möwen Geschrei.

Hart, nah am Wind

und das glitzernde Meer zieht vorbei.

Wüstenquell

Weit im Süden des mächtigen Inselkontinents gibt es eine endlose Wüste, genannt Dahab al Katau. Himmelsstürmende Berge schotten sie ab vom fruchtbaren Land, nicht eine Wolke treibt über sie hin, noch nie traf auch nur der winzigste Regentropfen ihre sandigen Wellen, kein Fluss benetzt sie mit lebensspendendem Wasser, kein See spiegelt der glühheißen Danaar grausames Auge – nur Weite gibt es, ewig gleiche und doch stets andere Sanddünen, weiß leuchtenden Himmel – und mich, ihren wahren Herrscher.

Tachkaan nennen mich die wenigen Bewohner dieser Einöde, Winddämon. Ja, sie tun recht daran, mich zu fürchten. Denn ich habe die Macht, ganze Karawanen in den wandernden Dünen zu begraben, Unvorsichtigen das Fleisch mit Milliarden rasender Sandkörnchen von den Knochen zu schälen, die dürren Oasenfelder mit Schleiern unfruchtbaren Sandes zu bedecken und selbst ganze Oasen in Leichenhallen zu verwandeln. Mein ist die Wüste, mein.

Steinherz heiße ich unter den kleinen, bedeutungslosen Menschen, Dämonenhauch oder auch Atem der Hölle. Das alles kümmert mich nicht. Und doch – eine Geschichte hat sich in den Weiten meines Landes und im endlosen Meer der Zeit zugetragen, die sogar meinen heißen Atem stocken ließ und für einen winzigen Wimpernschlag einen Ahnung von Mitleid in mein staubiges Herz wehte.

Ich will sie euch erzählen.

Eines sonnigen Tages kam eine Kriegerin in die Dahab. Ob sie von den schroffen Felswänden des Korggangebirges herunterkletterte oder über die salzverkrusteten Klippen am Ufersaum des sterbenden Meeres stieg, vermag ich nicht zu sagen. Ich entdeckte sie von weit oben und entschloss mich aus einer Laune heraus, sie ein Stück ihres Weges zu begleiten. Als kreiselnder Sandteufel tanzte ich zu ihren Füßen, zerrte an der nachtschwarzen Vermummung, trieb ihr den Khalid über die Augen und polierte den über ihre Schulter ragenden, silbrig glänzenden Schwertknauf. Von ihrem Gesicht erblickte ich zuerst nur wenig – klugerweise trug sie eine schützende Sandmaske – doch ihr stetiges, unermüdliches Wandern nötigte mir widerwilligen Respekt ab. Allzu oft schon hatte ich Männer in Sand und Wind unter der erbarmungslosen Sonne sterben sehen, die von ihrer Stärke und Unbezwinglichkeit überzeugt gewesen waren.

Eine geheimnisvolle Aura umgab diese Kriegerin. Als es mir gelang, einen Zipfel ihres Khalids zu lüften, erblickte ich helle Haut und eisfarbene Augen – kalt wie der Winterfrost. Lippen, die mich an den sanften Schwung von Engelsflügeln erinnerten, nur waren sie jetzt fest aufeinander gepresst und rissig nach langem Dursten. Mehr bekam ich von ihr leider nicht zu Gesicht, doch unter den vielen Lagen schwarzen Stoffs schien sich ein sowohl kräftiger wie geschmeidiger Körper zu verbergen.

Tage wanderte sie so durch Hitze, Durst und Staub. Mit traumwandlerischer Sicherheit behielt sie die eingeschlagene Richtung bei, unbeirrbar fand sie den Weg durch das Dünenmeer, durch Tagesglut und die Schatten der Nacht – als verfüge sie über den Orientierungssinn der wilden dunklen Katzen. Nachts schlug sie das winzige schwarze Zelt auf, das sie vor mir schützte. Ihr beständiges Wandern fraß Entfernung und Zeit. Tage gerannen zu Wochen. Oh, ich kannte ihr Ziel. Es gab nur eine Möglichkeit, die am Ende ihres Pfades auf sie wartete – der Tod.

Doch vielleicht würde er sie ohnedies bekommen, diesmal ohne mein Zutun oder das anderer Dämonen. Das Wasser wurde ihr knapp. Der Inhalt der beiden zunächst gut gefüllten ledernen Wassersäcke schmolz dahin. Es gab keine Möglichkeit, sie erneut zu füllen, denn die wenigen Oasen auf dem Weg der Kriegerin waren bereits lange unter Sandstürmen begraben worden. Ich schaute zu, wie sie sparte, sich weniger und weniger gönnte, den Wasserschlauch von den ausgetrockneten Lippen fortriss. Die brennende Danaar, das Prickeln und Reiben unzähliger Sandkörnchen auf ihrer Haut und die langen Tage und kurzen Nächte taten das Ihre.

Meine fremde Schwertkämpferin mit den schneekalten Augen wurde schwächer und schwächer. Schließlich taumelte sie nur noch, schleppte sich mit purer Willenskraft und unter Aufbietung der letzten Reserven weiter. Eine Kämpferin – mit Leib und Seele, bis ins innerste Mark. Bewunderung schlich in mein staubiges Herz, Bewunderung und eine müde Traurigkeit. Ich meinte genau zu wissen, welches Ende ihrer harrte. Diese Fremde rief mir mein eigenes grausames Schicksal, das ich schon längst vergessen und begraben glaubte, wieder ins Gedächtnis.

Dann kam der Moment, in dem sie zusammenbrach. Nie hatte ich Anteil an den Sterbenden in der Wüste genommen – aber diese hier rührte mich. Einen Grund hätte ich nicht zu nennen gewusst, doch ich eilte zu ihrem Ziel, tobte, heulte, zerrte an Palmwedeln, wirbelte Sand und Steine durch die Luft und warf mich, mehr verzweifelt, denn wütend, gegen fest verbarrikadierte Fensterladen und Tore.

Es dauerte lange, oh, so lange. Erst nach endlos scheinender Frist begriff der Wassermeister, dass mein Wüten etwas zu bedeuten haben musste. Sowie er aus dem Halbrund der Felsoase mit den wabenartigen Höhlen darin trat, wurde ich still.

„Schnell, Dashrab″, herrschte er seinen Sohn und Nachfolger an, „schnell, mach dich auf die Suche. Nimm zwei Kedakhs, belade sie mit Wassersäcken und einer Trage. Eine Reisende, eine Kriegerhexe aus dem Norden – finde sie und bring sie her. Lebend!″

Der Jüngling starrte auf seinen Vater, dessen Eifer ihm absonderlich vorkam. Nie hatte der Wassermeister sich um das Leben oder Sterben von fremden Wanderern bekümmert. Es war ihr Leben und daher ihre Verantwortung. Die Oase hatte andere Probleme.

„Warum?″, wagte er zu fragen.

„Halt den Mund und tu, was ich dir befohlen habe!″ Ein harter Schlag mit der steif gegerbten ledernen Rute quer über das Antlitz des Jünglings verlieh seinen Worten Nachdruck.

Tränen sprangen ihm ob der unverdienten Zurechtweisung und der Schmerzen in die Augen, und doch – um seinen Mund legte sich ein Zug des Trotzes. Ohne weitere Fragen verneigte er sich, so tief, dass die schulterlangen schwarzen Locken über sein Gesicht fielen, und murmelte: „Euer Wort ist mir Gesetz, Meister.″ Darauf eilte er fort.

Ich heftete mich an seine Fersen, trieb ihn an und stäubte ihm ganze Schwaden von Staub und Sand in die Augen, wenn sein Vorankommen mich zu gemächlich dünkte.

Schon von weitem war das kleine dunkle Zelt im flirrenden Glast der Tageshitze zu sehen. Ungeduldig wartete ich, bis Dashrab es erreichte, es öffnete, in ihm niederkniete und die Gestalt darin auf Lebenszeichen untersuchte. Er lüftete den Khalid und nahm die Sandmaske vom Gesicht der Fremden. Nur ein einziger Blick auf das Antlitz genügte, um ihn erstarren zu lassen. „Bei der Goldenen... eine aus der Mörderzunft...″

Sacht rührte die Fremde den Kopf, brachte mühsam heraus: „Ich... bin keine... Mörderin...″ Ihr Kopf kippte zur Seite, sie verlor erneut das Bewusstsein.

Der Jüngling betrachtete sie noch eine Weile. Staunen und Mitleid mischten sich in seinen Zügen – und noch etwas anderes: Bewunderung, die allzu sehr meiner eigenen glich. Dann entsann er sich jedoch der Befehle seines Vaters, lief zu den geduldig im Sand verharrenden Kedakhs und schnallte einen der Wassersäcke los, den er darauf in das Zelt schleifte. Sobald er der Kriegerin Wasser über die aufgesprungenen Lippen träufelte, kam sie erneut zu sich. Hastig griff sie nach dem Wasserbehältnis, doch Dashrab verwehrte es.

„Nicht″, sagte er, „du schadest dir, wenn du in deinem Zustand zu hastig trinkst. Warte...″

Er schüttete etwas Wasser in seine Hand und ließ es Tropfen für Tropfen in dem Mund der Fremden rinnen. Sie hatte sofort nachgegeben, war zurückgesunken und schaute mit der Gier einer Verdurstenden auf die klaren Tropfen, die von den Fingern des Jünglings perlten.

