Die Geschichte des Eisens, Band 3: Das 16. Jahrhundert - Dr. Ludwig Beck - E-Book

Die Geschichte des Eisens, Band 3: Das 16. Jahrhundert E-Book

Dr. Ludwig Beck

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Beschreibung

Während nur zu viele Bücher erscheinen, die das nicht wirklich bieten, was der Titel erwarten lässt, haben wir es hier mit einem Werke zu tun, welches unendlich viel mehr gibt, als sein Name verspricht. Wird auch aus der "Geschichte des Eisens " keine allgemeine Kulturgeschichte, so veranlasst doch die Bedeutung und vielseitige Verwendung dieses Metalls den Verfasser zu einer Darstellung, die alle Teile der materiellen Kultur umfasst oder wenigstens berührt. Der allgemeine Wert des Gesamtwerkes ist vielleicht noch viel mehr ein historischer als ein technischer. Der Verfasser ist zwar von Hause aus Techniker und weist in seiner Einleitung mit Bescheidenheit darauf hin, dass man von ihm nicht das erwarten dürfe, was der Geschichtsforscher leiste, er zeigt aber bald darauf durch eine treffliche Bemerkung, dass ihm zum Historiker nichts fehlt, als vielleicht die akademische Qualifikation, und dass viele Männer vom Fach von ihm noch lernen können. Einen bedeutungsvollen Satz, den Beck durch das ganze Werk hindurch mit seltener Belesenheit, großem Fleiß und geschickter Kombinationsgabe befolgt und durchführt, kann man hier wörtlich anführen: "Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Geschichtsschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu große Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Bedingungen der menschlichen Entwicklung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtigung fänden. " Dieser Gedanke wird sich ja wohl bei der wachsenden kulturgeschichtlichen Forschung immer mehr Bahnbrechen, und Beck hat jedenfalls das Verdienst, in seiner Geschichte des Eisens gezeigt zu haben, wie dankbar und erfolgreich das Betreten dieses Weges ist, wenn sich mit sachlicher, hier technischer, Kenntnis historischer Sinn und fleißiges Quellenstudium vereinigen. Die Schwierigkeiten, die sich einer solchen ersten Arbeit, denn eine Geschichte des Eisens hat es bis jetzt nicht gegeben, entgegenstellen, hat Beck in überraschender Weise überwunden. Die zerstreuten Quellen historischen, philologischen, archäologischen, auch poetischen Charakters, sind mit staunenswertem Fleiß gesammelt und gut verwertet. Dies ist Band drei von zehn und behandelt die Zeit des 16. Jahrhunderts. Der Band ist durchgängig illustriert und wurde so überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der heutigen Rechtschreibung entsprechen.

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Die Geschichte des Eisens

 

Band 3: Das 16. Jahrhundert

 

DR. LUDWIG BECK

 

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte des Eisens, Band 3, Dr. Ludwig Beck

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849661885

 

Quelle: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895>, abgerufen am 04.03.2022.. Der Text wurde lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz CC-BY-SA-4.0. Näheres zur Lizenz und zur Weiterverwendung der darunter lizenzierten Werke unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de. Der Originaltext aus o.a. Quelle wurde so weit angepasst, dass wichtige Begriffe und Wörter der Rechtschreibung des Jahres 2022 entsprechen. Etwaige Seitenverweise beziehen sich auf die Originalausgabe und stimmen in aller Regel nicht mit der vorliegenden Edition überein.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

VORWORT.1

EINLEITUNG.3

SCHRIFTSTELLER DES SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERTS.21

ALLGEMEINER TEIL.61

EISEN, EISENERZE, PROBIEREN DER ERZE UND AUFBEREITUNG.61

RÖSTEN DER ERZE.78

HOLZVERKOHLUNG, STEINKOHLEN UND TORF.83

VON DEN ÖFEN.94

VON DEN BLASEBÄLGEN.113

DAS AUSSCHMELZEN DER EISENERZE.130

LUPPENSCHMIEDE.130

STÜCKÖFEN.139

BLAUÖFEN.160

FLOSSÖFEN.166

HOCHÖFEN.168

DIE SCHMIEDEEISENBEREITUNG IN FRISCHFEUERN.186

DAS FRISCHEN.186

DIE STAHLBEREITUNG IM SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERT.221

DIE EISENGIESSEREI IM SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERT.239

DIE FEUERWAFFEN IM 16. JAHRHUNDERT.287

DIE WAFFENSCHMIEDEKUNST IM 16. JAHRHUNDERT.306

DIE KUNSTSCHMIEDEREI UND SCHLOSSEREI.406

DIE SCHLOSSEREI.419

WASSERHÄMMER, ZAIN-, NAGEL- UND BLECHSCHMIEDE.427

DIE NAGELSCHMIEDE.443

DIE BLECHSCHMIEDE.449

DRAHT- UND NADELFABRIKATION.455

MASCHINENWESEN.468

CHEMIE.486

BERGBAU, BERGORDNUNGEN UND BERGMANNSGEBRÄUCHE.489

WALDWIRTSCHAFT UND WALDORDNUNGEN.497

ZÜNFTE DER EISENARBEITER.502

DER EISENHANDEL UND DIE DEUTSCHE HANSA.513

 

 

VORWORT.

 

Indem ich die zweite Abteilung meiner Geschichte des Eisens der Öffentlichkeit übergebe, sei es mir gestattet, einige erläuternde Worte vorauszuschicken.

Der Plan des Werkes, eine umfassende Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung zu bieten, ist unverändert festgehalten; allein es liegt in der Natur der Sache, dass mit der fortschreitenden Entwicklung der Eisenindustrie der technische Standpunkt mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Im ersten Teil überwog das kulturgeschichtliche Element, in den übrigen wird das Technische vorherrschen, doch werden sich auch hier überall kulturgeschichtliche Anknüpfungen finden.

Eine große Schwierigkeit bot die Gliederung des Stoffes. In der alten Geschichte konnte die Einteilung nach Nationen vorangestellt und die technischen Erörterungen derselben untergeordnet werden, in der neueren Geschichte ist dies nicht mehr möglich, hier müssen die technischen Gesichtspunkte das Einteilungsprinzip bilden, während die nationale Teilung zurücktritt. Dies wird mit jedem neuen Jahrhundert mehr der Fall, indem die Eisenindustrie umso mehr international wird, je mehr sie sich der Gegenwart nähert. Um die Fülle des Stoffes überhaupt bewältigen zu können und eine chronologische Ordnung festzuhalten, sind für die Haupteinteilung Abschnitte nach den Jahrhunderten gewählt worden. Jedes Jahrhundert zerfällt sodann in einen allgemeinen technischen Teil und in einen lokalen Teil, in welchem die Geschichte der einzelnen Länder abgehandelt wird. Diese Landesgeschichte enthält vielfach Beispiele für die allgemeine Geschichte. Je näher man aber der Gegenwart kommt, je mehr tritt der zweite Teil gegen den ersten zurück. Für das neunzehnte Jahrhundert lässt sich diese Einteilung überhaupt nicht mehr streng festhalten. Denn während in den früheren Jahrhunderten, wie in der ganzen alten Zeit die Nachrichten über die Technik der Eisenbereitung so spärlich sind, dass die Hauptarbeit darin bestand, das Material dafür zusammenzusuchen, so entwickelte sich seit der Erfindung der Dampfmaschine, besonders aber in unserem Jahrhundert eine solche Fülle der technischen Literatur, dass die Mühe umgekehrt darin bestand, in dieser Hochflut des Stoffes das Steuer festzuhalten, um den Kurs nicht zu verlieren. Bei der großartigen Entwicklung der Eisenindustrie im neunzehnten Jahrhundert, bei der fast verwirrenden Teilung und Spezialisierung der technischen Prozesse war es durch die Menge des Materials nicht mehr möglich, an so großen Zeitabschnitten festzuhalten, es mussten, um den historischen Fortschritt klarstellen zu können, kürzere Perioden gewählt werden. Leider ist es bei dieser Art der Behandlung nicht immer möglich gewesen, Wiederholungen zu vermeiden. Der Verfasser hat sich die größte Mühe gegeben, dieselben möglichst zu beschränken und wo sie für das Verständnis unvermeidlich waren, ihnen neue Seiten abzugewinnen gesucht.