„Mein Name ist Dashrab″, murmelte er, während er die geöffneten Lippen der Kriegerin und die fallenden Tropfen betrachtete, „ich wurde vom Oasenmeister geschickt, um dir zu helfen.″

Die Szene hatte etwas seltsam Intimes. Ich beobachtete die beiden. Oh, ich bemerkte durchaus die wachsende Bewunderung Dashrabs, die Dankbarkeit der Fremden und die verstohlenen Blicke, mit denen der Jüngling die Gerettete bedachte.

Ja, ich verstand ihn nur zu gut. Ein schlanker, kräftiger Körper, aufrecht wie eine gerade gewachsene stolze Zeder, wundervolle Kurven an den richtigen Stellen, ein feines, schönes, unnahbares Gesicht... sie war prachtvoll. Neid schlich in meine Seele.

Seine schlanken braunen Finger lagen auf dem Mund der Kriegerin, er wischte über die hohe klare Stirn, kühlte ihre Wangen – und die Bewunderung wandelte sich in Begehren. Als er jedoch den Hals hinabfuhr und das Gewand beiseite schieben wollte, packte sie die Hand mit der Bewegung einer zustoßenden Natter. Ihr Blick war kälter als die Nächte in der Dahab. Doch dann bemerkte sie das frische Mal und wies ihm fragend einen blutig benetzten Finger.

„Mein Herr und Meister hielt es für geboten, mich zu strafen... ich war zu langsam. Er sorgt sich um dich. Wenn du dich stark genug fühlst, sollten wir aufbrechen.″

„Meister?″, krächzte sie mit vom Sand und Durst rauer Stimme.

„Der Wassermeister der Oase des kreisenden Windes. Mein Herr und Vater.″

„Wenn er dich schlagen muss, damit du gehorchst, hat er dich wohl nicht genug gelehrt.″

Bedrückt verstummte Dashrab, doch ich sah Trotz und Scham auf seinem Gesicht. Mit einem harten Ruck zog er die Schnüre des Wassersackes zu, verknotete sie sorgsam. Dann baute er wortlos das Zelt ab, half der Kriegerin auf ein Reittier und stieg selbst auf das andere.

„Wie nennt man dich, schöne Fremde?″

„Kadyat″, erwiderte sie schroff, fügte aber nach kurzem Nachdenken hinzu, „der Rabenorden schuldet deinem Herrn einen Gefallen. Deshalb bin ich hier. Ich erfülle einen Auftrag.″

Sie stieß ihrem Kedakh die Fersen in die Seiten.

Nach einem halben Tag und der Hälfte der Nacht gelangten sie zur Oase. Der kreisende Wind – ja. Vor unermesslichen Zeiten hatten Wind und Sand einen Kreisel mit nur einem Zugang aus unter dem Sand verborgenen Felsen herausgefressen. Weitere Klippen wuchsen im Rücken des Kreisels empor, schirmten ihn so vor den gewaltigen Sandkaskaden der Wanderdünen und den Stürmen ab. In den Fels selbst hatten urzeitliche Wüstenbewohner Höhlen geschlagen, sie mit Treppen, Pfaden und Verbindungswegen versehen. Ein paar dürre Palmen fristeten am Eingang des Kessels ihr kärgliches Leben, magere Gärtchen und winzige Felder wurden im Schatten der Klippen beackert. Der eigentliche Wert der Oase bestand allerdings in ihrer günstigen Lage. Jede Karawane rastete hier, die Händler kauften Wasser und ergänzten ihren Reiseproviant. Mehr aus Langeweile, denn aus wirklichem Interesse peitschte ich die Palmwedel.

Abermals taumelte die Fremde, sobald sie von ihrem Kedakh abgestiegen war. Wenn Dashrab ihr nicht um die Hüfte gegriffen und sie gestützt hätte, wäre sie gestürzt.

„Fass sie nicht an, du Dummkopf!″, gellte die Stimme des plötzlich aus dem Dunkel getretenen Wassermeisters, „sie wird dich vergiften und verderben, schlimmer als der größte Stachelschwanz. Lass sie los, sofort!″

Nicht mal ich hatte Dashrabs Vater aus der Felswand treten sehen. Im Moment schien er mir die weitaus gefährlichere Kreatur zu sein. Widerspruchslos hatte der Jüngling Kadyat losgelassen und war beiseitegetreten. Halt suchend griff sie nach dem Sattel, straffte sich und brachte heraus: „Eure Botschaft hat die Ordensmutter erreicht. Sie schickt Grüße und mich, das Gelübde zu erfüllen.″

„Hoffentlich taugst du mehr als die Grüße″, warf der Meister verächtlich hin. Bei der Beleidigung zuckte der Kopf der Kriegerin hoch, ihre Augen schleuderten Blitze aus kaltem Feuer. Noch bezwang sie Empörung und Zorn.

„Bring sie in Adbaks alte Behausung und lass ihr einen Wassersack da. Dann kommst du sofort zurück.″

„Aber Herr″, wagte sein Sohn einzuwenden, „Adbak starb doch an der zehrenden Krankheit. Was geschieht, wenn die Kriegerin...″

„Schweig!″, bellte der Wassermeister, „das Unheil nennen, bedeutet es herbeizurufen. Für diese da gelten unsere Gesetze nicht. Tu endlich, was ich dir sage!″

Misstrauischen Blickes verfolgte der Herr der Oase, wie sein Sohn den Anordnungen nachkam. Sobald Dashrab zurückgekehrt war, gab ihm der Wassermeister einen groben Stoß in den Rücken und knallte die Balkentür wuchtig hinter sich zu. Knirschend rastete ein Metallriegel ein.

Stille senkte sich herab. Bedrückend und schwer. Niemand schien sich um das Wohl der Fremden zu bekümmern, weder in dieser Nacht, noch am folgenden Tag.

Erst als die nächste Nacht bereits weit fortgeschritten war und die beiden Monde am Himmel zu verblassen begannen, weckte mich das behutsame Schleichen einer dunkel gewandeten Gestalt. Ich folgte ihr lautlos. Wenn ich will, kann ich so leise sein wie die scharfzahnige Dhuyu. Als der Schatten vor Adbaks morscher Tür innehielt, sie öffnete und geschmeidig in die Wohnhöhle glitt, wusste ich schon, wer er war.

Falls er gehofft hatte, die Kriegerin schlafend zu finden, so sah er sich getäuscht. Obgleich noch immer geschwächt, mit rissigen Lippen und blauen Schatten unter den Eisaugen, erwartete sie ihn bereits sitzend, mit einem schmalen Dolch in der Faust. Argwöhnisch betrachtete sie den Jüngling. Sobald sie aber den Krug in seiner Hand und den nach frischem Brot und Käse duftenden Lederbeutel über seiner Schulter entdeckte, wurden ihre Züge weicher. Der Dolch verschwand in der ledernen Unterarmscheide. Schweigend sah sie zu, wie Dashrab Schale und Löffel vor sie hinstellte, aus dem Krug leise glucksend Suppe in die Schale goss und zuletzt Brot entzweibrach, um ihr ein großes Stück davon anzubieten.

„Danke″, noch immer hörte sich selbst ihre Stimme wund und rau an, „ich war schon am Verhungern.″

Ein unvermittelt aufblitzendes Lächeln machte sie noch schöner und schlug den Jungen vollends in ihren Bann. Er beobachtete, wie sie aß, reichte ihr Brot und Käsebrocken, sprang auf, um den Wassersack herbeizuholen und schenkte erneut Suppe in die rasch geleerte Schale.

Nach einer ganzen Weile lehnte sich die Kriegerin auf dem mit umgedrehten Rikkahfellen bedeckten Lager zurück. Erneut schenkte sie Dashrab ein Lächeln. Mein Herz aus Stein und Staub erbebte vor Neid.

„Schickt dich dein Vater?″

„Nein.″ Finsternis flog über sein Gesicht. „Wieso hat er dich überhaupt kommen lassen, wenn er dich jetzt gar nicht beachtet?″

Gleichmütiges Schulterzucken gab ihm Antwort, noch gleichmütigere Worte: „Was er will, ist nicht von Bedeutung. Ich diene der Göttin.″

Scheu senkten sich Dashrabs Augen auf ihre bloße weiße Schulter. „Du erfüllst ein Gelübde?″

„Das des Ordens und meines.″

„Schade.″ Er seufzte, unverkennbar sehnsüchtig. „Du bist so schön.″

Die Kriegerin lachte leise auf, einmal nur, darauf musterte sie den Jüngling mit neuem Interesse. „Nein, nicht so ein Gelübde. Unsere Göttin besitzt ein großes Herz. Sie missgönnt uns die Freuden des Lebens nicht. Aber täusch dich nicht″, sie hatte sehr genau die aufblitzende Hoffnung in Dashrabs Gesicht bemerkt, „mein Anblick würde dich entsetzen. Ich trage ihr Zeichen.″

„Wenn du willst″, er ergriff behutsam ihre Hand, drehte sie und küsste mit weichen Lippen die blau pulsierende Ader unter der hellen Haut des Gelenks, „...lass es uns versuchen.″

„Bist du sicher? Hast du keine Angst vor mir? Sogar dein Gebieter fürchtet mich.″

Dashrab blickte auf, seine Finger streichelten die zarte Haut, die die Muskeln ihres Unterarms bedeckte. „Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich noch nie eine Frau wie dich gesehen habe. Schön, stolz... hart.″

„Dazu gehört wahrhaftig nicht viel″, spottete Kadyat und ließ ihn nachsichtig gewähren, als er den Khalid löste und sacht von ihrem Kopf nahm. Erstaunt betrachtete er das kurze blauschwarze Haar, das sich wie eine glänzende Kappe um die Form ihres Kopfes schmiegte. Nur an der linken Schläfe schmückten neun lange, dünne, völlig weiße Zöpfe ihr Haupt, jeder mit einer daran befestigten, abermals blauschwarzen Feder verziert. Fast ehrfürchtig hielt er inne, zeichnete dann mit leichter Hand die Form ihres Mundes nach, neigte sich behutsam zu ihr. Die Lippen der beiden trafen sich. Oft schien der Junge noch nicht geküsst zu haben, denn die Kriegerin lehnte sich nach einer Weile zurück, um ihn mit zum Teil verständnisvollem, zum anderen Teil leicht amüsiertem Ausdruck in den Augen zu betrachten. „Dein erstes Mal?″

Beschämt senkte er den Blick, murmelte: „Verzeih mir, wenn ich das noch nicht gut kann...″

„Wir müssen alle erst lernen. Kämpfen... und küssen auch. Deine Unschuld ist bezaubernd. Möchtest du weitermachen?″

Auf sein eifriges Nicken hin stieß sie einen belustigten Laut aus, griff nach seinem Nacken und zog ihn näher. „Öffne deinen Mund″, raunte sie, „streichle mich mit deiner Zunge, warte, ob es dir gefällt.″

Gehorsam tat er, was sie verlangte. Wenn Dashrab zunächst noch von der Sprödigkeit ihrer Lippen sowie der Neuartigkeit der Erfahrung irritiert war, so wandelte sich seine Zaghaftigkeit schon bald in Leidenschaft.

Ich verfolgte voller Eifersucht, wie seine Hände, erst unbeholfen, dann zunehmend begehrlicher, über Kadyats Körper glitten, die letzte Lage der Djuraba über ihre Knie und die Schenkel hinaufschoben, Schultern und Brüste umfassten. Behutsam tastete seine Hand sich ihren Schenkel empor, verschwand unter der dünnen Schicht des Stoffes. Die Kriegerin griff nach der Hand, führte sie. Er hob kurz die Lippen von ihrem Mund. „Hier?″

„Genau da.″

„Ich will dir nicht wehtun″, flüsterte er mit vor Verlangen rauer Stimme.

„Das tust du nicht... im Gegenteil.″

Ein genießerisches Seufzen bestätigte ihre Worte. Darauf berührte sie ihn, zog seinen Kopf näher und legte ihre Lippen auf seinen Nacken. Dashrab spürte ihre Zähne und Zunge sacht an seinem Hals, ihre Hand, die ihn umfasste und rieb. Ein erstickter Laut löste sich aus seiner Kehle, Leidenschaft entflammte ihn.

Als er sich jedoch anschickte, das dünne Gewand über die Schultern der Kriegerin hinabzuziehen, hielt sie seine Hände fest. Ihre Blicke senkten sich mit seltsamer Eindringlichkeit in die des Jünglings. „Das brauchst du nicht. Du kannst mich auch so haben... ohne das.″ Sie hielt selbst mit einer Hand das Gewand am Hals fest, während sie mit der anderen den Stoff höher ihren schlanken, sehnigen Schenkel emporschob.

Dashrab lachte ungläubig auf. „Ich habe keine Angst vor dir, wenn du das denkst. Ich will dich sehen... Schneeprinzessin.″

„Bist du sicher?″

Hastiges Nicken, Küsse auf die den Stoff festhaltenden Hände. Er kniete vor ihr auf den Fellen, sah ihr Zögern und riss sich mit einem Lächeln das eigene Gewand vom Leibe.

Der stolze Jagdgott Ayanthus selbst hätte ihn um seine geschmeidige Anmut, die haarlos nussbraune Haut und die langen schlanken Glieder beneidet. Dunkles, gelocktes Haupthaar fiel über Schultern und Rücken. Ganz offensichtlich war er nur allzu bereit für die Liebe. Auch die Fremde zeigte sich beeindruckt, ich bemerkte sehr wohl die Anerkennung in ihren Blicken. Trotzdem fühlte sie noch Zweifel. Dashrab hingegen zauderte nicht mehr. Geschickt streifte er die Djuraba der Kriegerin bis auf die Hüften hinunter.

Sie wusste genau, warum sie sich so gewehrt hatte. Ich sah das Mal eher als der Jüngling, weil seine Augen zuerst auf den vollkommen geformten üppigen Brüsten verweilten. Voller Zärtlichkeit umschloss er mit seinen Händen Kadyats Brüste, liebkoste sie und neigte sich begierig vor, um sie zu küssen. Erst in diesem Augenblick sah er. Entsetzt prallte er zurück, keuchte auf: „Das Zeichen der Mörder...″

Die Kriegerin erstarrte. „Das Zeichen der Göttin″, berichtigte sie kalt. Dann straffte sie sich, zog sich zurück, gab sich den Blicken des Jungen preis. Zwischen ihren Brüsten befand sich ein dunkles Mal von der Form eines Raben mit ausgebreiteten Flügeln. Groß war er und hob sich überdeutlich von Kadyats heller Haut ab. Doch das war noch nicht einmal das eigentlich Bestürzende. Der Rabe hatte Augen. Zwei schwarzglänzende Perlen saßen in seinem Kopf, wuchsen aus der Brust der Kriegerin. Zweifellos lebten sie, beobachteten blinzelnd die Umgebung.

Der ganze Umriss machte einen äußerst lebendigen Eindruck, ich erwartete unwillkürlich, den Raben mit den Flügeln schlagen zu sehen.

„Das ist noch nicht alles″, meinte Kadyat und wandte Dashrab mit energischem Ruck ihren Rücken zu. Federn wuchsen dort, gaben getreulich das Abbild des Raben auf ihrer Brust wieder. Nachtschwarze Schwingen, ein Fächerschwanz.

Sie verharrte, bis sie Dashrabs leises Seufzen vernahm, drehte sich darauf wieder ruhig zu ihm.

„Du gehörst der Göttin″, flüsterte er atemlos.

„Falsch. Ich diene der Göttin mit dem weißen Raben auf der Schulter, gehöre jedoch mir selbst. Ich führe ihre Aufträge aus, treffe allerdings stets meine eigenen Entscheidungen. Auch dies ist in ihrem Sinne.″

„Sie sieht, was du tust.″

Die Kriegerin erwiderte nichts. Alles, was sie noch hätte sagen können, war bereits gesagt. Mit einer sehr endgültigen Geste zog sie ihre Djuraba wieder über die Schultern, warf dem Jungen seine eigene mit raschem Schwung zu.

Auch Dashrab schwieg. Nur ich las das stumme Eingeständnis seiner Schuld von seinen starren Lippen und aus den plötzlich eckig gewordenen Bewegungen seiner Hände. Ungelenk zerrte er sich sein Gewand über den Leib, rutschte vor der Fremden zurück, bis seine Knie den Boden vor der Bettstatt berührten. Er senkte die Stirn kurz auf das Lager, griff nach dem Saum von Kadyats Djuraba und küsste sie. „Ich bin dein Sklave″, murmelte er in den Stoff, spürte gleich darauf die sanfte Berührung in seinem Haar.

Behutsam hob Kadyat seinen Kopf. „Du bist, was immer du sein möchtest.″ Bedauern machte ihre Züge und Stimme weicher. „Vielleicht ein anderes Mal. Geh jetzt, beeil dich. Sonst hat dein Herr und Vater wieder Grund, dich zu züchtigen.″

Fast hoffte, nein – erwartete - ich, Dashrab würde es sich doch noch anders überlegen, aber nach einigem Zögern schließlich neigte er nur abermals den Kopf vor Kadyat und huschte schweigend aus der Höhle.

Am Abend des dritten darauffolgenden Tages kehrte er wieder. „Mein Herr schickt nach dir. Er sagt, es sei nun an der Zeit, die Schuld abzutragen.″

Still verharrte er, während die Frau sich vollständig ankleidete und die Waffen anlegte. Nur den Khalid behielt sie in der Hand, und die Sandmaske steckte sie ins Gurtband. Schließlich musterte sie den Jüngling auffordernd.

Traurigkeit lagerte in seinen, tiefen Brunnenschächten gleichenden Augen. Sie hatte ihn nicht eines einzigen Wortes gewürdigt. Mit einem unhörbaren Seufzer öffnete er das Tor und schritt in die langen roten Schatten Danaars.

Sobald Kadyats Augen sich dem seltsamen Licht angepasst hatten, konnte sie erkennen, dass im steinernen Kreis der Felsen sämtliche Bewohner der Windoase Aufstellung genommen hatten. Wie ein zweiter dunkler Kreis umschlossen sie das Zentrum, das vom Wassermeister und einer zu seinen Füßen ruhenden Gestalt eingenommen wurde.

Kadyat verhielt gleichfalls den Schritt, sowie ihr Führer langsamer ging und endlich verharrte.

In den letzten Sonnenstrahlen warteten die Anwesenden reglos auf ein Wort ihres Meisters. Die Autorität eines Wassermeisters war in sämtlichen Oasen ungeschriebenes Gesetz, man brachte ihm Respekt und Vertrauen entgegen. In seinen verantwortungsvollen Händen lagen oft Leben oder Tod der Bewohner. Nur in dieser Oase war alles anders.