Eine andere kaum lösbare Schwierigkeit lag darin, den ungeheuren Stoff so zu bearbeiten, dass er das Interesse des Technikers ebenso wie das des Nichttechnikers fesselt. Eine ganz leichte Arbeit wird es für den Laien in der Technik nicht sein, sich durch das Werk durchzuarbeiten. Trotzdem wagt der Verfasser zu hoffen, dass es jedem Gebildeten verständlich sein wird. Freilich gehört dazu freundliches Entgegenkommen der Leser, sowie gütige Nachsicht der berufenen Kritiker.

Rheinhütte-Biebrich, im Juni 1895.

Dr. L. Beck.

 

 

 

DIE GESCHICHTE DES EISENS IM SECHZEHNTEN JAHRHUNDERT.

 

Einleitung.

 

Eine neue Zeit begann um das Jahr 1500. Eine gewaltige Bewegung hatte alle Geister in Europa ergriffen. Es vollzog sich ein Gärungsprozess, in dem das Alte in nichts zu verschwinden schien vor dem Neuen.

Auf allen Gebieten machte sich ein revolutionäres Streben fühlbar. Der künstliche Bau der scholastischen Weltweisheit, auf theologischer Grundlage errichtet, stürzte in Trümmern vor dem frischen Hauch des Humanismus und vor der überzeugenden Kraft der Naturwissenschaft. Himmel und Erde schienen sich zu verändern. Der alte Himmel war nicht mehr das über den Erdkreis gespannte Gewölbe, an dem Sonne, Mond und Sterne sich in täglichem Laufe um die ruhende Erdscheibe bewegten; der neue Himmel erweiterte sich zum unendlichen Raume, in dem Welten ihre gesetzmäßigen Bahnen wanderten und deren Mittelpunkt — schon ahnte man dies und bald bewies es der gelehrte Kanonikus von Frauenburg, Nikolaus Kopernikus — die Erde nicht war. Auch die alte Erde war nicht mehr dieselbe. Hatte doch der kühne Genuese Christoph Kolumbus im festen Glauben, dass die Erde nicht die Scheibe sei, auf deren abgekehrter Seite sich die Hölle befinde, wie sie sein großer Landsmann Dante in der „göttlichen Komödie“ so ergreifend geschildert hatte, sondern dass sie Kugelgestalt habe, es gewagt, seinem Glauben und seinem Kompass vertrauend, nach Westen in den unbekannten, unendlichen Ozean hinauszusteuern mit dem kühnen Entschluss, die Erdkugel zu umfahren, um einen kürzeren Weg nach dem Goldlande Indien zu finden. Glänzender Erfolg hatte sein kühnes Unternehmen gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, dass ihr Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der einfache Mann, dass die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt hatten, ein Märchen gewesen war.

Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Gebiete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung wie der gewerblichen Tätigkeit rangen nach Erneuerung.

Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte wichtige Ereignisse vollzogen. Den größten Eindruck hatte die Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz erfasste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig. Die große Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen aufgenommen. Sie brachten die reichen literarischen Schätze nach Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek geworden sind.

Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus ließ lateinische Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Reformation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.

Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hochgebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst, nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern.

Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin. Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis dahin allein maßgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang.

Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwicklung am Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung starker politischer Körper, größerer Machtgebiete hin.

In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Aragonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der neuen Welt ihm zuströmten.

Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschieden worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII. durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders der modernen Artillerie.

England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffentaten zuletzt gescheitert: es musste sich vor dem siegreichen Frankreich zurückziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahrhundert lang die Entwicklung im Inneren und eine zielbewusste Politik nach außen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bosworth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der roten und weißen Rose ein Ende gemacht. Heinrich Tudor bestieg als Heinrich VII. den englischen Thron, und wenn er auch kein Fürst von hervorragender Begabung war, so war doch seine Regierung eine kluge und sparsame, vor allem aber begriff er klar, dass Englands zukünftige Entwicklung von seiner bevorzugten Insellage bedingt sein müsse. Er ließ deshalb die kriegerische Kontinentalpolitik seiner Vorgänger fallen und trat in freundschaftliche Beziehung mit der ersten Seemacht der damaligen Zeit, mit Spanien. Im Inneren aber stärkte er durch Schwächung des Adels und durch Kräftigung des Bürgerstandes die Einheit des Reiches.

Auch das skandinavische Reich im Norden Europas rang nach Entwicklung einheitlicher Macht. Äußerlich war diese ja schon von der genialen Königin Margarete durch die Kalmarische Union im Jahre 1397 erreicht worden. Aber eine innere Verschmelzung der drei stammverwandten Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen wurde hierdurch nicht erzielt. Ihre Lebensbedingungen waren zu verschieden, als dass die künstliche Vereinigung eine dauernde hätte sein können. Jedes der drei Reiche strebte nach selbständiger Einheit und schon hatten in Schweden die blutigen Kämpfe begonnen, die zu diesem Ziele führen sollten.

Sehen wir bei den westlichen und nordischen Reichen Europas eine ausgesprochene zentripetale Entwicklung, so scheint bei den Reichen der Mitte, Deutschland und Italien, das zentrifugale Streben den Sieg behalten zu sollen. Italien ist zerrissen durch widerstreitende Interessen, Deutschland durch die wachsende Macht der Lehensfürsten, durch welche die Kaisermacht immer mehr eingeschränkt wird. Aber trotz dieser Zersplitterung lässt sich doch bei den Einzelfürsten Italiens und Deutschlands ein ebenso energisches Streben nach Machterweiterung und nach Erhöhung der Souveränität erkennen, wie wir dies bei den einheitlichen Staaten des Westens gesehen haben. In dieser Beziehung ging das Haus Habsburg, bei dem die römische Kaiserkrone jetzt durch Gewohnheit erblich geworden war, selbst allen anderen voraus, indem es planmäßig seine Hausmacht auf Kosten der kaiserlichen Macht vergrößerte und den mächtigen österreichischen Staat gründete.

Alle diese Bestrebungen nach Erhöhung der Fürstenmacht, nach Gründung starker staatlicher Verbände, fanden eine kräftige Stütze und eine sittliche Rechtfertigung in dem römischen Recht, das, aus den gleichen Verhältnissen hervorgegangen, auf dem Begriff der Souveränität des Staates aufgebaut war. Deshalb unterstützten die Fürsten die Einführung des römischen Rechtes in egoistischem Interesse. Sie befreiten sich dadurch von der lästigen Bevormundung durch die Priesterschaft, deren maßgebende Stellung eine Voraussetzung des kanonischen Rechtes bildete. Auch das germanische Recht, welches mit dem kanonischen in der kommunistischen Grundlage, wonach der Besitz ursprünglich der Gesamtheit, der Gemeinschaft gehört, übereinstimmte, wurde von dem römischen Recht mit seiner scharfen Definition des Eigentums und seinen klaren Bestimmungen zum Schutz des persönlichen Besitzes verdrängt zum Vorteil der Reichen und Mächtigen, zum Nachteil der Armen und Besitzlosen.

Freilich ließen sich die Beschränkungen, welche das kanonische und zum Teil auch das germanische Recht der Mobilisierung des Eigentums in den Weg legte, nicht aufrecht erhalten in einer Zeit, in der Handel, Verkehr und Gewerbstätigkeit nach Ausdehnung und Entwicklung strebten. Besonders die Wucherverbote, welche jedes Zinsnehmen für das mobile Kapital für sündhaft, die jeden Handel, der nicht Tauschhandel war und der mit der Absicht, einen Gewinn zu erzielen, betrieben wurde, für unchristlich und wucherisch erklärten, konnten ohne große Nachteile nicht fortbestehen. Die schönen Grundbegriffe des deutschen Rechtes, Ehre und Treue, erwiesen sich unzulänglich in Handel und Verkehr und wurden ersetzt durch die bestimmteren Paragraphen des Justinianischen Gesetzbuches über das Eigentum.

Damit zog aber zugleich ein ganz neuer Geist in das wirtschaftliche Gebiet. Auch auf ihm verdrängten neue Anschauungen die alten Gewohnheiten. Der Begriff des Geldes als Maß für alle Werte kam jetzt erst zu allgemeiner Anerkennung. Daraus entsprang die Festsetzung von Preisen für Waren, für Güter und für die Arbeit. Es entsprang aber ferner daraus eine Wertschätzung des Besitzes von geprägtem Geld, die man früher kaum gekannt hatte und die zu einseitiger Übertreibung neigte. In engem Zusammenhange damit entwickelte sich eine größere Beweglichkeit des Vermögens, insbesondere des mobilen Vermögens; — die fast vollständige Gleichstellung der beweglichen mit den unbeweglichen Gütern; die scharfe Unterscheidung von Eigentum und Forderung.

Waren dies Vorteile für das wirtschaftliche Gebiet, so brachte uns die Übernahme der römischen Gesetzeserbschaft auch Nachteile. Der Römer kannte die freie Arbeit nicht, für ihn gab es nur Sklavenarbeit; er verachtete infolgedessen die gewerbliche Arbeit, und freiwillige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese niedrige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organisationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden, Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zusammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger. Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens; — nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau, als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens.

Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung alle Gemüter ergriffen. — Wie auf allen Gebieten des Lebens der Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unterrichteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr durch Rohheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus. Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu diesem Zweck wurden die Ablasspfennige von den Armen und Bedrängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit und im Glauben, erfasste die Christenheit. Trauer und Verstimmung zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten. Auch hier bereitete sich eine Revolution vor.

Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, dass gerade um diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte, warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte, warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Erfindungen waren es hauptsächlich, welche die alten Verhältnisse über den Haufen warfen und eine neue Zeit ins Leben riefen: die Erfindung des Schießpulvers und die Erfindung der Buchdruckerkunst.

Wie unsere Zeit unter der Signatur des Dampfes steht, so stand die Zeit um das Jahr 1500 unter der Signatur des Pulvers und des Buchdruckes. Auch wir leben in einer stürmischen Zeit der Neugestaltung, des Fortschrittes und ihren Ausgangspunkt hat diese Periode in der Verbesserung der Dampfmaschine durch James Watt; denn durch diese Erfindung wurden die Kräfte der Menschen vervielfältigt, durch diese Erfindung wurden neue, ungeahnte Verkehrsmittel geschaffen, welche die Bewohner der ganzen Erde in neue, enge Beziehungen gesetzt, tausenderlei neue Erwerbsmittel geschaffen haben. — Ähnlich waren die umgestaltenden Wirkungen der beiden Erfindungen am Ausgange des Mittelalters, die des Pulvers und des Buchdrucks.

Über die Erfindung des Schießpulvers und ihre Bedeutung für die Geschichte der Eisenindustrie haben wir uns bereits im ersten Band ausführlich ausgesprochen.

Indem wir daran anknüpfen, führen wir hier nur weiter aus, wie durchgreifend ihr Einfluss auf die Umgestaltung der Bewaffnung und des Kriegswesens war und wie durch sie eine ganz neue Politik in Europa geschaffen wurde. Was wir oben in flüchtiger Skizze zu schildern versucht haben, das Streben, stärkere Machtgebiete zu bilden, hatte seinen Grund und Ausgang in der veränderten Kriegsführung infolge der Einführung der Feuerwaffen. Die Tapferkeit des einzelnen Mannes, seine Gewandtheit in der Führung der Waffen, selbst die Vortrefflichkeit seiner kostspieligen Schutzbewaffnung verlor mehr und mehr an Bedeutung gegenüber der Zahl und der Güte der Feuerröhren, von geübten, wenn auch nur abgerichteten Händen bedient. So sank der Wert des freien Ritters mit dem Glanze der mittelalterlichen Kampfweise. Und wie der Wert des gewappneten Mannes gegenüber dem Handrohr gering wurde, so wurden es die Bollwerke des Rittertums, die Mauern und Türme ihrer Burgen gegenüber dem schweren Geschütz, den Stücken und Bombarden. Nicht mehr war der Fürst der mächtigste, der die glänzendste Ritterschaft um sich versammeln konnte, sondern der, welcher die Geldmittel besaß, die meisten Schützen und die besten Büchsenmeister zu bezahlen.

In Deutschland hatte die Geschützkunst ihren Ausgangspunkt, ihre eigentliche Heimat. Deshalb waren es zunächst die reichen deutschen Städte, deren politische Macht und deren Ansehen wuchs durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden, eine geordnete Landwehr.

Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten, auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Ausrüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb verfielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht und Sold zu halten.

Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuß und zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Berufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte großen Einfluss auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Bewaffnung größerer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so entstanden die ersten Gewehrfabriken.

Welchen Einfluss die Entwicklung des Geschützwesens auf das Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass das Bedürfnis der Artillerie die Erfindung des Eisengusses veranlasst hat.

War die Erfindung des Schießpulvers zunächst für die politische Entwicklung Europas von größtem Einfluss, so war es die Erfindung der Buchdruckerkunst für die geistige Entwicklung.

Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit, welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch in ihrer Wirkung so unermesslichen Erfindung des Johann Gensfleisch, mehr bekannt unter dem Namen seiner Mutter v. Gutenberg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schriftdruck.

Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagenden Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese. Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen.

Goethes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?: „der Abschluss des Gesuchten“, ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine große Rolle bei der Betätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei, nicht die Auffindung einer neuen Tatsache allein bedingt den Wert einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder muss die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine zweckmäßige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Übersetzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein Interesse erweckte.

Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender Personen.

Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes Gutenbergs; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben werden muss.

Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach, das bewies der großartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.

Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war ausschließlich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der Welt vor sich ging und was die großen Männer des Altertums gelehrt hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen, deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. Anfangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heidnischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche Schriften, die das größte Interesse erregten. Die Wissenschaft, die bis dahin entweder ganz einseitig oder enzyklopädisch gewesen war, trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungsfreudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von Hutten so schön Ausdruck verlieh in den Worten: „O Jahrhundert, die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!“

Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende Einfluss der Buchdruckerkunst aus. — Durch das gesteigerte Bedürfnis der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede, Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte; dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum 15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmäßig betrieben, doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren Gewinnung größere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Tätigkeit im Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, dass seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so einfach, dass ein jeder es auszuschmelzen imstande war. Deshalb erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im geringen Grade, und was diese darüber zu berichten wussten, ging nicht über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die ganze mittelalterliche Literatur über das Eisen, mit Ausnahme der wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theophrast, Plinius und Strabo, zu denen nur noch Albertus Magnus als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewusst und was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist enzyklopädische Literatur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode, welches große Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino. Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im 16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt. Es wurde in allen Ländern Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der Abkunft der katholischen Gebräuche. In dieser Beziehung trug es viel zur Aufklärung im 16. Jahrhundert bei und half mit die Reformation vorzubereiten.

Technische Belehrung, die man nach dem Titel erwarten sollte, bietet dagegen das Werk nur wenig. Es ist eine Zusammenstellung von Namen meist mythischer Persönlichkeiten, die den Griechen, Römern und Juden als die Erfinder der Künste und Handwerke galten. Das Eisen ist nur kurz in dem 19. Kapitel des II. Buches abgehandelt, welches den Titel führt: „Wer zuerst Gold, Silber, Eisen, Blei, Erz, die Werkzeuge, das Feuer für sich, dann aus Kiesel und aus Holz, sowie die Blasebälge und die Kerzen erfunden hat.“ Aber vergeblich sucht man nach sachlichen Mitteilungen; man findet nur Namen und bezüglich des Eisens nur die von Plinius, Clemens von Alexandria, Herodot, Strabo, Josephus und in der Heiligen Schrift namhaft gemachten Erfinder desselben. Über die Eisengewinnung zur Zeit des Verfassers selbst erfahren wir nichts.

Die Eisenindustrie hatte aber im 15. Jahrhundert eine große Umwälzung erfahren. Wir wissen dies, wenn auch kein Schriftsteller dieses Jahrhunderts davon Kunde gibt. In den Anfang des 15. Jahrhunderts fällt die Erfindung des Eisengusses und der Übergang zum Hochofenbetrieb, also von der direkten zu der indirekten Eisenbereitung, zur Roheisenerzeugung. Wir haben diesen Umschwung und die Ursachen, welche dazu geführt haben, bereits ausführlich im letzten Teile des I. Bandes dieses Werkes dargestellt und begnügen uns, kurz die Hauptmomente zu wiederholen.