Endlich streckte er seinen Arm aus, wies auf die Kriegerin. „Seht, diese ist eine der Mörderhexen vom nördlichen Rand der Welt. Im Namen der eiskalten Rabengöttin ziehen sie durch die Lande und erfüllen ihren Willen. Tod, Leid und Blut zeichnen ihre Bahn. Sie kam auf mein Geheiß, ich habe sie beschworen - denn nur eine Hexe hat die Macht, eine Hexe zu töten. Sie wird unsere beweinten Toten rächen und die Mahrin bannen.″

Ein lauter Seufzer lief durch die Versammelten, als hätte mein heißer Atem sie gestreift. Plötzlich kam Unruhe an einer Stelle des Kreises auf, eine der schwarz verschleierten Gestalten riss sich von anderen, die sie zu halten suchten, los und stürzte mit einem qualvollen Schrei auf den zu Füßen des Meisters liegenden Körper zu. Weinend umarmte sie die leblose kleine Gestalt, riss sich den Schleier herunter und zerkratzte sich unter gellenden Schreien die Wangen. Eine noch junge Frau war es – und das Kind war ihres – gewesen. Das kleine Mädchen lebte nicht mehr. Dunkle Lider deckten für immer eingesunkene Augen, der Mund erschien blass und bläulich in einem fahlen spitzen Gesichtchen.

Oft schon hatte ich Leichen mit diesen Zeichen erblickt. Vom durstigen Dämon geküsst nannte man solcherart Gestorbene. Ich wusste, wer diese Küsse austeilte, doch mir vermochten sie nichts mehr anzuhaben. Tachkaan blieb unerreichbar für durstige Dämonen.

Mit herrischer Gebärde brachte der Wassermeister die weinende Frau zur Ruhe, verscheuchte sie mit einer weiteren. Darauf winkte er der Kriegerin, näherzutreten. Sowie er sicher sein konnte, dass Kadyat zu sehen vermochte, was er ihr zeigen wollte, kniete er beim toten Kind nieder, enthüllte den Leichnam und drehte den Kopf des Mädchens zur Seite.

Abermals wehte ein Seufzer durch die Versammelten.

„Sieh her, Hexe! Diese Wunden am Hals des Kindes rühren von Lippen und Zähnen der Dämonin. Nur eine Berührung – und jedermann ist ihr verfallen. Bis zum Tode. Für uns ist es unmöglich, ihr aus dem Wege zu bleiben, weil sie an der einzigen Quelle in Reichweite unserer Oase haust. Dort sucht sie ihre Opfer, lauert ihnen auf und tötet sie.

Die Oase des kreisenden Windes war einst reich. All unseren Reichtum verschwendeten wir für nutzlose Versuche, diese Dämonin – eine Plage Phaggas – loszuwerden. Das Ergebnis siehst du hier. Jetzt sind wir arm, und du bist unser letzter verzweifelter Versuch, den Fängen der Abscheulichkeit an der Quelle Herr zu werden. Hilf uns, Eishexe, ich fordere es beim Schwur deiner Ordensmutter!″

Er log, dieser Sohn einer streunenden Dschinni, diese Kloake an widerlicher Gier, dieser verrottende heimtückische Kadaver mit einem abgrundhässlich bösen Geist – stinkender als die Schwefelsümpfe. Oft genug hatte ich mir Einlass in seine Schatzkammer verschafft, denn mich hemmten weder Riegel noch Schlösser. Gold türmte sich dort zuhauf, in dreifach versiegelten Kästen hortete er schwarze Perlen, Diamanten und die glutwabernden Tränen der sterbenden Göttin. Unermesslicher Reichtum lagerte in einer der tiefsten Kavernen, gut verschlossen und verborgen. Alles, was die verängstigten Bewohner seiner eigenen Oase, die er schützen und erhalten sollte, zur Rettung ihrer Kinder aufgebracht hatten, stopfte er in seine eigene Tasche. Niemand außer ihm selbst wusste von dem Verrat. Nur ich, Tachkaan. Aber er würde büßen, eines sonnigen Tages. So viel wusste ich auch.

Kühlen Blickes, beinahe unbeteiligt wirkend, hatten die hellen Augen der Kriegerin das Geschehen verfolgt. Jetzt richtete Kadyat das Wort an den allzu hochmütigen Wassermeister: „Ich danke dir für meine Rettung, für Wasser und Obdach...″

Sie wollte noch mehr sagen, doch der hochfahrende Herr der Oase unterbrach sie grob: „Spar dir das Gerede. Du wirst deine und die Schuld deines Ordens erst mit dem Tod der Dämonin bezahlt haben. Geh, mach dich an deine Arbeit!″

Ihr Kopf ruckte hoch und voller Erstaunen sah ich, dass auch um ihren Mund ein arroganter und grausamer Zug liegen konnte. „Das ist weder deine, noch meine Entscheidung.″

Die Worte wurden leise gesprochen, doch der Tonfall überkrustete selbst meine heiße Haut mit Eiskristallen.

„Wessen dann?!″, schäumte der Wassermeister.

„Die der Göttin.″

Die Kriegerin packte ihren lederumwickelten Schwertgriff, zog es mit einem metallisch schabenden Geräusch aus der Scheide und stieß es in den Boden. Obwohl er von den Tritten hunderter Generationen Oasenbewohner steinhart gestampft worden war, glitt die Klinge wie in Wasser.

Ein seltsames Schwert war das. Nie während meines vieltausendjährigen Daseins hatte ich ein vergleichbares erblickt. Die Klinge spiegelte die Gestalt einer Flamme wider, in drei blauen Wellen schwang sie sich bis an die Spitze. Beidseitig des Griffes flankierten zwei kürzere Flammen die mittlere. Blau leuchtete das Metall, tiefblau wie das Salzmeer. Nur manchmal lief ein überraschend kräftiger goldener oder roter Schimmer die Klinge entlang, um an der Spitze funkelnd zu verglühen.

„Soll das schon alles gewesen sein, wessen du fähig bist?″ Hämisch grinsend fuhr der Wassermeister sie an: „Mit den Tricks einer Jahrmarktsdiebin kannst du hier gar nichts erreichen. Die Dämonin ist durch profanes Metall weder zu verwunden noch zu töten...″

Ein Blick, eisig wie der Nordsturm, würgte seine respektlosen Worte ab. „Schweig! Erweise der Göttin deine Ehrerbietung!″

Tatsächlich verstummte der jähzornige Mann – und nicht nur er. Atemlose Stille herrschte im Rund des lebenden Kreises, indes die Ordensfrau vor dem Schwert niederkniete, das Oberteil ihrer Djuraba abwarf und den Schwertgriff mit der Rechten umklammerte, während ihre Linke die blanke Klinge umschloss. Sofort sprang das Blut hervor, rann die geschwungenen Bögen herab und tropfte auf den heißen Boden, von dem es gierig aufgesogen wurde.

Ein dritter Seufzer löste sich aus den Kehlen der Oasenbewohner. Jeder sah im Licht der untergehenden Sonne das Hexenmal und die schwarzen Federn auf der knochenweißen Haut ihres Rückens.

Nur ich erkannte sowohl das angstvolle Staunen als auch die Begierde der hier versammelten Männer. Sie verstanden überhaupt nichts – wie eigentlich immer. Unmutig wirbelte ich ihnen stechend scharfe Sandkristalle in die glotzend aufgerissenen Augen, sodass sie zu sich kamen und für eine Weile damit beschäftigt blieben, Sand und Tränen fortzureiben.

Die Kriegerin indes führte ihre blutende Hand zu ihrer Brust. Das Rabenmal reibend, bis es völlig mit Blut beschmiert war, kniete sie weiter stumm vor dem Schwert. Schließlich fiel ihre Hand herab. Noch immer versickerten Blutstropfen im durstigen Boden.

Alle Versammelten im steinernen Oasenrund konnten sehen, wie die schwarzen Federn ein wundersames Eigenleben gewannen, sich bewegten, flatterten, wuchsen – bis sich endlich ein echter großer Rabe aus dem Rücken der Kriegerin freikämpfte und mit kräftigen Flügelschlägen und harten Stößen seiner Krallen das Gefängnis aus Fleisch verließ. Krächzend schwang er sich auf Kadyats Schulter, beäugte geneigten Kopfes die fassungslose Runde.

Die Verwandlung hatte Kadyat wehgetan, ich bemerkte, wie sie ihre schmerzverzerrten Züge mühsam unter Kontrolle brachte.

„Die Göttin hat dich erhört″, bemerkte sie in Richtung des Oasenherrn.

„Du wagst es, dich im Angesicht der versammelten Gläubigen zu entblößen?! Bedecke dich, du schamlose Metze!″

Die Kriegerin kniete, hatte ihre Kraft noch nicht wiedererlangt. Ihr geflügelter Gefährte hingegen flatterte auf, steuerte mit trägem Flügelschlag auf den Wassermeister zu und zog ihm gelassen seine Krallen durchs Gesicht. Daraufhin kehrte er auf seinen Platz zurück.

Der Meister griff sich verblüfft an die Wange. Rot quoll es zwischen seinen Fingern hervor. Blut, diesmal sein eigenes, frohlockte ich. Wider Erwarten äußerte er sich nicht zu der Attacke, starrte lediglich mit fest aufeinander gepressten Lippen zu Frau und Vogel hinüber.