Der Ausgangspunkt sowohl der Erfindung des Eisengusses als des Überganges zur Roheisendarstellung bildete die Benutzung des Wassers als Betriebskraft bei der Eisenbereitung. Hauptsächlich nach zwei Richtungen wurde die Wasserkraft nutzbar gemacht: zur Bewegung eiserner Hämmer beim Ausschmieden der Luppen und zur Bewegung der Blasebälge. Dadurch wurden beim Schmieden wie beim Schmelzen weit größere Wirkungen erzielt, als das vordem geschehen war. Beim Schmelzen der Erze war die Wirkung der verstärkten Windzufuhr, anfangs zum Schrecken des Schmelzers, eine solche, dass er das Eisen gar nicht mehr als eine zähe, wachsartige Masse, die sich unter dem Hammer schmieden ließ, aus dem Ofen erhielt, sondern als ein flüssiges Metall, das erstarrt, unter dem Hammer auseinander flog. Dieses Eisen war so flüssig, dass es sich wie geschmolzenes Erz in Formen gießen ließ. Zum zweiten Mal und zwar in einem Herdfeuer vor dem Winde niedergeschmolzen, verwandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmäßiger und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Benutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, dass sich die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der Wälder in die Täler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelzfeuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen, Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen in großen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in entlegene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Teil unserer Geschichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte, der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste literarische Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozess besingt und verherrlicht, ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze stellen.

Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre. Er schildert in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre 1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit, die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit, mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Begeisterung auszudrücken weiß, und er schildert anschaulich und mit liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch geordnet und lehrreich. Er schreibt von sich als einem jugendlichen Dichter. Zu solcher Vollkommenheit in Beherrschung der lateinischen poetischen Diktion dürfte es der Sohn des Hüttenmeisters von Vandeuvre aber kaum vor etwa dem 25. Lebensjahre gebracht haben, so dass die Zeit, an die sich die Erinnerungen, welche er uns vorführt, knüpfen, gewiss in das erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zurückgehen.

Das Gedicht „von der Eisenschmiede“, verfasst 1517 von Nicolaus Bourbon, lautet:

„Es war eine Winternacht; schwere Dunkelheit deckte die Erde; die Luft war bewegt, mit Regen überladen; die Winde bliesen mit Heftigkeit; eine schwere Müdigkeit teilte sich den ermatteten Gliedern mit: da erschien mir plötzlich Vulkan im Traume; sein Gesicht war schwarz und schrecklich; wie wenn er eben das Feuer verlassen, rieselte der Schweiß von seinem ganzen Leibe; sein Haupthaar war mit Eisenrost bedeckt und aus seinen wilden Augen zuckten Blitze. Bei ihm waren drei seiner Gesellen, Riesen unglaublicher Gestalt, völlig nackt, des einen Auges beraubt: Zyklopen, wie man sie einstmals nannte. Sie umstanden Vulkan, während er, der Gott, ohne meinen Schlaf zu unterbrechen, mich mit strafenden Worten ansprach: „Jüngling, Undankbarer, der du deines Vaters und deines Vaterlandes vergisst, warum verlierst du deine Zeit in dieser schmachvollen Untätigkeit? Warum vergeudest du unnütz deine besten Tage? Du versündigst dich an dem Namen, an dem Ruhm, an dem Talent deines Vaters, an ihm, der in Frieden seine Eisenarbeiter leitete, in seiner verständigen Umsicht es verstand, ihren Eifer zu erwecken und jede Leistung nach ihrem Verdienst zu belohnen. Unglücklicher! Warum vernachlässigst du so den väterlichen Ackergrund? Weshalb dies undankbare Vergessen der Wälder, die du so oft in deiner Jugend geschaut, du und deine Kameraden in frohem Spiel mit jungen Mädchen unter ihrem Laubwerk. — Diese Quellen, diese Bäche, welche diese lieblichen Wiesengründe bewässern und deren Gewässer den Schmieden deines Vaters von so großem Nutzen sind, — die hast du vergessen? Die zauberischen Plätze, deren Anblick selbst die Himmlischen entzückt, sind die deinem Gedächtnis entschwunden? Menschlichen Wünschen scheint es schöner wie das Tal Tempe; es ist weniger bewölkt als die elysischen Inseln, so lieblich ist die Temperatur, so reich und mannigfaltig sind die Erzeugnisse. Also verachtest du dein Vaterland, deine heimischen Penaten, unglückseliges Kind? Dieses Land, so würdig der Musen, soll es nie besungen werden? Soll es ewig in unwürdiger Dunkelheit begraben bleiben?

Höre denn, welchen Rat ich dir erteilen will: wenn du klug bist, grabe meine Worte in deines Herzensgrund: ich will, dass du deine Verse dazu weihest, diese Schmiede zu besingen und dass du auf diese Art allen Menschen, die es noch nicht wissen, die Kunst der Gewinnung des Eisens lehrst, dieses Metalls, so verderblich und doch gleichzeitig so kostbar; des Eisens, das die Quelle so großen Segens und so großen Unheils ist, des Lebens und des Todes! Nur mit seiner Hilfe kann man ja den wilden, unkultivierten Boden bearbeiten, um ihn fruchtbar zu machen für reichliche Ernten für die Menschen: die Bäume, die Weinberge, von denen man die wilden Schösslinge wegschneidet, damit sie von neuem in frischem Grün erstehen und sich mit Frucht bedecken.

Mit dem Eisen baut man die Häuser, durchschneidet man die harten Felsen: es ist jedem menschlichen Bedürfnis von Nutzen. Aber anderseits dient es zum Männermord, zu unseligen Kriegen, zur Rache, und geschleudert von Kriegsmaschinen oder von Menschenhänden dient es, den schrecklichen Tod zu beschleunigen.

Wohl denn, wenn du in deinem Stolz uns Gehorsam weigerst, so weist du wohl, was du zu fürchten hast für die Heimstätte deines Vaters. Noch nicht lange ist es her, dass du es nur zu sehr erfahren hast, wenn du dich erinnerst der schrecklichen Wirkung unseres Zornes: meine Glut hat deine Verse verzehrt, ich habe das gastfreundliche Haus deines Vaters zur Beute der Flamme werden lassen, ja Gras würde jetzt an der Stätte jener Schmiede wachsen, wenn nicht der gnädige Herrscher des Olymps Einhalt geboten hätte, gerührt durch die Tränen deiner kindlichen Liebe.“

Er sprach’s und gefolgt von seinen Zyklopen verschwand er in dem Schosse der Dunkelheit.

Lange Zeit grübelte ich über diese Worte nach, erschüttert von einem Auftrage von so hoher Stelle und ich beschloss, das auszuführen, was mir befohlen war. So beginne ich denn schon heute, denn ich mag damit nicht zögern, nicht, weil ich, o Vulkan, deine Blitze, deine Donner, deine tobenden Stürme fürchtete, aber ich lächle bei dem Gedanken, meine müde Seele für einige Zeit wachzurufen, und ihrem dichterischen Verlangen einen freien Aufschwung zu gestatten. Wolle du gnädig unser Unternehmen begünstigen, du mächtiger Schiedsrichter der Welt, du, der einzige geschmückten Hauptes, der mit einem Losungswort uns schützen kann, denn du bist der höchste Gott: verleihe deinem jungen Kinde die erforderliche Kraft und Weisheit. —

Auf dem Gebiete von Vandeuvre gibt es einen Platz, worauf eine Eisenhütte (ce que nous nommons une forge) sich befindet. Sie liegt am Ufer des Flusses Barse, mitten in Wiesen und in der Nähe eines hohen Turmes, den einst vandalische Krieger errichtet hatten, wie dies die Geschichte und aufgefundene Monumente uns lehren; daher trägt jenes Gebiet den Namen Vandeuvre, dessen Nachbargebiet Langres großen Ruhm erworben hat. Hier ist, wie ich sagte, der Platz, wo die Eisenhütte liegt; hier ist es, wo mein Vater Bourbon (oh, möchten die gütigen Götter ihn mir erhalten) die Arbeit leitet. Zunächst wählt er sich Arbeiter aus, die es verstehen, Bäume zu fällen, lange Mühe zu ertragen und die Axt zu führen; diese führt er in den Wald. Die Steinesche, die sich leicht fällen lässt, die wilde Esche, sowie die andern Eschenarten, die Steineiche, die Fichte und die Buche, Baumarten, die schon den Alten zur Feuerung gedient haben, stürzen krachend unter den Streichen der Axthiebe. Der ganze Wald hallt davon wieder; Haufen von Holz erheben sich nach allen Seiten hin. Der erfahrene Holzhacker schont das Unterholz, der unwissende hackt die Stechpalme mit, der Buchs lehnt sich auf: denn die Kohle, aus diesen Hölzern gebrannt, ist zu nichts nütze; und wenn man sie anzünden will, so prasselt sie auf, wie das Holz des Lorbeers, wirft eine leuchtende Flamme aus und erlöscht rasch; die Arbeit aber lässt nach und der Arbeiter schäumt vor Wut. Hat man nun gefunden, dass die Menge des geschlagenen Holzes genügt, so beginnen die Waldbewohner, arme Leute, nur schlecht bekleidet, aber stets zufrieden mit ihrem Los und geübt, Beschwerden zu ertragen, das Holz zu messen, und die Holzhacker zählen die gefällten Stämme; sie beeifern sich aber, zu prüfen und die genaue Zahl aufzunehmen, damit sie sich nicht irren bezüglich der Kohle, die sie meinem Vater abliefern, und dass anderseits mein Vater nicht mehr bezahle als sie verdienen.

Jetzt sucht ein jeder einen entblößten, völlig trockenen Platz, denn die Kohle brennt sich nicht gut auf feuchtem Boden und verzehrt sich zu Asche. So sucht auch der geschickte Arbeiter die hochgelegensten Plätze aus, um das Holz auf völlig trockenem Boden aufzurichten. Dann baut er einen Holzstoß auf von ungeheurer Masse, breit und rund an der Basis, oben wie eine Pyramide abschließend. Alsbald bedeckt er dessen Oberfläche mit Eichen- und Buchenblättern, dann mit schwarzer, schwerer Kohlenlösche, so ist das Holz, das davon bedeckt wird, nicht mehr der Luft ausgesetzt. Wenn der Augenblick gekommen ist, das Feuer anzulegen, bedient man sich einer engen Öffnung, die darunter durchläuft und mit Sorgfalt hergestellt ist, die einen Kanal inmitten des Meilers bildet und dazu dient, das Feuer anzulegen; alsdann, sobald dies geschehen, verschließt er diese Öffnung hermetisch mit Blättern und lettiger Erde; weder Wind noch Luft können eindringen. Das Feuer, indem es mit der Luft in Verbindung zu treten sucht, kriecht langsam, aber vergeblich in das Innere, wobei sich sein Fortschreiten durch lautes Geräusch bemerklich macht. Säulen von Dampf steigen in die Luft auf, so dicht und schwer und von so durchdringendem Geruch, wie die, welche der Tartarus ausatmet, oder wie der Wirbelwind, den der Sage nach Cacus, der Sohn Vulkans, gegen Herkules ausspie in dem Moment, ehe er den Todesstreich für seinen tempelschänderischen Raub in der Höhle des Berges Aventin durch Herkules empfing. Es ist nötig, dass der Arbeiter sieben Tage und Nächte wacht, damit die Kohlen richtig gebrannt werden, dass er die Regen vorausbeachte und den Wind, der von Süden bläst (Föhn), was der Anblick des Himmels sei und dass er die Sterne beobachtete. Er lasse sich nie täuschen durch den Fuhrmann und sein träges Gespann, noch durch Orion, welcher die Regen voraussagt, er kenne vollständig die verschiedenen Phasen des Mondes. Während sich das Brennen der Kohle vollzieht, kann sich der Köhler von Zeit zu Zeit ausruhen am Fuße des Meilers. Sobald der Hahn seinen Morgengesang ertönen lässt, kommt seine Frau, um ihn bei seiner Mühe zu unterstützen: sie bringt ihm Knoblauch, Salz, Zwiebel, Öl und einen Schlauch Landwein, sowie ein Stück fetten Speckes. Sie wacht einige Nächte, um dem ermüdeten Gatten Gesellschaft zu leisten, fürchtet nicht teilzunehmen an der Mühe der Nachtwache, sorgt für seine Ruhe, bereitet ihm sein Lager, reinigt seine Hütte (für deren Errichtung er zuvor sorgen muss); unser Mann arbeitet ohne Ermüdung, genießt seine Ruhe; sie immer vergnügt wie er. Nach Verlauf von sieben Tagen ist das Kohlenbrennen vollständig zu Ende geführt, und man sieht das Feuer aufhören. Dann deckt man den Meiler ab mit der Hilfe von Harken, das Holz erscheint, und hat eine vollständige Umwandlung erfahren. So erscheinen die Holzblöcke, die noch kurze Zeit vorher weiß von Farbe und feucht waren, jetzt schwarz und trocken; indes sind sie nicht vermindert durch die Einwirkung des Feuers, ändern nur die Farbe und bekommen neue Eigenschaften. Jetzt muss der Fuhrmann kommen (denn der Regen schadet der Kohle), der mit Pferd und Wagen bis nach der Behausung des Eisenschmelzers hinfährt. Hiervon jetzt genug.

Und nun wollen wir reden von den Arbeiten der Bergleute (terrassier) und meine Bemerkungen über sie, die mir nicht, trotz meiner Jugend, entgangen sind. So nennt man nämlich die Arbeiter, welche nach unendlicher Mühe und langer Zeit es dahin bringen, die Eisenerze an die Oberfläche zu bringen, die, ohne Unterlass grabend, in die Eingeweide der Erde dringen, um dort die Eisenadern zu finden, die in der Tiefe verborgen sind, und die das Metall emporziehen mit Hilfe eines Seiles und einer Maschine, die sich in sich selbst dreht. Ihr könnt nun wohl fragen, wie ich es wissen kann, durch den bloßen Anblick des Platzes, ob er Erz enthält? Die Kinder, selbst die Bauern wissen es, denn die rote Farbe zeigt es an, und es gibt keinen so unfruchtbaren Boden, wo man nicht Eisen finden könnte. Aber merkt Euch, was in der Regel das Erz besserer Güte anzeigt, das ist, dass es viel wiegt, dessen Farbe ins Gelbliche spielt, und dass es im Bruche funkelt; dann kann man seiner Güte gewiss sein, und wird sich, wenn man es schmilzt, in seiner Hoffnung nicht täuschen; dann dürfen wir auch eines großen Überflusses von Eisen versichert sein. Was aber das Erz betrifft, das von leichtem Gewicht ist und von blasser Farbe, solches wird vom Feuer verzehrt, wie Mist und lässt im Ofen nichts zurück, als eine Masse fremder Bestandteile trotz der Hilfe von Blasebälgen, die dabei nichts nützen können.

Nun muss man das ganze Erz der gewöhnten Operation, der Waschung, unterziehen; ist es zu dick und zu sehr gemischt, so legt man es erst auf Kohlen, um es zu brennen, nachdem es hiernach in kleine Stücke zerbrochen ist, wäscht man es in einem Wasserlauf, der zu diesem Zwecke hergerichtet ist, alsdann wird es zu dem Aufgange am Fuße des Ofens gefahren. An dem Ufer des Flusses Barse liegt der Hochofen, wie man ihn nennt, von quadratischer Form, massig aufgeführt, aus gewöhnlichen Steinen, inwendig aber aus sehr harten Sandsteinen gebaut, welche in bewundernswertem Grade der Zerstörung durch die Flamme und Hitze zu widerstehen vermögen. Zwei ungeheure Blasebälge aus Ochsenhaut speisen von der Rückseite aus den Ofen und gehorchen einem Rade, welches unaufhörlich vom Wasser gedreht wird. Sie bewegen sich und blasen einer nach dem andern, indem sie abwechselnd sich füllen und entleeren, und ihre Bewegungen folgen mit großer Gleichmäßigkeit aufeinander. Vor dem Ofen steht der Schmelzer (denn so ist der Name dieses Arbeiters), er lässt geschickt das Eisen, welches „Gusseisen“ genannt wird, aus dem Ofen fließen, verlangsamt oder beschleunigt die Bewegung der Bälge, entfernt mit eisernen Haken die Schlacken und regelt die Glut des Feuers; er sondert das gereinigte Eisen von dem ungereinigten und wacht Tag und Nacht, abgehärtet durch die Arbeit und an alle Mühsale gewöhnt; wie man sagt, schläft er kaum eine halbe Stunde und seine Mühe hört in den zwei Monaten, die man das Eisen in dem Inneren des Ofens lässt, nicht auf. Auf ihm ruht es, die Blasebälge zum Auswechseln der ersten, wenn sie dienstuntauglich geworden sind, instand zu setzen, und die Hitze zu erneuern und das Feuer zu unterhalten. Da strömen feurige Eisenbäche aus dem Ofen; das geschmolzene Metall fließt unter zischendem Geräusche, Flammenwirbel und Rauch ausstoßend, welcher bis zu den Gestirnen sich zu erheben scheint. Also hauchte der Ätna Flammen und Rauch aus, als Encela vergeblich seinen gewaltigen Körper freizumachen suchte, und mit Mühe nur noch Atem holen konnte bei seinen vergeblichen Anstrengungen; ein Knall ähnlich dem Donner bricht los; Flammen schlagen sprühend hervor und die Gewässer des Meeres schäumen auf. Während der Arbeit unterstützt ein zweiter Arbeiter den Schmelzer und hat die Aufgabe, frische Kohlen und Erze in den Ofen, sobald ein leerer Raum dort entstanden ist, durch seine weite Gicht zu schütten; dieser Arbeiter verharrt stets oben auf dem Ofen, wie ein treuer Wächter, ähnlich in seiner Gestalt und seinem Äußeren dem Fährmann der Unterwelt; er hat um sich Arbeiter, welche zuvor die Formen machen, von runder und hohler Gestalt aus Lehm, dann gießen sie das Eisen in diese Formen hinein und gießen selbst (unerhörtes Wunder) Bomben (so nennt man diese höllischen Werkzeuge, dämonische Erfindungen, Zeugnisse der Wut und des Zornes der Götter, schreckliche Waffen, welche Vulkan zum ersten Male den Deutschen in die Hände gegeben hat), außer diesen gießen sie Mörser, welche dazu dienen, die Mauern niederzuwerfen und Städte und Festungen bis auf ihre Fundamente zu vernichten. Ähnlich dem Blitz, der die Flamme und das Feuer trägt, schleudern diese furchtbaren Maschinen Bomben, deren Wirkung ähnlich der des Donners ist.