Kadyat hatte sich indes erhoben und zudem die Zeit genutzt, um sich wieder angemessen zu kleiden, einschließlich des Khalid. Lediglich die Sandmaske steckte immer noch im Gurtband. Nun, im Moment würde sie dergleichen nicht benötigen, denn ich hatte nicht im Entferntesten vor, die Kriegerin zu behelligen. Dafür war ich viel zu neugierig.

„Wo finde ich die Dämonin?″

Eifrig trat der Sohn des Wassermeisters an ihre Seite. „Ich werde dich führen. Folge mir...″

„Du wirst nichts Derartiges tun, oder du bist mein Sohn nicht mehr!″, schrie sein Vater ihn an. Sowie er das Unverständnis – nicht nur des Jünglings, sondern auch vieler der versammelten Bewohner – bemerkte, setzte er etwas versöhnlicher hinzu: „Die Rabenfrau hat mit dieser Arbeit mehr Erfahrung. Du würdest dich gefährden und damit sie.″

„Aber jemand muss ihr doch zeigen, wo...″

Kadyat legte ihre Hand auf den Arm des empörten Jünglings und schüttelte den Kopf. „Dein Vater spricht die Wahrheit. Bleib hier. Das ist sicherer. Für dich und für mich ebenfalls.″

Ein Augenblick großäugiger Verletzung, gefolgt von überraschend sanftmütigem Einlenken. Nicken. „Es sei, wie du wünschst. Geh in Richtung der untergehenden Danaar, halte dich an die Felsen zu deiner Linken. Mit dem Kedakh braucht man ein Viertel der Nacht, du wirst, wenn du rasch ausschreitest, dort sein, wenn beide Monde den höchsten Punkt ihrer Bahn erreicht haben. Man sagt, dann sei die Macht der Dämonin am stärksten.″ Er zögerte, murmelte: „Kehr zurück, ich bitte dich... und möge die Goldene dich beschützen.″

Die Kriegerin ließ ihre Blicke über die Oasenbewohner wandern. Darauf verneigte sie sich tief vor ihnen, wandte sich dem blutenden Himmel zu. Eine schwarze Gestalt vor flammendem Rot.

Voller Verblüffung blieben die Oasenbewohner noch eine Weile stehen, unschlüssig darüber, was nun zu tun sei. Vereinzelt kam Gemurmel auf, wurde jedoch gleich darauf von der lauteren Stimme des Wassermeisters übertönt, der Befehle in Richtung seiner Schutzbefohlenen bellte. Der Kreis begann auszudünnen, dunkel vermummte Gestalten sickerten still in Richtung der Wohnhöhlen.

Unmutig verfolgte ich, wie die Bewohner der steinernen Oase nach und nach in ihre Behausungen zurückkehrten. Hatten sie denn gar nichts begriffen? Waren sie alle blind und taub? Oder wollten sie nicht verstehen? Nur Dashrab schien mit dem Verhalten seines Vaters nicht einverstanden, nur er schien die Kaltherzigkeit und Grausamkeit des Wassermeisters überhaupt zu bemerken. Allerdings war dem Herrn der Oase der stumme Widerstand seines eigen Fleischs und Bluts ebenso wenig entgangen. Wortlos stieß er ihn in die finster gähnende Toröffnung – und dann hörte ich die Ledergerte pfeifen...

Ganz allmählich, mit den länger werdenden Schatten, die die in brennendes Rot und Orange getauchten Dünenkämme mit Dunkelheit überzogen, kehrte Ruhe in der Oase ein. Ruhe ja, aber kein Friede.

Gemächlich machte ich mich auf den Weg. Ich wusste ja, wo die Rabenfrau zu finden sein würde. Sie wenigstens würde keinen Verrat begehen, ehrenhaft wie sie war. Grund genug hätte sie allerdings gehabt.

Kadyat schritt zügig aus. Sie gestattete sich nicht einmal den winzigsten Gedanken der Ablenkung, blieb ganz auf ihre Aufgabe fixiert. Dem kreiselnden Sandteufel an ihrer Seite schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit. Oh nein, Kadyat benötigte keineswegs die halbe Nacht, um die Quelle zu erreichen, sie war viel schneller. Wenn der Wassermeister geahnt hätte, wie schnell, dann hätte er sie wohl noch länger aufgehalten.

Plötzlich stockte ihr Schritt. Sie blickte nach oben und ich mit ihr. Wo noch vor einem Wimpernschlag nur Fels und der dahinter liegende Schlund der Höhlenquelle zu sehen gewesen waren, stand mit einem Mal eine Gestalt auf der Klippe. Hell hob sie sich gegen die anthrazitfarbenen Felsen ab. Weite viellagige Schleier umwehten sie – ganz ohne mein Zutun. Still und erhaben schaute sie auf die Herannahende herunter.

„Wer bist du?″, fragte Kadyat laut. Echos wanderten durch die Felsen, brachen sich, kehrten als unverständliches Raunen zu ihr zurück. Geheimnisvoll. Beängstigend.

Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie Antwort erhielt. „Ich denke, das weißt du. Bist du nicht gekommen, um mich zu bekämpfen?″ Traurig schüttelte der helle Schemen den Kopf. „Dies ist mein Reich. Überschreite nicht den magischen Kreis, wenn du leben willst. Geh fort von hier, zieh deines Weges, Rabenkriegerin.″

In Kadyats Hirn überschlugen sich die Gedanken. Eine Warnung? Von wem? Sollte dies die viel geschmähte Dämonin sein?

Etwas trieb mich, ihr zu helfen. So flog ich den Fels hinauf, um den Schleier vom Gesicht des Nachtmahrs zu reißen. In einem ebenmäßigen, obwohl wachsbleichen Antlitz leuchteten unter schön geschwungenen goldenen Brauen die Augen in einen fahlen Gelbgrün. Mit drachengleich geschlitzten Pupillen schaute die Dämonin in die Welt. Nur schade, dass sie die Lippen geschlossen hielt, der Anblick ihrer dolchartigen Eckzähne wäre Kadyat Warnung genug gewesen.

„Was macht dich so sicher, dass ich es bin, die sterben wird? Vielleicht bist du es ja auch.″

Erneut blitzte etwas wie Traurigkeit oder möglicherweise Mitleid in den Augen der weiß gewandeten Gestalt auf, bevor sie mit dem Fatalismus eines wahren Wüstenkindes nickte und erwiderte: „Gut denn, wenn du dich so nach dem Tod sehnst, so komm.″ Sie breitete die Arme aus, hob sie ein wenig an. „Komm zu mir, schöne Fremde.″

Kadyat überschritt ohne zu zögern den magischen Kreis. Schneller als der Wüstenwind, schneller als Tachkaan selbst, war die Dämonin über ihr, versuchte sie zu berühren, mit Lippen, Zähnen, Händen, Fuß und Leib. Jedoch ein schwarzer flatternder Schatten warf sich ihr stets in die Bahn. Laut krächzend, mit wild schlagenden Flügeln und kräftigen Schnabelhieben, die vornehmlich nach der Dämonin Augen zielten, schützte der Götterbote seine Gefährtin. So bekam Kadyat Gelegenheit, ihr Schwert zu ziehen.

Sobald die weiße Dämonin die Flammenklinge erblickte, keuchte sie entsetzt auf und zuckte zurück. Sie unterbrach ihren Angriff, erstarrte, bot urplötzlich den Anblick einer Marmorstatue.

Um Kadyats Lippen legte sich ein spöttisches Lächeln. „Na, wer von uns wird dem Tod ins Auge schauen?″, stieß sie hervor, während sie heftige Streiche gegen die zurückweichende Gestalt austeilte. Schlangengleich, geschmeidig wie eine Sandviper suchte die Dämonin auszuweichen, begab sich dabei jedoch erneut in die Reichweite des angriffslustigen Raben. Ein heftiger Schnabelhieb – Blut floss von der Schläfe – ein Kratzen mit den Krallendolchen – tiefe Risse in Schulter und Rücken. Das helle Gewand färbte sich rot. Sie floh.

Jubel schwoll in mir, ich tanzte, wühlte den Sand auf, stäubte ganze Kaskaden in die Höhe, stieß kleine Steine von der Klippenkante, heulte im Eingang zur Quellenhöhle.

Kadyat hingegen zeigte sich weit weniger zufrieden. „Bei Vayras weißen Vögeln″, schimpfte sie, „wir haben sie erwischt, aber sie ist noch am Leben. Jetzt müssen wir sie suchen gehen... in der Höhle. Lieber stiege ich bei Nordwind auf den heiligen Berg der Göttin selbst...″

Der Rabe, der inzwischen wieder auf der ihm gebührenden Schulter Platz genommen hatte, krächzte zustimmend. Die beiden machten sich an den Aufstieg.

Es gab zwar einen von Generationen wasserschleppender Frauen ausgetretenen Pfad, doch seit die Höhlenquelle nur noch tagsüber und auch dann nur unter Lebensgefahr betreten werden konnte, hatten Steinschlag, Zeit, Sand und ich ein Übriges getan. Mehrfach sah sich Kadyat genötigt, Steinbrocken wegzuschieben, über sie hinwegzuklettern oder am Rande des Abgrunds entlang zu balancieren. Wie die Oasenfrauen es vermochten, hier Tag für Tag wassergefüllte schwere Schläuche herabzuschleppen, blieb mir ein Rätsel.