Das Eisen, welches aus dem Ofen kommt, nennt man noch nicht reines Eisen. Bald wird es durch einen andern Arbeiter der abermaligen Einwirkung des Feuers unterworfen und in einem Ofen ein zweites Mal gereinigt, und er macht es genugsam weich, damit es die Gestalt von Kugeln (Luppen) annimmt. Alsdann erscheinen geschickte Arbeiter, es zu glätten und auszustrecken. Sie haben einen ungeheuren Eisenhammer, durch die Gewalt des Wassers getrieben. Sie erhitzen das Eisen noch einmal, indem sie es mit starken Zangen ergreifen und in die Mitte des Feuers halten, um es, wenn es auf Weißglut erhitzt ist, in die Gefäße, zu diesem Zwecke vorgerichtet, zu tauchen. Darin ahmen sie den Chalybern nach, bei welchen der Fluss Bibueras fließt, dessen Wasser die Natur des Eisens weich macht, geschmeidiger und geeigneter zur Herstellung von Waffen. Hat das Feuer durchgewirkt, bearbeitet man es mit kräftigen Hammerschlägen. Die ganze Umgegend, Luft, Berge und Wälder hallen davon wieder bis in ihre innersten Tiefen. Dann kann man die Eisenstücke in überraschender Weise sich ausdehnen und die Form langer, dünner Schnüre annehmen sehen; man könnte es für Wachs halten. Wenn das Eisen gut geschmiedet und ausgeschlagen ist, war es die Pflicht meines Vaters, es zum Wochenschlusse sorgfältig zu wiegen. Alsdann sieht man rasch den Köhler, den Platzarbeiter, den Schmelzer, die Schmiede heraneilen; sie versammeln sich freudig zur Empfangnahme des festgesetzten Lohnes und freudig verlassen sie meinen Vater. Mein Vater, um nicht Gefahr zu laufen, irgendeinem den rechtmäßigen Lohn zu schmälern, führt ein Buch über den Verdienst jeglichen Arbeiters; er will weder jemand betrügen, noch von ihm betrogen sein. Solcherart weis er genau, was einem jeglichen zukommt. Die Arbeiter, wenn sie das Geld in der Tasche haben, kommen nun zusammen, um die Mühsale, die sie erlitten, in der Freude eines Mahles zu vergessen. Wein und Fröhlichkeit beleben sie. Dieser trinkt seinem Nachbar zu, welcher gierig an einem Knochen nagt; jener ist zur Erde gesunken, vom Schlafe übermannt, und ermüdet von dem schlechten Wein, den er getrunken. Das Haus erschallt von ihrem Geschrei; eine unerhörte Verwirrung greift Platz; sie schwatzen die verschiedenartigsten Dinge durcheinander. Man möchte glauben, Lapithen vor sich zu sehen, wenn man sieht, wie die Becher durchs Zimmer fliegen, Schlägereien entstehen, wobei Tische umgeworfen werden und oft Blut fließt. Solchen Aufregungen pflegt sich die ländliche Bevölkerung zu überlassen, wenn der Wein sie irre führt. Die Folge dieser Ausschweifung aber ist, dass ein einziger Tag die Früchte der Mühen verzehrt, welche sie Tag und Nacht zu ertragen hatten, und sie aufs neue in lange Dürftigkeit versetzt. Aber warum sich erstaunen? Tun sie doch nichts, als den Gewohnheiten und Sitten der Großen nachzuahmen; denn wenn die Hirten schlafen, verirrt sich die Herde; aber täuschen wir uns nicht, ich will ja nicht sagen, dass ihre Habgier schläft; denn nichts lässt sich vergleichen, ihren Fleiß und ihren Eifer, ihre Einkünfte zu vermehren, die Ungerechtigkeiten zu verteidigen, welche keinen andern Zweck haben, als das arme Volk in ihr Garn fallen zu lassen und sie zum Opfer ihrer verbrecherischen Ränke zu machen. Doch welche Unklugheit! Warum, armer Bourbon, sprichst du dich aus über diese kühne Freibeuterei? Warum, Unsinniger, suchst du dir nicht die Gunst der Großen zu fangen? ......

Was mich anlangt, so habe ich bis dahin meinen Gegenstand ausgemalt, ich bin aus Klugheit bei dem Kapitel des Eisens über manche Dinge hinweggegangen, welche wohl unser Interesse verdienten; ich habe zahlreiche Einzelheiten weggelassen, die mir einen älteren Dichter als mich und ein umfangreicheres Werk fordern würden. Was die Dinge anlangt, die ich bekannt gegeben habe, so habe ich sie nur leichthin behandelt für den einzigen Zweck, die Jugend zu unterrichten; deshalb, ihr jungen Leute, nehmt dieses kleine Gedicht mit Wohlwollen an, das Gedicht eines Kindes, dieses soll die Einleitung unserer Lieder sein.

 

 

SCHRIFTSTELLER DES SECHSZEHNTEN JAHRHUNDERTS.

 

Georg Agricola.

 

Wenden wir uns zu dem Leben und Wirken des Mannes, den man mit Recht den Vater der Mineralogie und mit noch höherem Recht den Vater der Metallurgie nennt, der zuerst die reichen Schätze empirischer Kenntnisse auf diesen beiden Gebieten der Naturwissenschaft mit philosophischem Geist durchdrungen und in lichtvoller Ordnung behandelt hat.

Georg Bauer, der als Schriftsteller nach der Sitte der Zeit seinen Namen latinisierte und sich Georgius Agricola nannte, wurde am 24. März 1494 zu Glauchau in der Grafschaft Schönburg geboren. Er erwarb sich eine gründliche humanistische Vorbildung, doch trat schon früh eine entschiedene Neigung für die Naturwissenschaften bei ihm zu Tage. Nachdem er sich für das Lehrfach entschlossen hatte, wurde er bereits 1518 Rector extraordinarius für die griechische Sprache bei der „großen Schule“ in Zwickau.

Eine grammatische Abhandlung, die er 1520 schrieb, erregte Aufsehen und brachte ihn mit namhaften Gelehrten in Verbindung, namentlich mit Petrus Mosellanus, der damals als Professor in Leipzig wirkte. Dieser bestärkte Agricola in seinem Streben, sich noch weiter auszubilden. Zu diesem Zweck gab derselbe 1522 seine Stelle in Zwickau auf und bezog die Universität Leipzig als Lektor bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlassten ihn, nach zweijährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das gelobte Land der Wissenschaften — insonderheit der Naturwissenschaft — nach Italien zu ziehen.

Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Universitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizinischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineralschätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachimsthal in Böhmen, und ließ sich auf den Rat von Freunden daselbst als Arzt umso lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand, seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Interesse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem medizinischen Beruf. Er war überzeugt, dass ein gründliches Studium der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren und zu verbessern. Er schreibt selbst: „Diese Lücke in der Heilkunde“ — nämlich, dass man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere, was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen — „war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu meinem Aufenthalt zu wählen.“

Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der Metalle nötig sind, und er erfasste diese Seite der praktischen Naturwissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hüttenschreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartholomäus Bach. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte originelle Schrift „Bermannus sive de re metallica“, eine in klassischer, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Bergbau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen und Übersetzungen, darunter die bereits genannte von Schmid (Freiberg 1806).

Bermannus erweckt in vieler Hinsicht unser Interesse. Fesselt zunächst die Form, das lebendige Gespräch, so erfreut bald noch mehr der reiche Inhalt und die glückliche Verbindung der klassischen Überlieferung mit der praktischen Gegenwart. Diese ist in genialer Weise durch die dramatische Form erreicht. Bermannus, der Joachimstaler Freund des Agricola, der erfahrene Praktiker, erörtert die wichtigsten auf Bergbau und Hüttenkunde bezüglichen Fragen, mit zwei in den Schriften der Alten wohlerfahrenen Medizinern Johannes Nävius und Nikolaus Ancon, und obwohl der eine seinen empirischen Standpunkt, die andern beiden die gelehrte Theorie konsequent festhalten, finden sie sich doch am Ende immer zusammen, indem die Kenntnisse des einen die der andern ergänzen, bestätigen und erweitern. So soll die kleine Schrift zugleich ein Beweis dafür sein, wie wichtig das Zusammenwirken von Praxis und Theorie ist. Zugleich ist sie eine liebenswürdige Huldigung, die Agricola, seinem Freunde Bermann, dem er seine Worte in den Mund gelegt und dessen Namen er dadurch unsterblich gemacht hat, darbringt. In diesem Büchlein finden wir die Hauptgesichtspunkte aller späteren umfassenden Werke Agricolas in leichter Weise skizziert. Das gefällige Schriftchen, welches in klassischer Form doch so ganz aus dem praktischen Leben gegriffen war, erregte allgemeines Interesse und den lebhaften Beifall der gelehrtesten Männer jener Zeit, wie dies aus den beiden anerkennenden Briefen des Erasmus von Rotterdam und des Petrus Plateanus, welche den zahlreichen späteren Auflagen vorgedruckt sind, beweisen. Auch für die weitere Entwicklung und die äußeren Lebensschicksale des Agricola war der Erfolg dieses Buches von maßgebendem Einfluss.

Agricola war aber nicht nur Gelehrter, sondern auch ein Mann, der an dem öffentlichen Leben lebhaften Anteil nahm und die Fragen seiner Zeit mit Wärme ergriff. 1529 war Sultan Soliman vor Wien erschienen. 1530 erschien eine geharnischte Schrift Agricolas: Oratio de bello Turcicis inferendo, eine Art Kreuzzugspredigt gegen den Türken, die großen Anklang fand und die eigentlich der Ausgangspunkt des für Agricolas Leben so wichtigen Verhältnisses zu dem späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen wurde. Auch der Reformation Luthers hatte er sich anfangs mit Begeisterung zugewandt. Es geschah dies in der Zeit, als er noch Lehrer in Zwickau war. Besonders war ihm, wie allen wohldenkenden Deutschen, der Ablasskram des römischen Papstes in der Seele verhasst und er trat ihm mit beißenden Epigrammen entgegen. Aber dabei blieb er nicht stehen. Wie es sein innerstes Wesen verlangte, allem auf den Grund zu gehen, vertiefte er sich sogar in theologische Studien und schrieb ein Büchlein „von den Überlieferungen der Apostel“, „de traditionibus apostolicis“. Und doch sollte die feindliche Stellung zur Reformation dem nach Wahrheit Strebenden am Abend des Lebens verhängnisvoll werden.

Der Beifall, den seine Schriften, insbesondere sein Bermannus fanden, lenkten die Blicke seiner Landsleute auf ihn und so entschloss er sich im Jahre 1531, einem Ruf der Bergstadt Chemnitz zu der Stelle eines Stadtphysikus Folge zu leisten. Wahrscheinlich geschah diese Berufung auf Veranlassung des Herzogs von Sachsen selbst, der ihm nicht lange danach auch die Stelle des ersten Historiographen des sächsischen Fürstenhauses (der albertinischen Linie) übertrug. Als solcher verfasste er das genealogische Werk: „Dominatores Saxoniae“.

Die Trennung von dem freundlichen Joachimsthal wurde ihm schwer. Aber jetzt erst fand er die Muße, den Schatz der Erkenntnis, den er dort mit rastlosem Fleiß gesammelt hatte, der Welt in herrlichen Schriftwerken zu offenbaren. Schon 1533 erschien die mehr einleitende Schrift De mensuris et ponderibus, Libri V. Die Reihe berühmter Werke, die ihn unsterblich gemacht haben, begann er aber erst zehn Jahre später zu veröffentlichen, so durchdacht und ausgearbeitet, dass sie in ihrer klassischen Vollendung heute noch unsere Bewunderung erregen. Im Jahre 1544 erschienen die Schriften, die als die Fundamentalwerke der Geologie anzusehen sind:

 De ortu et causis subterraneorum, Libri V (Von der Entstehung und Ursache der unterirdischen Dinge).

De fontibus medicatis (Über die Heilquellen).

De balneis (Von den Bädern).

De natura eorum, quae effluunt exterra (Über die Natur der Erdausströmungen), eine geologische Abhandlung, der eine im November 1545 verfasste Widmung an den Kurfürsten Moritz von Sachsen vorgedruckt ist.

Hieran reiht sich noch 1548 die sonderbare Schrift: De animantibus subterraneis (Von den lebenden Wesen im Inneren der Erde), in welcher die Existenz der Berggeister verfochten wird.

Noch gereifter und bedeutungsvoller waren die hierauf folgenden mineralogischen Werke des Agricola, von denen die Schrift De veteribus et novis metallis mehr eine historische Einleitung ist, in welcher die Geschichte der Kenntnis der Metalle behandelt wird, während das große Werk De natura fossilium, Libri X, die zehn Bücher von den Mineralien, die Grundlage der wissenschaftlichen Mineralogie, insbesondere der Oryklognosie geworden ist. Dieses wichtige Werk erschien im Februar 1546 ebenfalls mit einer Widmung an Herzog Moritz von Sachsen.

Daneben arbeitete der fleißige Mann ununterbrochen an dem Werke, das am meisten seinen Ruhm begründet hat und das auch für uns das wichtigste ist, an den zehn Büchern De re metallica (über das Hüttenwesen). Es war dies sein Lieblingswerk, an dem er bis zu seinem Tode hämmerte und feilte, dessen Veröffentlichung er aber nicht mehr erlebte. Es war sein Schwanengesang. Obgleich in der Hauptsache schon im Jahre 1550 vollendet, gelangte es erst 1556 nach Agricolas Ableben zum Druck und zwar in Basel, wurde aber in diesem ersten Jahre bereits dreimal aufgelegt. Bis zum Jahre 1614 sind sieben Auflagen davon erschienen, sowie zwei deutsche Übersetzungen, die eine von Philipp Bechius 1580 bei Sigmundt Feyrabend in Frankfurt a. M., die andere 1621 in Basel.

Die äußeren Lebensschicksale des großen Mannes hatten sich leider nicht so gestaltet, wie er es verdient hätte. Selbstlos wie er war, opferte er sich für die Allgemeinheit und musste in den letzten Jahren seines Lebens die Bitterkeit der Armut kennen lernen.

In noch schmerzlichere Bedrängnis brachte ihn sein Verhältnis zur Reformation. Er hatte der Sturmtrompete von Wittenberg mit derselben Begeisterung gelauscht, wie alle aufgeweckten Geister seiner Zeit. Auch ihm waren Luthers Hammerschläge an der Kirchentür zu Wittenberg sympathische Klänge gewesen. Aber die Konsequenzen dieser tief eingreifenden Revolution waren dem gewissenhaften, auf ernstes Studium gerichteten und entschieden konservativen Gelehrten nicht erfreulich. Die Bauernkriege, die er auf die Reformation zurückführte, missbilligte er; noch weniger aber konnte der reichstreue Mann sich mit der Auflehnung der protestantischen Fürsten gegen den Kaiser befreunden. Der Schmalkaldische Bund war ihm ein Unrecht. Zu diesen sich mehr und mehr verschärfenden Anschauungen wirkten verschiedene Verhältnisse bestimmend mit. Sein Aufenthalt in Italien und das intime Verhältnis zu seinen katholischen Lehrern mögen schon dazu beigetragen haben, noch mehr sein Verhältnis zu Erasmus von Rotterdam, dem er in freundschaftlicher Verehrung ergeben war, am meisten aber in älteren Jahren seine innigen Beziehungen zu Kurfürst Moritz von Sachsen, diesem hochbegabten, ehrgeizigen Fürsten, dessen rege Natur, wissenschaftliches Streben und hochfliegende Pläne Agricola mächtig anzogen. Es bestand zwischen dem jugendlichen Fürsten und dem gereiften Gelehrten ein geradezu freundschaftliches Verhältnis und Agricola hatte seinem Fürsten für viele Wohltaten zu danken. Kurfürst Moritz gewährte ihm schon bald nach seiner Thronbesteigung, besonders auf die Empfehlung seines vertrauten Rates Dr. Kammerstädt freie Wohnung, einen Jahresgehalt und Steuerfreiheit zur unbehinderten Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Studien. Im Jahre 1546 war Agricola durch die Wahl seiner Mitbürger in Chemnitz nicht nur in den Stadtrat gewählt, sondern auch — eine Ausnahme der Regel — sofort zum Bürgermeister ernannt worden. Dieses Ehrenamt wurde ihm dreimal von neuem übertragen, ein Beweis, wie sehr ihn trotz abweichender Religionsansichten seine Mitbürger achteten. Aber in der Konfliktzeit wurde er der streng protestantisch gesinnten Bürgerschaft verdächtig und infolgedessen nach vielen Verdrießlichkeiten trotz sechsjähriger tadelloser Amtsführung im Jahre 1552 seines Amtes entsetzt. Die hauptsächliche Veranlassung hierzu war sein persönliches Verhältnis zu Kurfürst Moritz und seine laute Verurteilung der schmalkaldischen Wirren. Agricola stand fest und unerschütterlich auf der Seite des Kaisers und zwar mit solcher Begeisterung, dass er als betagter Mann noch zu den Waffen griff und sich dem Heere Karls V. gegen die aufrührerischen Böhmen anschloss, „zur Bewährung seiner volkstümlichen Treue mit Hinterlassung seiner Kinder und schwangeren Gattin, ja mit Aufopferung seiner Habe“, wie er selbst schreibt. Die Chemnitzer dagegen hielten es mit dem Schmalkaldischen Bunde und mit dem Kurfürsten Johann Friederich. Diesem war es 1547 kurz vor der Schlacht von Mühlhausen gelungen, die Stadt Chemnitz in seine Hände zu bekommen. Als dann Herzog Moritz nach der Schlacht vor den Toren erschien, verließ Agricola die Stadt und zog mit diesem, ein Schritt, den man ihm nachmals in gehässiger Weise als Feigheit oder gar als Verrat an der Stadt ausgelegt hat. In Wahrheit war Agricola nicht nur ein guter Deutscher, sondern auch ein guter Sachse, was er dadurch bewies, dass er, als ihn im Jahre 1534 Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig unter fürstlichen Versprechungen zur Mithilfe der Wiederaufnahme des Berg- und Hüttenwesens im Harze einlud, er diesen Ruf dankend ablehnte.

Seine Opposition gegen die reformatorischen Bestrebungen, wodurch er sich so vielen Verdruss schuf, verdient achtungsvolle Beurteilung, denn sie entsprang bei ihm nur aus edler Vaterlandsliebe. So warm er sich anfangs der Bewegung zur Abstellung der Missbräuche in den katholischen Kirchen angeschlossen hatte, so sehr beklagte er nachmals die politische Uneinigkeit, die infolge derselben in Deutschland eingerissen war. Er hoffte auf Herzog Moritz als Wiederhersteller der deutschen Einheit. In diesem Sinne schrieb er in der Zueignung seines Werkes De natura eorum quae effluunt ex terra bereits 1545 an den Fürsten: „Mögest du und dein Bruder, die Ihr von Gottesfurcht erwärmt seid, beten, dass er unser durch Religionsirrungen gespaltenes Deutschland wieder zu seiner früheren Eintracht zurückführe.“

Der sektiererische Geist, der in Deutschland immer mehr um sich griff, war ihm ein Gräuel. Er konnte nicht einsehen, wie es verschiedene Arten des Christentums geben könne. Ihm war die christliche Religion etwas viel Höheres als das Bekenntnis, und so blieb es ihm unverständlich, warum sich diese nicht in der alten Form bekennen lassen solle. Die leidenschaftliche Wut gegen die ihm ehrwürdigen Formen der früheren Gottesverehrung, die Spaltungen und die Zwietracht, welche die Reformation bewirkt hatten, erschienen ihm als ein Unglück, als ein Attentat gegen die Kultur. Kurz, er sah diese weltbewegende Zeitfrage von dem Standpunkte des Patrioten und des von humanistischem Geiste erfüllten Katholiken an.

Schon als Herzog Heinrich der Fromme, des nachmaligen Kurfürsten Moritz Vater, an die Regierung gekommen war, und die Lutheraner bevorzugte, wurde Agricola wegen seines Festhaltens am Katholizismus eine förmliche Verwarnung erteilt. Hierzu bemerkt ein zeitgenössischer Biograph Melchior Adam: „Viele unbedachtsame Schritte mancher lutherischen Gelehrten und Schriftsteller, ein ärgerliches Leben vieler neuen Anhänger der gereinigten Lehre, die fanatischen Gräuel des Bauernkrieges und der Bilderstürmer, die durch die Kirchenverbesserung erfolgte schnelle Abstellung alles Gepränges bei kirchlichen Gebräuchen hätten ihn nie zur evangelischen Bekehrung vermögen können.“ Es war ein achtungswerter Mut, dass er in dieser Zeit, trotz aller äußeren Verlockungen seinem strengen Gewissen folgend, dem Katholizismus auch im äußerlichen Bekenntnis treu blieb. Wohl aber verbitterten die Kränkung seiner Absetzung als Bürgermeister wegen seiner religiösen Anschauung, und der Hohn und Spott, den er ertragen musste, die letzten Jahre seines Lebens und beschleunigten seinen Tod. Der als Gelehrter so milde Mann konnte sich im Kreise von Freunden und Mitbürgern nicht immer die Mäßigung abgewinnen, frivolen Spott schweigend zu ertragen und es gab eine feige Clique in Chemnitz, die sich förmlich ein Geschäft daraus machte, den alten Herrn zu reizen. Es lag dann in seinem Wesen aufzubrausen und heftig seine Meinung zu verfechten. Diese unbeschränkten, lauten Bekenntnisse bei einem Disput dieser Art sollen auch seinen frühen plötzlichen Tod herbeigeführt haben, und schmachvoll war die Behandlung, welche der edle Mann noch nach dem Tode von seinen Mitbürgern zu erdulden hatte. Am 21. November 1555 geschah es, dass Agricola ganz unerwartet während eines heftigen mündlichen Zwistes in einer Gesellschaft mit Neuprotestanten von einem Schlagfluss getroffen dahinstarb. Diese beklagenswerte Veranlassung seines Todes erweckte erst recht den Hass und den Ingrimm der neugeordneten evangelischen Behörden von Chemnitz, und da sie den Lebenden nicht anzufassen gewagt hatten, rächten sie sich an dem Toten, indem sie ihm ein ehrliches Begräbnis verweigerten. Ihm als früherem Bürgermeister und kurfürstlichem Historiographen und Pensionär mit freier Wohnung hätte nach altem Herkommen eine Grabstätte in der Hauptkirche gebührt, statt dessen entschied der Pastor Herr Johann Tettelbach, dass ihm eine jede Beerdigung auf städtischem Gebiete zu versagen sei. So lag denn der Leichnam Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten. Dieser gewährte der Hülle des großen Mannes eine anständige Ruhestätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet:

 

„D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chemnicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immortalitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna tabernacula transtulit.

Uxor et Liberi lugentes F. C.

Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Christum natum 1555.“