Die Kriegerin hatte ihr Ziel fast erreicht. Da plötzlich tauchte die von ihren Schleiern umwehte Dämonin erneut am Rand der Höhle auf. Zu meiner nicht geringen Bestürzung war sie nicht allein.

Auch in der Rabenfrau schoss Schreck empor, mit kalten Fingern strich die Angst ihren Rücken hinab. Nicht Angst um sich, wohl aber Angst um die zweite Gestalt neben der Dämonin.

„Dashrab″, flüsterte sie entgeistert, „aber er sollte doch sicher in der Oase bleiben. Ich verstehe das nicht.″

Tachkaan hingegen schon. Ich verstand ihn nur zu gut. Leidenschaft tobte in dem Jüngling, ein Feuer, das ihn sämtliche vernünftigen Erwägungen und jeden guten Rat in den Wind schlagen ließ, ihn zu unüberlegten, dummen und tollkühnen Taten hinriss. Er wollte helfen, beschützen, was er lieb gewonnen hatte. Ohne Zweifel hatte er noble Motive, was er aber damit anrichten würde... zurzeit dachte sein Herz, nicht sein Kopf. Doch wer bin ich, ihn zu tadeln? Wie könnte ich... Er hielt mir nur den Spiegel vor.

Die spitzen Klauen der Dämonin strichen mit trügerischer Sanftheit über Dashrabs Halsbeuge, verharrten an der pochenden großen Ader. Ihr Lächeln entblößte überlange weiße Fänge. „Nun, Eisauge, wer gewinnt jetzt?″

Gemächlich neigte sie sich dem Jüngling zu, berührte scheinbar zärtlich mit den Spitzen ihrer Zähne seine Haut – trotzdem rann ein dunkel glänzender Faden seinen Hals hinab, um im Stoff der Djuraba zu versickern.

„Nein!″, schrie die Rabenkriegerin auf, „tu ihm nichts! Lass ihn gehen!″

„Ahhh...″ Ein Finger tauchte in das Blutrinnsal, wurde genießerisch abgeleckt.

„Er gehört bereits mir, schöne Fremde. Wenn ich ihn rufe, wird er zu mir kommen, immer wieder, bis...″

„Nein, ich bitte dich. Was verlangst du, damit er frei ist?″

Die Dämonin streckte eine Hand aus, winkte. Verführerisch. „Komm zu mir.″ Dann schlug der Ton um, sie befahl: „Ohne dein Schwert. Ohne deinen Raben. Komm schnell, sonst überlege ich es mir vielleicht noch anders.″ Diesmal leckte ihre Zunge über Dashrabs Hals, fing die roten Tropfen auf.

Kadyat kam. Was blieb ihr auch übrig, wenn sie das Leben des Jungen retten wollte? Ja, sicher, sie hatte eine Wahl. Und sie traf ihre Entscheidung.

Ihr Schwert stieß sie tief in eine Sandwehe am Eingang zur Quelle, nahm behutsam den Raben von ihrer Schulter und setzte ihn auf den Schwertgriff, auf dem er gehorsam, mit schräg geneigtem Kopf und blinzelnden klugen Augen sitzen blieb. Dann folgte sie der Dämonin ins finstere Loch der Höhle. Dashrab blieb, in Trance erstarrt, reglos am Eingang zurück.

Düsternis umschloss uns, von weit unten drang der murmelnde Gesang der Quelle wie eine schöne Verheißung an unsere Ohren, und die Füße der beiden Frauen tappten achtsam die zu runden Mulden geformten Stufen einer schier endlosen Treppe hinab.

Auch ich begleitete die Kriegerin, ich, der grausame, steingewordene Tachkaan. Als lau säuselnder Hauch strich ich am Gewölbe entlang. So weit, wie ich gern gewollt hätte, war ich wohl doch nicht vom flammenden Herzen des Jünglings entfernt.

Je tiefer wir hinabstiegen, desto feuchter wurde der Gang zur Quelle. Flechten und Moose bedeckten die Wände, Nässe sickerte den Stein herunter. Ab und an klatschte ein Tropfen laut in eine Pfütze, schuf wandernde unheimliche Echos. Diese Quelle musste vor Äonen ein mächtiger unterirdischer Fluss gewesen sein. Im Laufe seines Daseins hatte er nach und nach labyrinthische Wege, Ausbuchtungen, Abzweigungen und Kavernen in den Fels genagt.

Hierher kam ich selten, und so fiel mir auch jetzt erst ziemlich spät der Schimmer glitzernder Adern in einigen der Felswände auf. Es mochte sich durchaus um wertlose Kristalle handeln, doch so recht glaubte ich nicht daran. Daher rührte also der Reichtum der Oase.

Auch die Hand der Kriegerin glitt über die lichtsprühenden Bänder. Ein kaltes Licht. „Was ist das?″

Die Dämonin stieß ein kurzes, empörtes Schnaufen aus. „Was glaubst du wohl? Die Seelen der Toten.″

Kadyat zuckte verständnislos die Schultern. „Du redest dummes Zeug.″

Im Eingang zum eigentlichen Quellgewölbe hielt die Dämonin inne und wandte sich langsam um. „Pass auf, was du zu mir sagst. Ich habe keinen Grund, dich zu belügen.″ Ihre Zähne blitzten. „Komm.″ Sie ging voraus.

Wir erreichten einen schönen, einen magischen Ort. Obwohl draußen Nacht herrschte und wir uns zudem tief im Berg befanden, konnten wir alles gut erkennen. Das Licht schimmerte unirdisch, wurde von den mit Moosen, Flechten und Algen bewachsenen Wänden ausgestrahlt. Aus mehreren Gängen im Fleisch des Berges ergoss sich Wasser in ein tief ausgewaschenes Becken, klar und kühl. Die überlaufende Flüssigkeit rann in ein weiteres, dann ein drittes, unterhalb der beiden anderen gelegenes ausgedehntes Becken, von dem aus sie endlich in einen Bach mündete, der nach kurzem Lauf plätschernd unter den Steinen des Berges verschwand.

Ich berichtigte mich. Dieses Wasser war der wahre Reichtum der Oase. Es sicherte den Bewohnern das Überleben.

Atemlos vor Staunen, tauchte die Rabenkriegerin ehrfürchtig ihre Hände ins Wasser. „Und ich wäre fast verdurstet...″

„Ja, nicht wahr?″, stimmte die Dämonin zu. „In der Oase könnten gut doppelt so viele Yeshdabs leben.″

Kadyat fuhr, urplötzlich von Zorn erfüllt, herum. „Damit du dann über noch mehr Futter verfügen könntest?!″

Wenn sie ihr Schwert hätte ziehen können, wäre es wohl um die Dämonin geschehen gewesen. Kadyat ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Du irrst dich.″ Abermals lag dieser undeutbare Zug von Trauer um den Mund der anderen Frau. „Wenn es mehr wären, vielleicht fände sich ja einer, der den Vertrag lösen könnte...″

Sie setzte sich auf einen das Höhlenrund umlaufenden Sims. Ich wusste, diese scheinbar entspannte Haltung würde sie nicht wesentlich verlangsamen, wenn sie sich für den Angriff entschied, hindern gleich gar nicht. Im Moment sah es zwar nicht so aus, doch wer vermochte schon zu ahnen, was wirklich in der Dämonin vorging.

Kadyat unterbrach meine Grübeleien. Sie nagte von innen an ihren Wangen, brachte sich nur mühsam unter Kontrolle. Ihre Wut war fast greifbar. „Was für einen Vertrag?″

„Mit dem Wassermeister″

„Mit dem Wassermeister? Ich verstehe nicht.″

Wieder ein Seufzer. „Das dachte ich mir.″ Sie zögerte ein wenig. „Weißt du, ich habe stets gehofft, dass jemand wie du kommen würde, jemand, der wirkliche Macht besitzt. Alle vor dir waren zu schwach.″ Eine halb hilflose, halb wegwerfende Geste. „Dich konnte ich nur deshalb besiegen, weil dieser Junge dir wichtig zu sein scheint...″

„Was willst du eigentlich?″, fuhr die Rabenkriegerin ungeduldig dazwischen.

Sie war schneller, als ich befürchtet hatte, stand nach einem Herzschlag so dicht vor Kadyat, dass sie nur einen Finger heben musste, um die Rabenfrau auf ewig in ihrer Gewalt zu haben. Auch die Kriegerin war sich dessen nur zu bewusst. Sie wich aus, gedankenschnell... schnell genug? Mit lautem Klatschen stürzte sie rückwärts in das größte Wasserbecken, tauchte luftschnappend auf und schaute empört auf die Dämonin.

Die geheimnisvolle Frau lächelte. „Ich hatte nicht die Absicht, dich ins Wasser zu werfen. Verzeih.″

„Das hast du nicht. Ich bin von allein hineingesprungen.″ Trotz ihres Misstrauens musste Kadyat lachen.

„Komm wieder heraus... bitte. Du wirst dich noch ertränken. Und dann kannst du mir nicht mehr helfen.″

„Warum sollte ich?″ Die Frage ließ offen, wofür sie galt. Kadyat schien weder das eine noch das andere vorzuhaben. „Im Übrigen lernen wir Ordensfrauen bereits in jungen Jahren schwimmen, in der Hinsicht musst du dich nicht ängstigen.″

Die Situation begann, mich zu amüsieren. Befand sich nun die Rabenkriegerin in der Gewalt der Dämonin oder war es doch eher umgekehrt?

„Aber du musst herauskommen, wenn du mir helfen willst, bitte″, drängte die schleiergewandete Dämonin. „Hör mir wenigstens zu. Das kannst du doch ohne Skrupel und ohne einen Verrat an deiner Göttin zu begehen. Und ohne Verpflichtung. Ich verspreche auch, dass ich dich nicht angreifen werde.″

„Und du gibst mir dein Wort, dass du Dashrab gehen lässt.″

Ernsthafte Zustimmung. „Er war nur das Kedakhkalb für die Dhuyu. Ich wollte dich.″

„Wozu?″ In der Frage lag ein aufmerksamer Ton, der rasch in das vorherige Misstrauen und Feindseligkeit umschlagen konnte.

Auch die Dämonin spürte das wohl. Drängend meinte sie: „Ich will es dir ja erklären. Komm nur erst aus dem Wasser.″

„Hast du Angst? Du hast Angst vor dem Wasser. Wieso?″

Die Dämonin schaute mit zusammengezogenen Brauen auf Kadyat, als verriete sie ihr bestgehütetstes Geheimnis. Nun, vielleicht tat sie genau das.

„Es tötet mich″, murmelte sie, „fließendes Wasser bringt mich um. So, jetzt weißt du, wie du mich ganz schnell loswerden kannst. Du musst mich nur in die Quelle werfen.″

„Ha! Und sie damit auf unbestimmte Zeit vergiften? Den Teufel werde ich tun.″ Kadyat stemmte sich auf den Rand des Steinbeckens und kletterte hinüber. Ströme von Wasser rannen aus der Djuraba, die klatschnass an ihrem Körper klebte. Ein hübscher Anblick für den alten Tachkaan. Sie nahm auf dem Rand des Beckens Platz, so konnte sie immer noch rasch genug ausweichen, falls die Dämonin wider Erwarten ihr Versprechen brechen würde.

Kluges Kind, frohlockte ich.

„Na los, ich hör dir zu. Fang an.″

„Du musst wissen, dass ich noch nicht so lange hier bin...″

„Lange genug″, murrte die Rabenfrau, „jedenfalls für die Kinder der Oase.″

„Ja, aber das war wirklich nicht meine Wahl. Der Wassermeister befahl es mir.″

Kadyat wollte auffahren, doch die Dämonin hob beschwichtigend eine Hand. „Er fand mich in den Felsen. Es war noch Nacht, doch bald würde die grausame Danaar aufgehen und mich verbrennen, mich auf ewig in Phaggas Reich der tiefen Welt verbannen, ohne Hoffnung auf Läuterung und Wiederkehr. Ich war schwach vom langen Marsch durch die Wüste. Heute weiß ich nicht einmal mehr, wie ich das eigentlich geschafft habe... Tags unter erdrückenden Sandbergen begraben, nachts wandernd, immer ohne Nahrung. Ich befand mich am Rande meiner Existenz. Sobald ich diese Felsen erreichte, konnte ich mich nicht mal mehr mit Sand vor der Goldenen schützen. Ich war bereits halb tot, als er mich entdeckte und seine Chance witterte. Er sagte, er würde mir den Eingang weisen, wenn ich...″ Sie verstummte und starrte blind vor sich hin.

„...wenn du was?″

Die Dämonenfrau blickte suchend zu Boden, einer ihrer Krallenfinger kratzte am Fels des Simses. Unvermittelt hielt sie einen glitzernden Kristall in der Hand, streckte sie Kadyat entgegen. „Die Yeshdabs glauben, dass ihre Seelen nach dem Tod in die Felsen wandern. Jede reine Seele verstärkt den Wall gegen die Wüste, und eines Tages werden die Berge so hoch sein, dass sie den Sand aufzuhalten vermögen.″ Sie schaute auf, die glühenden Drachenaugen weit geöffnet.

Verletzt? Unschuldig? Das ganz bestimmt nicht. Sie hatte getötet. Doch das hatte ich auch. Möglicherweise tat es ihr leid.

„Es stimmt. Jedes Wort ist wahr. Nur werden die Seelen nicht zu bloßem Fels, sondern zu kostbaren Kristallen, je reiner, desto wertvoller.″ Sie wies auf einen dünnen Faden bläulicher Lichtaugen. „Da. Das war ein junges Mädchen. Zehn Jahre alt. Die Ader der Blutsteine da drüben stammt von einem vierzehnjährigen Knaben... und diese Himmelstränen von einer Braut. Und da sind noch mehr. So viele. Durch mich erst erlangten diese Klippen unermesslichen Reichtum.″ Ihre Augen schwammen.

In Kadyat kochte es. „Du Monstrum! Du wagst es, von Reichtum zu sprechen? Du hast den Yeshdabs das Kostbarste genommen, was sie jemals hatten – ihre Kinder. Ihre Zukunft! Weißt du nicht, dass es ohne Kinder keine Zukunft für diese Oase geben wird? In ein paar Jahrzehnten tanzt nur noch der Wind im Steinkreisel. Dann wirst du ebenfalls bekommen, was du verdienst.″

„Warte, ich bin nicht fertig...″

Die Rabenfrau wischte den Einwand beiseite. Sie war zu zornig. „Und obendrein bist du auch noch so unverfroren, mich um Hilfe zu bitten?! Warum sollte ich? Statt dir zu helfen, werde ich...″

„Nicht, warte. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Der Wassermeister wusste um diesen Zauber. Ich kann nicht sagen, woher, aber er wollte die Steine, er wollte den Reichtum. Und er wusste auch, wie er mich dazu zwingen konnte, ihm den zu beschaffen.″ Der Kopf der Dämonin sank gegen die Felswand. Eine einzelne Träne rann ihre Wange hinab. Rasch wischte die Frau sie fort.

„Er wartete ganz einfach, bis Danaar über den Horizont stieg. Ich begann zu verbrennen. Solche Schmerzen... ich wollte nicht, aber ich schwor letztlich, ihm zu gehorchen. Er trank von meinem Blut... Seit diesem Zeitpunkt bin ich dazu verdammt, auf seinen Befehl hin die Kinder zu töten und ihm die Kristalle ihrer Seelen zu bringen. Früher, vor meiner Vertreibung aus Bat et Bharat, bevor ich in die Wüste gehen musste, habe ich nie Kinder genommen. Nur Mörder, Räuber, Halsabschneider, Vergewaltiger. Jetzt handle ich wider meine Natur. Es schmerzt mich, doch ich bin machtlos.″

In Kadyat verdichteten sich die Wolken. Gewitter drohte, wütender Sturm. Bald würden die ersten Blitze zucken... Mit finster gerunzelter Stirn, sich mühsam zur Ruhe zwingend, hatte sie aufmerksam gelauscht.

„Vor mir kamen schon andere, um gegen dich zu kämpfen. Alles nur Tarnung? Der Wassermeister, ich weiß, er ist stolz, grausam, nichtachtend allem gegenüber, was ihm fremd ist, herablassend... gierig. Doch warum würde er seine eigenen Leute dem Durst einer Dämonin preisgeben? Und ich, was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?″

„Weißt du, es gibt in der Oase nur noch neun Kinder. Sieben von ihnen sind die des Meisters. Die wird er mir bestimmt nicht geben. Meine Zeit hier nähert sich also dem Ende, so oder so. Wenn du ihn tötest, bin ich frei und kann fort von hier. Ein Ort mit so viel Wasser ist nicht der richtige Platz für mich.″

„Ich könnte auch dich töten. Damit wäre das Problem ebenfalls aus der Welt!″, fauchte die Rabenkriegerin.

„Ja. Das könntest du. Damit hätte auch mein Leid ein Ende.″

Überraschend weich. Nachgiebig. Es mochte gut sein, dass sie doch nicht die Schuld trug – jedenfalls nicht die alleinige. Immerhin hatte sie die Wahrheit gesprochen. Ich konnte das bestätigen.

„Was schlägst du also vor?″ Kadyat hatte sich etwas beruhigt, während sie Wasser aus ihren weißen Zöpfen wrang.

„Du dienst Vayra, der Göttin mit dem weißen Raben auf der Schulter.″

Zustimmendes Knurren. Die Dämonin fuhr fort: „Du wurdest als Assassine ausgebildet, trägst ihr Mal, bist in der Lage, dich mit bestimmten Tieren zu verständigen... damit verfügst du über Fähigkeiten, die gewöhnliche Sterbliche nicht haben.″

Erneutes Einverständnis. Mit größerer Vorsicht sprach die Dämonin weiter: „Deine Worte vorhin über den Wassermeister...wenn du ihn genauso hasst, wie ich, wärst du unter gewissen Umständen bereit, ein Bündnis mit mir einzugehen. Auf eine bestimmte Zeit nur, selbstverständlich.″

Kadyat unterbrach ihre Tätigkeit, ließ die Zöpfe fahren. Mit wieder neu erwachtem Misstrauen musterte sie die Dämonin. „Sag mir erst deinen Namen″, forderte sie hart.

„Ich habe dir bereits so viel von mir erzählt. Du solltest mir trauen.″

„Ja. In etwa so, wie einer Sandviper. Deinen Namen.″

Die schleiergewandete Frau wand sich. „Früher... bevor ich so wurde, hieß ich Prinzessin Eishe. Bitte, lass es damit genug sein. Du weißt, wenn ich dir meinen wahren Namen sage, ist deine Macht über mich unbegrenzt. Dieses Geheimnis konnte ich sogar vor dem gierigen Wassermeister und der glühenden Danaar verbergen... bitte.″

Die Rabenkriegerin schwieg eine Weile, schob die Lippen vor, während sie überlegte. Ich fürchtete ernsthaft, sie würde sich beschwatzen lassen. Dämonenzungen sind alle gleich. Sie schmeicheln, verführen, verspritzen süßes Gift. Sie überreden. Sie lügen alle.

„Nein.″ Das hörte sich sehr schroff an. Endgültig. „Ohne deinen wahren Namen zu kennen, bin ich nicht zu einem Bündnis bereit. Ich frage mich, wie viele Menschen du schon mit deinen süßen Worten bezirzt hast, um sie später, bei passender Gelegenheit, zu verraten. Nein, auf keinen Fall. Kein Name, kein Bündnis.″

Ein halb unterdrücktes Stöhnen drang aus Richtung der Dämonin. Kadyat hörte es, fuhr etwas versöhnlicher gestimmt fort: „Ich will dir auch sagen, weshalb. Du wärst in den Lage, mich jederzeit deinem Willen zu unterwerfen, mich zu beherrschen – durch deine dämonischen Fähigkeiten. Du sprachst vorhin davon, dass ich als Assassine der Göttin Vayra nicht mehr ganz Mensch sei, sondern mehr als das. Damit hast du Recht. Doch du, du hast dein menschliches Leben völlig aufgegeben. Du bist eher vergleichbar mit einem Raubtier, das mühelos seine Beute schlagen kann. Ich muss dich aber aufhalten können... durch deinen Namen. Nur gleichwertige Partner schließen lohnende Abkommen. Also überleg es dir.″

Die andere Frau benötigte nicht lange. Sie nickte fatalistisch, stand auf und tippte sich mit einem Finger flüchtig auf Herz, Mund und Stirn. Darauf verneigte sie sich anmutig und sprach: „Nun denn... mein wahrer Name, gegeben vom Fürsten der Dämonen höchstselbst, ist Zaran. Ihn nennen, bedeutet, mich herbeizurufen.″

Bei ihren Worten lief ein Leuchtfeuer aus Licht über die vielen Kristalladern. Die Seelen der Toten bestätigten ihren Namen.

„Zaran also. Ich heiße Kadyat.″

Die Dämonenfrau zuckte zusammen.

Die Kriegerin fuhr fort, als hätte sie nichts bemerkt. „Was werden wir also tun?″ Mit dieser Frage erklärte sich die Rabenfrau zum Bündnis bereit.

„Bring mich zu ihm″, erklärte die Dämonin eifrig. „Er kommt niemals hierher, er schickt immer bloß die Frauen und Kinder... Später lege ich die schönsten Steine auf einen bestimmten Platz in den Felsen. Wenn ich in die Oase gelangen könnte...″

„...würdest du wüten wie eine tolle Dhuyu in einem Pferch mit zahmen Kedakhs darin. Nein, das kann ich nicht zulassen.″

„Du vergisst eines – du wirst bei mir sein. Und du kennst jetzt meinen Namen.″

Kurzes Zögern, dann Aufatmen. „Ja. Richtig. Lass uns losgehen.″

„Nicht so hastig″, Zaran lächelte, „auch der Wassermeister besitzt Macht. Er weiß um Dinge... und er trank von meinem Blut. Wenn wir seine Macht brechen wollen, ist ein Ritual notwendig.″

Nein, schrie ich lautlos auf, warf mich gegen die steinernen Wände, wölkte prasselnd Sandkörnchen empor und schwängerte die Luft in der Quellhöhle mit Staub. Die Rabenkriegerin ignorierte meine Aufregung, ja, sie bemerkte sie nicht einmal.

„Um unser Bündnis zu besiegeln, müssen wir unser Blut tauschen. Nur ein wenig″, beschwichtigte Zaran Kadyats aufkommenden Argwohn. „Hier, du fängst an. Trink.″

Sie fuhr mit einer dunklen gekrümmten Kralle über ihr weißes Handgelenk. Die Haut sprang auf, Blut floss dunkel, tropfte zäh auf den Felsgrund. Zaran streckte ihre Hand der Rabenfrau entgegen.

Auch in Kadyats Dienst an der Göttin Vayra spielte Blut eine große Rolle, sie schöpfte daher keinen Verdacht. Mit einigen Schritten hatte sie die andere Frau erreicht, hob deren Hand an die Lippen und trank. Die Dämonin beobachtete, wie Kadyat schluckte. Zaran ließ sie eine Weile gewähren, schloss die Augen und lächelte. Fast meinte ich, Lust in ihren Zügen zu entdecken. Schließlich flüsterte sie: „Genug.″

Kadyats Mund glänzte rot. Nun trug sie die Saat der Dämonin in sich. Sie ließ zu, dass Zaran nach ihrer Hand griff, sah die weißen Fänge sich in ihre Haut bohren, sah das Blut hervortreten und rinnen. Sah die andere trinken...

Plötzlich – ein herangleitender dunkler Schatten, Pfeifen wild schlagender Flügel, Krächzen – sie riss ihre Hand von den Lippen Zarans fort, fauchte: „Du hast mich betrogen! Das war eine List!″

Zaran wischte gelassen Blutstropfen aus ihren Mundwinkeln. „Jetzt sind wir wahrhaft gleich. Ich werde mit dir reisen.″

„Warum? Reisen sind gefährlich.″

„Ich will hier fort. Und ich will Rache für die Kinder.″

Mit dem letzten Wort begann die Gestalt der Dämonin zu verschwimmen. Sie zerfloss, wandelte sich in etwas anderes, weitaus Gefährlicheres – bis eine schwarze, elegante Dhuyu schwanzschlagend auf dem Felsboden stand. Ihre Augen fluoreszierten. Sie leckte sich das Maul. Fauchen. Grollend lösten sich Worte aus ihrem Hals: „Ich danke dir. Mit deinem Blut habe ich die Macht des Wandels zurückerhalten. Lass uns jetzt aufbrechen. Die Nacht ist kurz.″

„Das wirst du bereuen″, stieß Kadyat zornig hervor. Der Rabe saß auf ihrer Schulter und krächzte zustimmend. „Die Göttin verachtet Heimtücke. Sie wird mir einen Weg weisen, dieses Bündnis zu lösen und mich zu rächen.″

„Ja, ja. Aber für den Augenblick sind wir Partner. Und ich habe gar nicht vor, dir zu schaden. Das zählt doch, findest du nicht?″ Amüsiertes Fauchen. „Ich wette, nach einigen Jahrhunderten hast du dich an mich gewöhnt. Und vielleicht auch deine Göttin.″

Finster musterte Kadyat die schwarze Katze. „Jahrhunderte?″

„Hmm... vielleicht eher Jahrtausende. Oder mehr. Wir leben lange. Und du jetzt auch.″ Es machte den Eindruck, als grinse sie. „Fürs Erste haben wir aber eine Aufgabe zu erfüllen... ich freue mich schon.″ Gähnend riss sie den Rachen auf, zeigte die spitzen Fänge.

Düster schweigend wandte die Rabenkriegerin sich um und begann den Gang emporzusteigen.

Nun, was gibt es noch zu erzählen? Die Vier kehrten zurück in die Oase und berichteten allen vom Verrat, den der geschätzte Meister begangen hatte. Die Bewohner glaubten die Geschichte allerdings erst, nachdem die Dämonin den Herrn der Oase gezwungen hatte – oh, es war nur wenig Blut, sie schwächte ihn, ließ ihn aber am Leben – seine Schätze herauszugeben.

Die Mütter saßen über ihn zu Gericht. Das Urteil, das sie fällten, war gerecht... und hart. Sie schickten ihn in die Wüste. Ohne Wasser.

Nach dem Tod des alten musste ein neuer Wassermeister bestimmt werden. Die Wahl fiel auf Dashrab. Jeder kannte ihn als anständig, ehrenwert, sanftmütig... gerecht. Nun, er war all das und mehr. Zuerst ließ er die Schätze unter allen Bewohnern der Oase verteilen. Es gab eine stille Feier zu Ehren der toten Kinder - und Überlegungen, einen abgedeckten Kanal durch die Felsen zu schlagen, um Wasser bis zur Oase zu leiten.

Viel später verbrachte der Jüngling eine Nacht mit der Kriegerin. Sie weihte ihn in die Freuden der Liebe ein, zeigte ihm, wie er mit seinem Körper Frauen Lust schenken konnte, und schenkte ihm selbst überreichlich davon.

Er liebte sie heiß, jedenfalls bin ich davon überzeugt. Allerdings schwieg er, was das anging. Er wusste, dass sie nicht bei ihm bleiben würde, die schöne Fremde mit dem Raben auf der Schulter und der Katze zu ihren Füßen.

Ich begleitete sie, als sie die Oase des kreisenden Windes verließ. Einsam. Vor ihr die blutrote Danaar, über ihr die Silhouette eines schwebenden Vogels und neben ihr die Katze.

Mit leiser Wehmut in meiner Seele erinnerte ich mich meines eigenen Schicksals. Bevor ich dazu verdammt wurde, als der staubherzige Tachkaan zu leben.

Doch das ist eine andere Geschichte.

Von Freaks und Monstern

Aus Henians Tagebuch